Honda VFR 800 F und Honda VFR 1200 F im Vergleichstest

Honda VFR 800 F und Honda VFR 1200 F im Vergleichstest
Duell der V4-Sporttourer

Zuletzt aktualisiert am 11.09.2014

Schon 1979 baute Honda erste Rennmaschinen mit V4-Motoren, Serienmotorräder ab 1982. Diverse Konfigurationen und Modelle folgten bis heute: von 500 bis 1300 Kubik, quer und längs eingebaut. In Gestalt der VFR 750 F (Modellcode RC 24) mit V4-Antrieb erschuf Honda im Jahr 1986 zudem den Urtyp neuzeitlicher Sporttourer: sportiv und doch bequem, sogar zu zweit. Kennzeichen Zehntausender VFRs seither: eng anliegende Vollverkleidung, Alubrückenrahmen und hervorragende Zuverlässigkeit. Dies bieten aktuell sowohl die 2014 nahezu komplett umgekrempelte Honda VFR 800 F als auch die seit 2010 angebotene Honda VFR 1200 F .

Hier treffen 90-Grad- (Honda VFR 800 F) auf 76-Grad-V4 (Honda VFR 1200 F), Kette auf Kardan. Und konventioneller Gasgriff auf Ride-by-Wire, dohc auf Unicam-Köpfe. Die 800er basiert auf der 2002 erschienenen RC 46/II, trägt also unter der frischen Schale einen zwölf Jahre alten, Pardon: bewährten Motor. Nun mit überarbeitetem V-Tec-System, das bis rund 6500 Touren nur je zwei Ventile pro Zylinder rekrutiert, erst über dieser Drehzahl per hydraulischer Sperrklinken die acht weiteren Ventile zuschaltet. Der Übergang fällt nun sanfter aus als früher, ohne Ruck. Nur die Tonlage ändert sich extrem. Schnarrend, fast kreischend entert der kleine V4 fünfstellige Drehzahlen.

Honda VFR 800 F verwöhnt mit toller Laufkultur

Dabei verwöhnt die Honda VFR 800 F mit toller Laufkultur, dreht seidig und frei hoch. Untermalt von herrlichem Gegrummel, Zündfolge des V4 mit 180-Grad-Kurbelwelle. Charakterstark, aber durchzugsschwach ist dieser Ultrakurzhuber. Viel mehr Punch bietet die weniger kurzhubig ausgelegte 1200er, schiebt rasant an. Bei 3500 und 5500 Touren steigt die Power fast überfallartig. Unspezifischer ist der Klang der Honda VFR 1200 F mit 28 Grad Hubzapfenversatz. Schöner pufft die 800er aus, optisch wie akustisch.

Die Honda VFR 800 F braucht auf Landstraßen 4,5 Liter Sprit auf 100 Kilometer, die Große gut einen Liter mehr. Die Kleine hat mit 21,5 Litern den größeren Tank, die große Honda VFR 1200 F muss mit 19 Litern auskommen. Zudem wiegt sie heftige 289 Kilogramm. Zehn davon gehen allerdings auf das Konto der exklusiven Doppelkupplungstechnik, die 1000 Euro extra kostet. Damit schaltet man, ohne je selbst zu kuppeln, manuell per Tiptronic oder vollautomatisch: Extrem früh legt der D-Modus den nächsthöheren Gang ein, ziemlich spät der S-Modus. Wegen Kardan und DCT lässt sich die 16.500 Euro teure 1200er in kaltem Zustand schwer schieben.

Fahrersitz der 800er serienmäßig höhenverstellbar

Selbst die Honda VFR 800 F knackt mit Koffern die 13.000-Euro- und Fünf-Zentner-Marke. Doch die elegante 800er fährt viel leichtfüßiger. Wie die schnittig-schlanke, fast zierliche Mini-VFR ihre Kreise zieht, ist schlicht sensationell. Sie hat ein eingebautes Kurvenradar, fährt sicher und präzise – wie auf Schienen. Sie vermittelt dadurch viel Vertrauen. Zumal ihre feinfühligen, schluckfreudigen Federelemente penibelst dem Asphaltrelief folgen, alles glatt bügeln. Die konventionelle Gabel arbeitet top. Zwar liegt auch die modernistisch gestylte Honda VFR 1200 F mit teurerer Upside-down-Gabel satt und sämig auf der Straße. Doch ihr Federbein an der schweren Kardanschwinge spricht einen Tick rumpeliger an.

Auf Buckelpisten stellt sich die Honda VFR 1200 F in Schräglage spürbar auf; Gleiches gilt beim Griff zu den Sechskolbenstoppern. Wobei das Pedal im Verbund eines der Pärchen vorn mitbeaufschlagt. Komplett getrennt ankern die 800er-Bremsen (Vierkolben-Sättel vorn) – mit mehr Handkraft bei geringerer Wirkung. Mit der kleinen VFR wächst der Fahrer dank des viel kompakteren Knieschlusses mehr zusammen. Allerdings muss man sich in alter Schule sportlich-weit zu den Lenkerstummeln strecken. Honda bietet rund 1,5 Zentimeter höhere Adapter an. Serienmäßig höhenverstellbar ist der Fahrersitz der Honda VFR 800 F – umständlich durch sechs Schrauben.

12.000er Wartungsintervalle bei beiden Bikes

Ausgemessen ist das magische Dreieck Sitz – Lenker – Fußrasten bei beiden VFRs praktisch identisch, maximal fünf Millimeter hin oder her. Gefühlt sitzt man auf der Honda VFR 1200 F jedoch etwas aufrechter und ganz real auch ziemlich breitbeinig. Und dies, obwohl bei der 1200er das hintere Zylinderpärchen enger steht. Ihr breiterer Windschild bläst den Fahrtwind unangenehm genau auf den Fahrerhals. Insgesamt wirkt die Honda VFR 800 F mit ihren hellen Voll-LED-Scheinwerfern wertiger und feiner. Sie verursacht beim Fahren und Betrachten den größeren Kick.

Sowohl die Honda VFR 800 F als auch die Honda VFR 1200 F bieten Wegfahrsperren und 12.000er Wartungsintervalle. Was wir uns 2016 von Honda wünschen: eine VFR 1000 ohne VTEC. Etwa 135 PS stark und 225 Kilogramm leicht. Dazu sparsam im Spritverbrauch und gerne mit Zahnriemen. Das wäre die salomonische Lösung aus beiden Maschinen.

Pros und Kontras

fact

Honda VFR 800 F

Plus
• in Kurven extrem stabil, präzise und neutral
• dreh­freudiger Motor
• schönerer V4-Sound
• edle Anmutung, viele wertige Details
• Beschleunigungswerte aus dem Stand ordentlich

Minus 
• Motor bis 7000/min schmalbrüstig
• schlechte Durchzugswerte
• gefühlt noch sportlichere Sitzposition
• für eine 800er sehr teuer

fact

Honda VFR 1200 F

Plus 
• Beschleunigung und Durchzug top
• starker V4-Motor mit DCT-Option
• Koffer serienmäßig
• sauberer Kardan

Minus 
• stellt sich auf Bodenwellen und beim Bremsen auf
• hoher Verbrauch
• richtig schwer
• absolut gesehen teuer

Technische Daten und Messwerte

  Honda VFR 800 F Honda VFR 1200 F DCT
Motor-Bauart Vierzylinder-Viertakt-
90-Grad-V-Motor
Vierzylinder-Viertakt-
76-Grad-V-Motor
Einspritzung 4 x Ø 36 mm 4 x Ø 44 mm
Bohrung x Hub 72,0 x 48,0 mm 81,0 x 60,0 mm
Hubraum 782 cm³ 1237 cm³
Leistung 77,9 kW (106 PS) bei 10.250/min   127,0 kW (173 PS) bei 10.000/min
Drehmoment 75 Nm bei 8500/min 129 Nm bei 8750/min
Rahmen Brückenrahmen aus Aluminium Brückenrahmen aus Aluminium
Gabel Telegabel, Ø 43 mm Upside-down-Gabel, Ø 43 mm
Gewicht vollgetankt*  
245 kg 281 kg
Tankinhalt 21,5 Lite 19,0 Liter
Service-Intervalle 12.000 km 12.000 km
Preis 11.990 Euro² 16.445 Euro
Nebenkosten 295 Euro 355 Euro

MOTORRAD-Messwerte

Honda VFR 800 F      Honda 1200 F DCT
Höchstgeschwindigkeit¹ 242 km/h 250 km/h
Beschleunigung 0–100 km/h      3,6 sek 3,9 sek
                          0–140 km/h 6,0 sek 5,7 sek
                          0–200 km/h 14,2 sek 10,1 sek
Durchzug         60–100 km/h 5,2 sek 4,4 sek
                      100–140 km/h 6,2 sek 4,2 sek
                      140–180 km/h 8,6 sek 4,3 sek

*  MOTORRAD-Messungen; ¹ Herstellerangabe; Diagramm: Leistung an der Kurbelwelle; Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %; ² Preis inklusive Koffer (770 Euro)

fact

Deutlicher Abstand: Die beidenV4-Motoren trennen stets zwischen 35 und über 50 Newtonmeter. Doch aus nicht mal zwei Dritteln des Hubraums holt die 800er prozentual eine vergleichbar ­gute Drehmoment-Ausbeute. Die Kurve der Honda VFR 800 F ist klar zweigeteilt: erst Zweiventil-, dann Vierventilbetrieb. In zwei Stufen, bei 3500 und 5500/min, baut die Honda VFR 1200 F ihre obenheraus bärige Power auf, bleibt aber 12 PS unter der Nennleistung.

Fazit

Die Honda VFR 800 F ist klar das sportivere, sinnlichere Motorrad: Sie fährt harmonischer, wirkt emotionaler. Trotz oder wegen höheren Drehzahlniveaus und mauer Durchzugswerte. In puncto Fahrleis­tungen spielt die ausstattungsbereinigt gar nicht mal so viel teurere Honda VFR 1200 F in einer eigenen Liga. Aber sie ist viel schwerer, weder der bessere Tourer noch richtig sportlich. Den Geist der ­alten 750er-VFRs, insbesondere der RC 36 von 1990 bis 1998, atmet ohnehin die 800er besser. Sie ist unser Fahrspaß-Tipp!