Ich weiß, was Sie jetzt sagen wollen: So ein Motorrad in einem sportlichen Motorrad-Magazin? Und Sie haben recht – vordergründig. Doch es gibt drei gute Gründe, warum die Kawasaki Versys 1000 in PS stattfindet. Erstens betont Kawasaki auf der Präsentation ausdrücklich die neue Sportlichkeit der Versys – die man ihr mit der schnittigeren Frontverkleidung nun auch ansieht. Zweitens steckt der druckvolle Vierzylinder der Z 1000 in dem Sporttourer – das kann gar nicht so unsportlich sein. Und drittens war schon der Vorgänger weitaus Attacke-freudiger als sein tumbes, bummelantes Aussehen erahnen ließ.
TT-Sieger Ian Hutchinson hat mich das spüren lassen, als er beim TT-Presse-Event 2013 auf der R1 durch Douglas raste und ich auf eben einer Kawasaki Versys 1000 hinterhersprinten sollte. „Oh“, dachte ich damals dann in Kirkmichael, „dieser Eimer geht ja prächtig.“
Zylinderkopf und Einspritzung überarbeitet
Jetzt hat Kawasaki den Zylinderkopf und die Einspritzung überarbeitet und entlockt dem Reihenmotor der Kawasaki Versys 1000 nominell zwei PS mehr. Brummen Sie jetzt bitte kein zynisches „Wahnsinn“, denn man mag diesem Motor vielleicht keine zwei Mehr-PS anmerken, aber auf den windigen Straßen den Ätna hoch überzeugte der Motor mit Druck ab 2000/min bis knapp über 10.000/min, und da wird es dann schon sportlich.
Den gierigen Punch, den die Z 1000 oben heraus abliefert, mag die Kawasaki Versys 1000 vielleicht nicht bieten, dafür schiebt sie aber kaum über Standgas sorgenfrei durch Ortschaften und an Autoschlangen vorbei – und zwar in fast jedem beliebigen Gang. Obwohl das flauschige Getriebe geradezu zum Schalten einlädt, darf man bei der Gangwahl auch mal schlampern. Allerdings nicht, wenn es auf die Jagd geht, denn wer die Versys peitschen möchte, muss den Schalthebel in Supersport-Manier bedienen – für Drehmoment unten rum muss man Power oben leider opfern.
Umlegen in Wechselkurven gelingt großartig
Lustvoll angepackt offenbart die Kawasaki Versys 1000 überraschend viel Handlichkeit. Das Umlegen in Wechselkurven gelingt mit dem breiten, jetzt noch kräftigeren Lenker und dem hohen Schwerpunkt des Bikes großartig. Kaum zu glauben, dass die Versys um satte elf Kilogramm schwerer geworden ist! Die saubere Gasannahme spielt ihr hier auch in die Karten, und die Bremsen, die direkt von der Z 1000 übernommen wurden, arbeiten auf sehr gutem Niveau, weil sie zwar nicht sportlich hart zupacken, aber akkurat und sauber dosierbar agieren und nach leichtem Nachgeben im Hebel auf dem ersten Stück der Hatz dann stabil den Druckpunkt markieren.
Das neue Bosch-ABS 9.1 MP ist gelungen abgestimmt und greift erst ein, wenn der Pilot es wirklich übertreibt. Ich möchte mal behaupten, dass der typische Versys-Kunde nur im Notfall spüren wird, dass er überhaupt ABS hat – sehr gut! Die Bridgestone T30-Sporttouren-Reifen, die Pirelli auf der Kawasaki Versys 1000 abgelöst haben, passen sehr gut zum Motorrad, stellen sich niemals auf und servieren guten Grip. Sollte der mal abreißen, steht eine dreistufige Traktionskontrolle bereit, die sich sogar abschalten lässt.
Fahrwerk nicht unbedingt sportlich
Leider ist das Fahrwerk das größte Argument gegen die von Kawasaki propagierte Sportlichkeit, denn selbst die neue Kayaba-Gabel mit Vorspannung und Zugstufe in je einem Holm wie auch das Federbein mit Vorspannung per Handrad und Zugstufe sind für echte Attacken zu sehr unterdämpft, so dass die Kawasaki Versys 1000 in lang gezogenen Kurven, die mit viel Druck gefahren werden, gern schaukelt und bei heftigen Anbremsern ganz schön schnell den Knicks macht. Das limitiert das Potenzial von Motor und Bremsen.
Dafür ist es auf den teilweise katastrophalen sizilianischen Sträßchen verdammt bequem. Ansprechverhalten und Komfort sind die Stärke dieser Dämpferlösung. Für noch mehr Komfort haben die Kawa-Ingenieure den an vier Punkten mit dem Brückenrahmen verbundenen Motor der Kawasaki Versys 1000 jetzt an zwei Stellen in Gummi gelagert, um die bekannten feinen Vibrationen des Vierlings in mittleren Drehzahlen abzustellen. Das ist teilweise gelungen. Ganz sensible Wesen spüren die Vibrationen noch zwischen 4500 und knapp 6000/min, aber sie sind kaum noch der Rede wert.
Was sonst noch für die Kawasaki Versys 1000 spricht
Was sonst noch für die Kawasaki Versys 1000 spricht, sind dann ganz klar unsportliche Werte wie ein zusätzliches Regen-Mapping oder der nun serienmäßige Hauptständer, der zusammen mit der neuen Verkleidung und dem verstärkten Rahmenheck für die satten Mehr-Kilos sorgt.
Dass Letzteres nun stabiler ausfällt, beschert dem Versys-Fan ein sattes Zuladungsgewicht und die Option zu einer regelrechten Schrankwand aus Topcase und Seitenkoffern. Und deshalb darf die Kawasaki Versys 1000 an dieser Stelle in PS auch mal auftauchen, denn wenn Sie es in diesem Leben noch schaffen wollen, Ihre Olle oder die neue junge Flamme an Ihrer Seite hinten aufs Motorrad zu locken, wird gebückte Haltung und die Mitnahme-Möglichkeit lediglich einer Zahnbürste nicht reichen. Dass es trotz Cocktailkleid, Schminkkoffer, drei Paar Pumps und den hohen Stiefeln übers Wochenende noch sportlich zugehen kann – mit allen Kompromissen, klar –, dafür könnte dann die Versys sorgen.
Technische Daten Versys 1000





Antrieb: Vierzylinder-Reihenmotor, vier Ventile/Zylinder, 88 kW (120 PS) bei 9000/min*, 102 Nm bei 7500/min*, 1043 cm³, Bohrung/Hub: 77,0/56,0 mm, Verdichtung: 10,3:1, Zünd-/Einspritzanlage, 38-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kette.
Fahrwerk: Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 63 Grad, Nachlauf: 106 mm, Radstand: 1520 mm, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, Federweg v./h.: 150/150 mm.
Räder und Bremsen: Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/5.50 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17, 310-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Schwimmsätteln vorn, 250-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, ABS.
Gewicht
(vollgetankt) 250 kg*,
Tankinhalt: 21 Liter Super
Grundpreis
12.190 Euro (zzgl. NK)*