Kühl war es im Allgäu, trotz Frühlings und frischen Laubs an den Bäumen. Nun, zwei Pässe, drei Cappuccino und unzählige Autos sowie Wohnmobile später ist das Leben ein anderes. Die Sonne wärmer, die Vegetation bunter, der Takt gelassener. Willkommen in Italien, nach einem langen Winter. Sie ist immer wieder etwas Besonderes, die erste große Tour des Jahres. Es ist, als würden unsere fünf Reiseenduros selbst merken, dass A7 und Fernpass, Brenner und Mautstellen bloß Etappe, lästige Pflicht waren. Nun kommt die Kür. Runter von der Bahn, rein ins Vergnügen.
Mit einem bunten Feld, Maschinen aus Deutschland, Italien, Japan und Österreich. Drei kardanbewehrte 1200er bringen BMW, Moto Guzzi und Yamaha voran. Wobei R 1200 GS und Stelvio 1200 NTX klassisch auf Luftkühlung setzen, die XT 1200 Z Super Ténéré Wasserkühlung bevorzugt. So wie die kettengetriebenen 1000er von Honda und KTM. Rege Vielfalt herrscht bei den Zweizylindern: Boxer (BMW), Reihenmotor (Yamaha), 75-Grad-V2 quer (KTM) und zwei 90-Grad-V-Zwos - einmal längs (Guzzi), einmal quer eingebaut (Honda).
Löblich: ABS ist serienmäßig, nur BMW verlangt dafür Aufpreis. GS und Varadero rollen auf Gussrädern, als gelte ihnen Gelände als Graus. Beide tragen Kunststoffkoffer, die BMW immerhin mit metallverstärkten Deckeln. Dagegen setzt die Speichenradfraktion, gebildet aus Guzzi, KTM und Yamaha, komplett auf schmale Alu-Boxen fürs Survival-Kit. Die schlucken keinen Helm, verströmen aber mehr Abenteuer-Nimbus. Darum gehts doch, Motorräder zu haben, die Unbezwingbarkeit vermitteln, die alles mitmachen, auch wenns knüppeldick kommt. Man könnte, wenn man wollte. Und legal dürfte, Stichwort Naturschutz.
Kurs Richtung Torbole. Das Quintett schraubt sich durch Kehren mit Betonanliegern bergab. Bis der Blick frei wird auf den Gardasee. Still und ruhig, fjordartig zwischen Bergketten liegt er da. Eine riesige Leinwand aus Wasser, der größte See Italiens. Auf einem Parkplatz halten wir an, atmen tief durch. Die fünf Twins verstummen. Pamela parkt die blau-silberne, erst vor einem Jahr präsentierte Super Ténéré. Sie ist ein Frontalangriff auf den langjährigen Zulassungskönig BMW R 1200 GS. Ihn pilotiert Georg heute.
Was ist eigentlich mit der Ducati Multistrada oder der Triumph Tiger 1050? Die blieben wegen ihrer 17-Zoll-Vorderräder zu Hause. Zu sehr Funbike, zu wenig Enduro. Stattdessen gibt Gerry der KTM 990 Adventure die Sporen. Kantig, orange, rallye-erprobt, die Hard-Enduro. Heimspiel hat das brandneue 2011er-Modell der Moto Guzzi Stelvio 1200, die einzige Neuheit dieser Klasse, gefahren von Gabriel in der Fernreiseversion NTX. Sie trägt vielversprechende Vollausstattung: ABS, Traktionskontrolle, Motorschutzbügel, Handprotektoren und Zusatzscheinwerfer. Plus Alu-Motorschutz, Windabweiser an der Verkleidung und Alu-Koffer am Heck. Alles serienmäßig.

Ebenfalls aus Italien, dem Honda-Werk in Atessa, stammt die Varadero 1000, auf der es sich der Autor gemütlich gemacht hat. Zum 50-jährigen Jubiläum von Honda in Deutschland als "50 Jahre Edition." Bei ihr sind ohne Aufpreis lackierte 35-Liter-Koffer mit Deckelprotektoren, 45-Liter-Topcase mit Rückenpolster, Heizgriffe, Tankpad und ein "Servicepaket" an Bord. Dazu zählen eine 50-monatige Mobilitätsgarantie (als ob eine Honda schon mal kaputtginge) und 26 Monate Extragarantie nach Ablauf der ersten zwei Jahre. Plus fünf Inspektionsgutscheine à 50 Euro. Ein attraktives Angebot. Dadurch bleibt die Honda zum Preis von 12260 Euro zwischen 2000 und rund 4500 Euro unter den voll ausgestatteten Mitbewerbern.
Zugaben hin oder her, Modellpflege bräuchte sie trotzdem. In ihren Grundzügen stammt die Varadero noch von 1999. Dieses Alter merkt man ihr deutlich an. 303 Kilogramm in vollem Ornat sind eine Menge Hüftgold. Jenseits von Tempo 130 auf deutschen Autobahnen pendelt die Varadero mit Topcase. Daher wohl der Warnhinweis, dieses Tempo auf dem V2-Endurotourer als Limit zu sehen. Die BMW als schnellste im Bunde läuft selbst Tacho 220 mit Topcase wie am Schnürchen und wiegt mit Koffern nur 257 Kilogramm. Da bliebe Honda viel Spielraum für eine Diät und Fahrwerkskur.
Einzig die BMW-Scheibe lässt sich in Höhe und Neigung verstellen. Und zwar ohne Werkzeug. Eine Tugend, die sich auch Guzzi fürs neue, gut abschirmende Windschild zu eigen gemacht hat. Griffige Schraubknebel hier wie dort machens möglich. Bei der Honda und Yamaha muss zur Höhenverstellung das Bordwerkzeug ran. Lästig. Und die KTM-Scheibe kann man erst gar nicht verstellen. Ready to race? Zunächst mal fertig für die Nacht. Auf uns wartet das feine Parc Hotel Flora (www.parchotelflora.it) im klangvollen Riva del Garda: mit Tiefgarage, tollem Saunabereich und üppigem Frühstück am nächsten Morgen Riva del Garda macht vergangene Epochen von venezianischem Einfluss bis zur k.-und-k.-Zeit lebendig, pittoreske Häuser verströmen mondänes Flair. Schroff und steil überragen hohe Felsen den Ort, kieferngedeckt und schneegekrönt. Die Wellen des Gardasees streicheln als südländischer Hauch des Mittelmeers die Füße des Hochgebirges. Mediterrane Flora trifft auf alpines Ambiente. Auf azurblauem, kristallklarem Wasser tanzen weiße Segelboote. Wir satteln am strahlend blauen neuen Tag die Maschinen, wollen hoch hinaus, nämlich unsere Gebirge von Motorrädern erklimmen. Alle fünf können wenig Geübte oder kleine Fahrer(innen) einschüchtern.
Guzzi und Honda tun dies durch schiere Masse, die KTM eher durch ihre respektable Höhe und die Tatsache, dass man, einmal aufgestiegen, das eigene Vorderrad nicht sehen kann. Bei BMW und Yamaha irritieren zunächst deren ausladende Vorbauten. Schließlich trägt die Super-Tätärä ihren Wasserkühler links vom 23-Liter-Tank. Viel Kraft braucht es, die besonders schräg auf ihrem kurzen Seitenständerchen stehende Varadero in die Senkrechte zu hieven. Besonders schwer fühlt sie sich an, lässt sich nur bandscheibenmordend auf den Hauptständer wuchten. Dann muss man überall noch das rechte Bein an den wuchtigen Koffern vorbeischwingen. Eine knifflige Übung, erst recht, wenn noch eine Gepäckrolle auf dem Soziussitz verschnürt ist.

Bald kristallisiert sich heraus, welche Konzepte sehr benutzerfreundlich sind: vor allem die breitschultrige BMW und die Yamaha. Die Sitzbank der Super Ténéré offeriert, umständlich per separatem Halterahmen tief gestellt, die niedrigste Sitzhöhe: "nur" 845 Millimeter. Kaum höher ist die GS, mit einfacherem Verstellmechanismus. Auf beiden erreicht man dank guten Zuschnitts am leichtesten den rettenden Erdboden. Allerdings hockt man auf der Japanerin schon sehr "im" Motorrad, etwas passiv hiner dem hohen Lenker.
Trotz des höchsten Sitzes erfordert die schmaler zugeschnittene, auf Dauer nicht so komfortable KTM-Bank kaum längere Beine als die anderen. Auf den Boliden von Honda und Guzzi setzt nicht die Schrittbogenlänge der Schenkel das Limit. Sondern die Schere im Kopf, wegen hoher Schwerpunkte. Bei der Stelvio schwappen bis zu 32 Liter Sprit im Tank, dessen Flanken bis vor die Zylinder ausgezogen sind. Die fehlende Restreichweitenanzeige verschenkt einen Teil der riesigen Reichweite: Die Reserveleuchte blinkt früh, grob zeigt die Benzinuhr an.
Beim Druck aufs Knöpfchen schüttelt sich der Guzzi-V2 einmal kräftig, erwacht mit herzerweichendem Bellen. Bassig tönt der überarbeitete Auspuff, fröhlich, fast aufdringlich tickern je vier Ventile in den beiden exponierten Zylinderköpfen. Ah, che musica. Unnachahmlich. Dies gilt freilich auch für die Wärmeabstrahlung an die Knie des Fahrers. Bei Kälte am Pass hochwillkommen, aber im Sommer?
Beim Dreh am Gasgriff im Stand neigt sich der sanfte Riese aus der Mittellage erst nach rechts, dann nach links - Folge der längs liegenden Kurbelwelle. Herrlich. Weich, doch nachdrücklich setzt der Motor die Sechs-Zentner-Fuhre in Fahrt. Für 2011 gabs neben einem größeren Ölkühler ein geändertes Mapping, neue Nockenwellen und Ventile. Bleibt die eine bange Frage beim Test einer jeden neuen Guzzi: Ist das Drehmomentloch jetzt wegoperiert oder nicht? "Weggezaubert" triffts ganz gut. Denn die Leistungskurve unter Volllast zeigt immer noch einen kleinen Einbruch zwischen 3000 und 4000 Touren.
Dass diese Verschnaufpause im Fahrbetrieb kaum mehr spürbar ist, hat Gründe. Erstens bleibt das Drehmoment der Guzzi selbst im Löchlein immer noch über dem von Honda und KTM. Zweitens schickt die Stelvio durch ihre recht kurze Gesamtübersetzung bis 85 km/h und ab 120 km/h im sechsten Gang nach der GS am meisten Leistung ans Hinterrad. So zieht sie trotz fast 300 Kilo Kampfgewicht nach der BMW am flottesten durch. Die Überarbeitung zeigt Wirkung. Ein Seelenschmeichler mit Erlebnisfaktor; das stets spürbare Pulsieren ist von tieffrequenter und daher angenehmerer Art. Lang fallen die Schaltwege aus, doch die Gänge rasten allzeit exakt. Allein die stramme Kupplung mindert das Komfortangebot des Italo-Tourers.

Das kann das Kult-Krad GS besser; seine ebenfalls trocken laufende Kupplung lässt sich butterweich ausrücken. Und die gegenläufig zur Kurbelwelle rotierende Ausgleichswelle wirkt dem Rückdrehmoment entgegen. Da kippt nix. Bärig schiebt der Boxer aus den Drehzahltiefen an, kombiniert beste Beschleunigung mit flottestem Durchzug. Und verfeuert trotz des souveränen Drucks am wenigsten Benzin, fünf Liter je 100 Landstraßenkilometer. Gut so angesichts des "kleinen" 20-Liter-Tanks. Ganz klar: Der Boxer mit den doppelten obenliegenden Nockenwellen ist der beste, spritzigste Antrieb, den es in der gut 30-jährigen GS-Geschichte je gegeben hat. BMW hat seine Hausaufgaben gemacht.
Dies gilt sogar für den Sound: Der seit 2010 mit einer elektronisch geregelten Auspuffklappe bestückte Edelstahl-Endschalldämpfer klingt richtig kernig, tönt satt. Zarten Fahrernaturellen schon zu laut. Dazu grummelt die GS im Schiebebetrieb. Okay, der bullige Boxer teilt in der zweiten Drehzahlhälfte durchaus derbe Vibrationen aus. Aber sonst kann man ihm wenig vorwerfen.
Megatest: Reiseenduros 2011 - Fortsetzung





Das Asphaltband wird gewundener, kurviger, anspruchsvoller. Nicht ohne Grund kommen uns auf der Straße von Rovereto Richtung Vicenza so viele Motorradfahrer entgegen, darunter viele GS-Fahrer. Sie fährt einfach klasse, die BMW. Obwohl der Telelever auf kleinste Störeinflüsse eher stuckrig anspricht, die Kardan-Einarmschwinge über kurz aufeinanderfolgenden Querfugen etwas rumpelt. Dafür glänzt ESA, das optionale elektronisch einstellbare Fahrwerk mit kinderleichter Anpassung an Zuladung und Straßenbeschaffenheit.

Bergauf aus den Kehren hat ausgerechnet der Hubraumkönig Yamaha etwas wenig Bumms von unten. Der zweite und dritte Gang sind zugestopft, übermotiviert gedrosselt. Die Leistung erreicht nie die Werte der Gänge vier bis sechs. Warum bloß, wenn doch eine Traktionskontrolle verbaut ist? Maximal drückt die 1200er nur 100 statt der versprochenen 110 PS. Ein wenig fade. Und schade. Man muss für eine 1200er zu oft im hakeligen Getriebe rühren. Auch die Drehfreude fällt eher verhalten aus. Der Twin wirkt selbst im Sportmodus wenig spritzig. Ein Gewicht von 278 Kilogramm mit Koffern ist da auch keine Hilfe.
Besser setzt sich das Chassis der Yamaha in Szene. Sie bleibt in Schräglage unerschütterlich neutral auf Kurs wie ein Schweizer Diplomat. Ihre Federelemente arbeiten extrem komfortabel und schluckfreudig. Vor allem die voll einstellbare Upside-down-Gabel spricht toll an. Gerry hat das Federbein voll vorgespannt. Schön gering fallen die Lastwechselreaktionen des Kardans aus. Und das im Gegensatz zu Guzzi und BMW als Zweiarmschwinge ohne Momentabstützung. So lässt sich die gutmütige, wenig feurige Super Ténéré sehr einfach dirigieren. Und bietet auf den Metzeler Tourance EXP allzeit genügend Grip. Wie die BMW.
Im Kehrenkarussell läuft die Stelvio zur Hochform auf. "Moto Guzzi hat sich auf seine alten Tugenden besonnen", sagt Georg begeistert, "nämlich gute Fahrwerke zu bauen." Stimmt. Präzise, handlich und neutral umrundet der Gigant namens NTX Kurven jeglicher Radien. Er setzt eins zu eins um, was der Fahrer will, ohne zu über- oder untersteuern. Herrlich berechenbar und mit toller Balance. Selbst in schnellen Wechselkurven fallen die 600 Pfund kaum ins Gewicht. Die Guzzi steigert die Lebensfreude. Respekt. Neue Federn vorn und hinten machen sich offenbar bezahlt. Gut haften die Pirelli Scorpion Trail. Mille grazie.
Es geht rauf auf den Berg Pasubio, der sich mit einem grünen Pelz überzogen hat. Im ersten Weltkrieg war er Schauplatz blutiger Schlachten zwischen Italienern und Österreichern. Zum Glück ist Europa heute anders. Am Passo Fittanze, auf losem Schotter, schlägt die große Stunde der Austro-Enduro. Offroad fährt die KTM, als einzige mit 21-Zoll-Vorderrad, wie entfesselt, in einer eigenen Liga. Schluckt Schlaglöcher mit den langhubigsten Federelementen des Vergleichs, absorbiert Waschbrettpisten spielerisch. Wo ein Wille ist, braucht es keinen Weg. Auch nach acht Jahren Bauzeit, 2003 noch als vergaserbestückte 950er, immer noch berauschend. Die Gelände-Gene der Mattighofener schlagen voll durch. Von Profis durchdacht konstruiert und wertig verarbeitet. Die 990er bietet und sucht das, was draufsteht: Adventure, Abenteuer. Sie fühlt sich noch leichter an, als ihre real fünf Zentner (Koffer inklusive) vermuten lassen.
Doch es braucht aktive Fahrer, um das volle Potenzial dieses fordernden wie faszinierenden Spiel- und Feuerzeugs zu entfalten. Rumschnuffeln liegt ihm nicht. Das gilt auch auf Asphalt. Unterhalb von 5000 Touren reißt der drehfreudige, ultrakurzhubige V2 eher verhalten an. Die Drehzahlmesserskala beginnt erst bei 2000/min, der Motor hackt im sechsten Gang unterhalb von 3000 Touren noch. Er braucht Drehzahl für sein Fortissimo, belohnt Runterschalten: ungestüm und wild. So hält der Fahrer den V2 und dieser dann den Fahrer bei Laune. Glücklicherweise kündigen die Pirelli Scorpion mögliche Rutscher frühzeitig an.
Das pure Gegenteil verkörpert die andere 1000er, die Honda Varadero. In der Ruhe liegt die Kraft. Wir sind zum Lago dIseo umgezogen, haben das herrliche Hotel Panoramico (www.panoramicohotel.com) in Fonteno bezogen, das seinem Namen alle Ehre macht. Während sich am Westufer des Gardasees, der Gardesana occidentale, die Osterurlauber stauen, herrscht hier himmlische Ruhe, siehe Aufmacherfoto. Vielleicht deshalb, weil der tolle Pass Croce Domini zwischen den beiden Gewässern im April noch wegen Schnees unpassierbar ist. Wir fahren trotzdem so weit wie möglich rauf, genießen fantastische Ausblicke.
Der Iseosee ist ein Traum, mit verwunschenen Inseln darin. Die alte Uferstraße von Castro nach Lovere ist spektakulär zwischen Fels und Wasser eingezwängt. Touring! Da ist die Honda mit ihren bequemen Sitzen voll in ihrem Element, trotz etwas passiver Sitzhaltung. Ihr 94 PS starker V2 aus dem Sportler VTR 1000 F präsentiert sich gut abgestimmt. Auf Seereise ist das etwas phlegmatische Fahrverhalten der Varadero zweitrangig. Sie bevorzugt eher weite Bögen, was sich mit voll vorgespanntem Federbein etwas mildert. Nicht einstellbar ist die konventionelle Gabel. In Kehren klappts ab einer gewissen Neigung unangenehm von allein weiter ab als erwünscht. Was stetig Korrekturen erfordert.
Nicht gerade handlingfördernd wirkt der schmalste Lenker des Quintetts. Seine Lagerung in besonders weichen Gummi-elementen verwässert die Lenkpräzision. Bei flotter Fahrt ist die Varadero anstrengender zu fahren als die vier anderen Maschinen. Sie gibt eher den sanften Riesen. Schärfe, Wildheit, Purismus, all das fehlt dem Rubens-Tourer. Das zeigt bereits ihr komplexes Verbundbremssystem. Auf losem Untergrund ist es eher hinderlich, dass man vorn und hinten nicht trennen kann.

Auf besonders hohem Niveau ankern stattdessen die drei 1200er, knackig dosierbar und sehr wirkungsvoll. Mag der Telelever an der GS-Front die Rückmeldung ein wenig indifferent ausfallen lassen, der Bremsnickausgleich ist beim heftigen Ankern klasse. Das Handling der seit 2004 kontinuierlich verbesserten BMW ist das Beste des Felds.
Je näher wir nach Mandello del Lario am Comer See kommen, desto öfter wummern großvolumige V-Zwos vorbei. Guzzi-Land. Ebenso wie das ABS lässt auch die Traktionskontrolle der Stelvio mehr Schlupf zu als diejenigen von BMW und Yamaha. Nicht schlimm. Die Fabrik unter Denkmalschutz produziert wieder richtig gute Motorräder. Weiter zieht unsere Karawane. Von Chiavenna in der Lombardei zum ebenfalls in Höhenlagen noch gesperrten Splügenpass. Maloja- und Julierpass tragen das Enduroquintett nach Norden, in die Schweiz. "Kein Schträss" prangt auf Tafeln der Verkehrswacht in Liechtenstein. I wo!
Am Ende dieser seenswerten Reise erweisen sich alle fünf als gute Reisemaschinen. In der Summe ihrer Eigenschaften liegen die drei 1200er vorn: BMW vor Yamaha und Moto Guzzi. In puncto Fahrspaß schiebt sich die überarbeitete Stelvio sogar noch vor die Super Ténéré. Kompliment, das neueste Modell aus Mandello del Lario ist richtig gut geworden. Ideell kommt der härteste GS-Konkurrent nun aus Italien. Daumen hoch für die Guzzi! Auf ganz andere Art macht die radikale, geländegängige KTM richtig Laune. Aber sie ist auch ziemlich kompromisslos. Ein Fall für Fans, für Kenner und Könner. Wer stets auf Asphalt bleibt, kann eher die leichtere, knackiger abgestimmte SM T ins Kalkül ziehen. Zusammen mit der heißspornigen 990er-Adventure belegt die Honda Varadero 1000 das untere Ende der Wertungs-tabelle. Sie ist ein recht gutmütiger, aber pummeliger Endurotourer. Letztlich hat jedes Konzept seinen ganz eigenen Reiz: KTM fahren macht an, die Honda entspannt, die Yamaha macht zufrieden und die Guzzi glücklich. Richtig beschwingt macht die BMW, weil sie jede Situation meistert.
Nach Jahren stetiger Verbesserung ist die BMW R 1200 GS immer noch das Ur-Meter ihrer Klasse: das teuerste, aber auch das souveränste Motorrad. Deswegen zieht die GS verdient ins Finale gegen den Sieger der "Kleinen", die Triumph Tiger 800 XC.
Punktewertung und Testergebins

MOTOR
Die BMW brilliert. Auch wenn Reiseenduros sich wenig über Fahrleistungen definieren, die GS dominiert die dynamische Disziplin deutlich: Höchste Vmax, beste Beschleunigung, bärigster Durchzug im sechsten Gang. Spannend ist, wer die zweiten Plätze belegt: beim Sprint aus dem Stand die KTM als leichteste des Felds. Am wenigsten rasant beschleunigt die Sechs-Zentner-Stelvio. Dafür glänzt die Guzzi beim wichtigen Durchzug, während die gleich schwere Honda hier patzt. Herrlich exakt lassen sich die Gänge des KTM-Getriebes reinklicken, weniger löblich vibriert der Austria-V2 derbe. Am wenigsten rappeln die beiden japanischen Zweizylinder; an der Guzzi braucht die Kupplung einen starken Unterarm.
Sieger Motor: BMW
FAHRWERK
Das Führungstrio bilden BMW, Yamaha und KTM. Die GS ist mit Abstand die handlichste Maschine des Quintetts. Dazu bleibt sie in Schräglage und auf der Autobahn beinahe unerschütterlich stabil. Beides gilt auch für die XT 1200 Z, Kurven umrundet die Japanerin gar noch einen Tick gelassener als die Deutsche. Dagegen bietet die hochbeinige KTM unauslotbare Schräglagenfreiheit und durch ihre langhubigsten Federelemente naturgemäß auch große Reserven. Deutlich in die Jahre ist das Varadero-Fahrwerk gekommen; es stammt in seinen Grundzügen von 1999: wenig stabil und lenkpräzise. Immerhin ist die Varadero sehr komfortabel. Richtig toll fährt die Guzzi, wenn auch ohne Superlative in diesem hochkarätigen Feld.
Sieger Fahrwerk: BMW
ALLTAG
Die große Stunde der Guzzi! Im Sitzkomfort ist sie auf Augenhöhe mit BMW, Honda und Yamaha. Beim Windschutz führt die Stelvio NTX dank ihrer großen Scheibe zusammen mit der GS das Feld an. Hinzu kommen die umfangreichste Serienausstattung, Alu-Koffer inklusive, und Traum-reichweite durchs riesige 32-Liter-Spritfass. Super. Einzig die Zuladung der Guzzi ist gering, bloß 185 Kilogramm. Mit Koffern sind es nur 174. Kaum mehr Kilos sattelt der Toptourer Varadero, glänzt aber mit dem besten Licht. Nur die sehr alltagsstarke Yamaha lädt knapp über 200 Kilogramm zu. Die BMW bietet pflegeleichten Kardan, leichtes Aufbocken und nach der eher alltagsschwachen KTM das geringste Gewicht. Fein.
Sieger Alltag: Moto Guzzi
SICHERHEIT
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Yamaha, BMW und Moto Guzzi. Alle drei bremsen vehement. Besonders gut lassen sich die Stopper der japanischen und italienischen 1200er dosieren. Dafür steckt die GS Dauer- und Mehrbelastung durch einen Sozius besser weg. Am wenigsten stellt sich beim Bremsen in Schräglage die schmal bereifte KTM auf. Und sie hat endurogemäß die größte Bodenfreiheit, der Varadero-Tourer die kleinste.
Sieger Sicherheit: Yamaha
KOSTEN
Das Varadero-Sondermodell gewährt 50 Monate Mobilitätsgarantie, BMW und KTM deren 24. Bei den Inspektionskosten kommen die drei Kardan-1200er viel günstiger als die beiden kettengetriebenen 1000er.
Sieger Kosten: Honda
Max. Puntzahl | BMW | Honda | KTM | Moto Guzzi | Yamaha | Gesamtwertung | 1000 | 709 | 646 | 628 | 672 | 688 | Platzierung | 1. | 4. | 5. | 3. | 2. |
Preis-Leistungs-Note | 1,0 | 2,1 | 2,5 | 2,8 | 2,8 | 2,0 |
Preis-Leistung
Im Gegensatz zur beutelschneiderischen Preispolitik à la BMW tragen alle anderen ABS serienmäßig, die Yamaha sammelt eifrig Punkte.
Sieger Preis-Leistung: Yamaha
TESTERGEBNIS
1. BMW R 1200 GS
Diese Kombination ist kaum zu schlagen: antrittsstärkster, kräftigster Motor, souveränstes Fahrwerk, pfiffig konstruierte Details. Allerdings ist der Preis happig.
2. Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré
Ihr unbeirrbares Fahrwerk trifft auf guten Langstreckenkomfort und die knackigsten Bremsen des Vergleichs. Doch ihr Gewicht dürfte kleiner, der Motor spritziger sein.
3. Moto Guzzi Stelvio 1200 NTX
Sie ist die große Überraschung dieses Vergleichstests. Die Überarbeitung hat der Guzzi richtig gutgetan. Trotz 300 Kilogramm fährt sie wunderbar, vermittelt viel Wonne.
4. Honda Varadero 1000
Der sechs Zentner schwere V2-Brummer verwöhnt mit seinem tollen Langstreckenkomfort. Doch das zwölf Jahre alte Grundkonzept bräuchte dringend ein Fahrwerks-Update.
5. KTM 990 Adventure
Ganz klar die einzig echte Enduro dieses Vergleichs, auch wenn sie nicht so viel leichter ist als die BMW. Die neuen Alu-Koffer unterstreichen den robusten Anspruch der KTM.
Technische Daten

BMW R 1200 GS
Motor | Motor | Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor |
Einspritzung | Ø 50 mm | Kupplung | Einscheiben-Trockenkupplung |
Bohrung x Hub | 101,0 x 73,0 mm | Hubraum | 1170 cm3 |
Verdichtung | 12,0:1 | Leistung | 81,0 kW (110 PS) bei 7750/min |
Drehmoment | 120 Nm bei 6000/min | Fahrwerk | |
Rahmen | Tragender Motor-Getriebe-Verbund | Gabel | längslenkergeführte Telegabel, Ø 41 mm |
Bremsen v./h. | Ø 305 mm/Ø 265 mm | Assistenzsysteme | ABS, ASC |
Räder | 2.50 x 19; 4.00 x 17 | Reifen | 110/80 R 19; 150/70 R 17 |
Bereifung | Metzler Tourance EXP | Maße und Gewichte | |
Radstand | 1507 mm | Lenkkopfwinkel | 64,3 Grad |
Nachlauf | 101 mm | Federweg v./h. | 190/200 mm |
Sitzhöhe ** | 855/875 mm | Gewicht vollgetankt ** | 246 kg |
Zuladung ** | 194 kg | Tankinhalt/Reserve | 20,0/4,0 Liter |
Serviceintervalle | 10 000 km | Preis | 13 150 Euro |
Preis Testmotorrad | 16 455 Euro2 | Nebenkosten | zirka 269 Euro | MOTORRAD-Messwerte | | Höchstgeschwindigkeit* | 215 km/h |
Beschleunigung | | 0–100 km/h | 3,7 sek |
0–140 km/h | 6,1 sek | 0–200 km/h | 16,3 sek |
Durchzug | | 60–100 km/h | 3,8 sek |
100–140 km/h | 4,0 sek | 140–180 km/h | 5,4 sek |
Verbrauch Landstraße | 5,0 Liter/Super | Reichweite Landstraße | 400 km |
Honda Varadero 1000 50 Jahre Edition
Motor | | Motor | Zweizylinder-90-Grad-V-Motor |
Einspritzung | Ø 42 mm | Kupplung | Mehrscheiben-Ölbadkupplung |
Bohrung x Hub | 98,0 x 66,0 mm | Hubraum | 996 cm3 |
Verdichtung | 9,8:1 | Leistung | 69,0 kW (94 PS) bei 7500/min |
Drehmoment | 98 Nm bei 6000/min | Fahrwerk | |
Rahmen | Brückenrahmen aus Stahl | Gabel | Telegabel, Ø 43 mm |
Bremsen v./h. | Ø 296 mm/Ø 256 mm | Assistenzsysteme | ABS-Verbundbremse |
Räder | 2.50 x 19; 4.00 x 17 | Reifen | 110/80 R 19; 150/70 R 17 |
Bereifung | Bridgestone Trial Wing 101/152 „E“ | Maße und Gewichte | |
Radstand | 1555 mm | Lenkkopfwinkel | 62,5 Grad |
Nachlauf | 110 mm | Federweg v./h. | 155/145 mm |
Sitzhöhe ** | 850 mm | Gewicht vollgetankt ** | 289 kg |
Zuladung ** | 188 kg | Tankinhalt/Reserve | 25,0/– Liter |
Serviceintervalle | 6000 km | Preis | 12090 Euro |
Preis Testmotorrad | 12090 Euro | Nebenkosten | zirka 170 Euro | MOTORRAD-Messwerte | | Höchstgeschwindigkeit* | 200 km/h |
Beschleunigung | | 0–100 km/h | 3,9 sek |
0–140 km/h | 7,0 sek | 0–200 km/h | – |
Durchzug | | 60–100 km/h | 5,2 sek |
100–140 km/h | 5,7 sek | 140–180 km/h | 7,8 sek |
Verbrauch Landstraße | 5,4 Liter/Normal | Reichweite Landstraße | 463 km |
KTM 990 Adenture
Motor | | Motor | Zweizylinder-Viertakt-75-Grad-V-Motor |
Einspritzung | Ø 48 mm | Kupplung | Mehrscheiben-Ölbadkupplung |
Bohrung x Hub | 101,0 x 62,4 mm | Hubraum | 1000 cm3 |
Verdichtung | 11,5:1 | Leistung | 78,0 kW (106 PS) bei 8250/min |
Drehmoment | 100 Nm bei 6750/min | Fahrwerk | |
Rahmen | Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend | Gabel | Upside-down-Gabel, Ø 48 mm |
Bremsen v./h. | Ø 300 mm/Ø 240 mm | Assistenzsysteme | ABS |
Räder | 2.15 x 21; 4.25 x 18 | Reifen | 90/90 R 21; 150/70 R 18 |
Bereifung | Pirelli Scorpion MT 90 | Maße und Gewichte | |
Radstand | 1570 mm | Lenkkopfwinkel | 63,4 Grad |
Nachlauf | 119 mm | Federweg v./h. | 210/210 mm |
Sitzhöhe ** | 870 mm | Gewicht vollgetankt ** | 238 kg |
Zuladung ** | 192 kg | Tankinhalt/Reserve | 19,5/4,0 Liter |
Serviceintervalle | 7500 km | Preis | 13495 Euro |
Preis Testmotorrad | 14526 Euro3 | Nebenkosten | zirka 250 Euro | MOTORRAD-Messwerte | | Höchstgeschwindigkeit* | 210 km/h |
Beschleunigung | | 0–100 km/h | 3,8 sek |
0–140 km/h | 6,4 sek | 0–200 km/h | 16,9 sek |
Durchzug | | 60–100 km/h | 4,9 sek |
100–140 km/h | 4,9 sek | 140–180 km/h | 5,9 sek |
Verbrauch Landstraße | 6,0 Liter/Super | Reichweite Landstraße | 325 km |
Moto Guzzi Stelvio 1200 NTX
Motor | | Motor | Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor |
Einspritzung | Ø 50 mm | Kupplung | Einscheiben-Trockenkupplung |
Bohrung x Hub | 95,0 x 81,2 mm | Hubraum | 1151 cm3 |
Verdichtung | 11:01 | Leistung | 77,0 kW (105 PS) bei 7250/min |
Drehmoment | 113 Nm bei 5800/min | Fahrwerk | |
Rahmen | Brückenrahmen aus Stahl | Gabel | Upside-down-Gabel, Ø 50 mm |
Bremsen v./h. | Ø 320 mm/Ø 282 mm | Assistenzsysteme | ABS |
Räder | 2.50 x 19; 4.25 x 17 | Reifen | 110/80 R 19; 150/70 R 17 |
Bereifung | Pirelli Scorpion Trail „H“ | Maße und Gewichte | |
Radstand | 1535 mm | Lenkkopfwinkel | 63,0 Grad |
Nachlauf | 125 mm | Federweg v./h. | 170/155 mm |
Sitzhöhe ** | 850/865 mm | Gewicht vollgetankt ** | 290 kg |
Zuladung ** | 185 kg | Tankinhalt/Reserve | 35,0/4,5 Liter |
Serviceintervalle | 10000 km | Preis | 15735 Euro |
Preis Testmotorrad | 15735 Euro | Nebenkosten | zirka 255 Euro | MOTORRAD-Messwerte | | Höchstgeschwindigkeit* | 220 km/h |
Beschleunigung | | 0–100 km/h | 4,0 sek |
0–140 km/h | 7,2 sek | 0–200 km/h | 18,8 sek |
Durchzug | | 60–100 km/h | 4,3 sek |
100–140 km/h | 5,0 sek | 140–180 km/h | 6,7 sek |
Verbrauch Landstraße | 5,7 Liter/Super | Reichweite Landstraße | 614 km |
Yamaha XT 1200 Z Super Ténéré
Motor | | Motor | Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor |
Einspritzung | Ø 46 mm | Kupplung | Mehrscheiben-Ölbadkupplung |
Bohrung x Hub | 98,0 x 79,5 mm | Hubraum | 1199 cm3 |
Verdichtung | 11,0:1 | Leistung | 80,9 kW (110 PS) bei 7250/min |
Drehmoment | 114 Nm bei 6000/min | Fahrwerk | |
Rahmen | Brückenrahmen aus Stahl | Gabel | Upside-down-Gabel, Ø 43 mm |
Bremsen v./h. | Ø 310 mm/ Ø 282 mm | Assistenzsysteme | ABS-Verbundbremse |
Räder | 2.50 x 19; 4.00 x 17 | Reifen | 110/80 R 19; 150/70 R 17 |
Bereifung | Metzeler Tourance EXP „C“ | Maße und Gewichte | |
Radstand | 1540 mm | Lenkkopfwinkel | 62,0 Grad |
Nachlauf | 125 mm | Federweg v./h. | 190/190 mm |
Sitzhöhe ** | 845/870 mm | Gewicht vollgetankt ** | 267 kg |
Zuladung ** | 203 kg | Tankinhalt/Reserve | 22,6/4,2 Liter |
Serviceintervalle | 10000 km | Preis | 13750 Euro |
Preis Testmotorrad | 14862 Euro4 | Nebenkosten | zirka 215 Euro | MOTORRAD-Messwerte | | Höchstgeschwindigkeit* | 210 km/h |
Beschleunigung | | 0–100 km/h | 3,7 sek |
0–140 km/h | 6,9 sek | 0–200 km/h | 22,6 sek |
Durchzug | | 60–100 km/h | 4,6 sek |
100–140 km/h | 5,1 sek | 140–180 km/h | 7,6 sek |
Verbrauch Landstraße | 5,2 Liter/Super | Reichweite Landstraße | 435 km |
*Herstellerangabe, **MOTORRAD-Messungen (Gewicht und Zuladung ohne Koffer ermittelt).
Finale: Triumph gegen BMW





Die BMW R 1200 GS als Sieger der Groß-Enduros darf gleich noch mal ran. Sie trifft auf die Triumph Tiger 800 XC, den Sieger der oberen Mittelklasse. Zwischen Süd- und Nordrand der Alpen messen sich Zweizylinder-Boxer und Reihen-Dreizylinder in vier Kriterien. Mit Showdown in Bayern, in Lindau am Bodensee. Ein gutes Omen für die BMW?
OFFROAD
Mit der großen GS geht im Gelände mehr, als man zunächst meinen mag. Dies gilt auch auf legal befahrbaren Schotterpassagen östlich des Gardasees. Gutmütig blubbert sich der Boxer dank kräftigem Drehmoment ab Standgas durch kniffligste Passagen. Feinfühlige Kontrolle ermöglicht der 81 Zentimeter breite Lenker auf trialartigen Passagen. Ihr Wendekreis ist kleiner als derjenige der Triumph. All das schafft Vertrauen. Positiv: In der unteren Stellung der Sitzbank fällt die Sitzhöhe niedriger aus (!) als auf der nur vermeintlich kleinen Tiger. Die früh eingreifend regelnde Traktionskontrolle der 1200er lässt sich per Knopfdruck deaktivieren.
Allein die großen Abmessungen der GS schüchtern Gelände-Unerfahrene ein. Hinzu kommt Angst um die Zylinder im Falle eines Falles. Oder die Sorge, mit den großen „Ohren“ hängenzubleiben. Immerhin ist das Rahmenheck im Gegensatz zu dem der Triumph geschraubt. Die R 1200 GS trägt optional das elektronisch einstellbare ESA-Fahrwerk mit Geländefunktion. Es bietet insgesamt 15 praxisgerechte Einstellmöglichkeiten. Vorn und hinten sind sowohl die Zugstufendämpfung als auch die Federbasis justierbar. Per Knöpfchen fährt die 1200er die Federwege voll hoch, auf 190 Millimeter vorn und 200 hinten.Dafür führt die Triumph Tiger 800 XC ein schmales 21-Zoll-Vorderrad ins Feld. Es führt auf losem Untergrund besser. Ihre Speichenräder sind ebenso klassisch wie praktisch. Sollte es mal derbe kommen, kann sie jeder Dorfschmied wieder richten. Da ist der 19-Zöller der BMW konzeptbedingt unterlegen. Und deren Gussfelgen mögen ja leichter sein, aber einmal kalt verformt kann man sie nur noch wegwerfen. Speichenräder kosten bei der GS Aufpreis. Gefühlt ist der Gewichtsunterschied zwischen den beiden größer, als es ganze sechs Kilogramm mit Koffern vermuten lassen. Im Gelände wiegt jedes Pfund doppelt. Beruhigend auf Schotter wirkt der sehr gleichmäßige Leistungseinsatz des Dreizylinders. Und wenn das Hinterrad doch quer kommt, reicht das Schließen der Drosselklappen, damit es sich wieder brav einsortiert.
MOTORRAD-Wertung Offroad:
1. Triumph Tiger 800 XC
Sie fühlt sich leichter an, als sie ist. Das schafft einfach Vertrauen.
2. BMW R 1200 GS
Die Kuh fährt offroad mit Bravour, ist für ihre Größe leicht beherrschbar.





Finale: Alltag

Alltag
Dank flacher Drehmomentkurve und weicher Gasannahme ist der recht laufruhige Triumph-Triple ein Garant für stressfreies Fahren. Egal bei welcher Drehzahl, der charismatische Dreizylinder zieht sauber, elastisch und gleichmäßig an. Da macht die serienmäßige Ganganzeige Sinn: In welchem Gang bin ich gerade? Überhaupt ist das Cockpit reich bestückt, mit Restreichweitenanzeige und sehr detailliert anzeigender Tankuhr. Nur das Umschalten der verschiedenen Info-ebenen des Bordcomputers mittels zweier Tasten ist verwirrend. Ideal für ein Navi am Lenker ist die Bordsteckdose links vom Zündschloss.
Auch sonst gibt sich die einfach zu fahrende 800er betont alltagstauglich. Etwa durch das gut schaltbare Getriebe. Oder den zweistufig höhenverstellbaren Fahrersitz, der auch 1,90-Meter-Leute gut unterbringt. Kleinere Piloten tun sich beim Ritt auf dem Tiger schwerer, der Knieschluss fällt ziemlich breit aus. Positiv sind die Doppelscheinwerfer, bei denen in jeder Funktion beide Leuchten brennen. Sie strahlen heller als die der 1200er-GS. Eloxiert ist die Alu-Schwinge, Kunststoffprotektoren schirmen die Tauchrohre der Upside-down-Gabel gut vor Schmutz ab. Ärgerlich dagegen: Das Federbein liegt schutzlos im Gischtbereich des Hinterrads. Pflegeintensiverals der Kardan der BMW fällt naturgemäß die X-Ring-Kette der Triumph aus.
Es ist eben schwierig, die extrem gutmütige GS, Siegerin im MOTORRAD Alpen-Masters 2010, im Alltagseinsatz zu toppen. Ihr Boxer hat mächtig Punch, den man auch wirklich auf die Straße bekommt. Kräftig ankern die Bremsen. Gut dosierbar und von einem feinfühligeren ABS geregelt, beißen ihre Stopper zu. Und die BMW-Federelemente bügeln noch mehr glatt als diejenigen der Triumph, bieten für Soziusbetrieb mehr Reserven. Das optionale Gelände-ESA passt die Fahrwerkseinstellung im Nu an Beladung und Oberflächenbeschaffenheit an.So leicht sich die GS dirigieren lässt, so mir nichts, dir nichts wendet sie, zur Not auf dem Handteller. Auch Aufbocken ist eine leichte Übung. Und das Foto oben täuscht: Beim Einparken tut sich der GS-Fahrer leichter, denn die BMW-Koffer sind selbst in ausgezogenem Zustand schmaler als die-jenigen der Triumph - 93 zu 100 Zentimeter. Gewöhnungsbedürftig: Die GS trägt immer noch die alten BMW-Armaturen mit den nervigen drei Blinkerschaltern.
Beide Maschinen bieten lang gestreckte 10 000er-Wartungsintervalle, eine Mobilitätsgarantie nur die BMW. Voll ausgestattet ist auch die Tiger kein Schnäppchen, reißt die 12 000-Euro-Marke: Sie hält noch Respektabstand zur voll ausgestatteten GS zu knapp 17000 Euro. Diese ist so etwas wie der VW Golf unter den Motorrädern. Zahllose Konkurrenten versuchen seit Jahrzehnten, den Platzhirsch zu bedrängen. Sie alle haben ihre Berechtigung, und doch ist der bayerisch-berlinerische Topseller in der Summe seiner Eigenschaften unerreicht.
MOTORRAD-Wertung Alltag:
1.BMW R 1200 GS
Zehntausende Besitzer können nicht irren: Eine GS macht alles mit.
2.Triumph Tiger 800 XC
Sie ist ein guter, vielseitiger Begleiter, doch weder leicht noch billig.
Finale: Fahrspaß

Fahrspaß
Nein, die Frage nach dem größeren Fahrspaß ist angesichts von fast 50 Prozent Hubraumvorteil für die GS nicht automatisch beantwortet. Denn auf der Suche nach dem ultimativen Fahrvergnügen hat in MOTORRAD 19/2009 schon die Triumph Street Triple R über die R 1200 GS triumphiert. Mit nur 675 cm³. Und auf deren Antrieb basiert ja der Tiger-Triple, mit mehr Hub, neuem Mapping und anderen Nockenwellen. Doch die drehmomentorientierte Abstimmung bei reduzierter Spitzenleistung von 95 PS hat dem Dreizylinder den Kick genommen. Er schiebt die Tiger nachdrücklich an. Nur im Bauch des Fahrers, da passiert weniger. Selbst der röhrend-fauchende Auspuffklang reißt es nicht raus.
Denn der neueste Boxer, mit obenliegen-den Nockenwellen, klingt nicht mehr nach Wäschetrockner. Sondern dumpf und sonor, fast laut. Dazu reißt er viel bulliger und rasanter an. Tja Freunde, jetzt ist es wohl so weit, eine BMW gewinnt eine Emotionswertung. Und zwar haushoch. Denn auch das Fahrwerk der Bayerischen macht mehr an. Beim Geradeauslauf kann die ebenfalls stabile Triumph zwar noch mithalten. Doch die GS zieht noch gelassener in Kurven ihre Bahn. Sie bleibt jederzeit neutral und ist viel handlicher, durch breiteren Lenker und quer zur Fahrtrichtung rotierende Kurbelwelle. Zumal sie mit Koffern kaum schwerer ist, 257 Kilogramm für das Kardankonzept entzaubern die 251 Kilogramm der Tiger mit fast 15 Kilogramm schweren Koffern. Intuitiv fährt die BMW, wie von allein. Als wenn sie die Strecke kennen würde. Dadurch macht sie den Kopf frei. Für erhabenen Landschaftsgenuss oder sportlichen Angriff. Zielgenauigkeit und Fahrspaß sind immens.
Dagegen sucht sich die störrischere Tiger lieber weite Radien, sie untersteuert. Sie braucht Nachdruck beim Einlenken, will mit energischer Hand am Lenker geführt werden. Wer von der 1200er auf die 800er umsteigt, fährt in der erstbesten Kurve fast geradeaus. Selbst auf Längsrinnen reagiert die schmaler bereifte Triumph mit ihrer völlig überdämpften Upside-down-Gabel empfindlicher. Da reißen es die größere Schräglagenfreiheit und die etwas aktivere Sitzposition auch nicht mehr raus. Selbst die knackigeren Bremsen der BMW passen ins Bild. Sie ist scharf geschliffen, ohne zu verletzen, rasant, aber nicht aggressiv.
Dank toller Balance sind völlig verschiedene Fahrernaturelle mit der BMW bestens bedient. Weniger Geübte genießen nach kurzer Gewöhnung den tollen Überblick und das relaxte Fahrerlebnis - gepaart mit diesem Gefühl der Unangreifbarkeit. Erfahrene Piloten wissen, dass es auf Bergsträßchen kaum Besseres gibt als diese BMW, um Supersportfahrer in den Wahnsinn zu treiben. Letztlich ist und bleibt die GS durch ihre spielerische Fahrbarkeit ein echtes Erlebnismotorrad. Und ein Gütesiegel für unerreichte Vielseitigkeit. Sorry Triumph, diese Messlatte liegt eine Etage zu hoch.
MOTORRAD-Wertung Fahrspaß:
1.BMW R 1200 GS
Irre: In keinem Kapitel dominiert die GS so deutlich wie in diesem.
2.Triumph Tiger 800 XC
Das störrische Einlenken und der Motor mit wenig Kick entzaubern.
Finale: Touring / Gesamtsieger

Touring
Keine leichte Aufgabe, die Mutter aller Reiseenduros ausgerechnet in ihrer Paradedisziplin schlagen zu wollen. Und so viel vorab: Dies gelingt der Tiger gegen die GS auch nicht. Denn auf der BMW sitzt es sich einen entscheidenden Tick aufrechter und entspannter, einfach lässiger. Nicht dass die leicht sportlichere Haltung auf der Triumph unbequem wäre, doch hier entscheiden Nuancen. Aber auch handfeste Argumente. Etwa die bärig-lässige Durchzugsstärke des Boxers, der jedoch „oben“ spürbar stärker vibriert. Dazu fährt die GS mit Sozius spürbar besser. Was dessen Sitzkomfort wie das Fahrverhalten meint. Auch die BMW-Bremsen sind besser an hohe Zuladung adaptiert als die ohnehin stumpfer wirkenden Triumph-Stopper - fette Vierkolben-Festsättel (GS) schlagen billige Doppelkolben-Schwimmsättel (Tiger).
Deutlich besser schirmt die höhere wie breitere BMW-Scheibe den Rumpf des Fahrers ab; noch dazu ist sie ohne Werkzeug verstellbar. Große Tiger-Dompteure werden viel mehr gebeutelt. Auch zum Verstellen des Federbeins - die Gabel ist nicht einstellbar - muss bei der Triumph Werkzeug ran. Etwas weiter kommt die GS mit einer Tankfüllung. Darf man kleinlich sein? Zwar lässt sich der Bordcomputer der BMW praktisch von der linken Lenkerarmatur aus bedienen. Doch wenn man die Uhr dauerhaft sehen will, muss man alle anderen Funktionen wegklicken. Bei der Tiger bleibt die Zeituhr stets an. Ihre Gepäckbrücke ist jedoch kleiner, die Gepäckbefestigung erfordert mehr Feingefühl. Das kann die GS besser. Ihre Koffer lassen sich per Innenbügel teleskopartig in der Breite ausziehen. Mit ihnen ergibt sich bei demontiertem Soziussitz eine ebene Ablage von über 90 Zentimetern Breite. In solch durchdachten Details zeigen sich 30 Jahre Erfahrung. Trotzdem ist die Tiger für eine Neukonstruktion richtig gut gelungen. Hut ab.
MOTORRAD-Wertung Touring:
1.BMW R 1200 GS
Der durchdachte Topseller macht auch als Tourer eine sehr gute Figur.
2.Triumph Tiger 800 XC
Mit etwas weniger Komfort und kleinerer Scheibe zweiter Sieger.
Gesamtsieger: BMW 1200 GS
Gut gebrüllt, bayerischer Löwe! Die GS ist einfach nicht zu schlagen. In der Summe ihrer Eigenschaften ist sie unerreicht, ihre Vielseitigkeit bereits Legende. Trotzdem hat die Triumph Tiger 800 XC großen Respekt verdient. Der Newcomer mit dem extrem elastischen Dreizylinder bietet Großes für gut zwei Drittel des Preises.