Fahrbericht Suzuki GSX 1300 R Hayabusa

Fahrbericht Suzuki GSX 1300 R Hayabusa (1999) Brennelement–––––

Wenn es gilt, über die Autobahn zu brennen und neue Rekorde in Sachen Höchstgeschwindigkeit aufzustellen, ist die Suzuki Hayabusa in ihrem Element.

Ein älteres amerikanisches Ehepaar verharrt in der Halle des Hotels Inter-Continental in Barcelona vor einem Podest, auf dem die neue Suzuki GSX 1300 R Hayabusa steht. Die obligatorische Frage nach Leistung und Höchstgeschwindigkeit beantwortet einer der umstehenden Motorradjournalisten mit 175 PS und 300 km/h, worauf der ältere Herr nur »incredible, crazy« murmelt. Bereits auf der INTERMOT in München drehte sich die Diskussion im Umfeld des neuen Powerbikes immer wieder um das Thema: Kann die Hayabusa tatsächlich wie ihr Namensgeber, der Wanderfalke, die dreihunderter Schallmauer knacken?
Die Leistungsangabe von nominell 175 PS erscheint nicht unrealistisch, entspricht das bei 1300 cm³ einer Literleistung von 135 PS. Die reichen aber bei einer Honda CBR 1100 XX nicht für 300 km/h. Doch stolz verweist Suzuki auf den Klassenbestwert in puncto Luftwiderstandsbeiwert cw. Und last but not least sorgt ein ausgeklügeltes Ram Air-System im Bereich der Höchstgeschwindigkeit für den Aufgalopp einiger zusätzlicher Pferdchen. Die Chancen stehen also nicht schlecht. Doch am ersten Testtag auf der Rennstrecke von Catalunya ist diese Frage nicht zu klären.
Respekt kommt auf, als in der Boxengasse 22 in Reih und Glied aufgereihte Hayabusa in bedrohlich dunkler Lackierung der Tester harren, schließlich bewegen sie nicht jeden Tag 175 PS starke Motorräder auf einem Grand Prix Kurs. Der erste Körperkontakt vermittelt eine Mischung aus Super- und Tourensport-Feeling. Zwar sind die Lenkerhälften in moderater Höhe über der oberen Gabelbrücken montiert, doch der relativ weite Abstand von Lenker zu Sitzfläche zwingt selbst größeren Fahrern einen stark nach vorn gebeugten Oberkörper auf.
Dann der große Moment: Start aus der Boxengasse. Tritt gewaltig an, die Hayabusa, flößt aber gleichzeitig Vertrauen ein. Bereits ab dem zweiten Gang bleibt das Vorderrad selbst bei voller Beschleunigung am Boden. Auch über Bodenwellen schwebt die Hayabusa bei vollem Leistungseinsatz – dem massiven Lenkungsdämpfer sei Dank -, ohne mit dem Lenker zu zucken. Eine leichte Unruhe leitet allenfalls der Fahrer beim Durchschalten der Gänge ein, da er sich krampfhaft am Lenker festhalten muß, weil der Sitzhöcker keine Hilfestellung leistet.
Und Festklammern ist bei voller Öffnung der Drosselklappen angesagt. Das Triebwerk schiebt brutal über den gesamten Drehzahlbereich. Wobei die Leistungsentfaltung derart gleichmäßig ist, daß das Potential des Motors im ersten Augenblick unterschätzt wird. Lediglich beim Beschleunigen in Schräglage merkt der Fahrer schnell, welche Kräfte die Suzuki freisetzt. Der Motor reagiert spontan und beantwortet jede unbedachte Bewegung der Gashand in Schräglage mit einem rutschenden Hinterrad, das aber gut kontrollierbar ist.Nach einigen Runden läßt sich das gewaltige Drehmoment des 1,3 Liter großen Vierzylinders erahnen, als am Ende der Start-Ziel-Geraden immerhin 290 km/h auf dem Tacho stehen.
Um dem gewaltigen Vorwärtsdrang der Hayabusa wieder Einhalt zu gebieten, erfordern die Sechskolbenzangen im Vorderrad höhere Handkräfte als die baugleiche Anlage der GSX-R 750. Nach anhaltender Verzögerung aus hoher Geschwindigkeit ändert sich dann der Reibwert, die Bremse wird giftiger. Beim Einlenken in die Rechtskurve nach Start und Ziel und Umlegen im anschließenden Links-Knick verlangt die Hayabusa einen gewissen Nachdruck an den Lenkerenden – vollgetankt 250 Kilogramm fordern ihren Tribut. Dafür überzeugt die Suzuki in allen Lagen, also egal, ob auf der Geraden oder in langsamen und schnellen Ecken, durch gute Fahrstabilität. Allenfalls beim scharfen Bremsen und in großer Schräglage wird das Heck unruhig, da der Reifen schlichtweg Streß bekommt.
Am zweiten Tag muß die Hayabusa ihre Qualitäten auf spanischen Landstraßen beweisen. Dort zeigt das Triebwerk eine weitere positive Seite. Auch auf engen kurvigen Landstraßen reicht der fünfte oder sogar sechste Gang. Bereits aus dem Drehzahlkeller schiebt der Motor Mensch und Maschine so vehement voran, daß jedes Überholmanöver streßfrei bleibt. Das Fahrwerk zeigt sich abseits der Rennstrecke nicht ganz so souverän. Speziell die Upside-down-Gabel könnte auf Bodenwellen sensibler ansprechen. Derbere Fahrbahnunebenheiten dringen deutlich zu den Handgelenken durch.
Angenehm überrascht die Hayabusa dagegen in welligen Kurven. Einmal eingelenkt, zieht sie nahezu ohne zu kippeln ihre Bahn – und das trotz des üppigen Hinterreifens. Obwohl der Bridgestone BT 56 eine 190er Kennzeichnung trägt, ist er mit 198 Millimetern Breite definitiv der erste 200er Reifen auf einem Serienmotorrad.
Schließlich steht die letzte Station auf dem Plan, die Autobahn. Schweren Herzens entschließt sich der Tester, die Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung der Wahrheitsfindung kurzzeitig zu opfern. Auf der Autobahn ist die Hayabusa endgültig in ihrem Element. Die Gänge ausgedreht, reißt es Fahrer und Maschine mit Brachialgewalt nach vorn. Zügig klettert die Tachonadel auf 300km/h. Bei 320 setzt der Drehzahlbegrenzer ein. Sorry, im Eifer des Gefechts ist noch der fünfte Gang drin. Im sechsten klettert die Nadel unaufhaltsam weiter, um schließlich kurz vor 340 zu verharren. Die Tachovoreilung einer GSX-R 750 von 40 km/h vorausgesetzt, wären das knapp 300 km/h. Mit grimmigem Ansauggeräusch jagt der Wanderfalke über die Autobahn, als gelte es alle CBR XX, ZX-R und YZF dieser Welt zu überholen.
Die quälende Frage, ob die Hayabusa nun 297 oder 302 km/h schnell ist, läßt sich diesmal noch nicht definitiv beantworten. Doch bereits in der nächsten Ausgabe wird MOTORRAD die Antwort liefern. Eines steht aber jetzt schon fest: Im Geschwader der Tiefflieger läßt der japanische Wanderfalke keine Zweifel über den Führungsanspruch aufkommen. Und das sogar umweltfreundlich, denn erstmals verfügt eine Suzuki über ein Sekundärluftsystem und einen Katalysator, wenn auch ungeregelt. Die Führungsrolle will Suzuki-Vertriebsleiter Bert Poensgen auch im deutschen Markt behaupten. Auf die ursprünglichen 2000 Bestellungen hat er eine weitere Order von 800 Stück draufgelegt.

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