Reisetest Stockholm-Nordkap-Stockholm

Reisetest Stockholm-Nordkap-Stockholm
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Zuletzt aktualisiert am 30.08.2000

Kurz vor Uppsala rechts halten, vorbei an den Pyramiden Skandinaviens, den Grabhügeln der mittelalterlichen Könige, immer der E4N nach, Richtung Norden. »Once in a lifetime, every rider has to do this trip.« Die sehnsuchtsvollen Worte unseres eher sachlichen italienischen Kollegen Claudio im Ohr, starten er, ich und fünf Kollegen, zusammen sieben Tester aus Schweden, Italien, Spanien und Frankreich, am 4. Juli von Stockholm aus in Richtung Nordkap. Sporttouristisch gebeugt auf einer Triumph Sprint ST nehme ich die ersten Eindrücke auf. Farbige Holzhäuser säumen die Straße, auch hier, im dicht besiedelten Teil Schwedens, erzählen dichte und grün schimmernde Seen vom weiträumigen Charakter des größten skandinavischen Landes.
Wir bilden eine Karawane zum polgewandten Finale Europas, weit jenseits des Polarkreises. Eine Karawane zur Ergründung des Fernreisetalents von sieben Motorrädern: die Reise-Enduros BMW R 1150 GS, Cagiva Navigator , Honda Varadero und Triumph Tiger, die Sporttourer Honda VFR und Triumph Sprint ST, schließlich der Tourer Yamaha XJ 900 S Diversion. Exemplarisch tragen die BMW und die Yamaha vollgeladene Koffersysteme, die VFR ein Topcase, die Varadero gar beides. Unbegreiflich übrigens die geringe Zuladung – um die 190 Kilogramm - fast aller getesteten Reisedampfer. Nur die beiden Triumph machen rühmliche Ausnahmen.
Etwa 4600 Kilometer weit führt der achttägige Marathon zum Kap und zurück. »Schneller als 100 km/h geht nicht, auf den Fernstraßen vielleicht 120. Die Polizei ist allgegenwärtig. Kalt? Nicht besonders, wohl so zwischen zwölf und 30 Grad Celsius.« Na ja, bereits nach etwa 100 Kilometern Fahrt schnurren wir sehr zügig daher, während langsam ein Hauch von Kälte in meinen Textilanzug kriecht. Polizisten sehen wir während der folgenden Tage nicht mehr.
Porsche-grollend folgt die sportlich-knackige ST der gut ausgebauten Strecke. Überholen? Schwups, vorbei. Aber muss das Getriebe derart hakelig sein? Und ein bisschen mehr Windschutz dürfte sie auch bieten, gerade bei den hiesigen Wetterverhältnissen. Die nächsten, vornehmlich geradeaus gerichteten 200 Kilometer bringen die Triumph und ich aber in süßer Eintracht hinter uns. Beim Tankstopp wird gewechselt.
Erstes Zwischenziel: die zweitlängste Hängebrücke Europas, die eindrucksvoll eine der vielen Buchten der »Höga Kusten« überspannt. Einmal staunen, dann ab auf die Nebenstraße, die in sanften Schwüngen entlang der Küste führt. Abseits der Fernroute wird der Asphalt sofort holpriger, was den Fahrer der straff gedämpften Sprint unmittelbar aufrüttelt, mich – jetzt auf der komfortablen Triumph Tiger - aber kaum stört. Lästiger fallen da schon die recht hoch positionierten Fußrasten, die einen ziemlich kleinen Kniewinkel erzwingen. Schön indes die gute Übersicht und der nach dem Sporttourer aus gleichem Haus geradezu unglaublich gute Windschutz. Und immer wieder bemerkenswert, wie perfekt die Triumph-Drillinge Lastwechsel verdauen.
Fahrerwechsel. Die VFR bestätigt die Erfahrungen mit der Sprint: Auf Fernreise-Etappen können die Sporttourer weder ihr gutes Handling noch die Reserven ihres Fahrwerks ausspielen. Komfort und Wetterschutz sind hier wichtiger, und da kann die Honda - wenngleich etwas komfortabler abgestimmt - ebenso wenig mit der Tiger mithalten wie die Sprint.
Etwas durchgerüttelt rolle ich also Richtung Wilhelmina, wo eine Überraschung auf uns wartet. Zum Flugplatz, aha, und dann? Zwischen den Hangars hindurch pirschen wir aufs Flugfeld. Hier residiert Sune Anderson, schwedischer Stuntman von internationalem Rang. Hallo, hallo, Kaffee, Kuchen, dann Show! Gummi-Wimmern, Motor-Kreischen, Drehzahlstakkato am Begrenzer, Wheelies bis aufs Rücklicht, einhändige Stoppies über mehr als hundert Meter, mit Partnerin Anne rückwärts auf dem Sozius, dann plötzlich Pause auf der Landebahn. Lakonisch erklärt Sune, dass gleich ein Verkehrsflugzeug landen wird. Eine Minute später gleitet der zweistrahlige Koloss kaum zwanzig Meter entfernt majestätisch an uns vorbei, und – die Show geht weiter. Nicht zum letzten Mal denke ich, dass in diesem Land die Uhren viel, viel einfacher und verdammt sympathisch ticken.
Früh morgens am 5. Juli starten wir bei herrlicher Sonne von Wilhelmina in Richtung Kiruna. Kurve um Kurve dringen wir ins Land, schnell wird es düsterer, das Thermometer der blendend ausgestatteten VFR vermeldet nur noch zehn Grad Celsius. Dann Nieselregen, die Berge verstecken sich in grauen Nebelschwaden. Bei uns zum Heulen, hat das ungastliche Wetter hier viel Reizvolles, ruhig zieht die grandiose Landschaft durchs Bewusstsein, schroffe Schneegipfel, Seen von Meeresgröße, ab und zu das monumentale Ziegelquader einer alten Poststation.
Mit Griffschalen und -heizung gestaltet die BMW R 1150 GS solche Schlotterpassagen durchaus angenehm, auch die Füße bleiben vom Schlimmsten verschont. Dafür wirbeln die Tropfen hinter das Windschild just aufs Visier, na ja, man kann nicht alles haben. Außerdem verwöhnt das superbe Bayern-Fahrwerk, das, ähnlich der VFR, ganz unbeeindruckt von der Gepäcklast dem nassen, jetzt kurvigen Asphalt viel von seiner Tücke raubt. Dann der kraftvolle Motor, der ruhig und sonor im langen sechsten Gang vorwärts schiebt. Plötzlich Schilder, Straßenbau, Schotter. Statt zu bremsen, geben unsere schwedischen Enduro-Cracks Gas. Was tun? In die Rasten und hinterher natürlich! Je schneller, je einfacher, sanft schlingernd bewegt sich die GS übers lose, wenngleich breite und übersichtliche Terrain, locker gesegelt am breiten Lenker. Hasse Svensson winkt ab, »Neinnein, von wegen Enduro, das hier ginge auch mit einer GSX-R.« Na gut, er muss es wissen, so wie er die VFR fliegen lässt.
Wenig später passieren wir den Polarkreis, noch acht Grad. Zwei bewegende Stunden darauf rolle ich halberfroren in Kiruna ein. Bewegend, weil die Gepäcklast der Honda Varadero das eigentlich gute Fahrwerk tief in die Knie zwingt. Auch an der Grenze des Verstellbereichs unterdämpft und zu weich, pendelt die Honda ab 140 km/h, zuckt schon mal mit dem gefühlsmäßig nahezu entlasteten Vorderrad. Zudem gibt die Honda, die übrigens auf solch langen Etappen geradezu unglaublich bequem ist, in Sachen Verbrauch keine gute Figur ab. Deshalb fix zur Tankstelle, dann noch die Mopeds putzen, uups, der tiefgezogene Kühler der Cagiva Navigator sieht ganz schön schottergestrahlt aus. Acht Uhr abends, ein ganz, ganz tief gelegter Fifties-Chevy geleitet uns ein Stück durch die kleine Bergbaustadt zu Füßen des grauen Erzberges. Fisch und Pommes, dazu ein, zwei je 13 Mark teure Bierchen, das Leben hier ist nicht ganz billig. Überraschend sagt der Wirt die letzte Runde an, draußen mittlerweile wieder Sonnenschein, der Erzberg in schönstem Rot, oh Gott, ein Uhr, Mitternachtssonne, die Nacht haben wir am Polarkreis zurückgelassen.
Die Sonne hält sich, als wir morgens am 6. Juli Richtung Norwegen aufbrechen. Yamaha XJ 900 S, eine angenehme Überraschung. Komplette Ausstattung, kraftvoller Motor, komfortable Sitzposition – wahrhaftig, kein schlechtes Motorrad. Wären nicht die gnadenlos unterdämpften Federelemente, würde das Kardan-Ross ungemein sauber in und durch die Radien zirkeln, so schaukelt’s und pendelt auch jeder Längswelle nach. Allerdings ziemlich lässig, da bleibt viel Aufmerksamkeit für die gewaltige Landschaft bleibt, wo gewaltige Felsmassive die Landschaft zerteilen und riesige Gletscherzungen an den Seen lecken.
Dann die Offenbarung, pünktlich zu den Millionen Kurven des Norwegischen Inlandes: Cagiva Navigator, der Spaß auf zwei Rädern. Als einzige straff gedämpft und trotzdem komfortabel, gesegnet mit einem Hans-Dampf-Motor, der zwar sehr hart zubeißt, was gerade in engen Scheitelpunkten lästig sein kann, ansonsten aber eine schiere Freude ist. Bequem auch, tief angebrachte Fußrasten, eine niemals drückende Sitzbank, der beste Windschutz, dazu die grandiose Übersicht, wie sie nur Enduros bieten. Und so agil, fast schon ungestüm, da muss der Reiter sich ständig zügeln, um nicht dem – brrrraaaab! - Temperament der Navigator zu erliegen. Allerdings hätte ein bisschen mehr Ausstattung nicht geschadet. Griffschalen etwa, oder ein Hauptständer. Und auch bei Befestigungsmöglichkeiten fürs Gepäck herrscht Not, zumindest bei der Basisversion.
Irgendwann nachmittags, beim Tanken, gibt’s den üblichen Schwatz mit Anwohnern. Fast alle Skandinavier sprechen ausgezeichnet und offenherzig englisch, da könnten wir verdrucksten Germanen uns ein paar Freundlichkeitsscheiben von abschneiden. Ein vielleicht 16-jähriger Michel aus Löneberga lockert unsere Wurstpause durch Stunts mit einer 50er auf, ein Füllhorn aus Talenten, dieses Skandinavien. Viele nasse Kurven folgen, via Fähre geht’s schließlich Richtung Lofoten.
7. Juli. Schon morgens müde, erkunden wir die Inseln. Es ist feucht, kalt und trotzdem wunderschön. In einem Moment erschöpfter Unachtsamkeit fordert die agressive Bremse der Sprint ST Tribut, und flupp, liegt Massimiliano auf der Nase. Kleiner Schaden, großer Schreck, nix passiert und weiter. Offroad zum Aussichtspunkt, eine Domäne der GS. Überraschend gelassen nimmt die schwere Varadero die glitschige Felspassage, und die straffe Navigator kommt recht gut mit ihrer geringen Bodenfreiheit aus. Nur die weiche Tiger macht Probleme. Prinzipiell leicht zu manövrieren, taucht sie tief ein und setzt, verflixt, mit Ölfilter und Ölleitungen auf. Nicht auszudenken, wenn irgendwo im Nirgendwo der Filter abreißt. Na ja, wirklich Offroad-tauglich ist keines der Dickschiffe, aber ein bisschen Dick und Dünn darf es schon mal sein. Zur Belohnung gibt’s Trockenfisch von geselligen Einheimischen, ein ganz schmackhafter Snack – wenn man nichts anderes hat.
Tief abends schlängeln wir uns in Richtung Reiseziel Nordkap, karger und karger wird die Landschaft, entlang am Nordmeer, in dem die Fjordberge wie schlafende Giganten liegen. Die Temperatur sinkt auf zwei Grad, es nieselt, sehr unlustige Verhältnisse, mit denen die leichtfüßige VFR aber vertrauenerweckend zurecht kommt. Ein Tunnel stürzt sich kopfüber unters Meer, erhebt sich ebenso steil Richtung Mageröya, der Nordkapinsel. Jeweils 35 Kronen Maut hin und zurück, plus 175 Eintritt aufs Gelände, macht umgerechnet gute 60 Mark Eintritt. Abends um elf, nach 15 Stunden Unterwegs, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Das Ende Europas liegt dumpf im Nebel, wir schießen die obligaten Fotos, dann nix wie heim, bis zum Hotel sind’s noch weitere 200 Kilometer.
Übermüdet auf die Sprint ST, halb eins Uhr nachts, erschöpftes Losfahren, eisig kalt, aber dann passiert’s. Das, was einen solchen Trip zum Höhepunkt des Bikerlebens macht. Das, was Motorradfahren sein kann. Das, was einem nur selten widerfährt und was man niemals wieder vergisst. Die Mitternachtssonne taucht diese Eiswelt in sanftes Licht. Dann verschinden die Kälte und Müdigkeit, der Stress, der Alltag, die Erschöpfung inm Unterbewusstsein, bleibt nur das Fahren, wie im Rausch. Glasklar und völlig unverfälscht das Schwingen, die vibrierende Kraft des Dreizylinders, die Schräglagen, das Gefühl der abrollenden Reifen, die Sprache der Straße, ein Erlebnis wie im Traum, traumwandlerisch sicher, reduziert, pur, kristallklar, ein Rausch der Sinne, allein mit der schlafenden Welt in der sonnengetränkten Nacht, so muss fliegen sein. Wirklich, mit nichts zu vergleichen. Der kurze Schlaf ist glücklich und erholsam, am nächsten Morgen haben wir die Müdigkeit überholt.
Beschwingt geht es Richtung Süden, schnell spulen wir die Kilometer ab. Allmählich bilden sich Favoriten heraus, tatsächlich wiegt nach 3000 Kilometern der Komfort stärker als die Fahreigenschaften. Die genügen in den meisten Fällen, denn auch mit unseren teils stark geforderten Fahrwerken schaukeln alle an einer Gruppe kriegerisch-knieschleifender Sport-Italiener vorbei, die wahrscheinlich insgeheim gerne ihre Boliden gegen eine unserer Sänften tauschen würden.
Auch dies ein langer Tag, mit erneut überraschendem Ausgang. Statt zum Hotel führt Fredrik uns via Schotter ins Abseits zu Blockhaus und Bootssteg, wo an einem lauschigen See bereits ein Feuer zündelt. Wir treffen Thomas, den Hausbesitzer, P.G. Lundmark, den schwedischen KTM-Rallyefahrer und letztjährigen Paris-Dakar-Etappensieger, zudem seine Frau Eva, eine begnadete Rentierköchin. Eine deftige Delikatesse, dazu Bratkartoffeln und selbstgebrannten »Hojt« aus dem Kanister, superlecker, superrustikal, zum Höhepunkt in die Sauna und dann in den Bottich zum Reden und Lachen. Wie gesagt, die Schweden verstehen zu leben. P.G. erzählt von seinen Plänen, Dakar 2001, finanziert via Homepage von zigtausend schwedischen Fans. Außerdem veranstaltet er Enduro-Safaris, über Pisten und Trails rund um Avidsjaur, fast wie im Senegal sei das hier. Aufbruch, und schon während der Fahrt zum Hotel wächst der Traum vom Wiederkommen.
Die beiden letzten Tage verlaufen unauffällig, im Trott der langen Reise schwingt die Gruppe dahin. Noch immer wollen alle mit der Navigator spielen, indes keiner mehr mit der Sprint, die bei allen Fahrwerksstärken einfach zu unkomfortabel agiert. Hinter dem Funbike von Cagiva teilen sich die BMW – einfach ein Mega-Allrounder - und die Varadero – einfach eine Sänfte- die Gunst der sieben Reisenden, die aber auch gerne Tiger, XJ und VFR fahren. So eine Fernreise ist keine abendliche Genussfahrt auf der Hausstrecke, da gelten andere Gesetze. Was bleibt zu erzählen? Ganze Bände wären noch zu füllen, von lästigen Legionen von Moskitos, von traumhaften Landschaften, von leckerem Essen und von teilweise happigen Preisen, die Skandinavien zum teuren Reiseland machen. Und von den Skandinaviern selbst, die ihr Land zum Erlebnis machen, vor allem mit dem Motorrad.

Technische Daten - BMW R 1150 GS

MotorLuft-/ölgekühlter Zweizylinder-Boxermotor, Kurbelwelle längsliegend, je eine hochliegende Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Motormanagement, geregelter KatalysatorBohrung x Hub 101 x 70,5 mmHubraum 1130 cm³Nennleistung 62,5 kW (85 PS) bei 6800/minMax. Drehmoment 98 Nm (10 kpm) bei 5300/minKraftübertragungHydraulisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan.FahrwerkTragende Motor-/Getriebe-Einheit, längslenkergeführte Telegabel, verstellbare Federbasis, Zweigelenk-Einarmschwinge, Zentralfederbein direkt angelenkt, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Scheibenbremse hinten.Reifen 110/80 R 19; 150/70 R 17FahrwerksdatenLenkkopfwinkel 64 Grad, Nachlauf 115 mm, Radstand 1509 mm, Federweg v/h 190/200 mmMaße und GewichteSitzhöhe 850 mm, Gewicht vollgetankt 264 kg, Zuladung 196 kg, Tankinhalt/Reserve* 22 Liter.FahrleistungenHöchstgeschwindigkeit 200 km/h, Beschleunigung =-100 km/h 3,7 Sekunden, =Garantie ein Jahr ohne KilometerbegrenzungGrundpreis inkl. MwSt. 20 250 MarkNebenkosten 479 MarkPlus:Minus:

Achtung

Eine lange Reise durch den Norden Skandinaviens birgt verschiedenste Tücken. Vorausschauendes Fahren ist in jeder Hinsicht angebracht, um nicht in die eine oder andere Falle zu tappen.Die Polizeipräsenz ist zwar gering, wenn sie sich aber mal sehen lässt, kann’s sehr kostspielig werden. Deshalb Augen auf, vor allem auf den Fernstraßen. Ebenfalls immer im Auge des Fahrers sollte die Tankanzeige oder der Tageskilometerzähler liegen, denn die Tankstellen, gerade im Inland, liegen schon mal mehr als zweihundert Kilometer auseinander.Augen auf vor kreuzenden Rentieren oder gar Elchen. Rentiere sind beinahe allgegenwärtig, treten meist in Herden auf, die ihrem Herdentrieb entsprechend dem Leittier über die Straße folgen. Unfälle sind häufig, Rentiere und erst recht Elche massig. Keine lustige Sache, so ein Crash, zumal ein Arzt erst mal die Distanz zur Unfallstelle zurücklegen muss.Auch über den Zustand der Reifen sollte man sich rechtzeitig Gedanken machen. Der Asphalt ist rau, Ersatzpneus unter Umständen nicht überall greifbar. In einem Land, dessen Bevölkerungsdichte zwölfmal kleiner ist als bei uns sind Motorradreifen entsprechend rar, zumal in besonderen Dimensionen.Wer einen Abstecher auf eine der vielen Schotterstraßen oder ins Gelände macht, sollte sich der Offroad-Tauglichkeit seines Vehikels bewusst sein. Schäden im Nirgendwo erfordern günstigstenfalls schrauberisches Improvisationstalent, im Zweifelsfalle einen Bergehubschrauber.Schließlich gehört nach jeder Tagesetappe ein kurzer Materialcheck zum Abendprogramm, denn Holperbeläge und Vibrationen lösen schon mal die eine oder andere Schraube, uns brach etwa der Topcase-Halter der VFR.

So isses

4600 Kilometer, keine gewöhnliche Testdistanz. Allmählich werden Fahrleistungen, sportlich straffe Fahrwerke oder bissige Bremsen zur Nebensache, treten Sitzkomfort, Fahrwerksreserven unter Beladung, Alltagstauglichkeit und Ausstattung in den Vordergrund.Die BMW fügt sich mit Bravour in die Reiserolle, verträgt sich ausgezeichnet mit dem Gepäcksystem, kann fast alles, ein guter Tourenbegleiter. Auch die VFR gefällt, muss sich zwar komfortmäßig den Enduros beugen, setzt aber ihre Agilität dagegen. Die Varadero kann vieles, leidet aber unter dem schwachen hinteren Federbein, das einfach zu wenig Reserven für die Gepäcklast bietet. Trotzdem zählt sie, superbequem und lässig, zu den Favoriten. Die Sprint ST, normalerweise ein potentieller Testsieger, verliert Freunde: zu hart, zu unbequem, zumindest für so lange Strecken. Die Tiger gefällt durchweg, ein launiger Reisegefährte, allerdings mit sehr weichem Fahrwerk, das unter Beladung an seine Grenzen kommt. Ähnlich verhält es sich mit der Diversion, bequem, gut ausgestattet, wartungsarm dank Kardan, kräftig, allerdings ziemlich schwammig im Fahrverhalten. Der Favorit aller sieben Tester heißt allerdings Cagiva Navigator: Straff, aber komfortabel, dabei agil und mit einem superkräftigen, superspontanen Motor – ein Funbike auch für lange Distanzen.