Husqvarna TR 650 Strada / Terra
Zweite Husqvarna mit BMW Motor

Mit der von einem überarbeiteten BMW-Motor angetrie- benen Nuda 900 hat Husqvarna erfolgreich sein Comeback auf dem Straßensektor gegeben. Nun folgt mit der TR 650 nach gleichem Muster der zweite Streich - als Terra und Strada gleich in doppelter Form.

Zweite Husqvarna mit BMW Motor
Foto: Bildl

Es ist noch dunkel und die Luft angenehm kühl, morgens um sieben in Jerez de la Frontera. Alles scheint ruhig, da zerschneiden mit einem Mal Lichtstrahlen die Nacht, und das wohlgedämpfte Bullern von rund 20 Einzylindern erfüllt die Luft.

Eine kleine Heerschar von Husqvarna TR 650 Terra und Strada macht sich fertig zur Abfahrt. (Wieder-)Einsteiger und all jene, die einen unkomplizierten Begleiter für den täglichen Weg zur Arbeit suchen, dürfen sich freuen, ihnen will Husqvarna mit den beiden Modellen den passenden Untersatz bieten. Herzstück ist dabei der Single aus der BMW G 650.

Für seinen Einsatz in den Husqvarnas wurde er allerdings kräftig überarbeitet. So -erhielt er nicht nur einen um 112 Gramm leichteren Schmiedekolben und eine von 11,5 auf 12,3:1 angehobene Verdichtung. Sondern auch gleich einen ganz neuen Zylinderkopf mit geänderten Kanälen und Ventiltrieb. So wuchsen die Einlassventile um 2,5 auf 38,5 mm und jene der Auslassseite um drei auf 34 mm. Neue Nockenwellen mit geringfügig mehr Hub und längeren Öffnungszeiten sorgen für kräftiges Ein- und Ausatmen des Singles. Logisch, dass auch Airbox und Edelstahl-Auspuffanlage an diese Verhältnisse angepasst wurden. Kernige 58 PS und damit zehn mehr als die BMW-Basis soll das TR 650-Triebwerk nach dieser Kur leisten - und trotzdem in Sachen Sparsamkeit seinem BMW-Stammvater in nichts nachstehen. Weshalb ein bis unter die Sitzbank gezogener 14-Liter-Tank reichen muss. Für Einsteiger gibt es übrigens auch eine 48-PS-Variante.

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Husqvarna TR 650 Strada / Terra
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Für den ersten Teil der Tour stehen Strada-Modelle zur Verfügung, die mit Guss-rädern - vorne in 19, hinten in 17 Zoll - und serienmäßig mit einem abschaltbaren ABS bestückt sind. Für den zweiten Teil der Tour stehen dann TR 650 Terra bereit, die mit Drahtspeichenrädern - vorne in 21, hinten in 17 Zoll - verstärkt für jene gedacht sind, die auch mal leichteres Gelände unter die Räder nehmen wollen.

Daneben bietet Husqvarna noch eine Terra ohne ABS, dafür mit 18-Zoll-Hinterrad. Was nur 400 Euro spart und die Auswahl an Enduro-Reifen erhöht. Diese Version stand allerdings nicht zum Test bereit.

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Strada (links) und Terra teilen nicht nur Chassis, Motor und Federwege, sondern auch den umgänglichen Charakter.

Also los! Die Sitzhöhe von 860 mm (Werksangabe, Terra: 865 mm) kommt eher groß gewachsenen Piloten entgegen. Die Sitzbank fühlt sich straff an, Lenker und Rasten sind angenehm positioniert.

Brav blubbert der Single mit 1600/min Standgas vor sich hin. Den ersten der fünf Gänge eingelegt, und los! Nach einem kurzen Stück Schnellstraße biegt die Route ab auf herrlich verschlungene, teils aber recht rutschige Nebensträßchen.

Also heißt es, sich erst einmal vorsichtig vorzutasten, bis der Belag griffiger wird. Beim Freisetzen der Mehrleistung sind dem Motor seine Umgangsformen nicht abhandengekommen. Im Gegenteil. Ab 2500/min packt der Single ruckfrei an. Dabei geht er ausgesprochen sanft ans Gas. Das schont die Nerven und hält den Blick frei für die Straße. Bis etwa 4500/min schiebt er vielleicht etwas verhalten, aber schön gleichmäßig an. Dabei läuft er erstaunlich ruhig. Die auf das niedrigere Kolbengewicht und die veränderten Rahmenbedingungen abgestimmte Ausgleichswelle leistet ganze Arbeit. Das macht ihn auf den noch etwas schlüpfrigen Sträßchen zum angenehmen Begleiter. Doch so langsam wird der Grip besser und das Tempo angezogen. Oberhalb von 4500/min erwacht der Single spürbar zum Leben, dreht willig und temperamentvoll in die Höhe, scheut sich auch vor dem bei 8000/min wartenden Begren-zer nicht. Wenngleich auf den letzten 500/min die Drehfreude wieder etwas abklingt. Sehr unterhaltsam aber allemal. Zumal die Gänge sicher rasten. Und auch die Vibratio-nen nehmen bei höheren Drehzahlen keine unangenehmen Ausmaße an.

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Man hat schon zupackendere Einscheiben-Bremsanlagen gesehen, diese hier geht sehr mild zu Werke.

Fein die schmale Taille und der gute Knieschluss. Willig, wenn auch nicht superagil lässt sich die mit einem neu entwickel-ten Stahlchassis bestückte TR 650 Strada durch die unaufhörlich folgenden Kurvenkombinationen schwenken. Sie wirkt in puncto Handling eher unaufgeregt denn quirlig. Das über eine Umlenkung betätigte Federbein filtert auf den teils recht zernarbten Asphaltdecken die gröbsten Stöße ordentlich heraus. Da kann die stuckerige, schlecht ansprechende Gabel nicht ganz mithalten, was die Terra beim Einlenken manchmal etwas unentschlossen wirken lässt.

Die erste Hälfte der Testrunde ist absolviert. Kurzer Kaffee-Stopp, ehe die Heimfahrt auf der TR 650 Terra angetreten wird. Bremsen und Chassis teilt sie mit der Strada und mit je 190 mm die Länge der Federwege. Ihre Federelemente sind jedoch anders abgestimmt. Für leichte Offroad-Abstecher nützliche Dinge wie griffig gezackte Rasten, Handprotektoren, ein klappbarer Schalthebel oder gar ein Motorschutz finden sich allerdings nicht am Motorrad, sondern nur im hauseigenen Zubehörkatalog.

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Wegen des unten offenen Rahmens ist die Nachrüstung eines Motorschutzes ratsam.

Bei Terra wie Strada soll am Vorderrad ein Doppelkolben-Schwimmsattel in Verbindung mit einer 300-mm-Einzelscheibe für ordentliche Verzögerung sorgen. Die Brems-anlage geht allerdings recht lustlos zu Werke. Immerhin erschreckt sie nicht mit blitzartigem Zubeißen. Doch wirkt sie stumpf, und für ordentliche Verzögerung muss schon kräftig zugepackt werden, Gefühl und Dosierbarkeit kommen da zu kurz. Dafür regelt das ABS mit deutlich spürbaren Regelintervallen stets zuverlässig. Und sowohl Terra wie Strada blieben bei Vollbremsungen dem ersten Eindruck nach ziemlich stabil auf Kurs. Auch bei der Reifenwahl ließ sich Husqvarna nicht lumpen. Die Metzeler Tourance EXP (Strada) und Metzeler Enduro 3 Sahara (Terra) harmonierten gut. Weshalb aber der Kupplungs-, nicht jedoch der Bremshebel in der Weite einstellbar ist, war nicht so recht zu ergründen.

Auch der Rückweg führte wieder über herrlich verwinkelte Sträßchen. Deutlich harmonischer schwang die Terra durch die Kurven. Lieferte dem Piloten dazu mehr Rückmeldung vom Vorderrad und hinterließ den ausgewogeneren Eindruck. Die letzte Etappe führte allerdings noch einmal über ein Stück Autobahn, auf dem sich die Terra bei Geschwindigkeiten ab 140 km/h sehr empfindlich in Sachen Geradeauslauf zeigte.

Doch unter dem Strich sind die Husqvarna TR 650 mit ihrem frischen Design eine willkommene und mit 6690 Euro eine attraktive Bereicherung der Einzylinder-Clique.

Technische Daten

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Die Endkappen der Edelstahl-Auspuffanlage zitieren das Husqvarna-Logo, ihnen entweicht angenehmer Single-Sound.

Husqvarna TR 650 Strada (Terra ABS)

Motor
Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile, Tassenstößel, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, Ø 43 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 400 W, Batterie 12 V/11 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 100,0 x 83,0 mm
Hubraum 652 cm3
Verdichtungsverhältnis 12,3:1
Nennleistung 43,0 kW (58 PS) bei 7250/min
Max. Drehmoment 60 Nm bei 5750/min

Fahrwerk
Brückenrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 46 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Scheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder
2.50 x 19 (1.85 x 21); 3.50 (3.00) x 17
Reifen 110/80 R 19 (90/90 x 21); 140/80 R 17

Maße + Gewichte
Radstand 1501 mm, Lenkkopfwinkel 64,0 (63,5) Grad, Nachlauf 101 (115) mm, Federweg v/h 190/190 mm, Sitzhöhe* 860 (865) mm, Leergewicht* 186 (184) kg, Tankinhalt 14,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Schwarz/Weiß
Preis 6690 Euro
Nebenkosten 300 Euro

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023