Im Falle der F 900 GS müssen 105 PS und 93 Nm in der für das Alpen-Masters konfigurierten Variante exakt 229 Kilogramm plus Fahrer auf den Gipfel befördern. Und das gelingt dem frisch überarbeiteten Reihentwin aus München mit erstaunlicher Leichtigkeit. Wie der Blick auf die Drehmomentkurven bestätigt, liegen schon ab Standgas 80 Nm an und sorgen für beachtliche Durchzugswerte am Berg. Beim Erklimmen des ersten Gipfels über den Umbrail-Pass kann der zweite Gang fast die ganze Zeit drinbleiben, nur bei den engsten Kehrtwendungen verlangt der BMW-Antrieb nach der ersten Fahrstufe. Die gut dosierbare Kupplung braucht man nur im äußersten Notfall, denn Lastwechsel vollzieht die BMW F 900 GS berechenbar und geschmeidig und der Quickshifter mit Blipperfunktion funktioniert tadellos. Bravo.
Auch die Ducati DesertX Rally kann in engen Kehren mit gutem Ansprechverhalten überzeugen, liegt in diesem Kapitel nur knapp hinter der BMW F 900 GS. Der 937-Kubik-V2 der Ducati zeigt sich im unteren Drehzahldrittel aber weniger kultiviert und generiert hier etwas weniger Schub. Das bedeutet aber keinesfalls, dass der Twin schwach auf der Brust wäre. Ab mittlerer Drehzahl feuert er die opulente Ducati mit Verve und kernigem Sound voran, und das macht besonders bei sportlicher Fahrweise richtig Spaß. Für den Durchzug am Berg ist diese Charakteristik aber nicht förderlich – Punkt für die BMW F 900 GS.
Handling der Reiseenduros
Doch am Stilfser Joch spielt neben dem Motor auch das Handling eine große Rolle. Vorweg: Die beiden Mid-Adventure-Bikes sind in diesem Kapitel mit einem Handicap angereist: Ab Werk gibt’s die Ducati DesertX Rally nur mit grober Pirelli Scorpion Rally STR-Bereifung. Anders bei der BMW F 900 GS, doch um Chancengleichheit zu gewährleisten, orderten wir sie mit der (sogar noch gröberen) Offroad-Bereifung in Gestalt von Metzelers Karoo 4. Diese 50/50-Pneus stellen nicht nur die Elektronik der BMW F 900 GS, besonders bei den Bremsmessungen, vor eine Herausforderung, sondern rollen auf Asphalt auch eher hölzern.
Umso erstaunlicher, wie es der F 900 GS gelingt, diesen Nachteil zu kaschieren. Sehr berechenbar lässt sie sich in Kehren auf der Stelle wenden und auch um weitere Bögen dirigieren. Bergauf geschmeidiger als bergab, denn je mehr Druck die Stollen bekommen, desto schwammiger das Fahrgefühl. Locker aus der Hüfte wedelt die BMW F 900 GS behände den Umbrail-Pass hinauf, und weil das Stilfser Joch zu diesem Zeitpunkt noch geschlossen ist, auch kurz darauf wieder hinab.
Ducati DesertX Rally 8 kg schwerer als BMW F 900 GS
Dicht gefolgt von der Ducati DesertX Rally, deren bloße Ausmaße in Kombination mit der noch etwas höheren Sitzbank kleineren Fahrern in engen Kehren Respekt einflößen. Die 8 Kilogramm schwerere Reiseenduro erreicht besonders hier nicht die Handlichkeit der BMW F 900 GS, überzeugt dafür mit ausgesprochen neutralem Fahrverhalten und dank der etwas straßenorientierteren Bereifung auch dem besseren Feedback.
Das Kayaba-Fahrwerk der Ducati DesertX Rally ist touristisch soft abgestimmt und lässt sich von den zahlreichen Schlaglöchern und Asphaltrissen nicht in Verlegenheit bringen. Beim Bremsen bergab mit voller Beladung taucht die Gabel aber tiefer ab als die ebenfalls komfortable BMW-Forke. Auf dem Weg ins Tal bringt die Ducati deshalb etwas mehr Druck auf die Handgelenke.
Brems-Performance der Reiseenduros
Die Bremsanlagen der beiden Mid-Adventure-Bikes schenken sich derweil nichts. Vom Gipfel bis ins Tal bleiben die Druckpunkte in den Handhebeln stabil, zur Dosierung der Verzögerung stellt die Ducati DesertX Rally einen Hauch mehr Hebelweg zur Verfügung. Spätes Bremsen meidet man hier wie dort eher wegen der dann früh wimmernden Reifen.
Sozius-Komfort und Reichweite
Und zu zweit? Kein Problem. Auf der Ducati DesertX Rally sitzt der Sozius etwas komfortabler und findet an den optionalen Kofferträgern angenehme Haltepunkte vor. Das kürzere BMW-Soziuspolster kann hier nicht ganz mithalten, dafür hält ihr Federbein etwas größere Reserven für den Zweipersonenbetrieb bereit.
Insgesamt sichert sich die BMW F 900 GS fahrdynamisch trotz der groben Pneus einen kleinen Vorteil gegenüber der Ducati DesertX Rally. Doch die hat noch ein Ass im Ärmel: 21 Liter fasst ihr Tank, wodurch sich die Reichweite trotz des höheren Verbrauchs auf über 400 Kilometer summiert. 6 Punkte holt die DesertX dank ihrer Reichweite auf die BMW F 900 GS auf, die mit ihrem 14,5-Liter-Tank gut 300 Kilometer Reichweite bereitstellt.
Doch zum Sieg reicht das der Ducati DesertX Rally nicht. Die geschmeidigere und flinkere BMW F 900 GS gewinnt den Test in den Alpen.
BMW F 900 GS
Fahrwerk bietet einen breiten Einstellbereich
Neutral und handlich
Top Fahrassistenten
Gutes Bremsverhalten
Soziuskomfort mäßig
Grobe Erstbereifung am Testbike (optional)
Reichweite vergleichsweise gering
Ducati DesertX Rally
Komfortables Fahrwerk mit großen Reserven
Stabiles Handling
Top Fahrassistenten
Starke Bremsanlage
Extreme Reichweite
Opulente Ausmaße
Front taucht beim Bremsen bergab tief ein
BMW F 900 GS (2024) | Ducati DesertX Rally (2024) | |
Motor | 2, Reihenmotor | 2, V-Motor |
Leistung | 77,0 kW / 104,0 PS bei 8.500 U/min | 81,0 kW / 110,0 PS bei 9.250 U/min |
Hubraum | 895 cm³ | 937 cm³ |
Sitzhöhe | 870 mm | 910 mm |
Grundpreis | 13.750 € | 21.590 € |