Die perfekten Bikes zum Kurvenräubern? Zweizylinder-Supermotos sind verdammt nah dran. KTM legte mit der 950er vor, BMW zieht mit der HP2 nach und Ducati-Tuner Kämna hat einen Vorläufer der künftigen Hypermotard auf die Räder gestellt.
Die perfekten Bikes zum Kurvenräubern? Zweizylinder-Supermotos sind verdammt nah dran. KTM legte mit der 950er vor, BMW zieht mit der HP2 nach und Ducati-Tuner Kämna hat einen Vorläufer der künftigen Hypermotard auf die Räder gestellt.
Die Grenzen zwischen den Kategorien sind fließend, verschwimmen immer mehr. Die scharfen Trennfugen werden allmählich zugespült. Was ist noch Supermoto, was schon Naked Bike oder vielleicht Funbike? Entscheiden Offroad-Qualitäten? Wobei mit den durchgestylten Motorrädern eh kaum noch jemand vom Asphalt abbiegt. Legen Federwege, Sitzposition oder Optik die Stammeszugehörigkeit fest?
Eigentlich egal. Es ist nach wie vor dieses Konzept, diese Mischung aus Straßenrenner und Offroader, welches das omnipräsente Adjektiv »geil« in seinem ursprünglichen Sinn interpretiert. Etwas, das anmacht, reizt, verführt. Auch weil
es signalisiert: Du wirst der Gebieter sein. Der mit dem breiten
Lenker das Wespentaillen-Bike unter Kontrolle halten und von den 100 PS starken Aggregaten nicht überfordert werden wird.
Wie von der KTM 950 Supermoto. V-Zweizylinder mit 942 cm3 Hubraum, Gitterrohrrahmen, verpackt in ein unverschämt aggressives Design. Das Ganze für gut 11000 Euro. Brandneu dabei:
die BMW HP2. Die Hardcore-Enduro, seit knapp einem Jahr der mutige Vorstoß der Bayern ins Offroad-Sportsegment, steht nun auch auf 17-Zöllern. Die Asphalt-Accessoires gibt es nämlich als Dreingabe zur Stollen-Version: Zwei fertig bereifte Speichenräder inklusive 320 Millimeter großer Bremsscheibe im Vorderrad
zählen inzwischen zur Serienausstattung. Die Preiserhöhung fällt mit 900 Euro moderat aus, weniger gemäßigt ist indes der Einstandstarif von nun 16900 Euro. Motor und Antrieb stammen aus der 1200er-GS, der Gitterrohrrahmen mit Upside-down-Gabel und ungewöhnlichem Luftfederbein sowie die gesamte Peripherie der HP2 sind Neukonstruktionen.
Und dann Vorhang auf die Ducati Hypermotard. Scusi
Signori, zu früh gefreut. Die viel umschwärmte Studie wird erst
zur Saison 2007 als Serienbike von den Bologneser Bändern rollen. Weshalb die Ducati-Edelschmiede Kämna (www.ducati-kaemna.de) einspringt. Auf Basis der Multistrada stellten die Norddeutschen quasi eine Selfmade-Hypermotard auf die Räder. Eine schlanke Racing-Front ersetzt die rundliche Tourenverkleidung. Der 1000er-Zweiventil-V2-Motor, der auch das künftige Vorbild befeuern wird, verspricht mehr Power durch den mittels vier Millimeter größerer Bohrung auf 1079 cm3 aufgestockten Hubraum. Hinzu kommt noch ein niedrigerer Lenker und eine
Marving-Auspuffanlage. Dennoch: Als Privat-Initiative tritt die Schnupper-Motard für 14300 Euro ebenfalls kein Schnäppchen eher als Versuchsträger und verstohlener Blick in die Zukunft an.
Bereits der erste Kontakt zeigt, wie breit gefächert das Thema Supermoto-Bike angegangen wird. Trotz den 17-Zöllern sitzt es sich auf der BMW offroad-like weit oben thronend. Der extrem hochgezogene Lenker streckt sich dem nach hinten gerückten Fahrer förmlich entgegen, das Cockpit wirkt archaisch, aufs Nötigste minimiert. Einen Hauch der frühen GS verströmt die HP2. Aufgeräumt und durchgestylt wirkt die KTM, die Fahrhaltung auf der flachen Sitzbank ist entspannt, aber doch aggressiv nach vorn geneigt. Die Duc leugnet ihre Herkunft als reine
Straßenmaschine nicht, verbittet sich mit ihrem vergleichsweise flachen Lenker den leisesten Gedanken an Offroad-Abstecher.
Den sowieso niemand hegt. Denn es sind Kurven, wofür diese Bikes leben. Für nichts anderes. Verschlungener Asphalt, gewundene Sträßchen. Wo sich die Vertikale auf den Transitweg beim Schräglagenwechsel reduziert. Und genau diese Einstellung hat man in Mattighofen verinnerlicht. Wie auf Schienen knallt die KTM um die Ecken, lässt sich spielerisch von Kehre zu Kehre werfen, vermittelt in jeder Sekunde absolutes Vertrauen. Kaum zu glauben, dass die Österreicherin mit 206 Kilogramm in der gleichen Gewichtsklasse wie die beiden anderen Zweizylinder spielt. Einen guten Anteil daran trägt die Federung. Stolze 200 beziehungs-weise 210 Millimeter Federweg der White-Power-Elemente bügeln Rumpelpisten glatt, eine geglückte Dämpfungsabstimmung minimiert das bei diesen Arbeitswegen befürchtete Schaukeln bei harten Beschleunigungs- oder Anbremsmanövern.
Und Letztere können heftig ausfallen. Mit Radial-Handpumpe und radial angeschlagenen Bremszangen mit Einzelblägen verzögert die 950er technisch hochaktuell und brachial. Quasi ruckfrei der Übergang ans Gas in Kurvenmitte. Minimale Lastwechselreaktionen, das äußerst direkte Lenkverhalten und die sportliche Sitzposition addieren sich zu Supermoto-Feeling satt. Das der Motor noch steigert. Obwohl dem 950er-Vergaser-Aggregat der forcierte Antritt der einspritzenden 990er-Verwandtschaft fehlt, legt der 75-Grad-V2 unverändert kräftig los und drückt ab Drehzahlmitte vehement nach vorn. Giert förmlich danach, mit dem exakt und leichtgängig zu schaltenden Getriebe bei Laune gehalten zu werden.
Wie übrigens auch die BMW, die wer hätte
das gedacht zumindest in
der Beschleunigungsphase zum vollwertigen Supermoto-Racer mutiert. Mit ordentlich Bums aus dem Drehzahlkeller macht die HP2 HP steht für High Performance ihrem Namen alle Ehre und hält mit der KTM locker mit. Ihre Offroad-
Genese kann die HP2 allerdings nicht verbergen. Nicht nur, dass der von seiner Ausgleichswelle befreite Boxer bei höheren Drehzahlen spürbar vibriert, sondern auch die 270 beziehungsweise 250 Millimeter langen Federwege wurden inklusive Dämpfungsabstimmung unverändert von der Stollen-Version übernommen. Sprich: Die Federelemente filtern zwar jede kleine Verwerfung rückstandsfrei, verlangen aber eine moderate Gas- und Bremshand. Wie im Sturzflug taucht die Marzocchi-Gabel beim Anbremsen ab, beim Beschleunigen in Schräglage bringt holpriger Asphalt den schmalen 150er-Hinterradreifen schnell zum Stempeln. Wobei der mit Luft federnde und dämpfende Monoshock von Continental zudem die Abstimmung nicht einfach macht. Lediglich zwei Dämpfungsstufen stehen zur Wahl. Versucht man, die Federung straffer einzustellen und erhöht den serienmäßigen Luftdruck von fünf bar, reduziert dies den Negativfederweg und bringt die Grundabstimmung vollends aus der Balance.
Obendrein stören spürbare Lastwechselreaktionen. Enge Kehren gelingen immer noch am besten mit dem korrigierenden Fuß an der Hinterradbremse und dem Finger am Kupplungshebel. Wenig hilfreich im verschlungenen Terrain sind der mit
60,5 Grad auffallend flache Lenkkopf und der enorm lange Radstand von 1610 Millimetern.
Was der BMW auf offenerem Terrain wiederum Vorteile verschafft. Dann genießt der Pilot die stoische Ruhe im Fahrwerk, den satten Durchzug des Boxermotors und den vom tiefen Schwerpunkt begünstigten beschwingten Schräglagenwechsel. Sogar die Vorderradbremse gefällt. Denn die simple Lösung, mit unveränderter Bremszange und Armatur eine einfache 320er-Scheibe ins Vorderrad zu schrauben, funktioniert bei der HP2. Moderate Handkraft, akzeptable Dosierbarkeit und Standfestigkeit selbst bei forciertem Eckenwetz erstaunen.
Fast verstohlen folgt die Kämna-Ducati dem wilden Duo.
Mit dem lässigen Auftritt hat die Duc nichts am Hut. Natürlich, das überaus direkte Ansprechen des aufgemotzten 90-Grad-
V-Zweizylinder macht an. Ein Zupfer am Gas, und das Vorder-
rad schnellt mühelos nach oben. Dieser Druck von unten,
er vermittelt Souveränität und Aggressivität gleichermaßen. Ein Charakter, dem die Ex-Multistrada indes nicht treu bleibt. Die
Gabel und das Federbein, beide sowohl in Federrate als auch Dämpfung grenzwertig straff ausgelegt, verderben die Lust am flotten Ritt auf verkehrsarmen, doch eben meist etwas holprigen Provinzsträßchen genauso wie das hohe Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage. Letztlich tragen der vergleichsweise tiefe Lenker und die wenig aktive Sitzposition das ihre dazu bei, den flotten Strich auf der Duc zur anstrengenden Übung zu machen.
Gemach, nicht falsch verstehen. Je schneller die Strecke, je glatter der Belag, desto mehr rückt die genmanipulierte Italienerin ihren Kolleginnen auf den Pelz. Versteht die Vorteile ihrer superben Bremsen, ihr spurstabiles Fahrwerk und diesen satten Druck des luftgekühlten Triebwerks in jedem Drehzahlbereich auszunutzen. Doch sie weiß selbst, sie ist ein Naked Bike. Vielleicht nicht mal ein schlechtes, das Thema Hypermotard überlässt sie jedoch gern ihrer noch ungeborenen Schwester.
Stollenräder raus, 17-Zöller rein, obendrauf noch eine große Vorderradbremsscheibe, fertig ist der Drifter. Dieser Grundsatz für Supermoto-Umbauten hat sich längst überlebt. KTM weiß das und hat
mit der 950er-Zweizylinder eine Maschine auf die Räder gestellt, die in jeder Beziehung begeistert. BMW muss im Geschichtsbuch des Supermoto allerdings noch ein paar Seiten weiterlesen. Die Basis der HP2 taugt, das Boxerkonzept besitzt durchaus seinen Reiz, doch braucht es noch viel Feinabstimmung, bis aus dem Stollenross ein Querlenker wird. Und die Ducati? Die Kämna-Duc bleibt ihrer Bestimmung, dem eines kompromisslosen
Naked Bikes, treu die firmeninterne Supermoto-Premiere überlässt sie besser der Hypermotard.