Moto Cross-Vergleichstest (250 cm³]
Unternehmen Silberpfeil

Silberpfeil mal anders. Der neue Viertelliter-Crosser von Honda mit Alu-Rahmen setzt neue Maßstäbe im Moto Cross-Sport. Ist die Konkurrenz schon jetzt veraltet?

Rennfahrer haben´s nicht so mit ihren Mitmenschen. Wie auch, wenn an jedem Wochenende die große Party im Fahrerlager immer im Streit endet? Im Streit um die beste Rundenzeit, die beste Startposition oder den Platz auf dem Siegerpodest.
Doch Honda hat ein Mittel gefunden, um den selbstverliebten Haufen wenigstens für einen Moment zu einen: die neue CR 250. Besonderes Merkmal: Brückenrahmen aus Alu-Profilen. Das absolute Novum im Off Road-Sport. Der silbern schimmernde Lockvogel für die kollektive Begierde. Oder ganz einfach: das Bike zum Sport - allein gegen alle.
Allein mit ihrem Alu-Rahmen, ihrem Keihin-Vergaser mit elektronisch geregelter Beschleunigerpumpe und ihrer DRA, einer Zündverstellung, die in der Praxis bei zu schnell ansteigenden Drehzahlen den Zündzeitpunkt extrem spät legt und somit quasi als erste Traktionskontrolle im Moto Cross-Metier firmieren möchte.
Doch allzu viel Neues ist oft ungesund, hofft die trotz gemeinhin jugendlich poppigen Outfits gegen den Silberpfeil vergleichsweise bieder wirkende Konkurrenz. Und vielleicht hat sie recht. Denn schließlich können die restlichen vier Kandidaten im Vergleichstest - Kawasaki, KTM, Suzuki und Yamaha - zumindest das bieten, was im Off Road-Sport bislang üblich und gut war. Einzylinder-Zweitakter mit Auslaßsteuerungssystemen, welche die giftigen Renner spürbar zur kontinuierlichen Leistungsabgabe über das gesamte Drehzahlband erzogen haben, und handliche Fahrwerke. Aber halt, wenigstens Kawasaki setzt schon seit 1990 auf den Brückenrahmen. Aus Stahl freilich, aber immerhin.
Genug der Vorrede, entscheidend ist noch immer, was hinten rauskommt. Sitzprobe. Respekt, sehr flach die Sitzbanknase der CR. Wer in den Kurven zur besseren Gewichtsverteilung weit nach vorn rutschen will, darf sich ausleben. Ansonsten fühlt sich die Riege trotz allem unterschiedlich an. Honda - die schmalste von allen. Gerade mal 16 Zentimeter breit am Knieschluß, trotz Brückenrahmen. Suzuki - schlank und gedrungen, fast wie die Honda. Yamaha - etwas massiger, aber immer noch Idealfigur. Kawasaki - Bauch geht in Ordnung, aber etwas dicklich um die ausladenden Kühlerflügel. KTM - leichter Speckgürtel um den Tank, alles wirkt irgendwie massig. Europäer statt Japaner eben.
Was soll das rumsitzen? Fahren bitte. Und daß ja niemand in die falsche Ecke gestellt wird, müssen fünf Satz Dunlop D755 ihre Stollen lassen. Dargebracht als Opfer, um die Götter der zerfurchten, umgepflügten und steinigen nordspanischen Cross-Pisten gnädig zu stimmen. Den Fahrern, versteht sich, nicht dem Material. Denn das soll gerade unter diesen Verhältnissen beweisen, was Sache ist.
Doch hübsch der Reihe nach. Um keine Verwirrung aufkommen zu lassen, wird zunächst mal eingeteilt. Sitzposition - schon abgehakt. Weiter geht´s mit Motor, Gabel, Stoßdämpfer, Fahrcharakteristik und Bremsen - immer alle gegen die Honda.
Also Punkt eins: Motor. Fangen wir von hinten an. Die Yamaha will immer nur das eine - den Amateuren gefallen. Wie ein kleiner Traktor schiebt die YZ an. Satter Vorschub aus der engsten Kehre, beherrschbare Kraft zur Drehzahlmitte, die oben dann aber abflacht. Gut für Normalcrosser, die auf dem holprigem Terrain mit Essentiellerem als dem feindosierten Spiel am Kupplungshebel zu kämpfen haben. Schlecht aber für Könner, welche sich mit drehfreudigen Motoren gern mal einen Schaltvorgang ersparen. Zur Suzuki. Auch wenn sich die Gelbe vor Jahresfrist der damaligen Honda-Technik bemächtigte, lassen sich die Mendelschen Erbgesetze doch nicht völlig außer Kraft setzen. Will heißen: unten passabel, in der Mitte kernig und oben kein Ende - Suzuki fühlten sich schon immer bei hohen Drehzahlen am wohlsten. Nun allerdings mit deutlich mehr Biß im meist benutzten mittleren Drehzahlbereich.
Noch mehr als die Suzuki jubelt nur die KTM. Im Drehzahlkeller deutlich die Zaghafteste der Riege, beißt sie zur Drehzahlmitte gnadenlos zu und läßt bis ganz weit oben nicht mehr los. Nichts fürs Supercross aber der Knüller für Freilandpisten.
Pause. Noch immer Pause. Und genau mit diesem Abstand dominiert die zumindest in der Motorenwertung führende grün-rote Koalition. Kawasaki: Leistung, wo sie gebraucht wird. Unten, Mitte, oben - die Grüne ist allzeit bereit. Ob im Waschbrett, vor Table tops oder einfach nur auf der langen Startgeraden, die KX sprüht nur so vor Einsatzfreude. Genauso wie die Honda und doch ganz anders. Auch die CR hat mächtig Feuer. Auch unten, in der Mitte und oben. Doch der Silberling sorgt für sanften Druck. Als wäre ein Gummiband in den Gaszug eingewebt, baut die CR nur so viel Drehzahlen auf, wie der hintere Grobstöller auf den Boden bringen kann. Aber dies vom Standgas bis in die allerhöchsten Drehzahlen. Ein Traum für Freilandcross aller Variationen. Einige Supercrosser verwendeten aber schon in der abgelaufenen Indoor-Saison ihre spritzigeren 1996er Motoren. Doch seltsamerweise hinterläßt der Honda-Alu-Rahmen bereits in der Motorenwertung Spuren. Die Vibrationen des Honda-Aggregats werden vom massigen Fahrgestell deutlich spürbar auf den Lenker übertragen.
Nächstes Kapitel. Fahrwerk, Absatz Gabel. Schade, daß sich die Hersteller nur allmählich von den schlecht ansprechenden und schmutzempfindlichen Upside-down-Gabeln trennen können. Nur KTM und Suzuki verließen bislang den technischen Irrweg und machen mit der Rückkehr zum gabeltechnischen Ursprung das Crosser-Dasein wieder lebenswert.
Denn gleich ob die brandneue Magnum-Gabel von Marzocchi in der KTM oder die aufwendig konstruierte Showa in der Suzuki, im Ansprechverhalten und der Durchschlagsicherheit degradieren die Traditionalisten den Rest des Feldes zu Luftpumpen. Einziger Schönheitsfehler: Die Federrate der Marzocchi-Gabel fiel deutlich zu weich aus. Um den Wechsel zu härteren Federn kommen nicht nur schnelle oder schwere Piloten nicht herum. Doch dann paßt alles.
Und da haben wir wieder unseren Abstand. Diesmal nach unten zu der grün-rot-blauen Upside-down-Liga. Denn selbst die KX-Gabel, quasi als Einäugige unter den Blinden, kann nur mit noch akzeptablem Ansprechverhalten glänzen, knallt mit ihrer weichen Abstimmung aber bei jeder harten Landung gnadenlos auf Block. Ein gutes Stück schlechter noch arbeitet die Gabel der Yamaha. Ganz deutlich schlägt das Kayaba-Teil vor allem an den gefürchteten scharfkantigen Bodenwellen die Lenkergriffe kräftig in die Handflächen. Und die Honda? Die zeigt sich diesbezüglich in schlechter alter Tradition. Quasi nach dem Motto, ein guter Schluß ziert alles, brilliert die Showa-Forke vor dem edlen Alu-Chassis zwar durch einen weichen Endanschlag, von kleineren Wellen läßt sie sich aber nur ungern zum Arbeiten bewegen. Fazit: Ohne von Spezialisten sachkundig überarbeiteter Abstimmung wird der Schrecken aller Crosser - die gefürchteten verkrampften Unterarmmuskeln - steter Begleiter der Kawasaki-, Yamaha- und auch der Honda-Gefolgschaft bleiben.
Immer noch Kapitel Fahrwerk, Absatz Stoßdämpfer. Die Welt rückt ein wenig enger zusammen - und dreht sich um Österreich beziehungsweise Schweden. Das Öhlins-Federbein der KTM legt mit seinem enormen Einstellbereich und legendärer Qualität die Latte im Crosser-Metier. So muß es sein. Erfreulich gut hat auch Kayaba inzwischen die Abstimmung ihres Federbeins in der Kawasaki im Griff. Feiner Komfort und satte Traktion erheben die KX-Hinterhand zum best gefederten Heck aller Japaner.
Und wieder dieser Abstand. Diesmal lassen sich Blau, Gelb und Rot abhängen. Wobei sich die Suzuki noch am besten aus der Affäre zieht, auch wenn die Hinterhand selbst für rasante Zeitgenossen noch zu hart abgestimmt ist. Hintern hoch, lautet der Fahrstil-Tip bei der ebenfalls wenig komfortablen Yamaha, und die Honda kann froh sein, daß der seidige Motor die Schwächen des Federbeins auf Beschleunigungs-Kanten so gut wie es eben geht übertüncht. Der US-Importeur reagierte prompt und ließ alle für Amerika bestimmten CR 250 mit überarbeiteten Dämpferelementen anliefern.
Aber jetzt wird´s eng. Und dort darf die Honda so unverschämt glänzen wie ihr Rahmen. Denn es gibt nichts, was rasanter, präziser und kontrollierbarer um enge Ecken pfeift als die Honda. Um so erstaunlicher, als die Alu-Honda dafür auch ihrem Geradeauslauf kaum Tribut zollen muß. Sie zappelt zwar, doch kaum mehr als die grundsätzlich nervöse restliche Crosser-Gilde.
Nur die Kawasaki zieht ihre Bahnen mit vergleichsweise stoischer Ruhe. Für die schonende Behandlung von Nerven und Kondition bezahlen nicht nur Hobbycrosser gern mit ein wenig Trägheit in den Kurven. Je länger das Rennen, desto mehr wird der erschlaffte Körper und Geist die Milde der KX zu schätzen wissen.
Relative Gnade erweist auch die Yamaha ihrem Lenker. Um so erstaunlicher, als auch die YZ die relative Stabilität auf Geraden mit einem auffallend sicheren Biß des Vorderrads in engen Kurven zu kombinieren weiß. Suzuki und KTM entscheiden sich klarer. Die RM mag´s im engen Geläuf und schüttelt auf holprigen Geraden verneinend das Vorderteil. Die SX dagegen ist froh, wenn sie es nach einer ungemütlichen Kurven-Zirkelei endlich mal wieder auf der Geraden laufen lassen kann.
Und last but not least zum Kapitel Bremsen. Alle fünf Wilden liegen fast durchweg auf hohem Niveau mit den Honda-Stoppern als Referenz-Modell. Ganz knapp danach Kawa, Suzuki und Yamaha. Nur die KTM läßt sich etwas lumpen. Vorn muß kräftiger als bei der Konkurrenz gezogen werden, und hinten neigt die Brembo-Zange dazu, das Hinterrad zum Blockieren zu bringen.
So, Feierabend im Kampf der Technologien. Doch wer allein gegen alle kämpft, hat wenig Chancen auf den Sieg. Die neue Technik der Honda setzt ganz klar Akzente für die Zukunft des Off Road-Sports. Um High-Tech jedoch nicht zum Selbstzweck werden zu lassen, bedarf es eines abgestimmten Gesamtkonzepts. Und dies wurde 1997 in der Tat um einen Brückenrahmen herumgebastelt - allerdings um den der Kawasaki.

Unsere Highlights

Platz 1 - Kawasaki

Statt spektakulärer Neuerungen setzte Kawasaki auf die Optimierung des Bestehenden. Mit Erfolg. Das Zusammenspiel von Motor, Hinterradfederung und stabilem Fahrwerk bringt viel Vertrauensvorsprung. So viel, daß dafür sogar die bei weitem nicht optimale Vorderradgabel akzeptiert werden kann.

Platz 2 - Suzuki

Die kleine Gelbe weiß, daß gerade im Rennsport viele durchschnittliche Resultate auch zu einem guten Gesamtergebnis führen können. Deshalb läßt sich die RM nirgends weit abhängen und zieht letztlich mit hervorragender Gabel und beeindruckender Agilität an den meisten Konkurrenten vorbei.

Platz 3 - Honda

Die Technik des aufregenden Silberpfeils setzt im Moto Cross klar denMaßstab. Doch trotz traumhaften Motors mit richtungsweisenden Innovationen ist Honda ausgerechnet einer Tradition treu geblieben. Nämlich der, ein perfektes Motorrad mit ungeeigneter Federungsabstimmung einzubremsen.

Platz 4 - KTM

Die Jahre der Entbehrung haben Früchte getragen. Das 1997er Viertelliter-Modell von KTM hat den Anschluß an die Standards der Japan-Crosser gefunden. Die Vorzüge der prima Federung und des potenten Motors wiegen dabei bei weitem die Nachteile der mäßigen Bremsen und der ungewohnten Ergonomie auf.

Platz 5 - Yamaha

Eigentlich hätte die YZ das Erfolgsrezept der Suzuki kopieren können. Viele durchschnittliche Resultate kann die Yamaha allerdings nur mit einem einzigen Highlight, nämlich dem sehr angenehm zu fahrenden Motor, kompensieren. Aber genau das reicht im eng beisammen liegenden Viertelliter-Feld heute nicht mehr zu einem Platz an der Sonne.

Verdrehsteifigkeit - Messung statt Gefühl

Muß ein Moto Cross-Rahmen möglichst widerstandsfähig gegen Torsion oder Biegung sein, oder sollte er sich doch besser nachgiebig verhalten? Diese Frage ist unter Fahrern wie Experten umstritten. In der Vergangenheit glichen sich die Rahmen der Crosser wie ein Ei dem anderen: zentrales Ober- und Frontrohr, Unterzüge vor dem Motor bis hinauf zur Federbeinaufnahme geteilt. Der zweidimensionale Steuerkopfbereich konnte Torsionskräften nicht viel entgegensetzen. Das änderte sich erst 1990, als Kawasaki mit dem Perimeter-Box-Rahmen ein neues Konzept mit doppelter Schleife, Rechteckrohren und räumlicher Versteifung des Steuerkopfs präsentierte. Im Straßenbereich haben sich sehr steife Rahmen mit breiten Profilen zwischen Steuerkopf und Schwingenlager schon lange auf breiter Front durchgesetzt, dieses Konzept hat Honda bei der neuen CR 250 aufgegriffen. Die Japaner propagieren deutliche Gewichtsvorteile bei höherer Steifigkeit. MOTORRAD wollte es genauer wissen: Die Cross-Maschinen wurden gestrippt, gewogen und auf dem Prüfstand der Hochschule Zwickau unter Leitung von Prof. Dr. Peter Gärtner auf ihre tatsächliche Verwindungssteifigkeit hin geprüft. Das Ergebnis überrascht. Der Honda-Rahmen ist zwar wie versprochen leichter als die stählerne Konkurrenz - die Differenz beträgt 600 beziehungsweise 800 Gramm -, in Sachen Steifigkeit muß sich das Alu-Teil jedoch ganz klar vom relativ breit bauenden Kawasaki-Fahrgestell die Richtung weisen lassen. Erwartungsgemäß folgt erst mit großem Abstand die Yamaha als Vertreterin der Fraktion der Einschleifen-Rahmen. Fast umgekehrt fällt erstaunlicherweise der Unterschied der Verdrehsteifigkeit der Hinterrad-Schwingen aus. Yamaha bringt es mit kräftigen Profilen auf 1197 Nm/Grad, die sichtbar zierlichere Honda-Schwinge nur auf 522 Nm/Grad. Kawa liegt mit 746 Nm/Grad dazwischen. GT

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023