Wie kann man eigentlich einen Universalkünstler wie die „alte“ luftgekühlte BMW R 1200 GS noch besser machen? Einfachste, aber effektivste Maßnahme: Man zieht einfach einen Satz neuer Reifen auf. Allerdings setzt diese Tuningmethode voraus, dass auch die Reifenindustrie entsprechend aufbereitetes Material aus den Backformen schält. Das wiederum steht und fällt mit den Absatzzahlen in dieser Reifengattung. Wo aber nur wenig verkauft wird, lohnt sich keine kostenintensive Entwicklungsarbeit. Schließlich muss man als Wirtschaftsunternehmen auch den „Return on Investment“ kalkulieren. Natürlich sind Motorräder wie die R 1200 GS – altes wie neues Modell – seit Jahren die Topseller. Was heißt, dass daher mit wachsendem Bestand auch der Reifenabsatz gesichert sein wird. Zumal der Reiseendurist im Regelfall über entsprechenden Kilometerhunger verfügt und dank hoher Laufleistung schließlich öfter mal zum Reifenwechsel anrückt.
Haken wir unter dem Stichwort „Laufleistung“ gleich einmal den wunden Punkt dieses Tests ab. Denn Verschleißwerte werden Sie auf den folgenden Seiten leider vergeblich suchen. Der Test der Tourenreifen in der letzten MOTORRAD-Ausgabe hat möglicherweise einen kleinen Eindruck vermitteln können, wie aufwendig die Laufleistungsanalyse von Motorradreifen ist. Vor allem wenn sie nicht nur praxisnah, sondern auch vergleichbar sein soll.
Bridgestone A40 kam leider zu spät
2015 wäre eigentlich ein prima Jahr gewesen, um die Enduroreifen auch unter diesem Aspekt wieder unter die Lupe zu nehmen. Schließlich treten von den sechs Premiummarken gleich drei Anbieter mit neuen Profilen an. Allerdings hat Bridgestone den neuen A40 als Nachfolger des stark angegrauten Battle Wings zeitlich so knapp kalkuliert, dass selbst zu Testbeginn Mitte April noch keine Reifen aus Japan zur Verfügung standen. Weshalb der A40 schließlich nur als Randbemerkung in diesem Vergleich auftaucht. Denn erst lange nach Testbeginn konnte noch ein Exemplar des A40 gegen seine fünf Mitbewerber gefahren werden. Da aber die wichtigen Nass-Testergebnisse zu dem Zeitpunkt schon unter Dach und Fach waren, blieb es lediglich beim Eindruck unter Idealbedingungen (sonnig, warm und trocken) auf der Landstraße und Autobahn.
Alle anderen ließen sich dagegen deutlich intensiver unter die Lupe nehmen. Und da der letzte Verschleißtest für diese Reifengattung gar nicht mal so lange her ist (Ausgabe 11/2013, gefahren auf der Triumph Tiger Explorer), lassen sich daher auch Querverweise zu den Laufleistungserwartungen ziehen.
Conti Trail Attack 2 ist alter Bekannter

In alphabetischer Sortierung steht an erster Stelle mit dem Conti Trail Attack 2 ein alter Bekannter. In unseren Tests fallen die Reifen der Hannoveraner Reifenbäcker immer wieder durch Sportlichkeit und Agilität auf. Der TA2 mit dem Vorderreifen in Z-Spezifikation macht auf unserer Test-GS keine Ausnahme. Zumal er sich auf der BMW R 1200 GS noch wohler fühlt als auf der hart abgestimmten Triumph vor zwei Jahren. Trübte dort noch ausgeprägtes Shimmy den Fahrkomfort, war in diesem Jahr auf der GS nichts mehr davon zu spüren. Einzig beim Thema Geradeauslauf schwächeln die hyperaktiven Contis in unseren Tests traditionell. Highspeed auf schnurgeraden Pisten ist auch nicht die Stärke des TA2 – er giert dagegen förmlich nach Kurven aller Art. Welcher Enduropilot ebenso veranlagt ist, wird mit dem Conti eine glückliche Beziehung eingehen. In der es aber besser nicht regnen sollte, denn nasse Straßen mag der Conti nicht wirklich. Wobei man den letzten Tabellenplatz in diesem Jahr etwas relativieren muss. Beim Test vor zwei Jahren hat der TA2 gezeigt, dass er sich im Regen deutlich besser fahren lässt als der Vorgänger. In diesem Jahr wird ihm allerdings zum Verhängnis, dass die zwei aktuellen Neuerscheinungen kräftig vorangeprescht sind.
Dunlop Trailsmart ist der Newcomer
Kommen wir zu D wie Dunlop und damit zum ersten Newcomer im Vergleich. Mit Erstaunen mussten wir zunächst zur Kenntnis nehmen, dass Dunlop den 2011 erfolgreich gestarteten Trailmax TR91 schon wieder vom Markt genommen hat. Er wird jetzt komplett durch den Trailsmart ersetzt und leider auch nicht als günstiger Budgetreifen weiterlaufen. Natürlich spürt man beim Nachfolger eindeutig die Gene des TR91 durchschimmern. Bereits dieser wusste auf der Landstraße zu überzeugen, und der Trailsmart bleibt diesem Charakter erfolgreich treu.
Das gleiche Bild zeigt sich bei Nässe, wo der Trailsmart dem Piloten ein sicheres Gefühl vermittelt. Das Problem des TR91 war sein hoher Verschleiß, was Dunlop jetzt beim Trailsmart mit einer neuen Mischung, verbessertem Silica und neuem Profildesign besser in den Griff bekommen möchte. Ob das tatsächlich geklappt hat? Wir müssen diese Frage leider um ein Jahr vertagen …
Enduroreifen von Metzeler und Michelin

Bei den nächsten beiden Reifen in der Sortierung lässt sich diese Frage dagegen eindeutiger beantworten. Denn sowohl der Metzeler Tourance Next wie auch der Michelin Anakee III sind bereits vor zwei Jahren beim Enduroreifen-Test angetreten und haben sich auf der Triumph Tiger Explorer ihre 4000 Kilometer lange Abreibung geholt.
Allerdings hat der Metzeler diese Laufleistung erstaunlich gut weggesteckt. Das Ergebnis nach der damaligen Verschleißfahrt über die gripintensiven Landstraßen der Cevennen war ein starker zweiter Platz: „Ein Pluspunkt in Sachen Wirtschaftlichkeit“, hieß es im 2013er-Testprotokoll. Noch besser schnitt Michelins Anakee III ab. Er belegte im Verschleißtest Platz eins. Fazit im damaligen Testabschnitt: „Das Profil wirkt nicht nur äußerst robust, es lässt sich auch auf der 4000-Kilometer-Runde wenig beeindrucken.“
Enduroreifen von Pirelli legt die Messlatte hoch
Diese Ergebnisse lassen sich nun vortrefflich mit den Dynamik-Erkenntnissen auf der R 1200 GS aus diesem Jahr kombinieren. Bei denen wiederum distanziert sich der Tourance Next allerdings klar vom Anakee III. Denn Michelins Enduroreifen kann sich in der reinen Funktionsprüfung auf trockenen und nassen Straßen nicht wirklich in Szene setzen. Auf Landstraßen bleibt er zu träge, bei Nässe vermisst man das Gefühl für mehr Sicherheit. Ganz anders dagegen der Metzeler. Sein großer Pluspunkt ist die Ausgewogenheit, die Landstraßenfahrer sehr schätzen werden. Auch bei Nässe stimmt das Bild. Ebenfalls positiv: die hervorragende Geradeauslaufstabilität auf der Autobahn. Zusammen mit den Erfahrungen aus dem Verschleiß klingt das beim Metzeler doch fast schon nach einer unschlagbaren Kombination.
Der nächste große Reifentest in dieser Gattung verspricht jedenfalls sehr spannend zu werden. Denn in puncto Dynamik legt der brandneue Pirelli Scorpion Trail II die Messlatte verdammt hoch. Für die BMW R 1200 GS jedenfalls ist dieser Reifen eine der besten Tuningmaßnahmen. Behäbigkeit war zwar noch nie Thema beim Geländeboxer, aber nach der Umbereifung auf den Scorpion Trail II könnte man es glatt meinen. Und bei Nässe fährt die Pirelli-GS Kreise um das Verfolgerfeld. Schatten kennt der Sieger im 2015er-Enduroreifen-Test noch keine. Aber: Sein Vorgänger war Letzter im Verschleiß. Doch das will Trail Nr. 2 besser können. Unsere Erfahrungen sagen jedenfalls: So viel Performance kostet. Meist auch viel Profil. Wie viel, bleibt abzuwarten.
Nach dem Test ist vor dem Test.
Testkandidaten

Continental Trail Attack 2

Gewicht: vorne 4,9 kg, hinten 7,1 kg
Spezifikation: vorne „Z“
Herstellungsland: Deutschland
Infos/Freigaben: Continental Reifen, Tel. 05 11/9 38 01, www.conti-moto.de
Fazit: Conti baut auch im Endurosegment mit dem Trail Attack 2 einen tollen Landstraßenreifen. Bei schnellen Reiseetappen mangelt es aber an Stabilität, bei Regen fehlt Grip und damit Vertrauen.
Dunlop Trailsmart

Gewicht: vorne 5,2 kg, hinten 7,6 kg
Herstellungsland: Frankreich
Infos/Freigaben: Goodyear Dunlop Tires Germany, Tel. 0 61 81/68 01, www.dunlop.de
Fazit: Der Newcomer von Dunlop startet mit tollen Fahrleistungen in seine erste Saison. Auf Landstraßen überzeugen die sportlichen Qualitäten des Trailsmart, bei Regen sein starker Grip.
Metzeler Tourance Next

Gewicht: vorne 5,1 kg, hinten 7,2 kg
Herstellungsland: Deutschland
Infos/Freigaben: Pirelli Deutschland, Tel. 0 89/14 90 83 02, www.metzelermoto.de
Fazit: Der Metzeler ist und bleibt der Allrounder unter den Enduroreifen. Wer auf absolute Neutralität, hohe Stabilität und solide Regentauglichkeit steht, greift zum Tourance Next der Münchner Marke.
Michelin Anakee III

Gewicht: vorne 5,6 kg, hinten 6,9 kg
Herstellungsland: Thailand
Infos/Freigaben: Michelin Reifenwerke, Tel. 07 21/53 00,
Fazit: Fahren wie auf Schienen. Wer seine Reiseenduro im ICE-Tempo durchs Land treibt, kann mit dem Michelin glücklich werden. Kurven, noch dazu verregnete, sollte man vom Fahrplan streichen.
Pirelli Scorpion Trail II

Gewicht: vorne 5,3 kg, hinten 7,2 kg
Herstellungsland: Deutschland
Infos/Freigaben: Pirelli Deutschland, Tel. 0 61 63/7 10, www.pirellimoto.de
Fazit: Wow, dieser Einstand ist gelungen. Pirellis nagelneue Sohle für die GS-Klasse kann im Dynamikmodus nicht besser sein. Top-Landstraßenperformance und dazu diese irre Show im Regen. Salute!
Landstraße und Autobahn

Mittlerweile ist die Standardbereifung, mit der moderne Reiseenduros ab Werk ausgeliefert werden, genau den Ansprüchen der Fahrer gefolgt. Was bedeutet, dass kernig aussehende Grobstollen-Gummis im Regelfall nicht auf die Felgen gezogen werden. Das Profilbild der aktuellen Enduroreifen-Generation ist zwar noch etwas gröber geschnitzt, doch im Wesentlichen sind die Reifen auf den regulären Straßeneinsatz abgestimmt. Wie viel Offroadperformance tatsächlich noch in den Enduropellen steckt, wird übrigens ausführlich der dritte Teil unseres Reifentests in MOTORRAD 14/2015 klären.
Zunächst ging es aber für diesen Test mit insgesamt sechs Reifenpaarungen auf eine abwechslungsreiche Landstraßenpartie ins Jagsttal – die Region zwischen Würzburg und Heilbronn gilt als Geheimtipp für kurvensüchtige Motorradfahrer! Moment, sechs Reifenmodelle im Test, aber nur fünf in der Tabelle? Ja, denn leider schaffte es Bridgestone nicht, den A40 als dritte Neuerscheinung in diesem Segment fristgerecht zu liefern. Weshalb wir den Reifen nicht auf unserer Nass-Teststrecke einsetzen konnten. Von daher bleibt es bei einem reinen Fahreindruck unter Idealbedingungen auf trockener Straße. Klar, dass das nicht reicht, um in die Wertung mit aufgenommen zu werden. Zu einem ersten Eindruck reicht es aber.
Neben der Landstraßenperformance wurde auf der nahe gelegenen A 81 die Hochgeschwindigkeitsstabilität überprüft. Denn auch unsere Dauertest-KTM 1190 Adventure hat wieder gezeigt, wie neuralgisch Hochbeingefährte auf Topspeed reagieren. Deshalb die spannende Frage: Mit welchen Reifen bolzt die GS wie auf Schienen über die Bahn?
Fazit:
Bedenkenlos kann zu den beiden Erstplatzierten gegriffen werden. Wer hingegen auf extreme Agilität im Landstraßenmodus Wert legt, auf maximale Stabilität aber verzichten kann, sollte auch den Conti Trail Attack 2 ins Auge fassen. Wer dagegen eher einen ausgewogenen Mix aus allem sucht, wird mit dem Metzeler Tourance Next glücklich werden.
Enduroreifen bei Nässe
Staubige Pisten, magisch glitzernde Küstenstraßen oder majestätische Alpenpässe. Natürlich denkt man auf einer GS, Varadero, V-Strom oder Super Ténéré genau über solche Destinationen nach und nicht über ein glitschig verregnetes und zudem noch bitumenübersätes Asphaltflickwerk. Wenn der Pilot aber tatsächlich auf so einem Streckenabschnitt unterwegs ist, denkt er mit Schweißperlen auf der Stirn über die Auswahl seiner aktuellen Bereifung nach.
Bitte dazu noch einmal kurz die Tabelle der Landstraßen/Autobahn-Wertung ins Gedächtnis rufen. Erst- und Letztplatzierten trennen gerade einmal zehn Punkte – bei 150 möglichen. Das sind keine sieben Prozent. Unserer Nasstest-Wertung zeigt hingegen, dass die Unterschiede auf verregneten Straßen deutlich gravierender sind. Ganze 20 Punkte trennen Platz eins und fünf – bei 100 möglichen. Und das, obwohl die R 1200 GS mit ABS und Traktionskontrolle schon einmal bestens für den Einsatz bei widrigen Straßenbedingungen gerüstet ist. Besonders die Zeile mit den Bremswegen spricht Bände. Während der Boxer mit den besten Reifen auf dem nassen Untergrund nach rund 55 Metern steht, rauscht er mit dem Conti oder Michelin im ungünstigsten Fall ein bis zwei Autolängen weiter. Keine angenehme Vorstellung, oder?
Fazit:
Mit ganzen sechs Punkten Vorsprung weist der neue Pirelli die beiden gar nicht mal schlechten Regenreifen von Dunlop und Metzeler in die Schranken. Ein Wahnsinnsreifen bei Nässe, Conti und Michelin sind dagegen nur noch zweite Liga
Endwertung

Eine Abschlusstabelle, wie sie im Reifentest schon lange nicht mehr zu sehen war. Mit einem krassen Vorsprung entscheidet der nagelneue Pirelli Scorpion Trail II diesen Enduroreifen-Test auf der alten R 1200 GS für sich. Der zweite Newcomer der Saison, Dunlops Trailsmart, kann sich zwar gut platzieren, nicht aber entscheidend vom Metzeler Tourance Next absetzen, der vor zwei Jahren Testsieger wurde. Damals punktete dieser auch noch mit sehr guten Verschleißwerten.
So testet MOTORRAD

Noch immer gehören die Reifendimensionen 110/80 R 19 und 150/70 R 17 zu den Verkaufsschlagern, weshalb wir als Basismotorrad für den Test nicht die BMW R 1200 GS mit Wasserboxer, sondern „die Alte“ mit luftgekühltem Motor ausgewählt haben. Der Nasstest fand auf dem Michelin-Testgelände in Fontagne (Salon-sur-Provence/Frankreich) statt. Im Dynamik-Test geht es vor allem um diese Eigenschaften:
Handlichkeit …
… ist die Lenkkraft, um die Maschine in Schräglage zu bringen und sie in Wechselkurven auf Linie zu halten.
Haftung/Beschleunigen …*
… bezeichnet die Seitenführung und Kraftübertragung in unterschiedlich schnellen Kurven (nass/trocken).
Lenkpräzision …*
… in unterschiedlich schnellen Passagen mit komplizierten Kurvenradien. Gibt Auskunft darüber, ob das Motorrad dem gewünschten Kurs folgt, der über die Lenkkräfte vorgegeben wird, oder ob deutliche Linienkorrekturen erforderlich sind.
Grenzbereichverhalten …*
… steht für die Beherrschbarkeit des Reifens im Limit. Test auf nasser und trockener Fahrbahn.
Kurvenstabilität …
… testet das Aufschaukeln in (Wechsel-)Kurven und bei Bodenwellen. Wird in unterschiedlichen Modi (solo/mit Sozius) und in großer Schräglage beim Beschleunigen getestet.
Haftung/Schräglage …*
… ist die Seitenführung in maximalerSchräglage auf nassem und trockenem Asphalt. Eine Gratwanderung, die nur auf abgesperrter Strecke möglich ist.
Geradeauslaufstabilität …
… wird bei Highspeed getestet. Bleibt das Motorrad stabil auf Kurs, oder stört Pendeln die Fahrt?
Aufstellmoment …
… bezeichnet das Aufrichten beim Bremsen in Schräglage. Diese Reaktion muss mit einer Gegenkraft (Drücken) am kurveninneren Lenkerende ausgeglichen werden.
Fülldruck im Test: 2,2 bar vorn, 2,5 bar hinten.
Kurztest Bridgestone A40

Die Wachablösung war überfällig. Seit Jahren rangierte der Bridgestone Battle Wing in unseren Tests unter „ferner liefen“. Tragisch nun, dass der neue A40 nicht rechtzeitig kam. Es reichte nur für einen kurzen Abgleich gegen die Konkurrenz auf trockener Straße. Seine Stärken dort: Stabilität, Neutralität und gute Rückmeldung. In puncto Handlichkeit haben aber Conti, Dunlop und Pirelli die Nase vorn.