Diese Freude am Fahren adelt und veredelt den Moment. Sie weckt das Kind in uns, macht die bloße Fortbewegung von A nach B zum Flirt mit der Physik, zu einem puren Vergnügen. Den Herzschlag fühlen. Seinen eigenen. Und den der Maschine. Motion und Emotion wohnen dicht beieinander. Fahrspaß kann hinter jeder Biegung warten, in jeder Kurve erneut erlebt werden, in jeder Sekunde aufs Neue beginnen. Er kann aus jedem Kilometer ein kleines Abenteuer machen. Wenn man ihn einmal erlebt hat, lässt er einen nicht mehr los. Vermeintlich nicht zu greifen, brennt sich der Fahrspaß doch fest im Hirn, wird zur Passion von Mobilität.Fahrfreude kann man teilen. In der Gruppe, mit dem Sozius. Dabei erlebt sie jeder ein wenig anders, individuell. Doch egal, ob wir lieber durch die Sahara pflügen, über die Route 66 cruisen, über Rennstrecken heizen oder uns auf Berggipfel empor schrauben: Motorrad fahren soll, ja muss Spaß machen. Sonst könnten wir es gleich bleiben lassen, praktischere Verkehrsmittel gibt’s genug. Was aber genau prägt den Fahrspaß, was macht ihn aus? Kann man den an sich diffusen Begriff definieren, in Kriterien zerlegen? Und was behindert ihn? Schließlich kann jeder spontan nach einer Probefahrt sagen, ob ihm ein bestimmtes Motorrad „liegt“ oder nicht.
Bestimmte Modelle machen bestimmten Leuten demnach entschieden mehr Spaß als andere. Wo also liegen die herausstechenden Unterschiede zwischen den einzelnen Maschinen, Konzepten, Typen? Um all dies geht es im vorliegenden Fahrspaß-Vergleich. Der daher ganz ohne Vernunft und Verbrauch, ohne 1000-Punkte-Wertung und Preis-Leistungs-Verhältnis auskommt. Der stattdessen die reine Leidenschaft, die Freude am Fahren zu ergründen sucht.
Dafür rückten sechs erfahrene und doch unterschiedliche Motorradmenschen aus. Auf Aprilia SX 125 Supermoto, BMW R 1200 GS, KTM 990 SM R, Moto Morini Corsaro Veloce 1200, Triumph Street Triple R und Yamaha MT-01. Exemplarisch ausgewählt, stehen diese sechs Modelle als Stellvertreter für fahrspaßrelevante Begriffe: niedriges Gewicht, hoher Wohlfühlfaktor und tolle Fahrdynamik zum einen. Einen Motor mit Druck, „Easy Going“ beim Fahren und Charakter zum anderen. Alles zusammen der Garant für Faszination, Begeisterung und Gänsehaut?

Jeder Fahrer fuhr alle sechs Maschinen im unmittelbaren Wechsel über die gleiche Testrunde. Danach hieß es, in den sechs Kriterien eine persönliche Rangfolge abzugeben. Aus der Summe der sechs subjektiven Rankings ergibt sich dann die Kapitelwertung. Und aus den dort geholten ersten, zweiten und dritten Plätzen dann der Gesamtsieg im Fahrspaß-Test. Jetzt wird vielleicht mancher seinen Luxustourer oder fetten Cruiser vermissen. Logisch, dass solche Typen im richtigen Umfeld eine Menge Spaß machen können. Doch in dieser Geschichte hier geht es ausschließlich um den Fun-Faktor auf Landstraßen. Um Fahrspaß auf wechselnden Belägen und in variierenden Kurvenradien, also bis hin zu engsten Bergab-Kehren.
Deswegen sind auch keine Supersportler vertreten: Im wahren Leben, abseits der Rennpiste oder Autobahn, sind sie einfach nicht in ihrem Element. Weil man ständig damit beschäftigt ist, das Gas zuzudrehen, nicht weiß, wohin mit all der schieren Leistung. Und entweder mit schmerzenden Handgelenken lebt oder Geschwindigkeiten in Kauf nimmt, bei denen Führerscheine Flügel kriegen.
Selbst wenn sehr starke Maschinen auch gelassen machen können, für das Glück auf Landstraßen braucht es keine Power im Überfluss. 180 PS sind in dieser Geschichte eher kontraproduktiv. Viel wichtiger sind Charme und Schwung.
Und beispielsweise ein möglichst niedriges Gewicht. Objektiv betrachtet, ein hartes Kriterium. Auf die Waage stellen, messen, fertig. Eine Frage der Masse. Doch darum allein ging es bei der Suche nach der unbeschwerten Fortbewegung auf zwei Rädern nicht. Sondern um die erlebte Masse – wie schwer fühlt sich die Maschine beim Fahren, wie beim Rangieren an? Erstes Ergebnis dabei: Subjektive Empfindung und die tatsächliche Gewichts-Rangfolge der Maschinen stimmten weitgehend überein, von der federleichten 125er bis zur mächtigen 1700er. Wenngleich damit nicht gesagtist, dass ein 400-Kilo-Brocken nicht auch seine ganz speziellen Reize hat.

Wohlfühlfaktor mag sperrig klingen. Und doch erschließt er sich intuitiv. Welchen Sinn hat denn sonst bloßes Probesitzen auf Motorrad-Messen? Ist die Haltung bequem, passt mir der Zuschnitt von Tank, Lenker und Sitzbank? Wie gut komme ich mit Höhe, Kontur und Polsterung der Sitzbank zurecht? Dennoch meint dieses Kapitel mehr als die reine Ergonomie und Bedienbarkeit: Macht diese oder jene Maschine ausgeglichen? Ermöglicht sie mobile Meditation oder stresst sie eher?
Fahrdynamik wiederum meint Achterbahn im Bauch. Gefühlte Agilität, erlebte Wendigkeit: Wie steht‘s um Handling, Lenkverhalten, Stabilität und Rückmeldung des Fahrwerks? Spritzigkeit über den reinen Vortrieb hinaus. Immerhin gilt es ja als Zauberformel eines jeden sportiv-dynamischen Motorrads, direkt und ehrlich zu sein.
Beim Kapitel Druck geht es um den Antrieb und Antrittt. Also nicht bloß darum, Drehmoment- und Leistungskurven übereinander zu legen oder Zehntelsekunden bei Durchzug und Beschleunigung zu vergleichen. Sondern ums persönliche Empfinden: Groovt es beim Gas geben? Wie stark fühlt sich der Motor tatsächlich an? Stürmt die Maschine beim Dreh am Gasgriff auch richtig los? Oder verpufft die Kraft gefühlsmäßig irgendwo zwischen Kurbelwelle und Hinterreifen?
Easy Going meint auf Deutsch letztlich Benutzerfreundlichkeit: Wie leicht macht es das jeweilige Motorrad seinem Fahrer, seiner Fahrerin? Wie einfach ist der Umgang mit ihm, wie lässig lässt es sich bewegen? Geht es eine Fahrsymbiose ein mit der „oberen Hälfte des Motorrads“ (Prof. Bernt Spiegel über den Motorradfahrer an und für sich)? Oder bietet der jeweilige Typ eher Power allein für erfahrene Könner, behindert etwas beim entspannten Landstraßen-Surfen? Im Idealfall tut das Motorrad fast telepathisch das, was der Fahrer will. Schließlich hat Fahrspaß etwas mit Artistik zu tun. Zu Künstlern des Augenblicks macht er uns, weil wir nicht über das nachdenken müssen, was wir da gerade tun.
Bliebe noch der oft gebrauchte und auch oft missbrauchte Begriff des Charakters. Er meint hier die Ausstrahlung des Motorrads. Nicht am Treff, sondern in uns. Sie überträgt sich ganz automatisch aufs Fahrfeeling, kann jede Straße zu einem Traum machen. Vibrationen, good vibrations, spielen hier eine Rolle. Und natürlich der Sound: Strömen wohlig bassige Klang-Arien zum Ohr oder eher Nähmaschinenlaute?
Doch auch wenn diese Geschichte nicht alle Fragen beantworten kann, bleibt ein Ergebnis nach all den Erlebnissen: Gerade beim Motorradfahren gilt der rheinische Spruch „Jeder Jeck ist anders.“ Will heißen, was uns glücklich macht oder frustriert, muss jeder für sich entscheiden. Was Menschen beim Fahren fühlen, ist mindestens so wichtig wie das, was sie fahren. Viel Spaß also, mit welchem Motorrad auch immer. Denn eines ist sicher. Wer jemals den besonderen Fahrspaß auf zwei Rädern genossen hat, will ihn nie mehr missen.
Insofern gibt es zum Schluss mehr als bloß einen Witz. Darüber, was im Leben wirklich zählt, was best und second best feeling ist: Ein Motorradfahrer strandet auf einer einsamen Insel. Eines Tages steht er am Strand, als eine wunderschöne Taucherin dem Meer entsteigt. Ihr Neoprenanzug schmiegt sich eng an ihre traumhafte Figur. Sie schüttelt ihre langen, nassen Haare und fragt den armen Motorradfahrer: „Wann hast du zuletzt eine Zigarette geraucht?“ „Na“, antwortet der, „vor fünf Jahren, bevor ich hier gestrandet bin.“ Die Taucherin macht an ihrem Taucheranzug eine wasserdichte Tasche auf, holt eine Zigarette heraus und reicht sie ihm. Er zündet sie an, nimmt einen tiefen Zug und sagt: „Aaahh, tut das gut.“ „Und wann hast du zuletzt einen Schluck Alkohol getrunken?“, will die Taucherin weiter wissen. „Vor fünf Jahren.“ Die Taucherin greift in eine anderen Tasche an ihrem Taucheranzug, holt einen Flachmann heraus und gibt ihn dem Motorradfahrer. Er nimmt einen kräftigen Schluck: „Aaahh, tut das gut.“ Da öffnet die Taucherin langsam den großen Frontreißverschluss ihres Neoprenanzugs. während sie lasziv fragt: „Und wann hattest du das letzte Mal so richtig deinen Spaß?“
Der Motorradfahrer hüpft aufgeregt von einem Bein aufs andere: „Ach komm, jetzt sag bloß, du hast auch noch ein Motorrad dabei?!“
Gewicht

Fast hatte man es vergessen: Leichter ist einfacher, ist witziger, bringt mehr Spaß. Selbst Profis haben auf der nur 125 Kilogramm schweren Aprilia ihren Spaß. Wahnsinn, wie viel Speed man mit durch die Kurve nehmen kann. Hui, das macht Laune. „Määh, määh, määh“, fleißigst die sechs Gänge durchgesteppt: Fröhliche blaue Wölkchen zeigen, dass Aprilia nach vielen WM-Titeln noch am Zweitakt-Prinzip festhält. Der Achtelliter-Single mit Kickstarter und U-Kat ist nach Euro 3 homologiert und leistet immerhin 22 PS. Schwung holen und dann mit heftigem Verve in engste Kurven geworfen. Der Horizont hängt schief, bis der Arzt kommt. Aufsetzen tut da nix, und die Pirellis grippen bestens. Fett sind sie für eine 125er, doch die schmalsten im Test-Sextett, vorn 110, hinten 150 Millimeter breit. Das macht flott. Denn bei gleicher Schräglage ist man damit schneller. Ein echtes Kehrenwunder, die Aprilia. Zumindest bergab. Herrlich, diese gefühlte Leichtigkeit zu erleben.
Das bieten annähernd sonst nur Triumph und KTM mit 190 und 203 Kilogramm. Gewicht ist relativ: Die Moto Morini ist mit 219 Kilogramm sicher nicht zu schwer, die BMW angesichts 244 Kilogramm bei praller Ausstattung angemessen, eine Bandit 650 wiegt mehr. Schwerer, als sie ist (267 Kilogramm), fühlt sich die MT-01 an. Mögen diese fünf der SX auf längeren Geraden auch enteilen, mit dem 125er-Spaßmobil kommt man immer wieder ran. An Kreuzungen, hinter Auto-Kolonnen oder weil die MT-01 in Kurven im Weg rumsteht. Spaßig, sich auf der Autobahn in den Windschatten der Big Bikes zu klemmen. Funktioniert bis 135 km/h. Schmale Sitzbank und hoher Verbrauch an Öl wie Benzin bei kleinem Zehn-Liter-Tank taugen eher für kurze Ausritte. Einfach so zum Spaß .
Platzierung Kategorie Gewicht
1. Aprilia SX 125 Supermoto
2. Triumph Street Triple R
3. KTM 990 SM R
4. Moto Morini Corsaro Veloce 1200
5. BMW R 1200 GS
6. Yamaha MT-01
Daten der Aprilia
Wassergekühlter Einzylinder-Zweitaktmotor, 125 cm³, Nennleistung 17,0 kW (23 PS) bei 10000/min, Drehmoment 17 Newtonmeter bei 9750/min, Sitzhöhe 960 mm, Gewicht vollgetankt 125 kg, Preis Testmotorrad 4672 Euro
Kommentar

Was Fahrspaß ist? Mit der Aprilia auf einer Briefmarke wenden, Hobby-Sportler außen herum in Kurven überholen, und das alles im Rahmen der STVO. Immer mit einem Lächeln im Gesicht.
Wohlfühlfaktor

Willkommen zu Hause. Und doch bleibt der GS-Fahrer offen für große Erlebnisse. Extrem breitschultrig, würdig und erhaben thront er auf der GS über allem Irdischen. Als könnte er mit ihrem breiten Lenker die Welt aushebeln. Da fühlt sich jeder wie ein König. Dieses Gefühl der Unangreifbarkeit macht unglaublich souverän, während die Landschaft im Breitwandformat vorüber zieht. Einfach fahren und genießen. Entspannt und entspannend.
Nicht zu toppen: diese unerreichte Vielseitigkeit der BMW. Stadt, Land, Fluss – eine GS kann alles, außer Kaffee kochen. Von Reisen, auch zu zweit und mit Gepäck, bis Angasen, leichtes Gelände wie Alltag. Vor diesen Allroundqualitäten muss das restliche Quintett passen. Tourentauglichkeit? Mit dem Winztank der Aprilia fährt man nur von Tanke zu Tanke. Mit der KTM in Urlaub? Da hat der Spaß ein Ende. Bei der Moto Morini fehlt der Ergonomie der letzte Schliff. Und die MT-01 verlangt stets nach einer fest führenden Hand. Allein auf der Triumph kann man sich ähnlich wohl fühlen wie auf der GS. Und doch bleibt die 1200er der Lieblingssessel.
Bei Bedarf mit Heizgriffen, Bordcomputer, Traktions- und Reifenluftdruckkontrolle. Den Wohlfühlfaktor unterstreicht das optionale ABS. Solche eingebaute Sicherheit für den Fall der Fälle ist bei den anderen fünf leider Fehlanzeige. So erstaunlich einfach die 1200er zu fahren ist (sie wendet auch auf dem Handteller), so (v)erschreckt sie doch weniger Geübte durch ihre Größe. Ihnen bleibt daher trotz massenhafter Verbreitung das GS-Gefühl verschlossen: ihr idiotensicheres Fahrwerk, als Extra elektronisch per Knopfdruck während der Fahrt verstellbar. Es verzeiht viel, und das Telelever bügelt den Teerteppich wunderbar glatt. Erst bei extrem sportlicher Fahrweise stört das geringe Feedback von vorn. Der Boxermotor passt zum Konzept, teilt kraftvoll, doch unauffällig aus. Kein Wunder, wenn das Fahren hier relaxt.
Platzierung Kategorie Wohlfühlfaktor
1. BMW R 1200 GS
2. Triumph Street Triple R
3. KTM 990 SM R
4. Yamaha MT-01
5. Moto Morini Corsaro Veloce 1200
6. Aprilia SX 125 Supermoto
Daten der GS
Luft/ölgekühlter Zweizylinder-Boxermotor, 1170 cm³, 77 kW (105 PS) bei 7000/min, 115 Nm bei 5750/min, Sitzhöhe 870 mm, Gewicht 244 kg, Preis Testmotorrad 15709 Euro
Kommentar

Typisch deutsch, weil technokratisch? Okay, eine GS klingt wie ein Wäschetrockner, aber sie macht viel mit, fährt komfortabel, geradezu unspektakulär flott.
Fahrdynamik

Es geht nicht um Zehntelsekunden. Obwohl die 203 Kilogramm leichte KTM am besten beschleunigt, von Null auf hundert und weiter auf 140 km/h. Aber was zählt, ist das Feeling beim Anreißen, und das ist unvergleichlich. Hier stimmt das Bild von Münchhausens Ritt auf der Kanonenkugel. Willkommen in der Wirklichkeit. Dieses aus edelsten Komponenten gebaute Motorrad fordert, mag kein gemächliches Dahinrollen, keine konstante Geschwindigkeit. Es will machen und tun, bremsen und beschleunigen. Die Supermoto braucht Wechsel, von links nach rechts, weiter abwinkeln, tiefer reindrücken, schneller aufrichten. Hier noch ein Zwischenspurt, da noch ein Drift, dort noch ein Power-Wheelie. Mehr gefühlte Rasanz geht nicht auf Landstraßen.
So rasant zirkelt kein anderes Motorrad aus diesem Feld um engste Kurvenradien. Und alles geht plötzlich so einfach. Selbst in tiefster Schräglage kann man nach Belieben völlig spielerisch die Linie ändern. Direkt, unmittelbar, gierig. Dazu passen die Pirelli Dragon Supercorsa Pro, sie haften, einmal warm gefahren, diabolisch, kennen keine Rutscher. Warum aus der Kurve heraus beschleunigen, wenn man es schon mittendrin kann? Wheelies lassen sich ohnehin nur mit viel Körperbeherrschung vermeiden. Auch das exzellente Fahrwerk funktioniert nach der Devise „je schneller, je lieber“. Extrem handlich, doch nicht nervös, extrem stabil, aber nie steif, sportlich-straff, ohne allzu unkomfortabel zu wirken.
Die KTM liegt faszinierend gut auf der Straße. Da muss sich sogar die Triumph dahinter einreihen. Gilt auch für die BMW und die mit Fahrwerksschwächen geborene Moto Morini. Aggressiv gibt sich der 75-Grad-V2, fackelt ab 5000/min ein wahres Feuerwerk ab. Der Supermoto die Sporen geben, heißt Fahrdynamik neu erleben. Wer hier sein Herz nicht schlagen spürt, ist tot. Die Kehrseite? Alles ziemlich frei von Nutzwert. Und der Pepp kann anstrengen, man kann schnell mal zu schnell sein.
Platzierung Kategorie Fahrdynamik
1. KTM 990 SM R
2. Triumph Street Triple R
3. BMW R 1200 GS
3. Moto Morini Corsaro Veloce 1200
5. Aprilia SX 125 Supermoto
6. Yamaha MT-01
Daten der KTM
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertaktmotor, 1000 cm³, Nennleistung 85 kW (116 PS) bei 9000/min, Drehmoment 97 Newtonmeter bei 7000/min, Sitzhöhe 870 mm, Gewicht vollgetankt 203 kg, Preis Testmotorrad 13155 Euro
Kommentar

Die KTM 990 SM R ist ein rassiges Sportgerät, das aktiv bewegt werden will. Sie setzt alles, was der Fahrer will, eins zu eins um. Das Adrenalin strömt permanent, so wie beim Offroad-Fahren.
Druck

Kompakt, gedrungen, kraftvoll: Die Moto Morini wirkt bereits im Stand dynamisch. Wie sie stolz ihre wassereimergroßen Zylinder präsentiert, verwegen um 87 Grad gespreizt. Beim Fah-ren verschiebt die spürbar vibrierende Corsaro komplett die Wahrnehmung. Man will‘s gar nicht glauben, erst der Blick auf den Drehzahlmesser offenbart, dass tatsächlich nur 3500 Touren anliegen. Wow, wie das ab dieser Marke anschiebt. 6,9 Sekunden von 60 auf 140, im sechsten Gang. Noch Fragen? Das kann niemand in diesem Testfeld besser, auch sonst gibt es kaum ebenbürtige Gegner. Ein wahres Druck-Erzeugnis produziert der Ultra-Kurzhuber mit den fetten 107er-Kolben da.
Ein wichtiger Teil des Erlebnisses: Das harte Hämmern aus der Airbox und mächtiges V2-Stakkato aus den Termignoni-Auspuffrohren, dem Kennzeichen der teuren Veloce-Version. Ihr Druck beeindruckt. Ihr Durst auch. Kraft scheint in Italien immer noch von Kraftstoff zu kommen. Leider lastwechselt die Morini heftig. Nimmt man sie nicht hauchzart ans Gas, geht am Kurvenscheitelpunkt ein heftiger Ruck durchs Motorrad. Und auf schlechtem Asphalt leidet der Spaß ziemlich, die Federelemente im steifen Gitterrohr-Chassis sprechen unsensibel an; Sie springen gern über Bodenwellen, lassen die Fuhre mitunter in Schräglage versetzen. Was bleibt, ist der Vortrieb des fulminanten, drehfreudigen Motors.
Ihre noch viel gigantischere Kraft setzt die Yamaha MT-01 nicht eins zu eins in Vortrieb um: Sie ist lang übersetzt und riegelt früh ab, liegt in der Leistung am Hinterrad selbst bei niedrigem Tempo gar hinter Morini und BMW. Der druckvolle Boxer schlägt viel kräftiger zu, als es sich im Bauch anfühlt. Hingegen hackt die oben heraus so feurige KTM bis 3000/min nur auf die Kette ein. Erstaunlich elastisch und kräftig agiert der 675er-Triple der Triumph, wie erwartet schmalbrüstig dagegen der winzige Aprilia-Single.
Platzierung Kategorie Druck
1. Moto Morini Corsaro Veloce 1200
2. KTM 990 SM R
3. Triumph Street Triple R
4. Yamaha MT-01
4. BMW R 1200 GS
6. Aprilia SX 125 Supermoto
Daten der Moto Morini
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertaktmotor, 1187 cm³, 103 kW (140 PS) bei 8500/min, 123 Nm bei 6500/min, Sitzhöhe 810 mm, Gewicht vollgetankt 219 kg, Preis Testmotorrad 14045 Euro
Kommentar

Druck, Power, Sound – die Morini ist eine hoch-emotionale italienische Maschine, der man kleine Schwächen gern verzeiht. Weil sie einfach einen idealen Landstraßenmotor hat.
Easy Going

Der große Wurf: Ein Motorrad, das extrem einfach zu fahren ist, reichlich Fahrspaß bietet und immer und allen passt. Ja, die kompakte Triumph Street Triple finden kleine Leute prima, doch auch Fahrensmänner von 1,90 Meter sitzen passabel. Anfänger fühlen sich auf der 190 Kilogramm leichten 675er sicher, alte Hasen genießen die irre Fahrdynamik. Und alle Fahrer-Naturelle haben ganz, ganz easy jede Menge Fahrfreude. Unnerreicht, die fahrerische Bandbreite. Locker und leicht umrundet die Triumph engste Kehren. Toll. Kinderleicht fällt ihr Handling aus, hoch ihre Neutralität. Wie einfach das Leben sein kann.
Und wie schön – die relaxte Sitzposition lässt erhabenen Landschaftsgenuss zu. Eine wahre Pracht ist der Dreizylinder, von 2000 bis 12 000 Touren voll da. Ebenso durchzugsstark wie drehfreudig. Echt lässig. Der Triple föhnt die Flimmerhärchen. „Wroop, wroop, wroop”, tönt‘s aus den beiden schlanken Arrow-Töpfen. Dieses gewisse Extra macht den Preis fünfstellig, zusammen mit dem Windschildchen über den zwei verchromten Lampen. Nur ein ABS fehlt. Davon abgesehen ist die Street Triple R ein Must have. Ihre gegenüber der Standardversion kräftigeren, feiner dosierbaren Vierkolbenbremsen lassen sonst keine Wünsche offen. Gleiches gilt fürs höherwertige, vorn wie hinten einstellbare Federwerk.
Und der Rest des Felds? Die KTM fährt noch spielerisch-leichter. Aber sie stresst auch, fordert permanent mehr. Für die BMW GS spricht ihr unbedingtes Gefühl der Geborgenheit, gegen sie ihre großen Abmessungen. Federleicht ist die Aprilia. Nur ist es nicht jedermanns/jederfraus Sache, den Zweitakter permanent schaltend bei Drehzahl-Laune zu halten. Kippelig in engen Kurven ist die Moto Morini, erfordert Korrekturen. Dazu nerven ihre glatten Fußrasten ohne Gummis. Kupplung und Getriebe lassen sich nur mit viel Kraft bedienen, Schaltarbeit im Wortsinn. Und das Trumm von MT-01 benötigt jederzeit eine stark führende Hand.
Platzierung Kategorie Easy Going
1. Triumph Street Triple R
2. KTM 990 SM R
3. BMW R 1200 GS
4. Aprilia SX 125 Supermoto
5. Moto Morini Corsaro Veloce 1200
6. Yamaha MT-01
Daten der Triumph
Wassergekühlter Dreizylinder-Viertaktmotor, 675 cm³, Nennleistung 78 kW (106 PS) bei 11700/min, Drehmoment 68 Newtonmeter bei 9200/min, Sitzhöhe 830 mm, Gewicht vollgetankt 190 kg, Preis Testmotorrad 10384 Euro
Kommentar

Ich bin mir jetzt unsicher, ob mich mein Freund oder die Street Triple mehr anmacht. Spaß beiseite: Die Triumph könnte mein nächstes Motorrad werden. Würde mich sehr freuen.
Charakter

Ein einzigartiges Erlebnis, ein einzigartiges Konzept: Der 1,7 Liter große Cruiser-V2 steckt bei der Yamaha MT-01 in einem hochwertigen Sportfahrwerk. Ein Monument von einem Motor, schon rein optisch ein Hochgenuss: Turmhohe Zylinder, vor denen die Hüllrohre der Stoßstangen an bildschöne Königswellen erinnern. Insignien aus dem ersten Leben. Gewaltige Drehmomentgebirge lässt der Langhuber auf die Kurbelwelle los, türmt gemessene 150 Newtonmeter bereits knapp über 2000/min an. Ein Stier von einem sportlichen Motorrad. Gerade mal 3000 Touren vermeldet der Drehzahlmesser bei Tachoanzeige 130. Bei 5000/min ist dann schon Schluss, Begrenzer. Eigentlich schade. Bis dahin massiert der Rhythmus der fetten Kolben die Seele, Glückswellen fluten das Hirn. Wow, wie das pulst. Ein wahrhaft satter Herz-Schlag.
Anders als bei jedem Cruiser geht‘s hier richtig voran, zweitbester Durchzug des Sextetts. Und dann dieser Sound. Irre, wie das schnauft und schiffsdieselt. Sonor, dumpf, tief. Was für ein Beat! Nur nach dem Abstellen kommen Misstöne hinzu, wenn ein nervtötender Lüfter den dick verblendeten Auspufftröten kühlen Hauch zufächelt. Überhaupt täte weniger Plastik und Blendwerk dem Motorrad gut. Das hat es gar nicht nötig. Steigt man von der BMW auf die Yamaha um, ist das schlicht die emotionale Erfüllung: Fünf von sechs Testfahrern attestieren der GS am wenigsten Charakter, der Preis ihrer Universalität. So etwas ist der MT-01 völlig schnuppe – verdammt emotional für einen Japaner. Silber und Bronze in diesem Kapitel gehen an KTM und Triumph, die auch den Gesamtsieg unter sich ausmachen. Deren gefühlte Leichtigkeit fehlt der MT-01. Ihre Schwere beim Schieben und Rangieren gehört fürs Feeling einfach dazu. Auf welligem Kurvengeläuf verlangt der 190er-Hinterreifen Nachdruck. Na und? Der Erlebniswert ist schließlich enorm. Und ein Trecker ist halt keine Ballerina.
Platzierung Kategorie Charakter
1. Yamaha MT-01
2. KTM 990 SM R
3. Triumph Street Triple R
4. Moto Morini Corsaro Veloce 1200
5. Aprilia SX 125 Supermoto
6. BMW R 1200 GS
Daten der Yamaha
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertaktmotor, 1670 cm³, 66 kW (90 PS) bei 4750/min, 150 Nm bei 3750/min, Sitzhöhe 810 mm, Gewicht vollgetankt 267 kg, Preis Testmotorrad 13820 Euro
Kommentar

Mit der MT-01 bin ich nicht nur in der Badewanne Kapitän, sondern auch auf der Landstraße. Der schiffsdieselige V2 verströmt Souveränität, der Bumms und der Sound sind einmalig.
Unser Fazit


Fahrspaß darf jeder Fahrer anders definieren. Trotzdem hat es uns reichlich Spaß gemacht, sich mal “ernsthaft„ allein mit diesem Thema zu beschäftigen. Was Freud’ ist und was Leid, bleibt subjektiv. Für Gemütsmenschen etwa ist die KTM eine Katastrophe. Für Heißsporne ist sie die Erfüllung. Da fährt die Triumph benutzerfreundlicher, versöhnlicher, die BMW vielseitiger. Bei der Moto Morini begeistert der brachiale V2, das Fahrwerk kann nicht ganz mithalten. Eine interessante Mischung verkörpert die Yamaha. Und Siegerin der Herzen wird die quirlige Aprilia...