Sporttourer, das sind die Alleskönner unter den Straßenmaschinen. Heißen in diesem Fall Honda VFR und Triumph Sprint RS. Haben vier Zylinder im Vau oder drei Zylinder in Reih und Glied. Verpackt in stabile Brückenrahmen aus Leichtmetallprofilen. Kann man mit reisen oder rasen, gemütlich bummeln oder Kurven wetzen. Weil sich die neue Sprint RS bereits bei ihrer ersten Begegnung mit der Konkurrenz (Heft 2/2000) als bestes Tourensportgerät entpuppt hatte, besser als alles, was Japaner und andere europäische Motorradbauer in diesem Segment zu bieten hatten, konnte Triumph die Hände in den Schoß legen, abwarten und Tee trinken. Während Honda an seinem Erfolgsmodell VFR für die Saison 2000 ein paar Nachbessungsarbeiten vornahm. Um den Anschluss nicht zu verpassen. Obs was gebracht hat?
Es ist schäbig kalt in Deutschland. Also Italien. Transporter volladen? Nee, lieber auf Achse losfahren. Schließlich haben die beiden Mopeds ne Verkleidung. Und wofür gibt es Gore-Tex-Anzüge?
Erster Zwischenfall: Inntal-Autobahn. Was haben sich die Herren von der österreichischen Gendarmerie dabei bloß gedacht? Schleichen sich unbemerkt an das Test-Duo ran. Gemein. Aber verständlich. Denn diese dick vermummten Biker treiben`s bunt. Erst kriechen sie stumpf mit 120 daher, dann rasen sie plötzlich los, als gäbe es kein Morgen mehr. Nichts wie hinterher und die Kelle raus. Au weia, das wird teuer.
Werte Herren Gendarmen, wir wollten bloß den Durchzug ausprobieren. Im sechsten Gang, wissen Sie. Welche besser abgeht, einfach. Das müssen Sie doch verstehen. Ja, die Rote da, das ist die neue Dreizylinder von Triumph. Kennen Sie nicht? Sollten Sie aber. Die macht der Blauen, der Honda nämlich, ganz schön was vor. In ein paar Sekunden ist dieser rote Blitz 100 Meter weiter vorn, da versagt selbst die Radarpistole. Kollege, bist du etwa im Vierten statt im Sechsten losgebrannt? Keineswegs. Ist halt ein richtiger Brenner, diese Sprint. Und die Honda krankt nach wie vor an ihrem Leistungloch zwischen 4000 und 6000 Touren. Davon wollen die Uniformierten gar nichts wissen. Sondern das rote Nummernschild überprüfen. Alles in Ordnung damit. Na bitte. Und die Sache mit der Temposünde? Prima, Glück gehabt, kostet nix. Weiter.
Forsch wiegt sich das Test-Duo in den langgezogenen Biegungen der Brenner-Autobahn. Südtirol, hier gucken die Ordnungshüter nicht so genau auf die Speed wie in Österreich. Heißt es. Also mal ein bisschen laufen lassen. Spurtreu und schön handlich sind sie beide, und erstaunlich komfortabel. Na ja, die Triumph gibt sich schon ein bisschen straffer, aber nicht unangenehm. Die Sitzbank könnte etwas weicher sein. Dagegen erweist sich die Honda als richtige Sänfte. Und die Vollverkleidung schützt prima vor dem Fahrtwind, weil sie genügend breit und hoch baut. Hinter der etwas schmaleren Triumph-Halbschale, fühlt man sich nicht ganz so behaglich.
Holla, die Honda VFR schwimmt aber ganz schön bei Tacho 150. Nein, dafür können die japanischen Ingenieure aber wirklich nichts. Plattfuß. Zwischenfall Nummer zwei und Zwangsstopp in Neumarkt. Jetzt wirds doch noch teuer: für den neuen Pneu Marke Bridgestone BT 57 Battlax wandern 450 Mark in die Taschen des Reifenhändlers. Apropos Battlax: für die Honda VFR eindeutig die bessere Wahl als der Metzeler ME Z4 im früheren Vergleich. Weswegen das 2000er-Modell in den Kriterien Lenkpräzision und Aufstellneigung beim Bremsen diesmal deutlich besser abschneidet.
Sonst hat sich am VFR-Fahrwerk wenig geändert. Lediglich für die Abdichtung der Kolbenstange des hinteren Federbeins wählten die Honda-Entwickler ein anderes Material und bauten einen anderen Endanschlag ein. Da kann man im Fahrbetrieb allerdings beim besten Willen keinen Unterschied merken. Macht aber nix, denn die VFR vereint Superhandlichkeit mit präzisem Lenkverhalten - seit der Battlax drauf ist.
Nun gut, die Triumph kann auf den sonnenbeschienenen Alpensträßchen des Trentino einen kleinen Vorsprung beim Fahrwerk erzielen. Sie läuft einfach noch präziser in die gewünschte Richtung, liegt völlig ruhig auch auf Bodenwellen und lässt sich äußerst genau in die Kurven hinein lenken. Gabel wie Federbein sind straff gedämpft, aber nicht hart. Einfach Spitze. Das weicher abgestimmte Honda-Fahrwerk vertrüge etwas mehr Dämpfung, besonders an der Hinterhand. Drum fährt die VFR minimal ungenauer. Dafür schluckt sie Buckel im Asphalt und Teeraufbrüche eleganter weg als jenes der Triumph.
Beide Bremsanlagen funktionieren so unterschiedlich sie konstruiert sind hervorragend. Während die Sprint RS recht bissige Vorderbremsen und eine harmlos mitwirkende Hinterbremse besitzt, die bei forscher Fahrweise etwas mehr Erfahrung vom Piloten verlangen, arbeiten die Honda-Dreikolbenzangen an halb schwimmenden Scheiben eher soft. Wunderbar lassen sich diese Integralbremsen dosieren. Es handelt sich um das so genannte Dual-CBS Dual Caliper Brake System , bei dem Vorder- und Hinterradbremse gleichzeitig aktiviert werden. Und zwar egal, ob nun durch einen Zug am Handhebel oder einen Tritt aufs Pedal. Wobei die Fußbremsung konstruktionsbedingt und schlauer Weise in der Wirkung sanfter ausfällt. Ideal für Touren- und Allround-Fahrer. Traditionalisten und verkappte Rennfahrer favorisieren die konventionelle Lösung: Trennung von Fuß- und Vorderbremse. Weil sie ihr Hirn in jahrelanger Kleinarbeit eben so trainiert haben. Früher gabs ja nichts anderes.
Doch zurück zur Sprint-Wertung und zum Triebwerk der Triumph, das bereits auf der Anreise durch seinen gewaltigen Durchzug imponierte. So ein bullenstarker Motor wie der 955 Kubikzentimeter große, wassergekühlte Dreizylinder kommt einem nicht alle Tage unter den Hintern. Er stammt von der Daytona 955 i und ist für 128 PS ausgelegt. Nicht so in der Sprint RS, wo weise Beschränkung auf nominell 103 Pferdestärken (gemessen 108) nur Vorteile bringt. Nämlich Drehmoment, Drehmoment und noch mal Drehmoment. In Zahlen: über 80 Newtonmeter ab 2000 bis zum Ende der Fahnestange bei 9500 Umdrehungen pro Minute. Und dabei faucht der Triple aus dem Drei-in-eins-Auspuff wie eine tausender Laverda aus den 70er Jahren. Das Schöne dabei: Man kann die Triumph mit gutem Gewissen genießen. Denn sie erfüllt dank Einspritzung und geregeltem Kat die Euro1-Abgasnorm.
Ebenso wie die Honda, die ebenfalls Dreiwege-Kat und Einspritzung hat, deren 90-Grad-V4-Triebwerk allerdings dem Drehmoment der Dreizylinder nicht viel entgegenzusetzen vermag. Trotz der Leistungserhöhung auf offiziell 106 PS bei 10500 Umdrehungen für die Deutschland-Version. Dickere Krümmer und eine neu programmierte Zündeinheit helfen dabei. Bei der Gelegenheit hat man der VFR auch den ungebührlichen Benzindurst abgewöhnt. Im Testdurchschnitt hat er sich auf unter sechs Liter Normal pro 100 Kilometer eingependelt. Nur der Landstraßenverbrauch geriet mit 6,6 Litern doch etwas hoch. Bei zügiger Fahrweise, versteht sich. Während die Triumph ziemlich sparsam mit dem Sprit umgeht. Mit 5,7 Litern konsumiert sie fast zwei Bierflaschen weniger als die Honda, wenns etwa am Idro-See rum und num geht.
Im Gegensatz zum Triumph-Fahrer muss der Honda-Lenker das butterweich zu schaltende Getriebe öfters benutzen. Die hydraulisch betätigte Kupplung rückt jetzt noch leichter aus. Die Zahl der Kupplungsscheiben sank von neun auf acht, die Federkennung und der Kolbendurchmesser im Hauptzylinder wurden geändert. Stattdessen verlangt die Kupplung der Triumph wesentlich mehr Handkraft. Dazu benimmt sich die Schaltbox der Sprint RS verdammt störrisch. Die Gänge rasten zwar präzise aber mit hoher Kraft und lautem Klacken ein. Ein Glück, dass der bärige Dreizylinder mit dem fünften, oft auch sechsten Gang meist locker auskommt.
Wenn es ums pure Beschleunigen geht, schenken sich die beiden Kandidatinnen nichts. Genug Drehzahl, dann geht auch die Honda wie die Kugel aus dem Rohr. Gleichstand, kann man sagen. Topspeed: ebenfalls reichlich, 242 die Blaue, 239 die Rote.
In der Gunst des Vielfahrers, des Beifahrers und des Nachtfahrers, liegt die VFR eindeutig vorn. 15 Jahre stetige Weiterentwicklung machen sich bezahlt. So leuchtet das Licht der Honda heller, sitzt ihr Sozius kommoder, lässt sich das Gepäck dank Haken leichter befestigen und haben die Instrumente mit Tankanzeiger, Uhr und Außentemperaturmesser mehr zu bieten. Halt, eine Uhr hat die Triumph auch, aber die muss man erst herbeidrücken. Und der Reifenwechsel hinten, das wissen wir seit dem Brenner, geht bei der einarmigen Schwinge der VFR kinderleicht von der Hand. Schade, dass Triumph bei der Sprint RS wieder von der Einarmlösung abgekommen ist.
Vordergründig betrachtet kommt die Engländerin deutlich billiger. Kauft man jedoch Hauptständer (329 Mark), Soziushaltegriff (229 Mark) und Bugspoiler (459 Mark) dazu, ist der Preisvorteil weg. Schwer zu sagen, welche der beiden letztlich die bessere Wahl ist. Die Honda ist echt klasse. Fein ausgewogen und stimmig und fürs Fahren zu zweit besser geeignet. Aber die Triumph hat diesen gigantischen Dreizylinder. Und der macht einfach mehr Spaß.
Fazit: Triumph Sprint RS
Fazit
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Triumph Sprint RS
Einer muss gewinnen, und hier ist es die Triumph Sprint RS. Weil sie so einen unglaublich hammerharten Dreizylinder besitzt, der konkurrenzlos unter den Sporttourern ist. Aber nicht nur deswegen. Auch, weil das Fahrwerk sportlichen wie touristischen Ansprüchen voll genügt. Auszusetzen gibt es auch nichts an Verarbeitung und Preisgestaltung, wohl aber an der Ausstattung und dem Komfort für Mitreisende. Doch wie gesagt, der Motor überragt alles.
Fazit: Honda VFR
Keinesfalls ist die Honda zweite Wahl. Denn sie hat das ausgewogenere Konzept. Mehr Alltagstauglichkeit, eine tolle Integralbremse, hervorragenden Sitz- und Fahrkomfort auch für zwei und beste Verarbeitung. Trotzdem, die VFR ist fast ein bisschen langweilig. Auch, weil der Motor, der zwar gut im Saft steht, ein Drehmomentloch gerade dort hat, wo mans nicht brauchen kann. Aber Alleskönner können eben nicht in allen Disziplinen perfekt sein.