Honda Gold Wing GL 1800 Dauertest-Abschlussbilanz
Dauertest-Ende wegen Unfall bei 62.999 Kilometer

Im April 2018 startete die Honda Gold Wing GL 1800 in den Dauertest. Ein Unfall beendete den Dauertest mit 62.999 Kilometern auf der Uhr vorzeitig. Die Abschlussbilanz klärt umfangreich über das Dauertest-Ergebnis auf.

Dauertest Honda Gold Wing GL 1800
Foto: Jacek Bilski
In diesem Artikel:
  • Unverschuldeter Crash der Gold Wing
  • Honda Gold Wing GL 1800 mit rauerem Motor
  • Reifen für die Honda Gold Wing GL 1800
  • Dauertest-Tagebuch Honda Gold Wing

Seit 1975 füllt die Honda Gold Wing Luxus-Touring mit Leben, ein Genre, das die 1000er-GL vor gut 45 Jahren begründete. GL wie Grand Luxe. Seither steht dieses Kürzel für legendäre Zuverlässigkeit und Dauerhaltbarkeit. Grund genug, die erste völlig neu konstruierte Gold Wing seit 2001 einer gründlichen Dauererprobung zu unterziehen. Und so stellte MOTORRAD am 17. April 2018 die völlig neue Honda Gold Wing GL 1800 bei Kilometerstand 333 in Dienst. Die Ausgangslage war reizvoll: Motor, Fahrwerk, Bremsen, "Bodywork" – alles ganz anders als jemals zuvor. Nun, bei einer Honda im Allgemeinen und einer Gold Wing im Besonderen kann man gute Qualität voraussetzen. Und doch bleibt bei allem Reiz einer kompletten Neukonstruktion ja stets auch ein Fünkchen Skepsis: Hält das alles?

Unsere Highlights

Zur Beantwortung dieser Frage schickten wir die Honda Gold Wing GL 1800 auf die Marathon-Distanz von 100.000 Kilometern. Wie sich der gegenüber dem Vorgängermodell um 40 auf 385 Kilogramm abgespeckte Top-Tourer im Alltag schlägt, verriet bereits die Dauertest-Zwischenbilanz in MOTORRAD 21/2019.

Unverschuldeter Crash der Gold Wing

Als beliebter Reisebegleiter sammelte die aktuelle 1800er-Gold-Wing, die SC79, rasch und effektiv, fast schon unauffällig ihre Kilometer. Wer immer aus der Redaktion bequem und luxuriös auf Tour wollte, wählte nach Möglichkeit die Honda. 100.000 Kilometer wären locker in drei Jahren zu schaffen gewesen. Wenn, ja wenn, nicht dieser unglückliche 24. Februar 2020 dazwischengekommen wäre. Ein unverschuldeter Crash machte die Honda Gold Wing GL 1800 zum traurigen Totalschaden.

Feststellbremse und Start-Stopp-Automatik

Aber der Reihe nach. Zwei Batterien brauchte die Gold Wing zwischendurch und recht regelmäßig neue Reifen: Die Gummis hielten bis über 15.000 Kilometer durch, durchschnittlich 12.350 Kilometer – just von Inspektion zu Inspektion bei 12.000er-Service-Intervallen. Zum Glück: Denn der Ausbau des Hinterrads ist trotz der Einarmschwinge langwierig und damit für den Kunden ziemlich teuer. Ansonsten lautete das Motto: einfach bloß tanken (bei moderaten 6,15 Liter Durchschnittsverbrauch spätestens nach 340 Kilometern), und weiter ging’s. Äh ja, Feststellbremse nicht vergessen, denn durch das Doppelkupplungsgetriebe lässt sich beim Parken kein Gang einlegen. Keine Sache, doch die Betätigung per antiquiertem Seilzug passt nicht ganz zum Hightech-Anspruch. Und die zugehörige Kontrollleuchte im Cockpit müsste offenbar heller strahlen.

Foto: Glück
Wenn man weiß wie, kommt man ganz gut an die Batterie heran. Einmal war das im Dauertest nötig.

Denn der ein oder andere Kollege fuhr wohl mal mit angezogener Handbremse los. Nur so ist es zu erklären, dass nach 35.575 Kilometern die Bremsbeläge des Wegroll-Verhinderers ausgetauscht werden mussten! Liegt natürlich auch am kräfti-gen Anfahr-Drehmoment des herrlichen Sechsenders. Der in die Lichtmaschine integrierte Anlasser ermöglicht sogar ein spritsparendes Start-Stopp-System für den Halt bei längeren Rotphasen: einfach nur bei Grün Gas geben, und los geht’s.

Honda Gold Wing GL 1800 mit rauerem Motor

Nur mit dem seidigsten Lauf aller Motorrad-Motoren kann die aktuelle Honda Gold Wing GL 1800, Werkscode SC79, nicht mehr dienen: Im Leerlauf läuft der Motor einen Tick rauer als die erste, noch samtiger laufende 1800er von 2001. Der komplett neue Flat-Six mit 1.833 cm³ trägt aufwendigere Unicam-Vierventilköpfe: Eine obenliegende Nockenwelle pro Zylinderbank betätigt jeweils zwölf Ventile pro Seite. Ohne Verblendungen bauen die Zylinderbänke extrem kompakt. Liegt auch an der heutzutage untypischen quadratischen Auslegung: Bohrung und Hub betragen jeweils 73 Millimeter. Eine Yamaha MT-09 mit 847 cm3 – das ergäbe theoretisch einen Sechszylinder mit knapp 1,7 Litern – hat breitere 78er-Bohrung bei 59er-Hub.

Uwe Seitz
Wer viel fährt muss viel tanken. Auf 100 Kilometer genehmigt sich die Gold Wing moderate 6,15 Liter.

Von Auslegung und Charakter her hat die Gold Wing eben einen "Automotor". Dazu gehören niedrige Drehzahlen, hohes Drehmoment und geringe Spitzenleistung. Zum Vergleich: Der 850er-Triple von Yamaha drückt in allen Modellen 115 PS bei 10.000 Umdrehungen. Der mehr als doppelt so große Honda-Sechszylinder bescheidet sich mit 126 Pferden bei schonenden 5.500 Touren.

Doppelkupplungsgetriebe mit 7 Gangstufen

Schonend fallen auch die Schaltvorgänge des Doppelkupplungsgetriebes aus: In dem Maße, in dem die Kupplung für die ungeraden Gänge den Kraftschluss löst, stellt diejenige für die geraden Gänge diesen her. Jeweils hydraulisch betätigt. Selbsttätig sortiert die DCT-Software die sieben Gangstufen. Doch der Fahrer kann jederzeit manuell dazwischengrätschen oder gleich ganz manuell schalten – per Fingerschnipp mit linkem Daumen und Zeigefinger. Aber nur, wenn die Schaltbefehle dem Elektronenhirn auch plausibel sind. Diese Technologie steht für gehobenen Bedienkomfort.

Fahrer blieb unverletzt

Doch nach 628 Tagen Dauertest schlug das Schicksal zu und die Honda Gold Wing GL 1800 bei Kilometerstand 62.699 in die Beifahrertür eines Mikro-SUV ein, keine zwei Kilometer vom Redaktionsgebäude entfernt. Nach dem Crash baumelte das Vorderrad traurig an einer Hydraulikleitung des Verbundbremssystems: Das Bremspedal verzögert die mittleren Paare der Sechskolbenstopper vorn. Ein Kran musste kommen und den Top-Tourer bergen. Zum Glück blieb der Fahrer dank Hondas exklusivem Airbag gering verletzt. Trotzdem, aus der Traum der vollen 100.000 Kilometer.

Das folgende Unfallgutachten der Dekra attestierte angesichts der völlig zerstörten Front Reparaturkosten über dem Neupreis von Hondas teuerstem Serien-Motorrad. Und der beträgt happige 36.000 Euro. Aber dieses Ende war auch ein Anfang. Von etwas Großem, mit viel Einsatz Improvisiertem: Das Team von Honda-Händler Achim Trinkner in Löchgau leistete Schwerstarbeit, um aus der nicht einmal mehr rollbaren Gold Wing wenigstens den unbeschädigten Sechszylinder herauszuoperieren. Was angesichts des 122,5 Kilogramm schweren Trumms von einem Motor (inklusive Getriebe) nur dank Europaletten und Gabelstapler gelang. Danke dafür, Jungs!

Zerlegung des Motors

Nun trat Gerry Wagner auf den Plan, der Werkstattleiter bei MOTORRAD: Mithilfe des Trinkner-Teams und des von Honda für seine Werkstätten bereitgestellten Leih-Spezialwerkzeugs (jawohl: Denn wann muss ein Gold-Wing-Motor jemals demontiert werden?) zerlegten sie Baugruppe für Baugruppe. Mit langen Ansaugwegen in der raumgreifenden Ansaugspinne zu bloß einer gemeinsamen Drosselklappe ist der Flat-Twin der Honda Gold Wing GL 1800 nicht gerade leistungsoptimiert. Gerry Wagner und Kollege Achim Steinmacher kamen immer näher ans Eingemachte, sezierten sechs Kolben und Pleuel, sieben Gangradpaare, 24 Ventile und so fort.

Ja, und nun? Nichts weiter. Achim hörte man öfter mal sagen: "Einen Motor, der so gut aussah, habe ich noch nie auseinandergenommen, hier sieht alles eher nach 5.000 denn 63.000 Kilometer Laufleistung aus." Was das im Einzelnen heißt? Alle vermessenen Bauteile befinden sich noch in der Einbau- oder höchstens Betriebstoleranz. Verschleiß? Blieb weit und breit komplette Fehlanzeige. Top präsentieren sich die Nockenwellen. Sie tragen im Wechsel kleinere, schmalere Nocken für die Rollenkipphebel der Auslassventile und größere, breitere Nocken für die Schlepphebel der Einlassventile. Minimale"Kaltlaufreiber" an den Zylindern sind sichtbar, aber kaum fühlbar und letztlich harmlos. Und die Laufspuren an den Kolbenhemden? Das passt schon. Dafür wurden sie ja werksseitig beschichtet.

Honda Goldwing im 100.000-Kilometer-Dauertest.
Jens Möller-Töllner.
Die 385 Kilogramm schwere Honda Gold Wing GL 1800 wurde mit einem Kran geborgen.

Das Siebenganggetriebe im "Lkw-Format" (Redakteur Ralf Schneider) und der riesengroße Kupplungskorb wirken fast wie neu. Ein Beleg für großzügige Dimensionierung und hohe Dauerhaltbarkeit. Die offenbar sehr kompakten Kupplungsfedern sind in die nicht zum Zerlegen vorgesehenen Kupplungspakete integriert. Auch die Schaltgabeln sind trotz leichter Laufspuren tadellos. Obwohl die Zylinderbänke links und rechts spiegelsymmetrisch aufgebaut sind, tragen die Kolben der linken Zylinderbank ein eingegossenes "L", die der rechten Seite ein "R". Sind sie denn nicht identisch? "Nicht ganz", sagt Guido Nowak von Honda Deutschland. "Das hat technische Gründe, wie etwa die Desachsierung der Kolbenbolzen. Auch die Anlageseite und die Lage der Kolbentaschen änderten sich beim Vertauschen."

Gar nichts kaputt?

Der Clou aber ist ein Sicherungsclip für den Ölabstreifring der linken Kolben: Sie verhindern, dass beim Abstellen auf dem Seitenständer Öl in die Brennräume kommt und beim Kaltstart eine blaue Abgasfahne produziert. Typisch Honda, durchdacht bis ins Detail. Gar nichts kaputt also, an der Honda Gold Wing GL 1800? Zumindest eine interessante Kleinigkeit gab es noch: Erst nach dem Zerlegen der riesigen Ölpumpe – in ihr rotieren drei Förderpaare (!) – fiel ein kleiner Materialausbruch an der Innenseite des Gehäuses auf. Er war etwa so groß wie ein kleiner Fingernagel. Da aber nirgendwo im tadellosen Motor offensichtlich Metallspäne durchgezogen wurden, vermuten wir eher einen Gussfehler noch von der Fertigung. Und so etwas bei Honda? Nein, bei einem Zulieferer. Derzeit ist das Teil zur Begutachtung auf dem Weg nach Japan.

Reifen für die Honda Gold Wing GL 1800

Dunlop D 423 (F): Auf diesen Reifen rollt die Honda, in unkonventionellen Dimensionen 130/70 R 18 und 200/55 ZR 16. Logisch: Um heftige 586 Kilogramm zulässiges Gesamtgewicht zu schultern, ist die Karkasse auf Kosten der Eigendämpfung verstärkt. Tragfähigkeitsindex sind 63 vorn (272 Kilogramm) und 77 hinten (412 kg). Auf trockenen Straßen haften die Dunlops durchaus gut. Bei Nässe aber fühlen sie sich"steif, nervös" an.

Bridgestone Exedra G 853 (Front) und G 852: Auch Japans zweites Reifenpaar setzt auf Stabilität und neutrales Handling. Und auf"modernes, attraktives Profil". Wie bei den Dunlops pendelt sich die Haltbarkeit im Langstreckenbetrieb bei rund 12 000 Kilometern ein – reicht bis zur nächsten Inspektion. Angesichts der unkonventionellen Reifenformate sind Alternativen der europäischen Hersteller Continental, Michelin und Metzeler/Pirelli komplett Fehlanzeige. Schade.

Dauertest-Tagebuch Honda Gold Wing

Kilometerstand: 62.699, 3/2020

Honda Goldwing im 100.000-Kilometer-Dauertest.
Jens Möller-Töllner.
Der Crash nach 62.999 Kilometern beendete den Dauertest vorzeitig. Dafür konnten wir ungewollt und spontan den Airbag testen.

Eines gleich vorweg: Der Fahrer der Gold Wing, Ex-MOTORRAD-Fuhrparkleiter Rainer Froberg und jetziger action team-Trainingsmanager, überstand den unverschuldeten Zusammenprall mit einem Opel Antara in einem deutlich besseren Zustand und konnte sogar den blitzschnell eingetroffenen Rettungswagen aus eigener Kraft betreten.

Wir wollen jetzt nicht mit dem abgedroschenen Sprichwort von dem Hobel und den Spänen kommen, aber es ist nun einmal die Realität. Nämlich, dass nicht jede Fahrt für Ross und Reiter in dem Zustand endet, in dem sie begonnen hat, und auch der Endpunkt ist nicht immer der ursprünglich geplante. Viele Faktoren kann man selbst beeinflussen, sei es der Zustand der Maschine, Bekleidung, Vorbereitung et cetera pp. Manche aber eben nicht. Zum Beispiel Verkehrsteilnehmer, die es schaffen, unsere auf einer stark befahrenen Vorfahrtsstraße regelkonform dahinrollende Honda Gold Wing zu übersehen. Und sich flugs dranmachen, ebenjene Vorfahrtsstraße zu queren. Und das just zu einem Moment, der es auch einem routinierten Motorradfahrer wie dem Kollegen Froberg unmöglich macht, auch nur ansatzweise zu reagieren.

"In dem Moment, als ich den Pkw wahrgenommen habe, hat es auch schon geknallt", sagt er. Geknallt hat es sogar gleich zweimal, denn unmittelbar nach dem Einschlag in die Beifahrertür löste der Airbag aus und sorgte so dafür, dass Rainer nicht gegen die in diesem Fall sogar ziemlich hohe Dachkante des Pkw geschleudert wurde, was mit Sicherheit zu erheblichen Verletzungen geführt hätte, sondern auf der Honda sitzen blieb und mit ihr immer noch unsanft genug auf die rechte Seite kippte. Ohne jetzt wissenschaftlichen Ansprüchen genügen zu wollen, darf man wohl sagen, dass es ohne den Airbag nicht bei diversen Prellungen sowie einem angeknacksten Handgelenk geblieben wäre. Rainers Sorge hingegen galt vor allem dem Motorrad, und noch aus dem Sanka heraus telefonierte er Kollegen herbei, um die Honda zu bergen. Was angesichts der Tatsache, dass das Vorderrad nur noch via Bremsleitung mit dem Chassis verbunden war, ohne Kran nicht möglich war.

Was man angesichts der Bilder bereits ahnte, wurde kurze Zeit später dann auch zur Gewissheit: TOTALSCHADEN. Der Gutachter bezifferte die Reparaturkosten auf 32.352,94 Euro. Für den Restwert ermittelte er 4.705,88 Euro. Jeweils netto.

Kilometerstand: 61.254, 11/2019

Honda Goldwing Dauertest
Fabian Dresler
Unbekannter an der Tankstelle: "Bist du nicht zu jung für so ein Motorrad?" Redaktions-Volontär Fabian: "Zumindest beim Kilometerfressen im Spätherbst nicht."

Zu jung für eine Gold Wing? Dass er jemals Freude an der Sitzheizung eines Motorrads haben würde, hätte Volontär Fabian Dresler selbst nicht geglaubt. Für ihn ist sonst alles überflüssig, was nicht schneller macht. Als er bei knapp über Null Grad von Stuttgart nach Braunschweig und wiederzurück reiste, änderte sich diese Einstellung schlagartig. Sitz- und Griffheizung waren ein Segen, ebenso wie die riesige Scheibe und der Tempomat. Es dämmerte, warum nicht nur die älteren Kollegen im Winter so gerne mit der Gold Wing unterwegs sind. Nur das Radio blieb dann doch ausgeschaltet."

An der Tankstelle holte ein interessierter Autofahrer den Volontär schließlich auf den Boden der Tatsachen zurück: "Bist du nicht zu jung für so ein Motorrad?" Kurze Denkpause, dann die Antwort: "Zumindest beim Kilometerfressen im Spätherbst nicht." Da muss wohl doch nicht immer alles nur schneller machen. Die Gold Wing hat jedenfalls einen weiteren neuen Freund. Der konnte sich den Kommentar "Damit über die Bahn zu rollen ist wie Autofahren – nur kälter und lauter" am Ende aber auch nicht verkneifen.

Kilometerstand: 60.000, 10/2019

Rene Correra
Jörg Künstle
Test-Redakteur René Correra: "Noch mehr Komfort auf der Autobahn ist nicht vorstellbar."

Test-Redakteur René Correra nutzte die Gold Wing für die Pendelei zwischen seiner Heimat Mannheim und dem Redaktionsbüro in Stuttgart. Primär war er mit der Honda auf der Autobahn unterwegs: "Noch mehr Komfort auf der Autobahn ist nicht vorstellbar. Leider fehlen allerdings trotz verstellbarer Riesenscheibe die letzten paar Zentimeter, um komplett vom Fahrtwind geschützt zu sein. Nichtsdestotrotz bietet die Gold Wing superben Windschutz. Es ist dadurch sogar problemlos möglich, Geschwindigkeiten über 150 km/h mit einem geöffneten Visier zu fahren – für mich ein gänzlich neues Gefühl. Der Motor fasziniert mit einer einzigartigen Laufkultur und fühlt sich beim Anfahren mit leicht erhöhtem Gas ein wenig wie ein V8 an. Kraft ist an sich genügend vorhanden, gefühlt versandet aber viel davon im DCT-Getriebe bzw. in manchen Fahrmodi.

Leider sind Schaltschema und Fahrmodus nicht getrennt voneinander einstellbar, heißt "Sport" liefert zwar eine knackige Motorperformance, schaltet aber viel zu spät und hält sich viel zu sehr in zu niedrigen Gängen auf. Ideal wäre eine Kombination aus "Sport"-Mapping und "Tour"-Schaltstrategie. Selbst eingreifen in die Gangwahl ist zwar jederzeit möglich, aber auch hier schaltet das Getriebe teilweise selbstständig. Man merkt dem Motorrad an, dass mit steigenden Kilometern die Gänge nicht mehr ganz so sanft geschaltet werden. Auch die Begrenzung auf 180 km/h ist nicht ideal. Bei so einem stabilen ICE würde man sich zumindest 200 wünschen, die Wand bei 180 kommt teils recht unvermittelt. Das Navi funktioniert gut, aber die Bedienung für das gesamte Infotainment ist zu komplex und viele wichtige Aspekte sind nur im Stand möglich."

Kilometerstand: 49.377, 8/2019

Redakteur Thorsten Dentges hat die Gold Wing zu einem Ausflug nach Bayern ausgeführt und zeigte sich angetan vom Honda-Tourer: "Wieder einmal der Beweis: dieses Motorrad kann Urlaub & Reise perfekt. Verdammt kommod, wie Einspur-Cabriofahren! Das Radio läuft die ganze Zeit. Aber der Sound vorne ist insgesamt klasse. Die Sozia hinten hört allerdings nicht viel vom Programm.

Erstaunlich: Fahren zu zweit fühlt sich auf dem Brummer auf kurviger Landstraße dynamisch fast genauso an wie alleine unterwegs zu sein. Motorpower satt, und das Fahrwerk lässt sich gut anpassen."

Kilometerstand: 47.599, 7/2019

Honda Goldwing im Dauertest.
Lohse
Jörg Lohse, stellvertretender Chefredakteur MOTORRAD, zu Besuch bei Karl Maier: "Das DCT ist scho fei guat, aber du kunnst koanen gscheitn Wheelie foahn und an Burnout geht auch net recht!"

Freundschaften müssen reifen. So auch im Fall der Gold Wing. Die letzte große Ausfahrt (Stuttgart – Wien und retour) vor zwei Monaten nervte mit blöd verschachtelten Koffern (mieser Stauraum, entsprechend gelaunte jugendliche Sozia) und idiotischer Bedienführung des Bordprogramms (Navi, Apple Carplay, Trip- und Restreichweitenabruf, genervter Pilot). Dafür beeindruckte der Sound des Sixpacks und das supersmooth ansprechende DCT (beide). Nun ein neuer Versuch, die Freundschaft auf 1600 km in drei Fahrtagen zu vertiefen: Fast-forward-Trip nach München und zurück (zwecks Quickvisite der BMW Motorrad Days 2019) und dann noch eine schnelle Runde zum Deutschland Grand Prix an den Sachsenring.

Erwartungsgemäß bleibt gleich zu Anfang manches weiter mies (Kofferraum), manches erste Sahne (Sound und DCT-Automatik). Beim Bordprogramm soll eine neue Taktik alle Möglichkeiten ausloten: In der Nacht vorm Abflug das daumendicke Handbuch studiert und wie im Langstreckenjumbo eine Stunde vor Take-off alles per Checkliste abgearbeitet – wobei eine Stunde dann doch noch sehr knapp bemessen ist. Immerhin: Das alte iPhone wird als iPod erkannt, die Playlist erscheint tatsächlich im TFT-Display. Das neue wird als Telefon erkannt und zeigt tatsächlich eingehende Anrufe an. Der leise Shoei-Neotec II-Klapphelm ist mit dem integrierten Sena als Headset angemeldet und erspart die Peinlichkeit, dass Musik und Muttis Anrufe nicht über die Bordlautsprecher ausgegeben werden. Das Navi ist mit allen Zielen programmiert, die Restreichweite eingestellt, und sogar der Tripmaster genullt – ready for take-off

Natürlich scheitert man unterwegs immer wieder am Aufruf weiterer E-Gimmicks, die dazu führen, dass in Dauerschleife die Meldung "Funktion während der Fahrt nicht erlaubt" erscheint. Einzige Chance dann: Rechts ranfahren, stoppen, Meldung wegdrücken. Ohne Kommentar.

Der Gold Wing bleibt natürlich der Trip von München nach Garmisch erspart, nicht aber die Stippvisite bei BMW-Händler und weiß-blau durchgefärbtem Markenbotschafter Karl Maier, vierfacher Sandbahn-Weltmeister und ärgster Widersacher von Egon Müller. Natürlich darf er zum Vergleich mit den hauseigenen Boxern und Sixpacks die Gold Wing probieren – immerhin kombiniert unser Dauertester als Boxer-Sechser das Beste aus beiden Welten. Tatsächlich schafft es die Honda, Karl nachhaltig zu beeindrucken, doch überzeugen kann sie den einstigen Driftmeister nicht: "Das DCT ist scho fei guat, aber du kunnst koanen gscheitn Wheelie foahn und an Burnout geht auch net recht!". Gold Winger können diese Kritik gelassen wegstecken. Vor allem, wenn Best-of Elvis aufgelegt ist und die Honda auf der leeren Bahn unerschütterlich mit Tempo 180 (abgeregelt, was aber nicht im Mindesten stört) Richtung Bettstatt pfeilt.

Ein kurzer Break, Auffüllen aller Betriebsstoffe (Sprit für den Sixpack, Kaffee für den Fahrer, Red Bull für den zugestiegenen jugendlichen Sozius) und weiter geht’s zum Sachsenring. Auch bei einer Vater-und-Sohn-Tour bleibt der praktisch nutzbare Stauraum in den Koffern unterirdisch. Dafür stimmt es mit dem Komfort, um ohne große Zwangspausen (zum Recken und Strecken) Hohenstein-Ernstthal pünktlich zum MotoGP-Qualifiing zu erreichen. Immerhin P2 für die Gold Wing – nein, nicht Startaufstellung, aber immerhin einen Parkplatz extrem nahe an der Pole Position. Die Präzision hat durchaus Marquez-Format und ich wäre tatsächlich geneigt, einen kleinen HRC-Aufkleber auf die Seite zu pappen, wenn der in Gelb gewandete jugendliche Beifahrer (#46) nicht so vehement protestieren würde.

Keinen Protest gibt es bei der persönlichen Rennanalyse am Sonntagabend auf der heimischen Terrasse: Der 1000-km-in-26-Stunden-Trip ohne Schmerz und Pein abgerockt, dabei 6,2 Liter pro 100 km durchgepustet (trotz langer Gas-am-Anschlag-Etappen!), dabei noch kleine Finessen wie die praktische Stellfläche des Tankverschlusses entdeckt. Gold Wing, ich komme wieder.

Kilometerstand: 43.538, 6/2019

Uli Baumann
Uli Baumann
Uli Baumann, Redakteur motorradonline.de: "Der Sitzkomfort für einen 1,90 Meter großen Fahrer lässt zu wünschen übrig. Für mich gehören die Rasten runter oder die Sitzfläche rauf."

Online-Redakteur Uli Baumann nutzte die Gold Wing für einen Dienstreise-Trip in den Norden und eine Spritztour durch den Schwarzwald: Große Vorfreude und große Aufregung – die erste Gold Wing seit Jahren und das erste DCT überhaupt. Also ohne eine Einweisung in die Grundfunktionen der Gold Wing zu starten ist fahrlässig und auch beinahe unmöglich. Die Basisfeatures sind dann aber auch schnell verinnerlicht. Tiefergehende Funktionalitäten lassen sich größtenteils mit Logik aber nicht ergründen. Menüstrukturen sind chaotisch, Funktionen versteckt und Optionen eingeschränkt. Hier fehlt ein moderner Touchscreen im Cockpit. Das Radio ist "sch...e". Kaum Empfang, kaum Sound. Das Navigationssystem lässt sich nicht intuitiv bedienen. Einbindung des Telefons per Bluetooth ist unkomfortabel.

DCT – für mich schlichtweg ein Graus. Auch hier lässt sich die hinterlegte Schalt-"Logik" nicht erahnen. Die Box schaltet meist so, wie ich nicht schalten würde – zu früh, zu spät oder gar nicht. Bergab rollen im großen Gang geht nicht, spritzige Leistungsabforderung zum Überholen geht nicht. In Kurven verhagelt ein Gangwechsel regelmäßig die Linie. Zudem sind die Schaltvorgänge immer mit einem deutlichen "Klack" verbunden – unschön. Ok, im Stopp-and-Go-Verkehr ist DCT ein nettes Komfortfeature.

Der Windschutz lässt sich mit der höhenverstellbaren Scheibe fein regulieren – sehr gut. Der Sitzkomfort für einen 1,90 Meter großen Fahrer lässt zu wünschen übrig. Man hängt zu weit in Rücklage hinter dem Lenker. Für mich gehören die Rasten runter oder die Sitzfläche rauf. Das Gepäckraumangebot ist für einen Tourer eine Frechheit – reicht gerade einmal für ein Wochenende mit Hotelaufenthalt auf Kreditkartenbasis. Auch die Reichweite mit "erfahrenen" 360 Kilometern im gemütlichen Autobahnbetrieb ist für eine Gold Wing lächerlich. Nicht standesgemäß ist das allgegenwärtige Geklapper aller Kunststoffteile.

Zum Motor: die 170 Nm Drehmoment sind spürbar, die 126 PS Leistung nicht. Der Klang ist im Cruising-Modus angenehm, auf der Bahn ist mir der Boxer aber akustisch zu dominant.

Und das sagt die Beifahrerin

Dauertest Honda Gold Wing GL 1800 Sozia
Jacek Bilski
"Aus Sicht der Sozia wohl das beste Motorrad für lange Fahrten. Selbst bei Kurvenfahrten ist es nicht notwendig sich aktiv am Fahrgeschehen zu beteiligen."

Beifahrer lieben die Gold Wing – bequemer geht es kaum – auch auf Langstrecke, sagt MOTORRAD-Produktionerin Petra Wiesner: Chillen ist angesagt. Auf der Gold Wing fährt man nicht mit – man thront. So ähnlich müssen sich im Mittelalter die Hofdamen in einer Sänfte gefühlt haben. Sitz man einmal, will man so schnell nicht wieder absteigen. Die Sozius-Sitzposition auf der Gold Wing ist unschlagbar bequem. Rücken- und Armlehnen sind genau da wo sie hingehören.

Der Aufstieg auf die Gold Wing ist hingegen nicht ganz so einfach und erfordert ein gewisses Maß an Beweglichkeit will man nicht immer mit den Stiefeln an der Rückenlehne, der Sitzbank oder den Armlehnen hängen bleiben. Das Radio oder Navi ist als Beifahrer nur bei sehr hoher Lautstärke hörbar. Die Sicht auf die Straße und die Instrumente ist gut. Schlafen geht auch.

Der Abstand zwischen Fahrer und Beifahrer (zwei Handbreit in meinem Fall) verursacht viel Verwirbelungen, die vor allem am Oberkörper zerren. Bis Tempo 140 ist das aber mit ganz nach oben gestellter Scheibe kein Problem. Ab 140 km/h vibriert das Motorrad und der Fahrtwind wird unangenehm. Dafür ist die Sitzheizung gut erreichbar und funktioniert spürbar auch durch dicke Motorradhosen.

Aus Sicht der Sozia wohl das beste Motorrad für lange Fahrten. Es passiert nichts Unvorhersehbares, da der Koloss einen sehr schwerfälligen Eindruck macht. Selbst bei Kurvenfahrten ist es nicht notwendig sich aktiv am Fahrgeschehen zu beteiligen. Einfach chillen, den Fahrtwind genießen und die Welt anglotzen …

Kilometerstand 40.000, 5/2019

Uwe Seitz hat mit der Gold Wing die 40.000-Kilometer-Schallmauer durchbrochen. Von den Pendler-Eigenschaften zeigte sich der ansonsten auf eher sportlicheren Motorrädern fahrende PS-Chef begeistert. Sein circa 200 Kilometer langer Arbeitsweg lasse sich nach eigener Aussage vermutlich lediglich per Teleporter noch angenehmer zurücklegen. Lediglich der Sohnemann zeigte sich nicht ganz so begeistert vom Honda-Tourer: "Krass peinlich, wenn der Ofen vor dem Haus steht".

Kilometerstand: 38.690, 4/2019

Honda Goldwing im Dauertest.
Lohse
Jörg Lohse, stellvertretender Chefredakteur MOTORRAD: "Ein irres Erlebnis! Großes Kino, perfekt für die geplante "Wien-an-einem-Tag"-Reise."

Jörg Lohse, stellvertretender Chefredakteur MOTORRAD: Bin ich vorher jemals eine Gold Wing gefahren? Ich glaube nicht, denn beim Druck auf den Starterknopf purzel ich fast vom Sitzpolster runter. Was ist denn das? Was für ein Sound! Was für eine Atmo! Der Hammer und es kommt noch besser, als ich die Fahrstufe D einlege, der wummernde Sechszylinder im unnachahmlichen Automatic-Cruise-Modus Fahrt aufnimmt, und per DTC-Getriebe butterweich die Gänge hochgeschaltet werden. Ein irres Erlebnis. Warum habe ich nur 37.000 km lang (solange befindet sich die Honda schon bei uns im Dauertest!) gewartet! Großes Kino, perfekt für die geplante "Wien-an-einem-Tag"-Reise mit der pubertierenden Tochter ("Warum können wir denn nicht fliegen?") auf dem hinteren Ohrensessel.

Weil fliegen nicht schöner sein kann. Okay, zugegeben, schon beim Packen für "Zwei Personen, drei Tage" macht sich Ernüchterung breit. Wie kann man die Koffer-Innenräume nur so heftig verbauen. Praktisch nutzbarer Stauraum ist was anderes, vor allem wenn man stilvoll mit praktischen Softtaschen reisen will und nicht Shirts, Shorts und Socken einzeln in jede verschachtelte Ecke stopfen will. Nach einigen zig Kilometern hat man sich auch an der relativ günstig wirkenden japanoid-barocken Plastiklandschaft im Cockpit sattgesehen. Schön und wertig ist anders – das hat einfach nur Toyota-aus-den-Neunzigern-Style. Und spätestens bei der unmöglich komplizierten Bedienbarkeit der Elektro-Goodies relativiert sich der erste Wow-Effekt gewaltig. Die Logik der Bedienführung: eine Zumutung! Selbst das daumendicke Fahrzeug-Handbuch verwirrt mehr als das es hilft. Die Heizgriffe kommen selbst in höchster Stufe nicht wirklich auf Temperatur (vor allem, wenn man im direkten Vergleich zuvor 5.000 km auf einer BMW R 1250 GS gesessen hat). Aber ich setze auf den Faktor Zeit. 1.500 km später sitzt dann alles: Man hat sich an die Unlogik der Connectivity-Funktionen gewöhnt, kann nun aber einigermaßen souverän das Navi bedienen, den Tempomaten einschalten und sich sogar die Restreichweite anzeigen lassen. In meinem Helm dudelt SWR3 mit sattem Sound und störungsfrei aus dem Bordradio, die Tochter kann in ihrem ihre Songs und Favoriten über Apple Carplay anhören. Mit souveränem Schwung pfeilen wir jenseits von Budweis mit dem 365-kg-Koloss und seinem E-sauber ansprechendem E-Fahrwerk unaufgeregt über löchrige Buckelpisten und lassen per "Kickdown-Funktion" langsame Schleicher stehen. Geilomat! Die Tochter bleibt zickig bei ihrem Vorsatz: "Das nächste Mal fliegen wir aber!" Ich sage: Wir müssen unbedingt noch mal Gold Wing fahren! Fortsetzung folgt…

Kilometerstand: 37.182, 4/2019

Johannes Müller und Stefan Kaschel
Yvonne Hertler
Testredakteur Johannes Müller: "Reicht Android Auto per Update nach, damit auch Apple-Verweigerer etwas vom großen Display haben."

Im direkten Anschluss an die 36.000er Inspektion entführte Testredakteur Johannes Müller plus Begleitung die Gold Wing auf einer Supertour nach Paris. Zweieinhalb Fahrtage, 1.500 Kilometer, fast nur Landstraße: "Ein Supertourer wie die GL 1800 will Strecke machen, und das taten wir. Zum Familiengeburtstag bei Paris. Was das zur Sache tut? Reichlich Geschenke bedeuten reichlich Gepäck. Nur sind die Seitenkoffer der GL schlimm zerklüftet, so dass zwei Personen sich auf das kleinste Besteck beschränken müssen, wenn im Topcase Präsente reisen. Weil noch eine Reitausrüstung zu transportieren war – fragen Sie nicht – kam es, dass wir tatsächlich eine Rolle aufschnallten, mangels Zurrmöglichkeit keine triviale Übung. Auch das Navi hinterlässt weiterhin Fragezeichen, die sorgfältig geplante Route korrekt zu importieren, wollte trotz erheblicher Trickserei nicht gelingen. Die Gold Wing-Fahrt an sich allerdings, erst recht durch die leere französische Walachei, ist mit jedem Meter allerhöchster Touring-Genuss. Sozia und Beladung interessieren die GL nicht die Bohne, auf neuen, nicht eckigen Dunlop-Reifen rollt sie endlich wieder harmonisch (Achtung bei Nässe!), der Federungskomfort ist sowieso über jedes Schlagloch erhaben. Erst auf Strecke entfalten Flat Six und DCT ihre ganze, herrliche Pracht. Heizgriffe- und Sitze sowie die große Scheibe komplettieren das Geborgenheits-Paket. Wunsch an Honda: Reicht Android Auto per Update nach, damit auch Apple-Verweigerer etwas vom großen Display haben."

Kilometerstand: 35.575, 4/2019

Die Dauertest-Gold Wing war fällig für den 36.000-km-Kundendienst. Im Zuge der Inspektion gab es neue Bremsbeläge (vorn/hinten/Handbremse) sowie einen neuen Satz Dunlop Sportmax D423F-Reifen. Der Reifensatz schlug mit 380 Euro plus knapp 200 Euro Einbau und Montage zu Buche. Die neuen Bremsbeläge kosten 310 Euro inklusive Montage. Auf die reine Inspektion mit Öl- und Filterwechsel entfallen etwa 340 Euro (alle Preise brutto). Der gesamte Werkstattaufenthalt belastet das Dauertestbudget mit 1.244 Euro.

Kilometerstand: 31.900, 12/2018

Real men don’t wear ties! Echte Männer tragen keine Schlipse, weiß der Volksmund. Und sie lesen auch keine Bedienungsanleitungen. Was im Falle der Gold Wing auch dauert, denn 258 Seiten (plus ein 88-Seiten-Heft allein fürs Navi) wollen erst einmal durchgearbeitet sein. Immerhin wird darin kurz vor Halbzeit, nämlich auf Seite 118 erklärt, wie der Motor zu starten ist. Es geht aber auch ohne. Dass wir dennoch zur Lektüre griffen, kam so: Nach den ersten kalten Nächten wollte die Wing nicht starten. Der Anlasser drehte zwar die Welle. Allein, es fehlte der Funke.

Mit neuer Batterie (Garantie) ging‘s weiter. In der Redaktionswerkstatt wollte Schrauber Gerry nochmals nach dem Stromspender schauen und versenkte dabei aus Versehen einen Gummipfropfen des linken Koffers in den Tiefen des Raumes dahinter. Die Bergung gipfelte in der Total-Demontage des Rahmenhecks inklusive Topcase. Dabei entdeckten wir ein bis dahin unbekanntes Schloss. Doch wo war der Schlüssel? Den fanden wir später im Transponder. Im Falle eines Stromausfalls lässt sich damit der linke Koffer öffnen. Und über einen gut versteckten Zug von dort der rechte. Dieser Blackout trat prompt wenige Tage später ein. Die Wing war morgens völlig tot. Kein Mucks war ihr zu entlocken. Wir tippten schon auf gröberes elektrisches Ungemach, doch die Lösung war viel einfacher: Kollege Ralf Schneider hatte wohl unbeabsichtigt den Transponder durch Drücken des Emblems deaktiviert. Also noch mal laaange drücken und: ZACK! Es ward Licht.

Ein provisorisch in Luftpolsterfolie gewickelter Blechbügel, der haltlos im Topcase herumkullerte, warf Fragen auf. Anhand des Honda-Schriftzuges war klar, dass er zum Bike gehören muss. Blieb die Frage nach der Funktion. Auch in diesem Fall konnte die 258 Seiten starke Bedienungsanleitung helfen: Es ist ein Helmschloss! Und es funktioniert wie folgt: Nach dem Öffnen des linken Koffers findet man oben einen kleinen Hebel. Zieht man diesen, so fährt ein in den linken Sozius-Haltegriff integrierter Stift heraus und gibt eine Öffnung frei. In diese wird nun der Bügel gesteckt, der Stift verriegelt, et voilà: Der Helm ist gesichert. Zumindest, wenn er über einen Doppel-D-Verschluss oder eine Öse verfügt, durch die der Bügel hindurchpasst. Generell passt diese Konstruktion nicht recht zur ansonsten sehr durchdachten Gold Wing.

Kilometerstand: 20.016, 7/2018

Uwe Seitz Portrait
Yvonne Hertler
Uwe Seitz, stellvertretender Chefredakteur MOTORRAD und PS-Chef: "Aus Sportfahrer-Sicht regt mich eine Sache an der Gold Wing einfach nur auf: die Bevormundung des Honda'schen Sicherheitsrates."

Die 20.000 km-Schallmauer ist durchbrochen, der Reisedampfer im Dauertest-Fuhrpark wird seit Mitte April ordentlich rangenommen. Bei 3.000 km-Tachostand fuhr ich (PS-Chef Uwe Seitz) sie letztmalig und muss sagen, dass sie eigentlich nichts eingebüßt hat – nicht spürbar zumindest. Nach wie vor ist der Motor mit dem Sound der Knaller und die Goldie liegt selbst bei Geschwindigkeiten jenseits der 140 wie ein Brett. Das ist ein Gefühl, wie es Kleinwagen-Fahrer selbst bei 100 auf der Autobahn wohl nie erleben werden. Aber aus Sportfahrer-Sicht regt mich eine Sache an der Gold Wing einfach nur auf: die Bevormundung des Honda'schen Sicherheitsrates. Fährt das Wohnzimmer auf zwei Rädern erstmal, kann man praktisch nichts mehr einstellen, zumindest die direkten Fahrzeugeinstellungen nicht (Modi ausgenommen), der Tempomat funktioniert nur bis knapp 140 km/h und bei 180 km/h fährt man plötzlich gegen den Umkehrschub, denn der 1800er-Sechszylinder regelt plötzlich und ungeschmeidig ab. Da kann die Honda noch so bombenstabil fahren, dann ist einfach Schluss und auch nur eine Hand vom Lenker zu nehmen, scheint den Verantwortlichen in Japan einem Harakiri gleichzukommen. Oder ist der gemeine Gold Wing-Fahrer so untalentiert? Aber ich glaube, ich werde den "Eimer" bis zum Finaleinlauf bei 100.000 km bestimmt noch ein paar Mal über die Autobahn jagen – das hat was.

Kilometerstand: 17.101, 7/2018

Dentges
Reise-Redakteur Thorsten Dentges: "Im Stau ist kein Durchkommen. Die Gold Wing ist etwas zu breit."

Kollege Thorsten Dentges begab sich mit der Gold Wing auf Kaffeefahrt quer durch die Republik. Mal eben von Stuttgart nach Baden-Baden auf einen Kaffee, Kilometerstand 14.743. Ach ja, warum dann nicht gleich nach Münster zur Röstbar, dem Landessieger NRW für guten Kaffee, auch nur ein Katzensprung mit der ultrabequemen Gold Wing? Kilometerstand 15.437. Dort allerdings Horrorstau, kein Durchkommen… die Gold Wing ist ein paar Zentimeter zu breit.

Weiter geht's heute noch nach Bremen und Hamburg, den Kaffeehochburgen mit Tradition. Ein Klacks mit dem fahrenden Sofa, yuhuu! Kilometerstand 16.034. Auf Usedom soll es angeblich die beste Mohntorte geben, also hin da. Kilometerstand 16.034.

In Berlin machen sie kalten Kaffee! Und der schmeckt tatsächlich auch noch!!! New School und auch nur 300 Kilometer zu fahren, ist auf einer Arschbacke abzureiten mit der Honda. Über Dresden (Manufaktur besuchen, bester Kaffee des Landes) zurück nach Stuttgart, Kilometerstand 17.101, der Kofferraum der Gold Wing ist voll mit feinen Bohnen. Hat sich gelohnt, 2.400 Kilometer in 3 Tagen (wach).

Kilometerstand: 14.490, 6/2018

Dauertest Honda Gold Wing GL 1800
Thomas Schmieder
Chefredakteur Michael Pfeiffer auf Dienstreisen: 8 Stunden von Grenoble nach Stuttgart und 11 Stunden und drei Minuten von Stuttgart nach Barcelona. Geht mit der Gold Wing gut.

Vom Finale des Alpenmasters übernahm MOTORRAD-Chefredakteur Michael Pfeiffer die Dicke auf dem Galibier-Pass und fuhr damit zunächst zurück nach Stuttgart, um dann sofort weiter zur MotoGP nach Barcelona zu schippern. Zeit für die über 3.000 Kilometer: Nur sechs Tage. Macht aber nichts. Denn so komfortabel wie auf der Honda kannst du mit keinem anderen Bike Reisen. Du liebst das weitgehend weich schaltende DCT-Getriebe mit dem langen siebten Gang, das Navigieren funktioniert auch ganz ordentlich und die Reichweite von über 330 Kilometern bei Marschtempo 120 bis 130 km/h geht in Ordnung.

So reichten acht Stunden von Grenoble nach Stuttgart und wirklich kurze 11 Stunden und drei Minuten von Stuttgart nach Barcelona. Das muss man erst einmal mit einem anderen Motorrad schaffen! Zurück ging es dann noch über den Mont Ventoux. Die 60 Kilometer Kurven hoch und runter machen aber nur Spaß, wenn man die Dicke auf Zwei-Personenbetrieb plus Gepäck hochstellt. Damit verbessert sich die Bodenfreiheit deutlich und die Gold Wing schrappelt nicht in Jeder Kurve mit den Fußrasten auf dem Boden.

Nach 15 Stunden entspannt zurück in Stuttgart und bei 14.490 Kilometern Richtung Inspektion abgegeben. Extrem langstreckentauglicher Vollkomfort-Megatourer. Die Inspektion an sich verlief planmäßig und wurde mit 263,74 Euro berechnet.

Kilometerstand: 7.000, 5/2018

Bereits 27 Mal rollte die Honda Gold Wing seit dem Dauerteststart an die Tanke, über 7.000 km stehen auf der Uhr. Der Dauertest mit der Honda Gold Wing läuft auf vollen Touren. Selbst PS-Kappo Uwe Seitz – sonst extrem Supersport-fixiert – hat schon 1.000 Kilometer dazu beigetragen: "Fährt erstaunlich gut für so einen Eisenhaufen", gibt er zu Protokoll. "Der Sechszylinder-Sound ist dabei betörend, aber im engen Stau- und Stadtverkehr fühlt sich die Gold Wing dann doch an wie ein Smart, der umfallen kann."

Kollege Thomas Schmieder entführte die Gold Wing auf eine längere Tour nach Luxemburg. Dabei präsentierte sich die neuste Gold Wing-Generation gegenüber ihren Vorgängern deutlich verwandelt: fahraktiver, handlicher. Fahrwerk und Bremsen sind deutlich verbessert, die Ausstattung ist viel praxisgerechter als beim 16 Jahre lang gebauten Vormodell. Mit einer Einschränkung allerdings: das Bedien-Menü ist lästig bis unausgereift. Viele Funktionen lassen sich während der Fahrt nicht bedienen, etwa das Navi, und sei es nur zum Tankstelle suchen.  Als Durchschnittsverbrauch wurden auf der Tour gerade mal 5,35 Liter je 100 Kilometer ermittelt. Und das mit Gepäck und Sozia. Verdammt sparsam für ein Fahrzeug mit herrlich klingendem und unerreicht laufruhigem Sechszylindermotor!

Mittlerweile gibt es auch die ersten kleinen "Vorfälle" zu Beginn des Dauertests über 100.000 Kilometer: bei Kilometerstand 6.665 muss zum 1. Mal Öl nachgefüllt werden – bei einer Honda! Einen viertel Liter frischen Schmierstoff genehmigte sich der Sechszylinder-Boxer auf gut sechseinhalbtausend Kilometer. Ohne Funktion ist mittlerweile die Parkbremse – mit Doppelkupplungsgetriebe kann man ja keinen Gang einlegen bei ausgeschaltetem Motor: Thomas und ein namentlich nicht genannt werden wollender Chefredakteur sind wohl das ein oder andere Mal mit angezogener Handbremse losgefahren. Das merkt man angesichts kräftigen Antritts zunächst gar nicht. Parken am Gefälle sollte man also im Moment vermeiden.

Kilometerstand: 3.810, 4/2018

Thomas Schmieder
Erica Barraza Torres
Test-Redakteur Thomas Schmieder: "Tanken an sich will erlernt werden, denn den Tankdeckel zu finden ist gar nicht so einfach."

Gleich nach ihrem Eintreffen bei MOTORRAD ging die Gold Wing auf Tourentest mit Kollege Thomas Schmieder. In vier Tagen sammelte die Honda dabei rund 1.600 Kilometer. Ein weiterer Trip Richtung Berlin spülte weiter satt Kilometer auf das Gold Wing-Konto. 12 Tage nach dem Dauerteststart stehen bereits 3.810 Kilometer auf der Uhr.

Dabei erwies sich die GL 1800 als durchaus sparsam – eine erste Verbrauchsfahrt auf der Landstraße ergab 4,6 Liter – und reichweitenstark. Mit 21 Liter Tankinhalt sind fast 400 Kilometer möglich. Ab 20 Kilometer Restreichweite kommen im Tank-Display nur noch Striche, die dann noch für gut 10 Kilometer Sprit bedeuten. Dann ist Ebbe …

Tanken an sich will erlernt werden, denn den Tankdeckel zu finden ist gar nicht so einfach: rechts in der Verkleidung findet sich ein Fach in dem der Öffner der Tankklappe versteckt ist. Der Tankdeckel selbst ist ziemlich leicht und aus Plastik, wurde einem Kollegen weggeweht und kullerte unter ein Auto.

Gelobt wird aber auch der gute Wetterschutz. Auch ein erstes Malheur gab es schon. Bei angelegten Spiegeln hat der Lenker beim Rangieren ein Spiegelglas aus seinem Gehäuse gedrückt. Zu Bruch ging es dabei allerdings nicht.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023