Vergleichstest Kawasaki GTR 1000, Triumph Trophy 1200, Yamaha FJR 1300

Vergleichstest Kawasaki GTR 1000, Triumph Trophy 1200, Yamaha FJR 1300
As time goes by

Zuletzt aktualisiert am 04.04.2002
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Foto: fact

Was für ein Jahr, 1986. Deutschland vergeigt den Fußball-WM-Titel gegen Argentinien zwo zu drei, Boris Becker gewinnt dafür zum zweiten Mal das Wimbledon-Finale, Falco stürmt mit »Rock me Amadeus« die Charts, der junge Boxer Mike Tyson erobert den Schwergewichts-WM-Thron, Kawasaki präsentiert seinen Stern am Tourer-Himmel, die GTR 1000.
Und heute? Falco singt auf Wolke Sieben, Tyson verprügelt Mädels, Becker treibt’s in Wäschekammern. Wo sind wir bloß hingekommen. Gut, das nicht alles aus den 80ern den Bach runtergegangen ist. A-ha und Kylie Minogue sind jedenfalls wieder da. Und die Kawasaki GTR 1000, die war nie weg. Seit nunmehr 16 Jahren steht sie nahezu unverändert im Programm, widerstand jeglichem Fortschritt, aber auch allen technischen Irrungen und Wirrungen. Rekordverdächtig.
1990, fußballerisch ein Glanzpunkt, die Tommys geschlagen, den WM-Titel geholt. In England darf man die wundersame Wiederauferstehung einer Motorradmarke miterleben: Triumph präsentiert seine First Edition, die Trophy 1200. Zunächst als Sporttourer missverstanden, machten die Engländer 1996 mit einem grundlegenden Facelift ihre eigentliche Bestimmung deutlich. Die Trophy war nämlich schon immer ein Tourer. Und der zählt noch heute zum Triumph-Programm.
Das wirft natürlich Fragen auf. Was in aller Welt bewegt Triumph und Kawasaki dazu, die reichlich in die Jahre gekommenen Modelle weiterhin anzubieten (siehe Kasten Seite 54 und 57). Wie schlagen sich die beiden Dinosaurier im Vergleich mit einem der derzeit besten Tourer auf dem Markt, der Yamaha FJR 1300 ? Und warum zum Teufel kosten die Koffer der Yamaha 724,50 Euro Aufpreis? Bei GTR 1000 und Trophy 1200 gehört ein Gepäcksystem serienmäßig zum guten Ton.
Rückblende ins Jahr 1986, Tourer-Vergleichstest von MOTORRAD, mit dabei: Kawasaki GTR 1000. Tester Siegfried Güttner bremst die über 300 Kilogramm schwere Fuhre in 39,2 Metern von 100 km/h auf Null. Rekordverdächtig. Denn mit über 9,8 m/s² mittlerer Verzögerung erreicht die GTR das bei einem normalen Straßenmotorrad physikalisch Machbare. Güttners lapidare Erklärung für diesen auch heute noch formidablen Wert: » I hab’ halt ordentlich neig’langt.« Für seinen jungen Nachfolger Carsten Schwers ist Güttners Wert beim besten Willen und auch mit kräftigstem Zulangen nicht reproduzierbar. Der mit allen Wassern gewaschene Tester bringt das aktuelle Modell nach 42,2 Metern ( 9,1 m/s2) zum Stillstand.
Des Rätsels Lösung: 1994 erhielt die GTR 1000 Doppelkolbenbremssättel statt der bis dato verwendeten Zweikolbensättel. Das verringert die Handkräfte, verbessert das Ansprechverhalten beinahe dramatisch – und vermindert gleichzeitig das Gefühl für die Blockiergrenze. Erschwerend kommt hinzu, dass Kawasaki es in all den Jahren nicht für nötig befunden hat, die seit jeher viel zu weiche Gabel straffer abzustimmen. Die Folge: Bereits beim Anlegen der Bremse sackt die Front der bleischweren Kawa auf Nimmerwiedersehen fast bis auf den Endanschlag ab. 1986 brauchte es zwar rohe Kräfte, um die GTR zu verzögern, dafür war es so gut wie unmöglich, das Vorderrad auf trockener Fahrbahn zu blockieren.
Wie sich hervorragende Verzögerungswerte und gute Bedienbarkeit verbindenlassen, zeigt die Bremse der Yamaha FJR 1300. In puncto Handkraft und Dosierbarkeit referenzverdächtig, kommt die Anlage an die damaligen Werte der Kawasaki heran: 39,4 Meter Bremsweg aus 100 km/h entsprechen einer mittleren Verzögerung von 9,8 m/s². Mit 40,5 Metern und 9,5 m/s² schlägt sich die Triumph ebenfalls sehr achtbar. Allerdings erfordert die Bremsanlage der Engländerin aus heutiger Sicht sehr hohe Handkräfte, der Druckpunkt ist knatschig, die Dosierbarkeit mehr als mäßig.
Wahrlich kein großes Vergnügen, diesen Koloss vor Kurven einzufangen. Vor allem zu zweit und mit Gepäck beladen artet das in Schwerstarbeit aus. Wobei sich die Triumph mit ihrer Zuladung inzwischen mustergültig gibt. Waren 1996 lediglich lächerliche 155 Kilogramm erlaubt, übertrumpft die Trophy heute mit ihren 217 Kilogramm Ladekapazität sogar die Yamaha FJR 1300, sie bietet mit Gepäcksytem 190 Kilogramm. Nach wie vor erstaunlich, wie behände der sanfte englische Riese, eines der ausladensten und imposantesten Motorräder auf dem Markt, von Kurve zu Kurve schwingt. Bei ruhiger Gangart kann die Yamaha kaum Vorteile verbuchen.
Die Kawasaki, die im Vergleich beim Kurvenschwingen mehr Kraft erfordert, erweist sich in einem Punkt wirklich als Überraschung: Das gute Stück verfügt über die größte Schräglagenfreiheit. Während bei der Triumph das schwarze Verkleidungsunterteil wieder zu Granulat wird und bei der Yamaha die Fußrasten munter Funken sprühen, setzt bei der Kawasaki nichts auf. Mit ein Verdienst ihrer altertümlich anmutenden Bereifung: hinten reicht ein 150er im 1986 angesagten 16-Zoll-Format. Bei gleicher Kurvengeschwindigkeit benötigt die GTR 1000 deshalb weniger Schräglage als die auf einem modischen 180er rollende Yamaha. Vielleicht haben die Kollegen deshalb der Kawa in den Achtzigern so erstaunlich sportliche Talente attestiert. Sie gleiche beim Handling einer 750er. Aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehen, doch damals wog eine sportliche Siebenfuffziger, mit Ausnahme der federleichten Suzuki GSX-R 750, gut und gerne 250 Kilogramm.
Damals wie heute sehr kritikwürdig: das labile Fahrverhalten der GTR 1000. Die Gründe dieses Übels: die labil befestigen Koffer – und das labile Fahrwerk mit der, wie bereits erwähnt, viel zu laschen Gabel. Ganz schön ignorant von Kawasaki, das Problem der Vorderradführung in all den Jahren nicht anzugehen – und dessen Lösung lieber der werten Kundschaft zu überlassen. Bei etwas zügigerer Fahrweise genügt bereits leicht welliger Asphalt – und eine ganz normale Kurve mutiert zur Schaukelpartie. Deutlich stabiler schwingt die Triumph ums Eck, ein maßvolles Tempo vorausgesetzt. Wie gesagt, ein Sporttourer wollte sie ja nie sein.
Will die Yamaha FJR 1300 auch nicht. Ist sie letztlich aber. Weil sie über ein stabiles Aluchassis verfügt mit straff abgestimmten und fein ansprechenden Federelementen. Von wegen zu fettleibig und schwer für den Sport. Sie fegt das Vorurteil, Tourer wären nur was für bedächtige Klapphelm-Träger, lässig beiseite. Sie ist die Faust im Nacken aller Westentaschen-Rossis aus der Supersport-Fraktion. Spielt ihren Leistungsvorteil gegenüber den beiden Oldies beinahe nach Belieben aus. Mit ihrem bulligen, drehmomentgewaltigen Vierzylinder, dem superben Fahrwerk und tollen Bremsen vermittelt die Yamaha auf Landstraßen einen fürstlichen Fahrspaß. Kurve sehen, reinbremsen, ein, zwei Gänge runterschalten, abwinkeln und wenn die Raste leicht schrappt, auch schon wieder sanft Gas anlegen. Wüsste man es nicht besser, möchte man kaum glauben, dass die FJR 1300 einen Kardanantrieb besitzt, so weich und reaktionsarm verläuft der Lastwechsel.
Der Triumph-Vierzylinder, einst ebenfalls als Bulle verehrt, hält in tiefen Drehzahlregionen ganz tapfer mit, über 5000/min ermattet jedoch jegliches Temperament, dann legt der Motor nur noch zäh an Kraft zu. Die Kawasaki mit ihrem rau laufenden, mechanisch lauten, aber sparsamem Triebwerk wirkt im Vergleich zu den beiden anderen schon beim betont moderat gefahrenen Landstraßenverbrauch immer etwas angestrengt. Und das, obwohl ihr Triebwerk doch vom einstigen Sportler Kawasaki GPZ 1000 stammt. Ist halt schon ein paar Jährchen her. Mit deren offenen Leistung von rund 120 PS wäre die GTR ohnehin total überfordert. Bereits mit gemessenen 97 PS hört der Spaß spätestens dann auf, wenn es etwas schneller gehen soll, also auf der Autobahn.
Unter 150 km/h pendelt die Kawasaki spürbar, darüber wird’s fast schon abenteuerlich, vor allem, wenn Spurrillen ins Spiel kommen. Die Triumph schlägt sich wacker, wirkt aber etwas konsterniert. Weil in ihren Rückspiegeln das grimmige Gesicht der FJR 1300 mit den markanten Doppelscheinwerfern auftaucht und die Yamaha mit ihrem bärenstarken Motor mühelos an ihr vorbeifliegt. Fast scheint es, als wolle die Trophy ihren Frust darüber ersäufen. Die Engländerin saugt über Tempo 160 zwölf Liter und mehr durch ihre Vergaser.
Der Yamaha reichen im Schnitt gut acht Liter, um verflixt schnell und komfortabel von A nach B zu flitzen. Ziemlich fortschrittlich. Wobei erwähnt sein muss, dass ihr die beiden Oldies but Goldies in Sachen Komfort sehr wohl das Wasser reichen können. Zwar verfügen beide weder über eine elektrisch einstellbare Scheibe – Serie bei der Yamaha – noch über strömungsoptimierende Schlitze in ihren wuchtigen Windschilden, doch das stört lediglich kleinere Zeitgenossen. Dafür sorgen sowohl GTR 1000 wie Trophy 1200 für mehr Wohlbefinden bei schlechtem Wetter.
Der FJR-Fahrer ärgert sich weniger über fehlenden Windschutz als über die Tatsache, das Spritzwasser unablässig vom Vorderrad hochgewirbelt wird und den Piloten nebst Tank und Instrumenten ganz schön einsaut. Woran es der Yamaha noch fehlt? Ganz klar: an einem drehzahlsenkenden sechsten Gang – oder wenigstens einer länger übersetzten fünften Fahrstufe. Das würde lästigen Vibrationen entgegenwirken, die der Vierzylinder trotz zweier Ausgleichswellen produziert und auch sonst das Drehzahlniveau in geordnetere Bahnen lenken. Allzu oft marschiert die FJR 1300 auf schnellen Autobahnetappen im letzten Gang munter in den Begrenzer.
Vorbildlich hingegen präsentiert sich die Yamaha mit ihren Abgaswerten. Bereits heute erfüllt sie dank G-Kat, SLS und Einspritzung die geplante Euro-2-Norm für Motorräder mit Leichtigkeit, deren verschärfte Grenzwerte ab 2003 für Neumotorräder gelten sollen. Die Triumph nimmt diese Hürde ebenfalls problemlos, aber die GTR 1000 wird, nur mit einem Sekundärluftsystem bestückt, in naher Zukunft vor einem großen Emissions-Problem stehen, das dem scheinbar ewigen Leben des Kawasaki-Tourers ein jähes Ende bereiten könnte. Denn es ist kaum anzunehmen, dass man bei dem guten alten Stück in eine moderne Abgasreinigung investiert.
Und was macht man dann mit einem verdienten Mitarbeiter? Richtig, man schickt ihn in die Rente. Einmal muss ja bekanntlich Schluss sein. Auch für die Kawasaki GTR 1000. Endstation Firmenmuseum.



Kein Nachfolger in Sicht

Seit ihrem Facelift 1996 konnte der deutsche Importeur 576 Trophy 1200 absetzen. 2001 waren es gerade einmal 78. Schon vor sechs Jahren räumte MOTORRAD der Triumph keine großen Chancen ein, hielt das Baukastensystem, die Ur-Trophy stammt aus dem Jahr 1991, für ausgereizt: »In der Supertourer-Klasse ist ohne Kardan und ABS, ohne Einspritzung und G-Kat heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen.« Triumph hat derzeit andere Prioritäten, man denkt nicht konkret über ein Nachfolger-Modell nach. »Wir haben viel Geld in die Entwicklung unserer Cruiser-Baureihe gesteckt, die Bonneville-Modelle sind vor allem für den amerikanischen Markt sehr wichtig«, sagt Mark Fletcher, Geschäftsführer von Triumph Deutschland. Wenn Triumph einen neuen Tourer plant, wozu sich der drehmomentstarke Dreizylinder aus der Sprint-Baureihe geradezu anbieten würde, dann werden ABS und ein wartungsarmer Antrieb mit Kardan oder Zahnriemen ganz sicher ein Thema sein, über G-Kat und Einspritzung verfügt Triumph ja ohnehin.

Evergreen

Warum die Kawasaki GTR 1000 noch im Programm ist? »Weil es schlicht und einfach Kunden für den Kardan-Tourer gibt«, sagt Leo Schlüter, Pressesprecher von Kawasaki Deutschland: 2619 seit Markteinführung, 2001 genau 83. In den USA ist die Concours, so der Name der GTR 1000 in den Staaten, geradezu ein Verkaufsschlager: 1500 Stück setzten die Händler dort im letzten Jahr ab. Eine direkte Nachfolgerin des Tourers wird es laut Schlüter in absehbarer Zeit nicht geben. »Das tut uns nicht weh, weil wir mit der neuen ZZ-R 1200 eine hervorragende Alternative im Touringbereich anbieten können – ein Motorrad, das in jeder Hinsicht up to date ist und die hohen Ansprüche auch von Tourenfahrern erfüllt. Wobei der Kettenantrieb der ZZ-R angesichts der heute möglichen hohen Laufleistungen kein wirkliches Gegenargument mehr ist«, ist sich Schlüter sicher. Wer dennoch gerne in der Vergangenheit schwelgt: www.gtr-1000-online.de.vu.

1.Platz - Yamaha FJR 1300

Die Pflicht hat sie toll gemeistert, was auch zu erwarten war. Dennoch erstaunt der enorme Punkteabstand, vor allem zur Kawasaki. Nun zur Kür. Denn bei allem Lob für das tolle Fahrwerk und den bulligen Vierzylinder, der Leistung und geringe Schadstoffemissionen super kombiniert, ist die FJR 1300 beileibe (oder zum Glück) kein perfektes Motorrad. Der deutlich zu kurz übersetzte fünfte Gang nervt, und ein ABS gibt es bei Yamaha derzeit weder Geld noch für gute Worte zu kaufen – in Bayern schon.

2. Platz - Triumph Trophy 1200

Nach wie vor ein solides, ausgewogenes Motorrad, die Triumph. Allerdings merkt man ihr an, dass sie etwas in die Jahre gekommen ist, vor allem, was ihre Fahrleistungen anbetrifft. Dabei hätte Triumph ein tolles Triebwerk mit Einspritzung und G-Kat in der Hinterhand: Der rund 120 PS starke Dreizylinder der die Sprint-Baureihe und die Speed Triple antreibt, wäre für einen Tourer wie geschaffen. Eine Trophy 955 i mit ABS und Zahnriemenantrieb würde auch in Deutschland viele Anhänger finden.

3.Platz - Kawasaki GTR 1000

Freundlich gesehen: Die Kawasaki ist eine liebenswürdige Reminiszenz an die wilden 80er, bequem, mit gutem Windschutz und einer vollwertigen Ausstattung. Von einem modernen Tourer wird heute aber noch einiges mehr verlangt. Mehr Leistung beispielsweise, G-Kat und elektronische Einspritzung – und ein stabiles Fahrwerk. Mit ihrem windelweichen Fahrwerk gewinnt die GTR 1000 heute nämlich keinen Blumentopf mehr. In Anbetracht dessen sind 10565 Euro ein ganz schön happiger Preis.