Fahrbericht Kawasaki ER-6f

Fahrbericht Kawasaki ER-6f Erfolgs-Prognose

Leicht, kräftig, vollverkleidet: So präsentiert sich die neue ER-6f, eine Variante von Kawasakis Mittelklasse-Zweizylinder ER-6n. Der Sportfloh hat das Zeug zum Bestseller.

Erfolgs-Prognose Jahn

Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance, heißt es so schön. Innerhalb von Zehntelsekunden macht sich der Mensch ein Bild vom Gegenüber – im positiven oder negativen Sinn. Im Fall
der brandaktuellen Kawasaki ER-6f bedeutet das: Sie hat die Sympathie auf ihrer Seite. Die vollgetankt rund 207 Kilogramm schwere Maschine steht wohlproportioniert und schlank da. Die Sitzposition ist gleich wie bei der unverkleideten »n«-Version, und so macht die ER-6f vom ersten Moment an auf Kumpel. Lässt die Füße problemlos den Boden erreichen, spreizt und knickt die Beine nicht übermäßig und gesteht dem Oberkörper eine lockere Haltung zu.
Diese Lässigkeit überträgt sich auch aufs Fahren. Der bekannte Zweizylinder mit 180 Grad Hubzapfenversatz und Ausgleichswelle verbreitet vom ersten Meter an gute Laune. Das kräftige Pulsieren der Kolben wirkt geradezu beruhigend. Oberhalb von 5500 Touren spannt der Zweizylinder dann seine Muskeln und dreht locker und kraftvoll bis 9500/min. Die Abstimmung der Einspritzung ist hervorragend geglückt. Lästige Vibrationen oder starke Lastwechselreaktionen sind dem 650er fremd. Die Höchstleistung von 72 PS liegt bei 8500/min an, das maximale Drehmoment von 66 Nm bereits 1500 Umdre-
hungen früher. Diese Werte sind identisch
mit denen der unverkleideten ER-6n. Kein Wunder, baut das f-Modell doch beinahe zu 100 Prozent auf der Nackten auf. Zweieiige Zwillinge sozusagen.
Wobei wir bei der Kernfrage sind: Was bringt die Verkleidung? Schmal ist sie, die Scheibe vergleichsweise niedrig, und sie steht flach. Trotzdem stanzt der Vorbau ein ordentliches Loch in die Atmosphäre, der Fahrer ist gut geschützt. Wegen der
niedrigen Windabrisskante wird der Helm selbst bei Kleinwüchsigen vom Fahrtwind umströmt. Der Vorteil: Es entstehen so gut wie keine Turbulenzen.
Gegenüber der ER-6n haben die Techniker folgende Änderungen vorgenommen: Die Gabel wurde um zehn Millimeter verlängert und erhielt ein neues Set-up, beim Federbein reduzierten sie die Zugstufendämpfung. Die Maßnahmen sollen das Mehrgewicht der Verkleidung von vier Kilogramm kompensieren und dem Abtrieb bei hohen Tempo entgegenwirken. Durch die neue Abstimmung ändert sich die Fahrwerksgeometrie geringfügig: Der Radstand wuchs um fünf auf 1410 Millimeter, der Lenkkopfwinkel fällt mit 65 statt 64,5 Grad minimal flacher aus, und der Nachlauf vergrößerte sich um vier auf 106 Millimeter. Sitzhöhe sowie Bodenfreiheit erhöhten sich je um fünf Millimeter.
Außerdem rollt die verkleidete ER-6 auf anderen Reifen, Bridgestone BT 020, die eine bessere Stabilität bei Höchstgeschwindigkeit garantieren sollen. Damit liegt die Kawa in der Tat bis zum Maximalwert von knapp über 200 km/h stabil und lässt sich im Solobetrieb weder durch
Bodenwellen noch Seitenwind irritieren. Das neue Fahrwerks-Set-up ist gelungen: sportlich straff und dennoch ausreichend sensibel im Ansprechverhalten. Ein geglückter Kompromiss also. Das ist gut so, weil sich lediglich das Federbein in der Basis einstellen lässt. Im Vergleich zur nackten Schwester ist die f-Version eine Nuance unhandlicher, was jedoch lediglich in Spitzkehren zum Tragen kommt. Ansonsten gilt: Auch die Neue lässt sich spielerisch durch Kurven aller Art wirbeln, biegt willig ein und läuft präzise auf der Ideallinie.
Und falls der Wirbelwind sicher gestoppt werden soll: Ein ABS ist für 600 Euro Aufpreis optional lieferbar. Bei Brems-
versuchen auf nasser Straße überraschte
das Bosch-System allerdings mit kurzzeitig
blockierendem Vorderrad, selbst Stoppies
lassen sich provozieren. Beim Bremsen über Bodenwellen überzeugte das ABS
dagegen mit sehr gutem Regelverhalten. Alles in allem ein Sicherheitsplus.
Und die ER-6f ein Gewinn für Motorrad-Begeisterte. Denn für nur 6595 Euro (7195 mit ABS) schnürt Kawasaki ein Paket, das es in dieser Art bislang nicht gab: einen charakterstarken, quicklebendigen Motor im peppigen, handlichen Chassis mit wirksamer Verkleidung. Tourentauglich, sportlich, günstig im Unterhalt. Und das Beste: Die ER-6f überfordert weder Wiedereinsteiger oder Neulinge, noch langweilt sie alte Hasen. Wenn das keine
Erfolgsaussichten sind...

Technische Daten - Kawasaki ER-6f

Motor: wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zy-
linder, Gabelschlepphebel, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, ø 38 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 336 W, Batterie 12 V/14 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 83,0 x 60,0 mm
Hubraum 649 cm3
Verdichtungsverhältnis 11,2:1
Nennleistung 53,0 kW (72 PS) bei 8500/min
Max. Drehmoment 66 Nm bei 7000/min

Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Telegabel, ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, ø 300 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Scheibenbremse hinten, ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel (ABS).
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 4.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17

Maße und Gewichte: Radstand 1410 mm, Lenkkopfwinkel 65,0 Grad, Nachlauf 106 mm, Federweg v/h 120/125 mm, Sitzhöhe 790 mm, Trockengewicht 178 kg, Tankinhalt 15,5 Liter.

Garantie zwei Jahre
Farben Silber, Schwarz
Preis 6595 Euro
Preis ABS-Version 7195 Euro
Nebenkosten 170 Euro

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