Vor einigen Jahren war die Motorradwelt noch wohltuend simpel. Gegossene Serienräder wogen bleischwer, und wer das Handling seines Schätzchens verbessern wollte, gönnte sich einen Radsatz vom After-Market. Doch dank moderner Fertigungstechnik schrumpfen die Wandstärken von Erstausrüstungsrädern, der Gewichtsunterschied zu geschmiedetem und damit teurem Material fällt immer geringer aus. „Auf das reine Gewicht kommt es gar nicht an“, rief die alarmierte Zubehörindustrie der schwindenden Kundschaft hinterher. „Wichtig ist, wo es sitzt.“ Reine Verkaufsstrategie oder handfeste Tatsachen? Wir wollten es genau wissen und orderten Räder aus verschiedenen Materialien aller namhaften Zubehörhersteller, um sie mit Serien-Pendants zu vergleichen. Als Testmaschine wählten wir die BMW S 1000 RR . Für sie hatte jeder Hersteller/Importeur Räder auf Lager oder konnte sie kurzfristig beschaffen. Die Ergebnisse dieses Tests sind nur bedingt auf andere Bikes übertragbar. Unterschiedliche Serienräder, eine andere Fahrwerksgeometrie und -balance erlauben keinen absoluten Vergleich. Tendenzen liefert der Test aber allemal.
Wer ist dabei?
Mit im Boot sind sieben Hersteller: BST, Dymag (beide mit Carbonrädern), Galespeed, Marchesini, OZ, PVM (alle geschmiedetes Aluminium) und Rotobox (Carbon). Die meisten Firmen führen aber noch weitere leichte Felgen im Programm. Das gilt sowohl für die Dimensionen als auch den Einsatzzweck (Racing, Landstraße), fürs Design oder das Material. Tipp: auf den Internetseiten der Hersteller vorbeisurfen und sich einen Überblick übers Angebot verschaffen. OZ und PVM schickten Racing-Varianten mit „Full-Floater-Bremsscheiben“. Diese voll schwimmend gelagerten Scheiben gleichen bei extremer Belastung (Renneinsatz) das Ausdehnen und Zusammenziehen der Scheiben besser aus und verhindern so, dass sich diese verziehen. Nachteil: Die Lagerung verschleißt schneller, die Scheiben müssen früher ersetzt werden. Auf alle anderen Räder passen die (halb schwimmend gelagerten) Serien- oder entsprechend adaptierte Zubehörscheiben.

Worauf kommts an?
In erster Linie kommt es aufs Massenträgheitsmoment (MOI) an. Das Kürzel stammt aus dem Englischen und steht für „Momentum Of Inertia“. Die Einheit wird in kg.cm² angegeben. Das MOI bestimmt den Widerstand eines Körpers, der in Rotation versetzt oder daraus abgebremst wird. Je weiter die Masse von der Drehachse (in unserem Fall Radachse) entfernt liegt, desto höher ist das MOI. Was bedeutet das für Bikes? Diese physikalische Gegebenheit wirkt sich unmittelbar aufs Handling aus. Räder mit geringem MOI verbessern die Handlichkeit und umgekehrt. Die Zubehörindustrie liegt also richtig mit ihrer Behauptung, es käme auf die Verteilung der Masse an. Ein kleines Experiment verdeutlicht das. Probehalber packten wir exakt 620 g Zusatzgewicht direkt um die Nabe eines rund drei Kilo schweren Vorderrads. Ohne dieses Gewicht betrug das Massenträgheitsmoment 858 kg.cm², mit Gewicht 861 kg.cm². Das MOI lag also nur 0,35 Prozent höher, obwohl die Gesamtmasse um zirka 20 Prozent zunahm! Die technischen Daten der Räder und weitere Infos stehen in den jeweiligen Kästen.
Was fiel auf?
Erfreulich: Sämtliche Räder sind sehr gut ausdistanziert und passen wunderbar ins Bike. Die Scheiben laufen mittig in den Bremssätteln, auch die Kettenflucht stimmt. Dazu sind die Distanzbuchsen fest mit dem Rad verbunden. Das nervige „Klong“ herausfallender Buchsen beim Radeinbau entfällt. Weniger erfreulich: Bei zwei Herstellern (Dymag, Rotobox) fielen die Distanzbuchsen beim Hinterrad minimal zu eng aus. Die Achse passte nicht durch die Führung, die Buchsen mussten etwas nachgeschliffen werden. Rotobox überraschte zudem mit kleinen Lufteinschlüssen im Klarlack. Außerdem waren zwei Schrauben der Kettenradbefestigung so standhaft, dass sie nicht einmal der Schlagschrauber lösen konnte. Selbiges gilt für die Verschraubung der vorderen Bremsscheiben bei PVM.

Und beim Fahren?
Die gute Nachricht: Sämtliche Räder verbessern das Handling der BMW spürbar. In dieser Hinsicht liegen die Carbonteile von Dymag und Rotobox ganz vorn. Geringe Lenkimpulse genügen, schon klappt die S 1000 RR willig in die Ecken. Allerdings zollen die leichten Räder auch Tribut. In der ultraschnellen Parabolica-Kurve des Hockenheimer Rundkurses beginnt die Fuhre deutlich zu pendeln. Im Extremfall heißt das: Gas zu! Offensichtlich benötigt ein Bike gewisse stabilisierende Kreiselkräfte, um ruhig seine Bahn zu ziehen. „Unsere Räder benötigen ein anderes Fahrwerks-Setup, vor allem mehr Druckstufendämpfung“, sagt Dymag-Importeur Norbert Backes. „Einfach einbauen und loslegen funktioniert selten.“
Straßeneinsatz erlaubt?
Ein heikles Thema ist die Zulassung. Laut einem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Az. 10 S 1857/09) erlischt die Betriebserlaubnis eines Fahrzeugs nur dann, wenn eine Gefährdungserwartung von der Änderung ausgeht. Faktisch müssen also die von Herstellern für öffentliche Straßen konzipierten Räder ohne eine Prüfung für den Straßenverkehr zugelassen werden. Bedingung: Die Räder müssen die gleichen Dimensionen aufweisen wie die Serienteile. Leider hat sich das noch nicht bei allen Prüfern der zuständigen Organisationen (TÜV, Dekra, GTÜ) herumgesprochen, Ärger ist also nicht ausgeschlossen. Auf Nummer sicher geht, wer vom Hersteller eine ABE erhält. Nötig ist sie aber zumindest theoretisch nicht.
So testet PS

Massenträgheitsmoment 25 Punkte:
Nach einem festen Punkteschlüssel verteilen wir Zähler für das Massenträgheitsmoment (MOI). Ein zwar theoretischer, dennoch wichtiger Wert. Denn je geringer das MOI ausfällt, desto näher liegt die Masse bei der Radachse, wodurch sich das Handling verbessert. Die große Kunst beim Räderbau besteht darin, Felgen mit geringem MOI und trotzdem hoher Stabilität zu konstruieren.
Fahrtest 50 Punkte:
Fürs wichtigste Kriterium vergeben wir 50 von maximal 100 zu erreichenden Punkten. Wie viel Kraft benötigt der Pilot fürs Einlenken in die Ecken? Wie einfach lässt sich das Bike durch Wechselkurven manövrieren? Bleibt es auf Kurs oder neigt es zum Untersteuern („Running-wide“)? Auch die Fahrstabilität spielt eine große Rolle. Ballert die Fuhre ruhig um die Radien oder schaukelt sie sich in schnellen Ecken auf? Einige Testkandidaten punkteten zwar mit exzellentem Handling, ließen aber Federn bei der Stabilität. Wir fuhren immer mit identischer Benzinmenge.
Handhabung/Verarbeitung 25 Punkte:
Zur Verarbeitung zählt beispielsweise die Unwucht der Räder, die wir selbstverständlich ohne Ventil gemessen haben. Auch Lackierung, Verschraubung, Passgenauigkeit und allgemeines Finish gehört dazu. Beim Thema Handhabung achten wir unter anderem auf feste Distanzbuchsen.
BMW Serie

Kontakt
BMW-Händler
www.bmw-motorrad.de
Preis je Satz (ohne Scheiben): 1218 Euro
Material: Aluminium-Guss
Gewicht in Kilogramm*: vorn 7,29, hinten 8,95
MOI in Kilogramm x cm² *: vorn 1675, hinten 1616
Statische Radlast in Kilogramm: vorn 180, hinten 270
Originale Bremsscheiben verwendbar: ja
Unwucht in Gramm: vorn 7, hinten 25
Bewertungskriterien | maximale Punktzahl | Punkte |
Massenträgheitsmoment | 25 | 12 |
Fahrtest | 50 | 38 |
Verarbeitung/Handhabung | 25 | 18 |
Gesamtpunkte | 100 | 68 |
Fazit
Mit den schweren Serienrädern winkelt die BMW deutlich am unhandlichsten ab. Das Finish geht für gegossene Massenware in Ordnung, doch die geschmiedete Konkurrenz wirkt edler. Der Kettenradträger hängt lose zwischen den Ruckdämpfern und kann beim Radwechsel herausfallen - Punktabzug bei der Handhabung. Größter Vorteil: der Preis.