So klein, das Teil, und doch so schnell: Die Honda CB 500 absolvierte den 50 000-Kilometer-Langstreckentest in einem Tempo, das selbst vielen größeren Maschinen gut zu Gesicht gestanden hätte.
So klein, das Teil, und doch so schnell: Die Honda CB 500 absolvierte den 50 000-Kilometer-Langstreckentest in einem Tempo, das selbst vielen größeren Maschinen gut zu Gesicht gestanden hätte.
Natürlich ist die CB 500 ein klassisches Brot-und-Butter-Mittelklasse-Motorrad: Mit beliebten Ahnen wie der CB 400 N, der 450 S und der nicht ganz so berühmten CB 450 N im Stammbaum. Aber eine ganze Menge Stimmen im Fahrtenbuch der CB 500, die sich im März 1994 zum Beginn des 50 000-Kilometer-Langstreckentests in der Redaktion in Stuttgart einfand, sprachen für ein so »vernünftiges« Motorrad auf einmal von seltsamen Dingen: Von einer angenehmen Sitzposition auch auf zwölfstündigen Tagestouren war da die Rede, die CB 500 sei »ein supertolles Ding«, Motor und Fahrwerk »liefen wie am Schnürchen«, und der Motor, war man sich einig, gehe wie die berühmte Kugel. Und das sollte Hondas Mittelklasse-08/15-Massenmotorrad sein?
Wolfgang Murrmann, Vertriebsdirektor von Honda Deutschland in Offenbach, hatte sich noch 1990 zu der Bemerkung hinreißen lassen: »In drei Jahren wird es von Honda Deutschland kein Motorrad mehr in der Preisklasse unter 10 000 Mark geben.« Nun – auch andere als er haben bald einsehen müssen, daß die wirtschaftliche Zukunft dann doch nicht so rosig wurde, wie es die Zeiten kurz nach der Wende in Deutschland suggerieren mochten. Und als die CB 500 dann schließlich ab Ende 1993 für nur 8990 Mark plus 270 Mark für Nebenkosten beim Honda-Händler stand, da mußten auch die größten Optimisten eingestehen: Die Zeiten waren hart geworden. Nur nicht für Honda. In der Zulassungsstatistik konnte sich die CB 500 nämlich innerhalb von nur zwei Jahren auf den achten Platz der bestverkauften Motorräder in Deutschland schieben.
Am 8. Oktober 1995 schließlich übersprang der Kilometerzähler der Dauertestmaschine die »50 000«. In nur 17 Monaten hatte die kleine CB 500 ohne große Probleme eine Klippe umschifft, an der schon viele größere Maschinen scheiterten. Dabei konnte auf diesen 50 000 Kilometern von Schonung keine Rede sein. Das begann bei unzähligen Kaltstarts nach bei bis zu zehn Minus-Graden im Freien verbrachten Nächten für den täglichen Weg in die Redaktion, ging über Botenfahrten mit Vollgas auf der Autobahn, Kurzausflüge im Bummeltempo und stramme Landstraßenhatz bis hin zu Urlaubsreisen nach Frankreich und Italien, Österreich und die Schweiz, Ungarn, Rumänien und Griechenland.
Nur zur Erinnerung: Wir sprechen hier nicht über einen verkleideten 1000er Supertourer für über 20 000 Mark, sondern über ein unverkleidetes 500-Kubikzentimeter-Einsteigermotorrad für unter 10 000 Mark. Aber selbst die verschärften Umgangsformen forderten von der CB 500 kaum Tribut. Sicher, der Benzinverbrauch ist mit 5,3 Litern pro 100 Kilometer im Test-Durchschnitt etwas höher, als man für ein 193 Kilogramm leichtes Motorrad vielleicht erwartet hätte. Doch spiegeln sich hierin sowohl die langen Reisen mit viel Gepäck wider als auch die schnelle Landstraßen-Gangart, zu der die Handlichkeit und der spritzige Motor die Fahrer der CB 500 immer wieder verführten. Auch einige Glühlampen in den Instrumenten, dem Rücklicht und dem Scheinwerfer zeigten sich den sehr feinen, hochfrequenten Vibrationen des Ausgleichswellen-bewehrten Gegenläufers nicht gewachsen und mußten ausgetauscht werden.
Im Reifenverschleiß erwies sich Hondas kleiner Twin bei aller Spritzigkeit als wahrer Leisetreter – und das, obwohl MOTORRAD sich, um alle homologierten Reifenpaarungen im Alltag auszuprobieren, den Luxus leistete, die Reifen bis auf eine Ausnahme paarweise zu wechseln, sobald der Hinterreifen verschlissen war. Doch was heißt »bald«? Die Hinterreifen hielten auf der CB 500 unabhängig vom Fabrikat jeweils zwischen 10 000 und 12 000 Kilometer. Der einzelne, länger gefahrene Bridgestone-Vorderreifen G 601 G brachte es auf über 21 000 Kilometer Laufleistung.
Bald zeigte sich, daß das Fahrverhalten des Twins stark vom verwendeten Reifentyp abhängig ist. Die CB 500 hat ausgerechnet mit der Erstbereifung Dunlop F 103 F/A Arrowmax die unangenehmsten Fahreigenschaften: Von »A« wie Aufstellneigung beim Bremsen in Schräglage bis »U« wie unhandlich, von »G« wie geringem Abrollkomfort bis »W« wie wenig Naßhaftung reicht das Alphabet. Die Reifenalternativen von Metzeler – ME 33 und ME 55 A – und Pirelli – MT 09/08 Match – haben deutliche Vorteile in Haftung, Handlichkeit und Abrollkomfort zu bieten, wobei der Pirelli das Hauptaugenmerk auf die Handlichkeit legt, dafür aber bei hohem Tempo etwas nervöser ist als der Metzeler. Das beste Preis/Leistungs-Verhältnis bei gekonnt kombinierten Allround-Eigenschaften bietet die Bridgestone-Paarung G 601/602 Exedra (MOTORRAD, Heft 18/1995: Reifentips für Honda CB 500).
Das in der Grundkonzeption eher simpel aufgebaute Fahrwerk mit einem Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr mit teils rundem und teils rechteckigem Querschnitt, einer Schwinge aus Vierkant-Stahlrohr, zwei Federbeinen und einer Teleskopgabel ohne EInstell-Möglichkeiten hielt für die Fahrer von MOTORRAD eine Überraschung bereit. Oh, nicht etwa, daß Rost dem Stahl des Rahmens zu schaffen gemacht hätte. Im Gegenteil. Die Rahmen-Lackierung präsentierte sich nach über anderthalb harten Jahren noch immer einwandfrei.
Auch das Fahrwerk war den ihm gestellten Aufgaben voll gewachsen. Die Überraschung steckt in der Abstimmung der Federelemente. Die Gabel und Federbeine der Dauertest-CB 500 waren zu Beginn des Tests bockelhart. So hart, daß MOTORRAD sie bei 6000er Inspektion extra auf ihre Funktion überprüfen ließ. Die Untersuchung ergab jedoch nichts auffälliges, und so bockelte MOTORRAD mit der CB 500 weiter durch die Lande, bis Gabel und Federbeine dem natürlichen Verschleiß Tribut zollten und nach und nach sanftere Umgangsformen annahmen.
Andere CB 500, die MOTORRAD im Laufe der Zeit zu Vergleichstests in der Redaktion hatte, hatten dagegen eine völlig andere Fahrwerksabstimmung aufwiesen: viel weicher, schluckfreudiger, aber auch mit stärker spürbaren Schwingungen im Sozius-Betrieb. Diesen Widerspruch hat auch Honda auf direkte Nachfrage nicht aufklären können. Die einzige mögliche, von Honda aber nicht bestätigte Erklärung wäre, daß die CB 500 des ersten, noch 1993 nach Deutschland gelieferten Fertigungsloses von 400 Maschinen, aus dem auch die Dauertest-Maschine stammte, eine straffere Dämpfung aufwiesen als später hergestellte Exemplare. Eigner von CB 500 mit einer Erstzulassung aus dem Jahre 1993 könnten MOTORRAD helfen, diesen Punkt aufzuklären. Eine Postkarte unter dem Stichwort »Federung CB 500« an die Redaktion genügt.
Zwei verschiedene Träger- und Koffersysteme probierte MOTORRAD an der CB 500 auf Langstrecken aus. Das KAPPA-System machte sich allerdings wenig Freunde. Die Koffer haben einen gut nutzbaren Innenraum und lassen sich abseits der Maschine gut tragen. Das umständliche Schließen jedoch und der sehr labile Träger, dem eine untere Abstützung zum Motorrad oder zumindest der Koffer untereinander fehlt, sorgten für harsche Kritik im Fahrtenbuch. Das von Honda selbst angebotene System von Hepco und Becker hingegen bekam, obwohl der Innenraum der Koffer etwas zerklüftet ist, von allen Testfahrern gute Noten.
Während der gesamten 50 000 Kilometer mußte die CB 500 nur ein einziges Mal außer Plan in die Werkstatt. Für ein zunächst nicht exakt definierbares Rassel- und Klappergeräusch aus dem kalten Motor stellte sich bei einer Überprüfung in der Werkstatt der nicht mehr funktionierende Steuerkettenspanner als Ursache heraus. Damit steht die MOTORRAD-Dauertestmaschine nicht allein. Auch andere CB 500 plagten sich, zum Teil mehrmals, mit klemmenden Steuerkettenspannern herum. Doch dieser Punkt, so Honda, sei weit davon entfernt, ein chronisches Problem zu sein. Von den insgesamt 8500 verkauften Maschinen in Deutschland sollen laut Honda-Angaben weniger als 40 Maschinen betroffen sein. Immerhin hatte der klemmende Spanner an der Dauertest-CB 500 keine weiteren Schäden zur Folge.
Bei der Demontage und Vermessung der CB 500 in der MOTORRAD-Werkstatt kam nur ein einziges Bauteil zutage, das anschließend nicht wieder hätte eingebaut und weiterverwendet werden können. Das Lenkkopflager war verschlissen; Einlauf-Spuren in den Lagerschalen ließen die Lenkung einrasten. Nur die Ventilführungen, wenn auch noch maßhaltig, hätte ein übervorsichtiger Monteur eventuell ebenfalls austauschen können. Ansonsten heißt es als Bilanz nach 50 000 Kilometern: Außer Spesen nichts gewesen. Mit Kilometerkosten von nur 18 Pfennig ohne und 27 Pfennig mit Wertverlust liegt die Honda CB 500 in der absoluten Spitzenwertung aller jemals im MOTORRAD-Langstreckentest bewerteten Motorräder. Nur die hauseigene Konkurrenz, die NTV 650, hat es 1989 geschafft, den Kilometer noch einige Pfennige billiger zurückzulegen.
Und damit der Spaß auf der CB 500 auch so preisgünstig bleibt, wird Honda langsam sogar zur italienischen Motorradmarke. Um die Transportwege zu verkürzen – aber natürlich hauptsächlich, um den gnadenlos günstigen Wechselkurs der Lira zur Mark mitzunehmen – wird die CB 500 nämlich seit Mitte Dezember 1995 ausschließlich im an der italienischen Adria-Küste gelegenen Honda-Werk von Atessa gefertigt; dem Werk, aus dem auch schon die Enduro Dominator 650 kommt. Nur die Motoren werden noch aus Japan angeliefert. Der Rest der Maschine entstammt dagegen komplett italienischer Fertigung.
Wenn Sie sich also gerade überlegen sollten, ein italienisches Motorrad mit einem japanischen Motor zu kaufen, können Sie natürlich auch weiterhin zu einer Bimota greifen. Oder aber: Sie greifen zur Honda CB 500, sparen unglaublich viel Geld in Anschaffung und Unterhalt – und haben als Dreingabe auch noch unglaublich viel Spaß dabei.