Ohrensaus und Ohrenschmaus: Der Traum aller reisefreudigen Vierventil-Ducati-Fans sorgte für Freud und Leid. Nicht nur in den Gehörgängen.
Ohrensaus und Ohrenschmaus: Der Traum aller reisefreudigen Vierventil-Ducati-Fans sorgte für Freud und Leid. Nicht nur in den Gehörgängen.
Da hängen die Ducati-Leute den gleichermaßen fabulösen wie kapriziösen 916-Desmo-Vierventiler in ein komfortabel arrangiertes Umfeld, und MOTORRAD scheucht das Gerät gleich mal in eineinhalb Jahren über 50000 Kilometer. Kann das gut gehen? Spannend, gell? Also, Vorhang auf für den ersten Duc-Vierventil-Langstreckentest überhaupt.
Es klappert die Mühle: Beharrlich ziehen sich Kommentare zu den akustischen Lebensäußerungen der Bologneserin durch das Fahrtenbuch. Beängstigendes Klappern und Rasseln von Motorenmechanik und Kupplung des Desmo-Twins einerseits und geiles Ducati-typisches Röhren andererseits. Langweilig war die ST 4 nie. Polarisierend immer. Schon der erste Fahrtenbucheintrag im April 1999 weist die Richtung: »Tolles Moped, hoffentlich hälts.« Bereits nach 3500 Kilometern vernimmt Kollegin Moni Schulz seltsame Nebengeräusche aus Richtung des Motors um etwas später zu konstatieren, dass bisherige ST 4-Testexemplare deutlich besser waren.
Ein Kritikpunkt ist die schlecht dosierbare, rubbelnde vordere Bremse, der Ducati für den Jahrgang 2000 mit einem Millimeter dickeren Scheiben und anderen Sintermetall-Belägen beikam. Für Proteste sorgt zudem die trotz Hydraulik schwergängige Betätigung der Trockenkupplung mittlerweile ebenfalls geändert. Innerstädtischer Stop-and-go-Betrieb gerät zum knüppelharten Handmuskel-Workout. Hinzu kommen während der gesamten Testdistanz enorme mechanische Geräusche, die nicht nur Zartbesaitete schon mal in Richtung Totalausfall orakeln lassen.
Wirklich im Stich ließ einen die Duc zwar nie, doch sorgten einige Reparaturen für Ärger. Bei 18940 Kilometern müssen die rubbelnden Bremsscheiben und der beschlagene Scheinwerfer ersetzt werden. Noch gravierender schlägt der Tausch von sechs der sechzehn Schlepp- und Kipphebel der desmodromischen Ventilsteuerung ins Kontor: Die Hartverchromung der Kontaktflächen hielt den Belastungen nicht stand und löste sich ab, wodurch die Laufflächen der Nockenwellen ebenfalls Schaden nahmen. Nach vier Monaten noch ein Fall für die Garantie, doch nach deren Ende sind für einen solchen Eingriff locker mal 3000 Mark fällig. Nur 7000 Kilometer später steht ein kompletter Tausch der Kupplung an: Rattermarken haben den Korb unbrauchbar gemacht.
Tester Werner »Mini« Koch fragt nach einem Wochenendausflug: »Ist die ST 4 wirklich ein Tourer für alle Fälle?« Neben den herben Lastwechseln stört ihn die Sitzposition und der mangelnde Windschutz obwohl nur 1,71 Meter groß schützt ihn die Verkleidung nur sporadisch. Lobeshymnen kassiert das Fahrwerk. Sowohl solo als auch zu zweit - die straffen, aber ausreichend komfortablen Federelemente bieten Reserven satt und sorgen bei Piloten jeglicher Couleur für Begeisterung. Ob bei Gastfahrer und VTR-1000-Eigner Frank Richter oder Ex-Rennfahrer Christian Aurnhammer: Punkte macht die flotte Italienerin vor allem dann, wenn es gilt, vierzylindrigen Japan-Bikes auf den Fersen zu bleiben. Wen wunderts, sobald das ruppige Drehzahl-Tal unterhalb 4000 Touren einmal durchschritten ist, spielt auch der Vierventil-V2 mit: Drehzahlgierig und charismatisch trompetend zeigt er die Schokoladenseite seiner Verwandtschaft mit der Supersportlerin Ducati 916 und katapultiert den Supersport-Tourer ST 4 voran.
Heftige Schelte setzt es für den selbständig einklappenden Seitenständer, der während der eineinhalb Jahre immer wieder für unfreiwillige Bodenkontakte sorgte. Egal ob gestandener Tourenprofi oder Sportfahrer, ob beim Beladen oder Betanken, die ST 4 plagte die Fallsucht. Immerhin: Der Ständer des 2000er-Modells ist mit Zündunterbrechung ausgestattet und schnappt nicht mehr hinterhältig ein.
Einhellig der Tenor zur Bereifung: Wegen trägen Einlenkverhaltens und vergleichsweise beschränkter Haftung fällt die Erstausrüstung Metzeler ME Z4 bei Dauertest-Piloten und Lesern gleichermaßen in Ungnade. Dafür müssen sich die Pirelli MTR 21/22 den Vorwurf ausgeprägten Eigenlenkverhaltens und Längsrillenempfindlichkeit gefallen lassen, während die ST 4 mit Bridgestone BT 56 zwar ausgesprochen handlich daherkommt, jedoch zu Lenkerflattern tendiert. Ein Vorwurf, den sich auch die Dunlop D 207 gefallen lassen müssen, während die Resonanz auf die D 205 durchweg positiv ausfällt.
Wenig Sympathien gewinnt der Öleinfüllstutzen: Um ihn zu erreichen, muss mühsam an der Verkleidung herumgeschraubt werden. Zu allem Überfluss geht dann ohne Trichter nix. Wenig geht im April 2000, als die Duc bei Kilometerstand 32000 zeitweise nur auf einem Zylinder läuft. 2000 Kilometer später haben sich Spiegel und Verkleidung losvibriert, bei Kilometer 36000 beginnt die Öldruckleuchte unvermittelt zu blinken.
Bevor der defekte Öldruckschalter zum zweiten Mal ausgetauscht werden kann, befördert ein heftiger Sturz die ST 4 um ein Haar vorzeitig ins Zweirad-Nirvana. Nach der Montage neuer Kunststoffteile sowie mechanischer Extremitäten wie Hebel und Endschalldämpfer ist die Rote wieder im Einsatz inklusive auf Garantie getauschten Öldruckschalters und Benzintanks, der undicht war. Und irgendwie auch bleibt, wie ständiger Spritgeruch vermuten lässt. Kurioser Grund: Die Werkstatt hat versäumt, den mechanischen Benzinhahn zu montieren, so dass ständig Kraftstoff aus dem mit Klebeband verschlossenen Stutzen sickert. Leider wird die Kupplung ab Kilometer 45000 ihrem Ruf mal wieder gerecht: Sie rupft extrem, so dass bei Tachostand 48000 das dritte Reibscheibenpaket fällig ist.
2000 Kilometer später gehts zum endgültigen Sezieren. Und, autsch, praktisch sämtlich wichtigen Baugruppen des Motors sind von den 50000 Kilometern deutlich gezeichnet. Krass hats die Kupplung erwischt: Der Korb ist schon wieder von tiefen Rattermarken verunstaltet, und die Mitnehmer der Beläge sind nach nur 2000 Kilometern völlig aufgearbeitet. Bitter: Die Hartverchromung mehrerer Schlepp- und Kipphebel ist erneut beschädigt, obwohl sechs Exemplare bereits nach knapp 20000 Kilometern getauscht worden waren. Korrespondierend ist die Oberfläche der Nocken an drei Nockenwellen stark verschlissen. Die Wellen müssen ebenso erneuert werden wie Kipp- und Schlepphebelachsen sowie die Auslassventile, deren Sitze starke Brandspuren aufweisen - die Einlass-Pendants kommen mit Einschleifen davon. Besser erging es den Sitzen im Zylinderkopf, sie haben die Distanz unbeeindruckt überstanden, während die Ventilführungen nach beiden Seiten konisch aufgeweitet sind.
Ebenfalls haarscharf innerhalb der Betriebstoleranz liegen die von starken Laufspuren verunstalteten Kolben. Hinüber sind die Pleuelfuß-Lagerschalen und das pittinggeplagte Gangradpaar des sechsten Ganges - die übrigen Paarungen weisen ebenfalls Laufspuren auf. Glück im Unglück: Der zerbrochene Distanzring des Lichtmaschinenrotors hätte, statt sich ruhig zu verhalten, bei einem möglichen Weg durch die Statorwicklungen die Spulen massakrieren können.
Bleibt zu konstatieren, dass die ST 4 leider dem Ruf der kaprizösen Vierventiler aus Bologna gerecht wird. Im Gegensatz zur vergleichbaren Honda VTR 1000 F, die nach dem MOTORRAD-Langstreckentest ohne Griff ins Ersatzteilregal fit für den zweiten Frühling war, weist der Desmo-V2 an nahezu allen hochbelasteten Bauteilen, zum Teil mehrfach, gravierende Schwächen auf, die einen Austausch erzwingen - beim heutigen Stand der Technik ist das nicht akzeptabel. Ist zu hoffen, dass die Kunden-ST 4, zumeist noch mit geringeren Laufleistungen, eine bessere Kondition beweisen.
Zur rubbelnden VorderradbremseDieses Problem tritt speziell bei forscher Fahrweise auf und ist ab Baujahr 2000 durch die Verwendung dickerer Scheiben (fünf statt vier Millimeter) behoben. Zudem wurde die Bremswirkung mit neuen Belägen aus Sintermetall optimiert.Zur schwergängigen KupplungsbetätigungAb Baujahr 2000 sorgt die kleinere Handpumpe (12 statt 13 Millimeter Durchmesser) mit anderem Übersetzungsverhältnis für eine um 20 Prozent reduzierte Bedienkraft.Zu den Rattermarken am Kupplungskorb und den an den Mitnehmern aufgearbeiteten BelägenDiese Schäden sind hauptsächlich auf den systembedingt höheren Verschleiß der Trockenkupplung im Zusammenspiel mit den prinzipiell ausgeprägteren Lastwechselreaktionen des V-Motors zurückzuführen. Aus diesem Grund empfiehlt Ducati, das Kupplungsreibpaket alle 20000 Kilometer zu tauschen. Falls es trotzdem zu Schäden kommt, werden diese auf Garantie beziehungsweise Kulanz reguliert.Zum Zustand der Schlepp- und KipphebelEin Wechsel des Zulieferers hat bereits für eine deutlich bessere Qualität der Hartverchromung gesorgt. Defekte Hebel werden auf Garantie beziehungsweise Kulanz ausgetauscht.Zum Oberflächenverschleiß der NockenwellenHier handelt es sich um einen Folgeschaden der defekten Schlepp- und Kipphebel. Sie hätten gemeinsam mit diesen gewechselt werden müssen, in der Regel geschieht dies auf Garantie oder Kulanz.Zum beschlagenen ScheinwerferDurch die zu dicht am Reflektor montierte Lampe überhitzte und verdampfte dessen Beschichtung und lagerte sich auf der Streuscheibe ab. Mittlerweile wurde die Position der Lampe verändert, so dass es hier keine Probleme mehr gibt.Zum eingelaufenen PleuellagerDie Ausbrüche sind auf die Verwendung dünnflüssigen Öls zurückzuführen. Ducati empfiehlt ausdrücklich vollsynthetisches 15W- 40, mindestens jedoch 10W-40.Zum zweifachen Defekt des ÖldruckschalterInzwischen werden vibrationsresistentere Exemplare verbaut, die keine Probleme mehr bereiten.Zum defekten DrehzahlmesserHier handelt es sich um einen Einzelfall.
Zylinderkopf: Drei Nockenwellen sind verschlissen, drei Schlepphebel defekt, bei anderen ist die Hartverchromung angegriffen. Die Kipp- und Schlepphebelachsen sind eingelaufen, die Auslassventile am Sitz stark verbrannt. Innerhalb der Toleranz liegen die Einlassventile sowie die doppelt konisch aufgeweiteten Ventilführungen.Zylinder, Kolben, Kurbeltrieb: Die Zylinder selbst sind in gutem Zustand, aber beide Kolben haben sichtbare Riefen, liegen jedoch innerhalb der Toleranz. Außerhalb befinden sich die von erheblichen Kavitationsspuren gezeichneten Pleuellagerschalen sowie das rechte Hauptlager, das großes Laufspiel aufweist.Getriebe: Pitting am sechsten Gangradpaar, Laufspuren an den übrigen.Kupplung: Der Korb weist deutliche Rattermarken auf, und die Mitnehmer der Belaglamellen sind nach nur 2000 Kilometern stark eingeschlagen. Die Nabe ist in Ordnung.Fahrwerk: guter Zustand, keine Korrosion.
Nahezu einhellige Meinung der ST 4-Fahrer: Reifen-Erstausrüstung und Details wie Seitenständer oder Scheinwerfer hopp, Motor, Fahrwerk und Soziusomfort topp.
Nach 8000 Kilometern auf italienischen und Schweizer Alpenpässen mit der schnellen, spurstabilen und für Ducati-Verhältnisse bequemen ST 4, habe ich den Kauf nicht bereut. Bis auf die etwas zu lange Übersetzung, die ich mit einem größeren Ritzel geändert habe und dem von innen angelaufenen Scheinwerfer, der auf Garantie getauscht wurde, gibt es nichts auszusetzen. Und dann dieser Sound, der immer wieder begeistert!Uli Welt, HüttlingenIch würde mir die Seniorenausführung der 916 sofort wieder kaufen: 9000 Kilometer, null Probleme. Einzig die hohe Kühlmitteltemperatur, die laut Thermometer im Stau bis 120 Grad steigt, fiel bislang negativ auf. Dafür ist der Super-Motor mit sechs Litern Verbrauch recht sparsam, und auch die Metzeler-Bereifung erwies sich als gut.Bert Schmitz, WipperfürthRupf, hoppel, kreisch: Schon bei der ersten Ausfahrt meldete sich die Kupplung meiner Duc zu Wort. Diagnose: Lunkerstellen auf der Druckplatte. Also auswechseln. Bis heute, Kilometerstand 8000, hat sie gehalten, auch wenn sie mit dem scheppernden Motor um die Wette kreischt. Trotzdem macht das Fahren einfach Spaß, egal ob Training auf der Rennstrecke oder eine Urlaubsfahrt zu zweit. Selbst die Koffer funktionieren und sind mit Innentüten sogar dicht.Wolfgang Wegner, LudwigsburgNach 15000 Kilometern mit dem traumhaft gelungenen Sporttourer steht für mich fest, dass die ST 4 eines der besten Motorräder ist, das ich je gefahren habe - obwohl der miese Seitenständer schon für drei Umfaller sorgte und das Öleinfüllen hinter der »bombenfest« verschraubten Verkleidung ein Ärgernis ist. Fahrwerk und Motor sind hervorragend, egal ob auf der Autobahn oder Passstraßen, der Spritverbrauch von etwa sechs Litern bescheiden. Die Metzeler Z4 empfand ich als unhandlich, besser gehts mit Michelin Macadam 90X.Armin Ladwig, KönigsdorfNach 5000 Kilometern mit meiner ersten Duc gibt es nicht viel zu sagen. Einfach draufsetzen und losfahren. Der Soziusplatz ist selbst für lange Strecken super, und nach der Montage des Perfomance-Eproms ist auch das lästige Schieberuckeln kein Thema mehr.Martin Stellmacher, HannoverNach 15000 Kilometern bin ich total von der ST 4 und ihrem Charakter begeistert. bis auf die schwergängige Kupplung, Ruckeln unter 3000 Touren und dem einschnappenden Ständer habe ich keine Kritik. Toll sind dafür Fahrwerk, Verarbeitung und Ergonomie auch meine Frau ist mit dem Komfort zufrieden. Bei Kilometerstand 8000 habe ich die serienmäßigen Dunlop gegen Bridgestone BT 010/BT 020 getauscht.Kurt G. Poms, Soultz sous Forets (F)9800 Kilometer hat meine Duc auf dem Tacho, technische Probleme gab es bislang keine. Die Metzeler Z4 missfielen wegen schlechter Eigendämpfung und Haftung, mit Pirelli MTR 01/02 fährt sie besser. Persönlich bevorzuge ich das Fahrwerk von 916/748, besonders die Gabel, die bei meiner ST 4 schlecht anspricht. Zudem stört der wandernde Druckpunkt der Vorderradbremse. Windschutz sowie Lenker- und Rastenposition können mich (Körpergröße 1,90 Meter) ebenfalls nicht völlig überzeugen. Insgesamt ist die ST 4 trotzdem ein sehr gutes Motorrad.Günter Martens, Uehlfeld