Yamaha R7 im ausführlichen Top-Test

Yamaha R7 im ausführlichen Top-Test
„Dieser Motor ist überall zu Hause“​

Veröffentlicht am 05.06.2023

Yamaha R7 . Allein der Name ist Legende. 500 Stück der YZF-R7 baute Yamaha 1999 als Homologationsbasis für die Superbike-WM. Auf der Piste so scharf wie eine Chilischote im sechsstelligen Scoville-Bereich. Was dem einen den Mund entflammt, war dem anderen ein unerreichbares Pistenglühgerät. Und just bei diesem Namen bedient sich Yamaha nun, um auf Basis der mehrfach zitierten MT-07 einen Supersportler an den Start zu schieben. In Hamamatsu wissen sie um das schwere Namenserbe, wollen die Bezeichnung des neuen Midsize-Sportlers als Respektsbezeichnung vor der ehrwürdigen Superbike-Rakete verstanden wissen. Wenn da nur ein Fünkchen Wahrheit mitschwingt, muss die Yamaha R7 schon mächtig sportlich daherkommen. Wer die MT-07 als eher kommod-freundlichen Landstraßen-Fetz kennt, mag das nicht ganz glauben.

Sportliche Ergonomie auf der Yamaha R7

Doch bereits der erste Sitzeindruck taugt, um diese Vorbehalte auf einen Schlag wegzuwischen. Sportlich tief unter der neuen, oberen Gabelbrücke sind die Stummellenker in 880 Millimetern Höhe über dem Boden angeklemmt. Weil das straffe Sitzpolster mit 830 Millimetern über Grund nicht eben niedrig liegt, gibt’s eine knappe Lenkerüberhöhung von fünf Zentimetern. Das fällt noch nicht unter Liegestütz in Dauerschleife, haut aber eine Menge Last auf die Arme. Nur zum Vergleich: Bei der MT-07 liegt der Lenker 26 Zentimeter höher als das Sitzpolster. Weil die Nackte stellenweise zum funkensprühenden Kurvenschleifer mutiert, montierte Yamaha die R7-Rasten gleich ein Stück weiter oben. Zwischen Sitzbank und Fußablage bleiben noch 430 Millimeter Raum, bei der MT-07 sind’s fast 47 Zentimeter.

Alle diese Maßnahmen formen die Sitzhaltung auf der Yamaha R7 komplett neu. Das hier ist R1-light – ohne Wenn und Aber. Jockey-Staturen arrangieren sich damit locker, suchen gleich die Ausfahrt aus der nächsten Boxengasse. Menschen mit Maßen jenseits der 190 Zentimeter Körperlänge müssen sich auf der Yamaha R7 zusammenfalten, können die Stummel fast nur noch von oben und nicht von hinten greifen.

Leise und voll nachbarschaftstauglich

Aber egal, der CP2-Twin erwacht nach kurzem Druck auf den Starter zum Leben. Leise und voll nachbarschaftstauglich legt er schon ab tiefsten Drehzahlen los. Daran ändert die leicht angepasste Sekundär-Übersetzung nichts. Wo bei der MT-07 die Kette noch über ein 43er-Kettenblatt läuft, genügen der Yamaha R7 42 Zähne. Am Getriebeausgang sitzt bei beiden ein 16er-Ritzel. Der quicklebendig-forsche Antritt geht dadurch ein wenig flöten, trotzdem reißt die Yamaha R7 beim Dreh aus tiefen Drehzahlen energisch die Meter unter ihren Bridgestone S 22-Pneus durch, wenn die rechte Hand nach unten klappt.

Und zwei Vorteile hat die längere Übersetzung: Erreichen die Geraden Längen wie auf der italienischen Piste von Mugello oder einer nicht reglementierten Autobahn, schwingt sich die Yamaha R7 dank besserer Aerodynamik bis zu Tempo 216 auf. Das dauert allerdings. Die MOTORRAD-Messuhr gibt für den Sprint von 0 auf 200 km/h ein maximales Limit von 20 Sekunden vor. Das packt die R7 nicht. Oben raus legt ihr Twin nur noch mühsam Kohlen nach.

2. Gang bis knapp über 100 km/h

Daran ändert auch die knapp geschnittene Verkleidung mit der Race-like in der Mitte buckelig erhöhten Scheibe wenig. Engstes Zusammenkauern mit einem auf den Tank gepressten Helm schirmt ordentlich vorm Fahrwind ab. Aufrechter ist der Zug an Körper und Kopfschutz stärker, dennoch jederzeit gut erträglich. Aber der zweite Vorteil der geänderten Übersetzung fehlt noch: Die erspart der Yamaha R7 beim wirklich herzhaften Ausquetschen des Motors – bis der Begrenzer bei 10.000 Umdrehungen einschreitet – manchen Schaltvorgang. Schließlich reicht der zweite Gang so bis knapp über 100 km/h. Kurvenglühen über gewundene Landstraßen gerät so zur schaltfaulen Gaudi.

"Dieser Motor ist überall zu Hause"

Dabei ist es jedes Mal ein Fest für Vollgas-Fans, diesen Reihenzweier an sein Leistungslimit zu treiben. Gemessene 75 PS entwickelt der Twin bei 8.600 Umdrehungen, gewürzt durch ein maximales Drehmoment von 68 Nm bei 6.300 Touren. In jeder Lebenslage mimt er den Musterschüler, zuckelt auf Fahrerwunsch mit wenig Drehzahl und völlig unaufgeregt durch jede Ortschaft, dreht aber auch ebenso gerne mit gelungener Geschmeidigkeit und voller Tatendrang nach oben. Untere Drehzahlhälfte oder kurz vorm Begrenzer – dieser Motor ist überall zu Hause.

Wer sich nicht nahe am fünfstelligen Bereich austoben will, findet mit dem optionalen Schaltautomaten eine wirkungsvolle Unterstützung beim Gangwechsel nach oben. Runter wird weiterhin der Griff zur leichtgängigen Kupplung nötig. Die besitzt eine Anti-Hopping-Funktion, unterbindet so ein Stempeln des hinteren 180er-Pneus beim Runterschalten. Zudem fällt ihre Bedienkraft handschmeichelnd gering aus – bei leicht teigiger Dosierbarkeit. Warum der Kupplungshebel aber auch bei der Yamaha R7 immer noch nicht einstellbar ist, wissen sie wohl nur in der Yamaha-Zentrale. So bleibt noch Raum für zukünftige Updates.

Fahrwerk der Yamaha R7

Die weist schon das Fahrwerk im Vergleich zur MT-07 aus. Bei der nackten Motorspenderin ist das nicht frei von Kritik. Trotz zahlreicher Updates von Modell zu Modell gehen der MT-07 schon mal die Reserven aus, fehlt bei der rasanten Kurvensause Dämpfung. Dafür taugt der Fahrkomfort selbst für Rumpelpisten, glättet grobe Unebenheiten wirkungsvoll. Und die Yamaha R7? Kommt deutlich straffer daher. Ihr Vorderrad wird von einer Kayaba-Upside-down-Gabel mit 41 Millimetern Durchmesser geführt. Die lässt sich in Zug- und Druckstufe sowie der Vorspannung einstellen. Und auch wenn die Empfehlungen für die Dämpfungsjustage nur noch wenig Raum nach noch mehr Härte zulassen, gleitet die Gabel fein ansprechend durch ihre 130 Millimeter Federweg.

Noch mehr sportliches Potenzial besitzt der Dämpfer der Yamaha R7. Er bietet ebenfalls 130 Millimeter Federweg, erlaubt individuelle Anpassungen bei der Vorspannung und der Zugstufe. Das fast liegend verbaute Federbein entschärft Unebenheiten nicht ganz so gründlich wie die Gabel, bleibt dafür aber beim beherzten Rausfeuern aus jeder Ecke Herr der Lage. Mit dem weiten Zugstufen-Einstellbereich des Dämpfers sowie der Möglichkeit, die Vorspannung noch mehrfach zu erhöhen, dürfte die Yamaha R7 auch auf abgesperrter Piste zum Kurven-Sausewind mutieren. Dank gut erreichbarer Verstellmöglichkeiten sind Setup-Änderungen am Fahrwerk rasch umgesetzt – wenn es denn Werkzeug gäbe. Ein einsamer Inbus findet sich unterm Soziussitz, um mit ihm den Fahrersitz abzubauen. Da hilft nur der Griff ins eigene Werkzeugregal.

Auf der Landstraße schränkt einzig die fordernde Sitzergonomie den Fahrspaß ein wenig ein – vor allem beim Bergabgleiten durch Spitzkehren. Ansonsten gilt: Etwas weniger Komfort, eine nicht ganz so mühelose Handlichkeit wie von der MT-07 vorgelebt, dafür Reserven satt und viel mehr Stabilität.

Nur 161 Kilogramm Zuladung

Wer nun denkt: Toll, da kann ich jetzt mit Sozius und Gepäck zum nächsten Renntraining aufbrechen, erlebt aber eine Enttäuschung. So schön das Heck mit seinen durchbrochenen Flügeln auch aussieht, so wenig Platz hält es für den Hintern in der zweiten Reihe bereit. Folterinstrument wäre zu arg, viel fehlt aber nicht. Und dann ist da noch die Zuladung. Lediglich 161 Kilogramm darf die Yamaha R7 tragen. Ein Wert, den zwei Personen fahrfertig schnell reißen.

Den Bremsen der Yamaha R7 würden mehr Kilos nichts ausmachen. Wie bei der MT-07 sitzen zwei 298er-Scheiben am Vorderrad, während hinten eine 245 Millimeter messende Einzelscheibe bei der Suche nach dem kürzesten Bremsweg unterstützt. Ein nicht einstellbares ABS überwacht den Stopp am Limit. Den gestaltet die Yamaha R7 mit viel Gefühl, weil ihre radial montierten, vorderen Bremssättel von einer ebenfalls radialen Brembo-Bremspumpe fein dosierbar unter Druck gesetzt werden. Selbst nach mehreren Verzögerungen im Regelbereich bleibt der Hebelweg konstant, genau wie die Handkraft. Das ABS arbeitet zwar mit etwas groben Intervallen, zudem verliert das Hinterrad schon mal leicht den Bodenkontakt, dennoch kommt die R7 immer ohne Hinterhältigkeiten zum Stehen.

Geringer Verbrauch, geringe Unterhaltskosten

Ebenso positiv: die Lichtausbeute der Scheinwerfer. Den im Ansaugkanal versteckten Hauptscheinwerfer flankieren zwei neben ihm angeordnete, schmal ausgeführte Positionsleuchten. Dieses Trio sorgt für einen breiten Lichtstreifen, bringt viel Helligkeit in dunkle Straßenschluchten. Und noch einmal zieht einem die Yamaha R7 die Mundwinkel nach oben: Der Spaß mit der R7 bleibt auf Dauer erschwinglich. 10.000er-Serviceintervalle, Verbräuche mit einer Vier vor dem Komma sowie geringe Unterhaltskosten drücken nur mäßig auf die Geldbörse.

Wer trotzdem noch denkt, dass die kleine, vollverkleidete Rakete auf MT-07-Basis dem Spaß letztendlich doch einen Riegel vorschiebt, weil ihr Motor im Vergleich zum forschen R1-Superbike mit 200 PS nur ein müder Geselle ist, werfe bitte den Blick auf Spurtmessungen von 40–100 km/h. Einmal im zweiten Gang mit Vollgas aus der Kehre raus bis zum Landstraßenlimit – und die Yamaha R7 klebt der R1 überlebensgroß in den Rückspiegeln – in denen man wie beim Midsize-Sportler nur wenig sieht. Klar zieht das fast dreimal so starke Superbike bei höherem Tempo irgendwann uneinholbar davon. Aber mal ehrlich: Wer braucht das auf der Landstraße schon? Und auf der Piste dürfte es locker reichen, um manchem 1000er-Sportler auf der engsten Linie um die Curbs herum wenigstens kurzfristig die schicke Heckleuchte zu zeigen. Mehr kann man von der Yamaha R7 nicht erwarten.