Fahrbericht: Honda CRF 450 R

Fahrbericht: Honda CRF 450 R Na endlich

Das Warten hat ein Ende. Viel später als erwartet legt sich Honda mit den Chefs des Viertakt-Segments im Offroad-Metier – Yamaha und KTM - an. Ein erster Fahrbericht der spektakulären CRF 450 R.

Man schreibt das Jahr 1997. Honda setzt mit dem Alubrückenrahmen für die CR 250 einen Meilenstein im Motocross-Fahrwerksbau. Zeitgleich revolutioniert Yamaha die Motorentechnik im Offroad-Milieu mit der viertaktenden, hochdrehenden Werksmaschine YZF 400. Die Szene kombiniert: Für die relativ hoch bauenden Viertaktmotoren passt das Honda-Rahmenkonzept perfekt. Ergo wird Honda bald einen Viertakt-Crosser auf den Markt bringen. Seitdem wartet die Szene.

Und sie wartet immer noch. Denn obwohl Honda die CRF 450 schon seit einer Saison in den US-Meisterschaften testet und die Serien-Version des Renners beim deutschen Motocross-GP in Gaildorf in natura präsentiert wurde, spannen die Honda-Bosse die Stollen-Szene auf die Folter. Zumindest hierzulande. Die Franzosen haben´s besser. Eine Proberitt auf dieser einzigen in Europa befindlichen CRF 450 R gelang Moto Crampons, dem gallischen Schwesterblatt von MOTORRAD.

Seitdem wartet die Szene auf die ersten Fahreindrücke. Denn technischen Eckdaten der Viertakt-Honda waren ja mittlerweile bereits bekannt (MOTORRAD 13/2001, Seite 48). Alubrückenrahmen, 450 cm³ Hubraum, Ventiltrieb mit nur einer Nockenwelle. Was die bei dieser Hubraumgröße notwendigen Drehzahlen von über 10 000 Umdrehungen aber von vornherein verhindert hätte – wäre er denn konventionell ausgelegt. Ist er aber nicht. Unicam nennt Honda den Mix aus zwei Ventiltrieb-Konzepten. Die Nockenwelle sitzt nämlich – wie bei einem Doppelnocken-Zylinderkopf - direkt über den Einlassventilen und betätigt diese direkt über Tassenstößel. Die Auslassventile werden über einen kurzen, weil nicht von unten, sondern von der Seite aktivierten und damit leichten Winkelhebel betätigt. Der Sinn der Sache: Bei ausreichender Drehzahlfestigkeit gelingen den Honda-Ingenieuren damit im Vergleich zu den ausladenden Doppelnocken-Konstruktionen enorm kompakte Motordimensionen.

Doch bevor Kollege Richard Angot die CRF ankickt, schlägt die Stunde der Wahrheit auf der Waage. 102 Kilogramm gibt Honda an – trocken. Der Zeiger bleibt bei 106 Kilogramm stehen – mit Öl und Kühlwasser, ohne Benzin. Sechs Kilogramm weniger als die Yamaha, deren zwei unter der KTM 520 SX.

Dann der erste Kick. Auf einen Elektrostarter, bei den europäischen Herstellern voll imTrend, verzichtet Honda aus Gewichtsgründen bei der Neukonstruktion. Aber sie läuft dank automatischem Dekompressions-Mechanismus auf Anhieb. In dieser Hinicht eher Kür als Pflicht scheint der zusätzliche manuelle Ventilausheber am Lenker zu sein. Einfach runtertreten genügt.

Die ersten Runden, der erste Eindruck: Das Honda-Aggregat schiebt kräftig an. Klar doch. Aber stets gut dosierbar. Die Leistung setzt spürbar sanfter ein als bei der Yamaha oder der KTM. Sauber und ohne ausbrechendes Hinterrad lässt sie sich auch aus allerengsten Ecken herausbeschleunigen. Traktion satt. Nicht zu verwechseln mit zu wenig Leistung, beschwört Richard die Lästermäuler. Dampf genug, nur eben kontrollierbarer als bei der Konkurrenz. In den oberen Drehzahlen gibt die Honda aber Terrain ab - zumindest an die Yamaha. Über der Nenndrehzahl, die laut Honda bei 9000 Umdrehungen liegt, wirkt der Motor ausgereizt. Die Stärken des CRF-Triebwerks liegen eindeutig im unteren und mittleren Drehzahlbereich. Früh schalten statt hochdrehen, wird das Rezept der Honda-Piloten für schnelle Rundenzeiten lauten.

Doch gerade dies könnten sie schnell vergessen, glaubt Richard. Denn warnende und unangenehme Vibrationen eines Viertakt-Singles kennt der 450er nicht. Selbst bei Maximaldrehzahl läuft das Kraftwerk so manierlich wie ein Viertelliter-Zweitakter. Auch was das Startverhalten bei warmem Motor betrifft, gibt´s nichts zu meckern. Weil der 40er-Keihin-Flachschiebervergaser, der übrigens in der Version mit 41 Millimetern Querschnitt auch die Yamaha und KTM mit Frischgas versorgt - kaum erreichbar zwischen den beiden Rahmenprofilen sitzt, dürfen Honda-Piloten den Heißstartknopf bequem via Handhebel und Bowdenzug auf der linken Lenkerseite betätigen. Ein Kick reicht, und der Einzylinder donnert wieder.

Mehr noch als vom Motor zeigt sich Richard vom Fahrwerk begeistert. Die Honda wird die Königin der Innenspur, meint der Franzose. Und das gleich aus mehreren Gründen. Erstens, weil die CRF 450 R traditionell von Haus aus eine auf Handlichkeit getrimmte Fahrwerksgeometrie verpasst bekam. Zweitens, weil sich die steife Rahmenkonstruktion der Spurtreue in Kehren förderlich zeigt. Drittens, weil – durch den eigentümlichen Ventiltrieb die rotierenden, zudem weit oben liegenden - Massen minimal gehalten werden konnten. Und viertens, weil es den Fahrwerks-Verantwortlichen endlich gelungen zu sein scheint, vernünftig abgestimmte Federelemente zu implantieren. Die fast sprichwörtliche Härte des Federbeins sowie der 47er-Upside-down-Gabel von Showa sei jedenfalls wie weggeblasen. Woran allerdings auch die prinzipielle Charakteristik des Viertakt-Motors ihren Anteil haben dürfte. Denn die Yamaha und KTM profitieren in dieser Beziehung ebenfalls von der im Vergleich zu den bissigen Zweitaktern weniger impulsiven Leistungsabgabe eines Viertakters.

Wie dem auch sei. Die neue Honda ist nicht nur eine Maschine mehr im Kreis der neuen Offroad-Generation mit Viertakt-Herz. Ob die unkonventionelle Technik sie auf Anhieb vor das Establishment dieser Liga bringt, wird erst die direkte Konfrontation zeigen. In einer Beziehung setzt sich die Honda aber bereits jetzt in Front: Mit 15 657 Mark kostet die CRF 450 R fast 2000 Mark mehr als die Konkurrenz.

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