Vergleichstest: Einzylinder-Supermotos
Husqvarna SM 630 gegen KTM 690 SMC

Wenig Gewicht, viel Hubraum und nur ein Zylinder: Mit dieser Kombination sorgen Supermoto-Singles für Hochstimmung. Nun rüstet Husqvarna mit der neuen SM 630 zum Angriff auf Marktführer KTM.

Husqvarna SM 630 gegen KTM 690 SMC
Foto: jkuenstle.de

Uuuh - wenn das mal reicht! Zeige- und Mittelfinger krallen sich am Vorderradbremshebel fest, der Hinterradreifen wimmert gequält vom entschlossenen Druck aufs Bremspedal, zeitgleich tritt die linke Stiefelspitze zwei Gänge herunter. Vollbeschäftigung im Cockpit. Immerhin: Die enge Rechtskurve ist unter Kontrolle, die Linie passt - wie meist mit Einzylinder-Supermotos.

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Vergleichstest: Einzylinder-Supermotos
Husqvarna SM 630 gegen KTM 690 SMC
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Kein Wunder. Bei kaum mehr als drei Zentnern Gewicht verschieben sich die gewohnten Relationen. Bremsen, beschleunigen, abwinkeln - alles geht später, heftiger, tiefer mit diesen Offroad-Derivaten. Erst recht bei den beiden derzeit sportlichsten und hubraumstärksten Singles dieser Spezies, der KTM 690 SMC und der SM 630 von Husqvarna. Zwei Jahre ist es her, seit KTM mit der neuen Motorengeneration und vollständig neu konzipiertem Fahrwerk die LC4 grundlegend modernisierte. Nun legt Husqvarna nach. Aus dem bisherigen Drift-Flaggschiff, der SM 610 wurde die SM 630. Neben einer hydraulisch betätigten Kupplung, einer leistungsfähigeren Wasserpumpe, einer bequemer gepolsterten Sitzbank und neu gezeichneten Kunststoffteilen stand vor allem der Motor im Fokus der Entwicklungsarbeit. Zwei Millimeter mehr Bohrung stocken den Hubraum von 576 auf 600 cm³ auf, ein Zylinderkopf mit zwei obenliegenden Nockenwellen ersetzt die bisherige Ohc-Variante. Der Sinn der Sache: Dem Aggregat sollen höhere Leistung und mehr Drehfreude eingehaucht werden.

Und das aus gutem Grund. Schließlich legt die KTM die Messlatte verdammt hoch. Sage und schreibe 65 PS drückt der österreichische Einzylinder auf die Rolle des MOTORRAD-Leistungsprüfstands. Euro 3-konform und damit uneingeschränkt homologationsfähig, versteht sich. Um es gleich vorwegzunehmen: Diesen Rekordwert für Serien-Singles knackt die neue Husky nicht. 56 PS Spitzenleistung - vier mehr als ihr Vorgängermodell - und eine um 200 Touren auf 8400/min erhöhte Maximaldrehzahl, damit muss der Italo-Fan leben. Kann er auch.

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Gelungene Linie: Für Styling haben die Italiener ein Händchen – auch unter BMW-Regie. Die SM 630 wirkt elegant.

Denn der Spaß auf einem Supermoto-Bike hängt nicht einzig und allein vom Druck aus dem großen Kessel ab. Laufkultur, Handling, Federungsabstimmung, Bremsen, all das entscheidet genauso über die Lust am gepflegten Drift.

Deshalb: Aufrichten nach der Kehre, Antennen auf Empfang stellen. Sitzposition? Sportlich, offroadig, Supermoto eben. Vor allem auf der KTM. Hart drückt sich die straffe Sitzbank in den verlängerten Rücken, etwas kommoder gepolstert platziert die Husky ihren Piloten. Erste Vorboten unterschiedlicher Auslegungen? "Jaaa", scheint die KTM sofort antworten zu wollen. Peitscht unter 3000 Touren noch kurz unwirsch mit der Kette, um danach mit allen Einzylinder-Traditionen gehörig aufzuräumen. Wie vehement ihr Eintopf die vollgetankt 154 Kilogramm leichte Österreicherin anschiebt, ist in der Tat erlebenswert. Blitzschnell orgelt der 654er durch die Drehzahlleiter, hebt bis zum dritten Gang frech das Vorderrad, lässt den Schaltfuß kaum zur Ruhe kommen. Kupplung, Schaltung, alles funktioniert direkt und spielerisch leicht.

Mit dieser hypersportlichen Art hat die Husky nichts am Hut. Beherrschbarer, ruhiger drückt der 600er voran und täuscht mit diesem vergleichsweise sanften Auftritt über eins hinweg: So brav, wie sich die Husky gibt, ist sie gar nicht. Nur zwei Zehntel muss sie sich beim Spurt von Null auf 100 km/h (siehe Messungen Seite 47) von der KTM abnehmen lassen. Erst beim erweiterten Sprint auf 140 km/h wird der Atem der SM 630 flacher, schlagen sich die fehlenden neun PS nieder. Eine starke Sekunde büßt die mit 159 Kilogramm fünf Kilo schwerere Husky im Vergleich ein. Was die Italienerin nicht davon abhält, sich mit ihrer ruhigen Art auf der Landstraße Freunde zu machen. Denn sowohl die Marzocchi-Gabel als auch das Sachs-Federbein fallen vergleichsweise komfortabel aus, gefallen deshalb selbst auf Holperpisten. Wie auch die Reifenwahl. Angenehm neutral lenken die Dunlop D 253 ein, stellen sich beim Bremsen in Schräglage kaum auf und fügen sich damit in das harmonische Gesamtbild der Husqvarna ein. Selbst die Vibrationen, bei Singles dieser Hubraumdimension ein steter Begleiter, bleiben niederfrequent, nehmen erst im oberen Drehzahldrittel unangenehm zu.

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Klare Linie: Schnörkellos und effizient. Auch die Formensprache der 690 SMC spiegelt ihre pure Sportlichkeit wider.

Eine Gutmütigkeit, die der KTM zutiefst widerstrebt. Man spürt es in jedem Moment: Die 690er mag keine Kompromisse. Eine straff abgestimmte Federung und die sportliche Reifenwahl (Pirelli Dragon Supercorsa Pro) vermitteln ein ungemein direktes Fahrgefühl, lassen die 690er förmlich nach Extremen gieren. Hart anbremsen, abklappen, noch härter ans Gas gehen, diese Gangart liegt der KTM. Und muss auch dem Piloten liegen. Unentschlossenes Auftreten wird mit nervöser Lenkung beim Abwinkeln bestraft, Bremsen in Schräglage mit starkem Aufstellmoment. Ein Reifenwechsel auf gutmütigere Pneus wie zum Beispiel ContiForce SM würde die Österreicherin mit Sicherheit in dieser Beziehung besänftigen.

Allerdings: Auch die KTM kann mit bürgerlichen Werten glänzen. Etwa mit einer sehr gut funktionierenden Anti-Hopping-Kupplung oder serienmäßigen Tubeless-Felgen. Mit einer erstklassigen Verarbeitung sowieso. Und erst recht mit exzellenten Bremsen. Wie übrigens auch die Husky. Denn - wie gesagt - mit kaum mehr als drei Zentnern Supermoto-Bike machen die bei beiden Maschinen radial montierten Brembo-Stopper kurzen Prozess. Ein Finger reicht. Wenn´s sein muss, bis zum Überschlag. Egal, ob bei dem aggressiver ausgelegten KTM-Stopper oder bei der etwas sensibler agierenden Version in der Husky.

Sensibel, das Stichwort für die Husqvarna. Mit der SM 630 haben sich die Italiener, die seit dem Herbst 2007 zum BMW-Konzern gehören, durch die schrille und laute Supermoto-Gesellschaft nicht vom Weg abbringen lassen. Kein Zweifel, die 630er ist etwas stärker geworden, aber dennoch dem Charakter ihrer Vorgängerin treu geblieben. Ob Federung, Handling oder Motorcharakteristik, die Husky zeigt sich neutral und gutmütig. Ob sie sich damit im Supermoto-Segment gegen die betont sportliche und deutlich stärkere KTM durchsetzen kann, hängt vom Publikumsgeschmack ab. Ein Aspekt spricht auf jeden Fall nicht nur die Vernünftigen an: Mit 7800 Euro ist die Husqvarna einen guten Tausender günstiger als ihre Konkurrentin.

Technische Daten KTM 690 SMC

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Mehr Power geht nicht: stärkster Serien-Einzylinder.

Motor:
Einzylinder-Viertaktmotor
Einspritzung    Ø 46 mm
Kupplung    Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping)
Bohrung x Hub    102,0 x 80,0 mm
Hubraum    654 cm3
Verdichtung    11,8:1
Leistung    46,3 kW (63 PS) bei 7500/min
Drehmoment    64 Nm bei 6000/min

Fahrwerk:
Rahmen    Gitterrohrrahmen aus Stahl
Gabel    Upside-down-Gabel, Ø 48 mm
Bremsen v/h    Ø 320 mm/Ø 240 mm
Räder    3.50 x 17; 5.00 x 17
Reifen    120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17
Bereifung    Pirelli Dragon Supercorsa Pro

Maße und Gewichte:
Radstand    1480 mm
Lenkkopfwinkel/Nachlauf    63,0 Grad/112 mm
Federweg v/h    275/265 mm
Sitzhöhe    920 mm
Tankinhalt/Reserve    12,0/2,5 Liter
Gewicht vollgetankt (Messung)    154 kg
Service-Intervalle    5000 km
Preis    8895 Euro zzgl. Nebenkosten

Technische Daten Husqvarna SM 630

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Testarossa: neuer Ventiltrieb mit zwei obenliegenden Nockenwellen.

Motor:
Einzylinder-Viertaktmotor
Einspritzung    Ø 45 mm
Kupplung    Mehrscheiben-Ölbadkupplung
Bohrung x Hub    100,0 x 76,4 mm
Hubraum    600 cm3
Verdichtung    12,4:1
Leistung    42,0 kW (57 PS) bei 7750/min
Drehmoment    k. A.

Fahrwerk:
Rahmen    Einschleifenrahmen aus Stahl
Gabel    Upside-down-Gabel, Ø 45 mm
Bremsen v/h    Ø 320 mm/Ø 220 mm
Räder    3.50 x 17; 4.25 x 17
Reifen    120/70 ZR 17; 150/60 ZR 17
Bereifung    Dunlop D 253

Maße und Gewichte:
Radstand    1495 mm
Lenkkopfwinkel/Nachlauf    61,0 Grad/83 mm
Federweg v/h    250/290 mm
Sitzhöhe    895 mm
Tankinhalt/Reserve    12,8/1,8 Liter
Gewicht vollgetankt (Messung)    159 kg
Service-Intervalle    5000 km
Preis    7799 Euro zzgl. Nebenkosten

MOTORRAD-Messungen

Zeichnung: Archiv
Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung +/- 5%

Trotz vier PS Leistungszuwachs der Husqvarna (im Vergleich zum Vorgängermodell) spielt der 65 PS starke KTM-Single die Italienerin an die Wand. Vor allem in Beschleunigung und Durchzug jenseits von 100 km/h zieht die 690 SMC, bei nahezu identischer Übersetzung, deshalb ihre Asse aus dem Ärmel. Erfreulich: Der Spritverbrauch beider Einzylinder hält sich in zeitgemäß moderaten Grenzen.

   Husqcarna  KTM
Höchstgeschwindigkeit  170 km/h  186 km/h
     
Beschleunigung    
0-100 km/h  4,6 sek  4,4 sek
0–140 km/h  9,2 sek  7,9 sek
     
Durchzug  5,9 sek  5,6 sek
60–100 km/h    
100–140 km/h  7,9 sek  5,9 sek
     
Verbrauch    
Verbrauch Landstraße  4,3 Liter Super  4,5 Liter Super
Reichweite Landstraße  298 km  267 km

Fazit

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Mit den spritzigen Motoren der beiden Supermotos hebt sich das Vorderrad wie von selbst.

Platz 1: KTM 690 SMC
Die höchste Leistung, das agilste Handling - damit besetzt die Österreicherin die beiden Kernkompetenzen eines Supermoto-Bikes. Und verkörpert in Vollendung den Firmenslogan: Ready to race.

Platz 2: Husqvarna SM 630
Gutmütig, homogen, benutzerfreundlich - mit dieser Ausrichtung bietet die Italienerin ganz bewusst eine Alternative zur extrem sportlichen KTM. Die technische Auffrischung ist der Husky sehr gut bekommen.

Punktewertung

Kategorie Motor:

Mit der höchsten Leistung, einer spritzigen Motorcharakteristik und den besten Messwerten dominiert der KTM-Motor diese Kategorie klar. Einzig die für Singles typischen Vibrationen trüben das Bild. Ein Problem, das auch die Husky kennt. Löblich: Nach der Überarbeitung des Motors reduziert die Italienerin die Distanz zum Branchenprimus KTM.

Sieger Motor: KTM


Kategorie Fahrwerk:

mit neutralem Lenkverhalten und Vertrauen erweckender Kurvenstabilität verkürzt die Husqvarna den Abstand zur KTM. Dennoch: Agiles Handling, über einen breiten Bereich einstellbare Federelemente und eine gute Rückmeldung erhalten der Österreicherin letztlich einen knappen Vorsprung. Typisch Supermoto: riesige Schräglagenfreiheit.

Sieger Fahrwerk: KTM


Kategorie Alltag:

Auch im Alltag liefern sich die beiden Bikes ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das letztlich wieder die KTM für sich entscheiden kann. Die Gründe liegen vor allem in der wertigen Verarbeitung. Durch ihren größeren 12,8-Liter-Tank (KTM: 12,0 Liter) und den etwas geringeren Verbrauch rehabilitiert sich die Husqvarna mit ihrer größeren Reichweite.

Sieger Alltag: KTM


Kategorie Sicherheit:

Exzellente Bremsen sind im Supermoto-Metier Ehrensache. Da lassen sich beide Hersteller nicht lumpen. Manko der KTM: die schlecht mit dem Fahrwerk harmonierende Bereifung (Pirelli Dragon Supercorsa Pro).

Sieger Sicherheit: Husqvarna


Kategorie Kosten:

Großzügigere Garantieregelungen hieven die KTM nach vorn. Teuer bei beiden: 5000er-Inspektionsintervalle.

Sieger Kosten: KTM

  Max. Punktzahl
 Husqvarna KTM
 Gesamtwertung 1000 524 548
 Platzierung  2. 1.
 Preis-Leistungsnote Bestnote 1,0
 2,9 2,8



Sieger Preis-Leistung: KTM
Leistung und Qualität überzeugen - trotz 1100 Euro höherem Preis.

Auf der Kartstrecke

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Sinn-Bild: Spritziger Motor, aggresives Handling - damit schiebt sich die KTM af der Piste vor die Husky.

Von der Straße auf die Rennstrecke? Mit Supermotos kein Problem. MOTORRAD probierte es aus.

Kartstrecke Walldorf (www.msc-walldorf-astoria.de) in der Nähe von Hockenheim. Schleifpads montieren, 23 Euro Streckenbenutzungsgebühr (pro Tag!) zahlen - so unkompliziert kann Renntraining funktionieren. Und genauso einfach machen es die beiden Supermoto-Singles ihrem Piloten. Die Husqvarna lässt es wie auf der Landstraße wenig aufgeregt angehen. Durch den leicht beherrschbarem Leistungseinsatz und das neutrale Handling gelingt es selbst Neulingen, in kurzer Zeit auf schnelle Rundenzeiten zu kommen. Störend bleibt bei den Turnübungen auf der Piste lediglich der im vorderen Tankbereich wulstige Knieschluss.Völlig anders ist die KTM gepolt. Der quicklebendig am Gas hängende Motor, das kippelige, dafür aber messerscharfe Lenkverhalten oder die bissigen Bremsen - das alles fordert vom Piloten konzentrierten Einsatz. Allerdings belohnt ihn die Österreicherin dafür. Wenn die Stoppuhr tickt, lässt die SMC der Husky keine Chance. Jeder der Testpiloten markierte seinen persönlichen Rundenrekord auf der KTM (absolute Bestzeiten siehe oben). Angenehm: Insbesondere Hobbypiloten hilft die serienmäßige Anti-Hopping-Kupplung (APTC-System) an der KTM, ein stempelndes Hinterrad beim Anbremsen zu vermeiden.

  Husqvarna KTM
 Rundenzeit
 (jeweilig erreichte Bestzeit)
 0:42,1 min
 0:41,3 min

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023