Das Wohnzimmer bezeichnet gemeinhin den Ort, an dem man sich wohlfühlt. Dabei muss ein Wohnzimmer nicht zwangsläufig ein Raum sein. Die Lieblingskombi ist etwa ein Wohnzimmer oder der nach langer Eingewöhnungsphase endlich perfekt sitzende Handschuh. Selbst die Lieblingsrennstrecke ist ein Wohnzimmer.
2008: Schumis Fireblade auf dem Hockenheimring
Für mich ist die CBR 1000 RR Fireblade SC 59 von 2008, die mir Jens Holzhauer unter den Hintern schiebt, der Maßstab und Jens damit der Haute-Couturier der Wohnzimmermacher. Kein Witz, schon die Outlap auf dem rot-weißen Renngerät kommt einer Offenbarung gleich.
Typisch Honda passt alles wie maßgeschneidert, obwohl die Blade nicht für mich, sondern für einen nicht ganz Unbekannten der Motorsportwelt aufgebaut wurde. Sei’s drum, die Blade schert es nicht, wer in ihrem straffen Racingsattel sitzt. Sie kommt sanft, nahezu vibrationslos und sehr druckvoll aus dem Keller, schiebt sich selbst und den Piloten unerwartet unspektakulär in der Besichtigungsrunde über den Kurs.
Laut, schnell, perfekt
Runde 2: Die Strecke ist sauber, die Pirelli-Slicks im richtigen Temperaturfenster, also Hahn auf! Die Remus-Titananlage der SC59 schmettert die Lebenslust des Holzhauer-Tiers mit 115 dB Richtung Tribüne, die 200 PS katapultieren Mann und Maus über die viel zu kurze Start/Ziel-Gerade und schrumpfen die Parabolika auf ein erschreckendes Minimum zusammen.
2008 hatte die SC59 noch keine Traktionskontrolle ab Werk, die kam erst 2012. Die Anti-Spin-Control war damals Teil des HRC-Kits für Rennumbauten der CBR 1000 RR Fireblade.
Hockenheim, mein Wohnzimmer, ein wahrer Genuss auf dieser Tausender. Den engen Eingang der Parabolika nehme ich im Zweiten, nach dem Scheitelpunkt lege ich schnell den Dritten ein und öffne das Gas beherzt, doch nicht unkontrolliert. Trotz "Anti-Spin-Control" sind Highsider möglich, mahnte Jens vor der Abfahrt. Doch im dritten Gang bei gutem Grip tut sich selbst dieses Rennpferd schwer, seinen auf ihm sitzenden Ballast abzuwerfen. Und dann dieses unglaublich fesselnde Gefühl der Beschleunigung!
Der dritte Gang dreht aus, auf den Tellert-Shifter getappt – dieser bietet für jeden Gang einzeln programmierbare Zündunterbrechungszeiten – der vierte flutscht das Gangrad schonend an seinen Platz, und die Orgie geht weiter. Kaum einen Wimpernschlag später stehen wieder 13.600/min auf der Uhr, der Schaltblitz flackert, der Fünfte ruft. Sekunden danach folgt Gangstufe 6, knapp danach naht das Ende, die Spitzkehre!
Wohnzimmer kurz vorm Überschlag
Selbst in diesen Momenten herrscht Wohnzimmeratmosphäre, obwohl Arme und Schultern beim heftigen Ankern arg beansprucht werden. Punktgenau, mit viel Gefühl für den vorderen Gummi lässt sich die Blade zusammenstauchen und dank famos abgestimmter Anti-Hopping-Kupplung mit leichtem Druck auf der inneren Fußraste in einen leichten Anbremsdrift pressen.
Wow, federleicht den ersten Gang eingesteppt, Hahn auf, und auf dem Hinterrad raus aus der Spitzkehre. Schalten bitte früh, da ab 8.000 Touren der Überschlag droht. Jens Holzhauer hat eine 200-PS-Fireblade gebaut, die jedem Spaß macht und kaum einen überfordert. Fahrwerk, Fahrbarkeit und Finish – ein Traum!