Fahrbericht Ducati Multistrada 1000 DS

Fahrbericht Ducati Multistrada 1000 DS Futaristisch

Die Idee zu Ducatis neuestem Streich, der Multistrada, entstand auf dem Passo della Futa in der Emilia Romagna. Zur ersten Bewährungsprobe ging es nach Sardinien.

Der Passo della Futa zwischen Bologna und Florenz, Wochenend-Mekka angefressener Kurvenfreaks. Ultraschnelle Biegungen mit griffigem, ebenem Gourmet-Asphalt winden sich in weiten Bögen den engeren Passagen entgegen. Dort lauern sich zuziehende, öffnende oder einfach nur gleichmäßig knackscharfe 180-Grad-Radien. Bis die Oberflächen- und öfters auch die Wetterqualität im bergigen Abschnitt dramatisch abnimmt. Unebener, welliger Untergrund mit lose eingegossenen Nass-Passagen lässt selbst Mutige manchmal klemmen. Kurzum, der Futa repräsentiert auf 50 fordernden Kilometern pralles Leben. Und genau für das soll die Multistrada bestens gewappnet sein, entspringt ihr Konzept laut Ducati doch genau den Anforderungen dieses Passes.
Ob das stimmt, muss sich jedoch ein anderes mal weisen, im April zeigt sich der Futa ob einsetzenden Schneefalls unpässlich. Egal, Sardiniens Südküste als Präsentationsort geht auch in Ordnung. Sonne, Hitze, flimmernder Asphalt, so die Erwartungen. Schön wär’s, zunächst hat gleichmäßig prasselnder Regen seinen Auftritt. Immerhin sind die Temperaturen angenehm, und überhaupt, die Multistrada soll ja eine für alles sein. Außerdem wird’s dahinten über dem Meer schon hell.
Alsdann, ab auf die Küstenstraße. Klitschnasse Piste, frische Reifen, die Öltemperaturanzeige blinkt »LO«. Okay, easy going. Mit der Multistrada ein leichtes, schon wegen der interaktiven Sitzposition: unerhört schlank um die Hüften mit Knieschluss a là 999. Unter anderem ein Verdienst des unkonventionellen, 20 Liter fassenden Kunststoff-Tanks, der sich Monocoqueartig bis ins Heck ausdehnt. Hier und an anderer Stelle hat Designer Pierre Terblanche deutliche Marken gesetzt. Und betont ausdrücklich, dass die Tausender um die Hüften grazil gestylt ist, um speziell kleineren Pilotinnen und Piloten entgegenzukommen. Das Arrangement aus Kunststoffteilen, Fußrasten und Lenker versetzt denn auch vor allem Menschen unter 1,85 Metern Größe in eine prima Ausgangsbasis für alle Lebenslagen – für XXL-Burschen gibt es sicher Günstigeres.
Fürs Erkunden unbekannten Terrains nicht unbedingt. Obwohl oder gerade weil Komfortliebhaber das dünne, spürbar konturierte Multistrada-Sitzpolster als unzumutbaren Donnerbalken verfluchen dürften, profitieren auch sie von dessen direkter Weitergabe relevanter Infos über den Straßenzustand. Zumal die Federelemente auf 165 Millimetern vorn und 141 hinten überflüssige Härten gekonnt herausfiltern und mit sehniger Straffheit dienen. Ohne dass die 220 Kilogramm schwere Multistrada in kniffligem Terrain wie ein Storch durch den Salat stakst. Im Gegenteil, selbst auf nassem Parkett legt sie einen herzerwärmenden Swing hin.
Erwärmend, richtig. Inzwischen haben die zwei Zündkerzen pro Zylinder das per Einspritzung zubereitete Gemisch lange genug angefeuert: Öltemperatur 70 Grad. Desmo, gib Flamme. Nichts lieber als das, trompetet es bei Vollgas gleichzeitig aus der Airbox und den beiden dominant gestylten Endrohren. Letztere sind, ebenso wie die scharf geschnittene hintere Seitenverkleidung Zitate der ebenfalls von Pierre Terblanche entworfenen MH 900e und lenken geschickt vom brotkastenförmigen Endschalldämpfer ab, der gemeinsam mit dem Vorschalldämpfer für korrekte Geräuschwerte sorgt. Für akzeptable Schadstoffwerte ist ein U-Kat zuständig, der V2 unterbietet die Euro-2-Grenzwerte deutlich. Was das Gewissen beim Gasgeben ebenso erleichtert wie der inzwischen von Sonne und milder Meeresbrise abgetrocknete Asphalt. Bereits ab 2500/min lässt sich der Zweiventiler aus der Reserve locken, aber 4000 Touren möchten es schon sein, um gleichermaßen Kultur und Rasanz zu zeigen. Im mittleren Drehzahlbereich schickt der luftgekühlte 992-cm3-Twin endgültig tadellos dosierbare, druckvolle Leistung ans 180er-Hinterrad. Sechs sportlich eng gestufte Gänge portionieren die maximalen 84 PS, die bei 8000/min anliegen. Wohler fühlt sich der 1000er indes darunter, selbst wenn beim wilden Wetzen schon mal der Begrenzer um 9500/min überraschend eingreift.
Wildes Wetzen, jawohl, dazu verführt die Multistrada ihren Treiber. Lenkt auf leichten Impuls ein, gleitet kontrolliert in Schräglage, brettert rasant hindurch und nicht minder rasant heraus. Linienwahl? Schnuppe, die Duc kriegt sie alle. Ob Spätbremsen, blitzartiges Schräglagenwechseln oder atemberaubendes Kurventieftauchen: Die geringe Aufstellneigung, der tadellose Grip sowie der breite Grenzbereich der gemeinsam mit Ducati entwickelten Pirelli Scorpion Sync machen mutig. Der Gitterrohrrahmen garantiert gemeinsam mit dem mittragenden Motor die notwendige Steifigkeit. Beide teilen sich die Aufnahme der Einarmschwinge, während vorn eine 43er-Upside-down-Gabel Bodenkontakt hält. Spielkinder können die voll einstellbaren Showa-Federelemente sowie die Länge der hinteren Schubstange ganz nach Bedarf trimmen, die Federbasis hinten bequem per Handrad und Hydraulik. Noch trickreicher lässt sich die Leuchtweite regulieren, nämlich elektrisch, gesteuert vom blau beleuchteten Multifunktionscockpit aus, das darüber hinaus praktisch alles Wissenswerte inklusive Restreichweite et cetera vermittelt.
Überhaupt will Ducati mit der Multistrada Sport und Komfort verbinden. Was sich unter anderem im umfangreichen Zubehör manifestiert. Koffersystem, Komfortsitze, Hauptständer, Heizgriffe und Navigationssystem oder Termignoni-Karbon-Tröten, Magnesium-Karbon-Räder und eine rennerprobte Anti-Hopping-Kupplung. Alles ist möglich. Damit die hochbeinigste aller Ducati auf wirklich jedem Terrain eine gute Figur macht. Und wenn doch einer gehässig über das außergewöhnliche, mitschwenkende Verkleidungsoberteil spotten sollte, ruft ihm einfach zu: »Komm mit zum Futa...“

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