Motorrad-Motoren von Rotax genießen einen guten Ruf in der Szene. Mit den Elektromotorrädern von Can-Am schließt sich nun ein Kreis: Rotax liefert alle möglichen (Verbrennungs-)Motoren für Karts, Quads, Leichtflugzeuge, Schneemobile und Aufsitz-Boote.
Insbesondere auch für andere Marken des gemeinsamen kanadischen Mutterkonzerns BRP Bombardier Recreational Products. Zu ihm gehören neben Rotax und Can-Am (bekannt als Dreirad- und ATV-Hersteller) auch Lynx, Ski-Doo und Sea-Doo.
Seit den 90er-Jahren weltweit führender Anbieter
Ein- und Mehrzylinder, V-Motoren, Reihen-Motoren und Boxer, Zweitakter und Viertakter … Seit den 90er-Jahren ist Rotax der weltweit führende Anbieter von Motoren für Ultraleichtflugzeuge und leichte Sportflugzeuge. Dabei waren es 1973 just die Motorräder der neu gegründeten Marke Can-Am, mit denen Rotax in den Bau größerer und großer Motorrad-Motoren einstieg.
Es war die Saat für eine große Erfolgsgeschichte, Hunderttausende gebaute Motoren für diverse Marken, von Aprilia über BMW, Buell und KTM bis MuZ.
Mit dem Einstieg in den Motorradsektor erweiterte Bombardier in den 70er-Jahren das Produktportfolio, bot den weltweit rund 2.500 Ski-Doo-Händlern etwas für die Sommermonate an.
Grundlage des Erfolgs: leistungsfähige Zweitakt-Motoren
Can-Am-Motorräder mit Rotax-Motoren mischten in den 70er-Jahren die US-amerikanische Motocross-Szene auf, fuhren viele Erfolge ein. Höhepunkt war der Gewinn der US-MX-Meisterschaft in der 250 cm³-Klasse.
Grundlage des Erfolgs waren leistungsfähige Zweitakt-Motoren mit Frischöl- statt antiquierter Gemisch-Schmierung und Drehschiebersteuerung anstatt der damals üblichen Kolbensteuerung. Zunächst hatten die Einzylinder-Zweitakter 125 oder 175 Kubikzentimeter, bald auch 250 und 280 cm3. Die 125er-Variante rückte auch in Europa schnell in den Fokus der Straßenrennfahrer. Es entstanden sogar wassergekühlte Ableger, die früh in der österreichischen Rennszene auftauchten.
All dies passierte zu einer Zeit, als das Motorrad generell eine neue Rolle bekam, weg vom günstigen Transportmittel der Wirtschaftswunderzeit hin zum Sport- und Freizeit-Fahrzeug. Zwar war diese Entwicklung maßgeblich von den japanischen Herstellern vorangetrieben, insbesondere Honda, doch just die Österreicher traten mit ihnen nun frontal in Wettbewerb!
Vorgeschichte
Damit hatte das Unternehmen aus Gunskirchen endgültig die Phase der kleinen, modifizierten Sachs-Motoren der Lohner-Ära hinter sich gelassen. Tauchen wir also kurz ein in die Geschichte von Rotax: Das Unternehmen wurde 1920 im sächsischen Dresden als ROTAX-Werk AG gegründet. Der Name bezog auf die "Rotanda-Achse", die 1906 von Friedrich Theodor Gottschalk im patentierten Fahrradfreilauf verwendet wurde.
1930 wurde Rotax von Fichtel & Sachs übernommen und verlegte seine Geschäftstätigkeit nach Schweinfurt in Unterfranken.
1943 geriet dieses Gebiet in die Reichweite alliierter Bomber. Daher wurde die Motorenproduktion von Fichtel & Sachs nach Wels in Österreich verlagert, in die Räumlichkeiten der Reform-Werke Bauer & Co., die zuvor Landmaschinen hergestellt hatten. Rotax wurde 1947 ins nahe gelegene Gunskirchen verlegt und1955 per Staatsvertrag österreichisches Eigentum.
1959 übernahmen die Wiener Lohner-Werke, ein Hersteller von Pkw-Karosserien und Eisenbahnwaggons, die Mehrheit der Rotax-Aktien. Lohner bestückte seine Motorroller und Mopeds mit von Rotax in Lizenz gebauten Fichtel-&-Sachs-Motoren.
Kooperation mit Can-Am: das Sprungbrett in die Motorradbranche
Im Jahr 1970 wurde Lohner-Rotax von der kanadischen Bombardier Inc. übernommen. Can-Am beendete die Motorrad-Produktion 1987. 20 Jahre später, 2007, präsentierte Can-Am das spektakuläre Dreirad-Konzept Spyder mit zwei Rädern vorn – befeuert von 998 cm3 großen V2-Viertaktern von Rotax.
Ende der 70er-Jahre sprang Rotax mit Wucht auf den Viertakt-Zug. Dies stellte die Entwickler natürlich vor große Herausforderungen: Ventiltrieb, Nockenwellen, Steuerzeiten – all das war noch Neuland.
Aber Rotax gewann schnell neue Kunden. Dazu zählten etwa SWM aus Italien und Harley-Davidson aus den USA mit seinem Militär-Modell MT 500, einem luftgekühlten Halbliter-Single. Aber auch KTM oder ATK (250, 350, 406, 560, 604, 605) orderten Motoren, MuZ für seine Silver Star Classic 500 und Saxon Country 500!
Auf einer SWM-Maschine mit 280 cm3-Rotax-Motor feierten die Gunskirchener 1981 ihren ersten Motorradweltmeistertitel im Rahmen der FIM Trial-Weltmeisterschaft. Sie waren jetzt wer!
Aprilia verlangten einen 652-Kubik-Fünfventiler
Basis für wirtschaftliche Erfolge blieben zunächst weiter Zweitakter: Der Rotax-Motor 123 befeuerte die Aprilia RS 125 und ihre Derivate von 15 bis 30 PS. 91.174 Exemplare der genialen Kult-Motoren lieferte Rotax an das reine Montage-Werk Aprilia in Noale. Ein wassergekühlter "Quasi-Quadrathuber" (Bohrung x Hub 54,0 x 54,5 Millimeter), mit Sechsgang-Getriebe und Nenndrehzahl bis zu 10 750 Umdrehungen pro Minute. Echt spaßig!
Ab da ging es Schlag auf Schlag mit Aprilia. Die Italiener bestellten ihren 652-Kubik-Fünfventiler für die Pegaso bei Rotax in Österreich –Typ 655, 49.513 mal gebaut von 1990 bis 2000.
Als Aprilia ab 1993 als Auftragsarbeit für BMW die erste "Funduro" F 650 auf den Montagebändern in Noale baute, bestellten auch die Münchner in Österreich – allerdings den Typ 654 mit Vierventilkopf.
237.232 Exemplare für BMW F 650
BMW hielt auch ab Modelljahr 2000 an Motoren-Zulieferer Rotax fest, als man die Fertigung der F 650 GS nach Berlin holte – nun mit Einspritzung und ABS-Option. In Summe inklusive Dakar-Version und dem "Scarver" F 650 CS verbaute BMW bis 2008 satte 237.232 Exemplare dieser ebenso haltbaren wie recht kultivierten Singles.
Ab 2008 orderten die Münchner ihre Singles bei Loncin in China für die Modellreihe G 650 X. Trotzdem blieb BMW ein guter, ein großer Kunde für Rotax. Denn ihr Zweizylindermotor Typ 804 trieb alle 800er-Modelle an. Den Anfang machte die F 800 S; bald folgten die ST und ab 2008 die Enduro F 800 GS.
Bei ihrem echten Parallel-Twin betrug der Hubzapfenversatz 360 Grad. Dadurch arbeitet der quer zur Fahrtrichtung eingebaute Motor mit gleichmäßiger Zündfolge: Bei jeder Kurbelwellenumdrehung erfolgt ein Arbeitstakt. Daraus ergab sich eine beabsichtigte Klangverwandtschaft zu BMWs Boxer-Motoren, die ebenfalls mit einem Zündversatz von 360 Grad arbeiten.
Die bei Zweizylinder-Motoren unvermeidlichen Massenkräfte erster und zweiter Ordnung neutralisierte dabei keine Ausgleichswelle. Stattdessen trug die Kurbelwelle der F 800 ein Ausgleichspleuel als Gegengewicht. Es bewegte sich gegenläufig zu den beiden Zylinderpleueln auf und ab. Ein weiteres technisches Highlight war die Semi-Trockensumpfschmierung mit integriertem Öltank im Kurbelgehäuse.
So rollten von 2006 bis 2019 volle 307.208 Maschinen mit dem Reihen-Twin Typ 804 aus Gunskirchen von den Berliner Bändern bei BMW.
BMW C1 mit Rotax-Single
Spannend: 2012/2013 trug die Husqvarna Nuda 900 einen modifizierten F 800-Motor – "Typ 904" mit mehr Hub und Bohrung plus 45 Grad Hubzapfenversatz. Daraus ergab sich ein Zündversatz wie bei einem 45-Grad-V2-Motor (315°/405°). Charakter, Klang und Drehfreude zeigten sich wie verwandelt!
Zwischen 2008 und 2012 wurden die kryptisch bezeichneten Twin-Modelle F 650 GS und F 700 GS mit dem Rotax-Paralelltwin mit 798 cm³ Hubraum bestückt. Erst die 850er- und 900er-Reihen-twins orderte BMW bei Loncin in China. Ach ja: Auch die kultige Rollerkugel BMW C1 (2000 bis 2003) hatte einen Rotax-Single! Erbasierte auf dem Motor des Aprilia Leonardo 125, hatte aber vier Ventile, Benzineinspritzung und im Topmodell 176 cm³.
Aprilias ersten 1000er-Supersportler RSV Mille und seine Derivate (Tuono, Falco, Futura, Caponord) machte ab 1997 der "Fahrzeugmotor Typ 990" mobil. Auch dieser unkonventionelle 60-Grad-V2 war eine komplette Neuentwicklung. Damit stürzten sich Aprilia und Rotax mitten ins Haifischbecken – innovativ und mutig.












