Im Mai 2022 erschien das erste Modell der neu gegründeten Marke MBP in Italien: das Naked Bike M 502 N, mit Reihenzweizylindermotor und 48 PS passend zum europäischen Stufenführerschein A2. Hintergrundinformationen gab und gibt es nur spärlich: MBP sei die Abkürzung für Moto Bologna Passione und ein "Premium"-Ableger, also ein Sub-Label der chinesischen Marke Keeway. Also: China-Produkte, aufgewertet mit italienischem Design – oder zumindest mit vermeintlich italienischem Flair.
MBP, Keeway, QJ Motor und Benelli gehören zu Qianjiang
Keeway wiederum gehört zum großen chinesischen Qianjiang-Konzern. Und Qianjiang hat bereits 2005 die alte italienische Marke Benelli übernommen. Die sitzt und saß nie in Bologna, sondern in Pesaro. Dort unterhält Qianjiang mit dem Benelli-Standort immer noch eine Europa-Niederlassung, sogar mit eigener Design-Abteilung. Mit QJ Motor, Benelli, Keeway und MBP firmieren aktuell vier Motorradhersteller im Qianjiang-Konzern, jedenfalls sichtbar in Europa beziehungsweise von Europa aus.
Morbidelli aus Pesaro
Morbidelli war ebenfalls in Pesaro zu Hause. Gegründet von Giancarlo Morbidelli Ende der 1960er-Jahre, war diese Marke vor allem im Rennsport unterwegs. Durchaus erfolgreich, mit Fahrern wie Toni Mang oder Valentino Rossis Vater Graziano. Auf Morbidelli-Rennmaschinen wurden nicht nur Meistertitel in Italien, sondern auch Rennsiege in der Motorrad-Weltmeisterschaft eingefahren. 1976 und 1977 war die 125er-Morbidelli sogar international ganz vorn. Finanziert wurden die Motorräder mitsamt Rennsport von Giancarlo Morbidellis erster Firma, die Holzbearbeitungsmaschinen herstellte.
Die Morbidelli V8
Mitte der 1990er-Jahre trat Giancarlo Morbidelli mit seiner Motorradmarke erneut in Erscheinung: mit der Morbidelli V8, einem luxuriösen Sport-Touring-Motorrad. Dessen wassergekühlter V8-Motor hatte 32 Ventile, 847 Kubik und kam damit auf 120 PS bei 11.000/min. Zudem hatte die Morbidelli V8 eine einarmige Hinterradschwinge mitsamt Kardan. Kommerziell war sie jedoch ein Flop, was sicherlich auch am überaus stolzen Verkaufspreis lag: um 50.000 Dollar.
Morbidelli und Benelli
Danach hielt Giancarlo Morbidelli seine Motorradmarke im gleichnamigen Museum am Leben. Im Februar 2020 starb er, und seine große Motorradsammlung wurde zumindest teilweise vom Automotoclub Storico Italiano (ASI) aufgefangen. Diese Raritäten stehen als Exponate wieder in einem Museum: im Officine Benelli Museum in Pesaro. Und hier fängt die aktuelle Geschichte an:
Bereits in den 1970er-Jahren hatte Giancarlo Morbidelli nachbarschaftlich-freundschaftlich mit dem Waffenhersteller Benelli Armi im Rennsport zusammengearbeitet, unter MBA für Morbidelli Benelli Armi. Die Waffenfabrik aus Pesaro war ebenfalls von den Benelli-Brüdern gegründet worden. Während die Rennmaschinen von Morbidelli exklusiv den Fahrern des Morbidelli-Werksteams vorbehalten waren, wurden von MBA in Pesaro ähnliche Motorräder für die Klassen 125 und 250 hergestellt.
Insgesamt könnten also diverse historische Stränge auf Morbidelli Benelli Pesaro hinauslaufen. Kurz: MBP. Laut dem Deutschen Marken- und Patentamt hat sich die für Qianjiang in der EU tätige Anwaltskanzlei in Ungarn die Wort-/Bildmarke im Oktober 2021 eintragen lassen: als Morbidelli MBP Pesaro. Interessant: Zusammen mit dem aktuell genutzten MBP-Logo ohne Verweis auf Morbidelli.
Widerspruch gegen das Logo
Im Februar 2022 legte eine renommierte italienische Anwaltskanzlei Widerspruch gegen die Wort-/Bildmarke Morbidelli MBP Pesaro ein, was den Einsatz des Logos unmöglich machte. Wen dieser Anwalt vertrat, ist nicht bekannt, doch da es sich um einen der besten Patentrechtsanwälte Italiens handelte, wird es wohl jemand mit großem Interesse sein – und Budget. Grund: Angebliche Verwechslungsgefahr. Interessant: Bereits im Juni 2021 wollte Gianni Morbidelli, Giancarlo Morbidellis Sohn und ehemaliger Rennfahrer auf vier Rädern, die Wortmarke erneut schützen lassen, unter anderem in der Nizza-Klasse 12, also für Motorräder. Skurril: Einspruch gab es damals von der ungarischen Anwaltskanzlei von Qianjiang, drei Monate vor deren eigenen Anmeldungen im Kontext Morbidelli. Und das faktische Verbot, den Namen Morbidelli zu nutzen, bringt uns zum einem zum aktuellen Logo von MBP und zum anderen zur künstlichen, abwegig erscheinenden Wortschöpfung Moto Bologna Passione.
Reiseenduro, Cruiser und 125er von MBP
Trotz Namenstreit: Im Laufe des Jahres 2022 wurden weitere neue MBP-Modelle von China aus in Italien und somit in Europa platziert: die F 125 im Stil der KTM Duke, die Reiseenduro T 1002 V und der Cruiser C 1002 V. Beim wassergekühlten 80-Grad-V-Twin mit 997 Kubik und 95 PS, der in der Reiseenduro und im Cruiser zum Einsatz kommt, handelt es sich anscheinend nicht um eine Entwicklung von Qianjiang, sondern von Gaokin/GK.
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Ja, die Hersteller aus China haben vollen Rückenwind und Geld spielt da keine Rolle.
Niemals, Leidenschaft, Geschichte und Qualität lernt China nicht über Nacht.
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Fazit
Gerüchten zufolge steht ein Comeback des italienischen Namens Morbidelli bevor. Zusammen mit Benelli und Pesaro würde das die historisch durchaus plausible Abkürzung MBP ergeben. Die neue Marke MBP drängt bereits seit Mai 2022 mit einigen attraktiven Modellen von China aus nach Italien und Europa. Problem: Als der alte Name Morbidelli im Kontext Qianjiang auftauchte, widersprach eine renommierte Kanzlei der Nutzung, was erklären könnte, warum die Marke aktuell nur MBP oder Moto Bologna Passione heißt und (noch) keinen Verweis auf Morbidelli in sich trägt. Interessant: Bereits Mitte 2021 wollten sich die Erben Morbidellis den Namen schützen lassen. Einspruch kam damals von Qianjiang.