SWM Gran Milano 440, SWM Silver Vase 440, SWM RS 300 R, SWM RS 500 R und SWM SM 650 R im Fahrbericht

SWM-Modelle 2016 im Fahrbericht
Bewährte Technik, attraktive Preise

Nach dem Verkauf der Marke an KTM schien die Technik der früheren Husqvarna-Offroader endgültig gestorben. Doch die Huskies sind wiederauferstanden: unter dem Namen SWM und finanziert aus China.

Bewährte Technik, attraktive Preise
Foto: SWM Motorcycles

Es schien, als hätte jemand das Rad der Zeit mit einem langen Hebel zurückgedreht. Ampelio Macchi, von 1987 bis 2002 Chefingenieur bei Husqvarna, beäugte zurückhaltend die Szenerie, Ex-Husky-Projektleiter Ennio Marchesin schwärmte im Brustton der Überzeugung von den Chancen des ­Projekts, und die ehemaligen Husqvarna-Importeure halb Europas flachsten gut gelaunt über alte Zeiten – und eine neue Marke, die sie alle wieder verbinden soll: SWM. 

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Was war geschehen? Im Februar 2013 schien das Schicksal von Husqvarna besiegelt. BMW als glückloser Eigner des norditalienischen Offroad- und Supermoto-Maschinenherstellers hatte die defizitäre ­Unternehmenstochter an KTM verkauft. Die Österreicher schlossen die Produktionsanlagen und verwenden den legendären ­Namen seither für eine auf KTM-Technik basierende Offroad-Modellpalette. Die Restbestände der noch in Italien produzierten Husqvarna-Maschinen wurden abverkauft. 

Low Cost statt Hightech

Doch nun feiern die alten Huskies plötzlich Wiederauferstehung. Der frühere Technik-Chef Macchi hatte mit Geld von Shineray, einem der größten chinesischen ­Motorradhersteller, das von BMW sanierte und renovierte Werk samt Produktionsanlage und den Rechten an den Konstruktionsplänen gekauft (siehe Interview). Und nun stehen sie da, die neuen/alten Ex-Huskies. Déjà-vu-Bikes: Technik, Design, ja selbst die typisch rot-weiße Farbgebung wurden übernommen.

Nur das Erfolgsrezept wurde geändert: Low Cost statt Hightech. Um die 6500 Euro, also etwa 2500 ­Euro weniger als die Konkurrenz, ruft die SWM-Truppe für die ­Wiedergeborenen auf. Zwei Offroad-Modellreihen umfasst das Portfolio: Sportenduros (SWM RS 300/500 R) und eine Hardenduro (SWM RS 650 R). Außerdem gibt es jeweils Supermoto-Ableger. Der dritte Familienzweig, nämlich Retromodelle, wird ab November produziert.

Räder kleben förmlich am Boden

Die Offroader stehen aber schon jetzt in den Startlöchern, tuckern bereits ­ruhig vor sich hin. In der Tat, nur das Logo auf Tankverkleidung und Gehäusedeckel unterscheidet die SWM von ihren Ahnen. Sicher keine schlechte Basis. Die 250er- und 300er-Modelle hatte Husqvarna noch 2013 auf WM-Ebene eingesetzt. Die einzige Änderung: Die Software der Benzineinspritzung liefert nun der italienische Offroad-Spezialist Athena statt Mikuni. Die Federelemente stammen nun vorn und hinten vom japanischen Zulieferer Kayaba (vorher: Sachs/Kayaba). Letztlich begrenzt sich der chinesische Einfluss nur auf Motorgehäuse und Getriebe, die – wohl aus Kostengründen – aus chinesischer Produktion stammen. 

Insofern überrascht auch die erste Sitzprobe nicht. Schlanker Knieschluss, flache Sitzbank, gelungene Ergonomie. Kein Unterschied zu den Ex-Huskies. Und bereits auf den ersten Metern dokumentiert die bei der Präsentation gefahrene SWM RS 300 R ihre Erbmasse mit dem unverwechselbaren Husqvarna-Fahrgefühl. Denn Traktion ist, womit die Italienerin nach wie vor protzt. Egal, wie schmierig das Terrain, Gas auf und der dohc-Motor schiebt die Fuhre stoisch ruhig voran. Lässt – unterstützt von der weichen Federungsabstimmung – die Räder förmlich am Boden kleben.

Sensible und gut dosierbare Bremsen

Vor allem in glatten Kehren verbeißt sich die Front regelrecht in den Boden, lässt sich auch mit moderatem Körpereinsatz zielgenau die Innenspur kratzen. Dass die gut ansprechende Upside-down-Gabel der SWM RS 300 R noch mit der preiswerteren Open-Cartridge-Technik arbeitet, stört im Enduroeinsatz nicht im Geringsten. Auch die Bremsen (Brembo) zeigen sich sensibel und gut dosierbar. Allerdings: Mit der von einem hubraumschwachen Motor erwarteten Quirligkeit kann das Ex-Husky-Triebwerk nach wie vor nicht aufwarten. Relativ träge tritt der Kurzhuber an und vibriert in den oberen Drehzahlen spürbar. Vor dem Hintergrund der in jüngster Zeit immer spritziger werdenden Konkurrenz-Antriebe hat der 300er an Boden verloren. 

Dennoch: Auf den bloßen Einsatz im Amateurbereich muss sich die SWM RS 300 R nicht reduzieren lassen. Das hat die TE 310, wie die SWM als Husqvarna noch hieß, nicht nur in den Ergebnislisten, sondern auch an der Ladentheke bewiesen. Noch vor zwei Jahren war sie das meistverkaufte Husky-Sportenduro-Modell – zu einem Listenpreis von 8500 Euro.

Motocross-Piste, Offroad-Wanderung, Asphalt-Einsatz

Den Rückzug von der Hochpreisfront hat die SWM RS 650 R, letztmals im Jahr 2012 unter dem Namen Husqvarna TE 630 für 6900 Euro angeboten, bereits zu Husky-Zeiten angetreten. 6500 Euro kostet sie als SWM. Mit dem in seinen Grundzügen bereits 20 Jahre alten Motor führt der 600-cm³-Single als einer der ganz wenigen aktuellen Konzepte die Tradition der hubraumstarken Hardenduros fort. Und gibt sich durch und durch von diesem Geist beseelt. Wie eh und je untermalt das feine Ventiltickern aus dem dohc-Zylinderkopf den sonoren Bass, tritt der Einzylinder bereits aus tiefen Drehzahlen ohne nennenswertes Hacken an, dreht danach frei hoch.

Weil das universelle Konzept den bedachten Ritt auf der Motocross-Piste genauso erlaubt wie die Offroad-Wanderung oder – entsprechend umbereift – den sportiven Eckenwetz auf Asphalt, könnte es der grauen Eminenz auch unter neuer Leitung wohl noch ein langes Leben garantieren. Auf das die junge SWM-Initiative grundsätzlich hoffen kann. Abseits des Spitzensports wird die Kombination aus bewährter Technik und attraktiven Preisen sicher für Neugier sorgen. Manchmal reicht es vielleicht auch, das Rad einfach zurückzudrehen, anstatt es neu zu erfinden.

Modellpalette SWM

In China gehört Shineray zu den Großen der Motorradbranche. Hierzulande trat der Hersteller bislang nur mit einem 125er-Modell in Erscheinung, das in MOTORRAD-Tests jedoch qualitativ einen zwiespältigen Eindruck hinterließ. Während die Technik der Enduro- und Supermoto-Modelle der neuen SWM-Maschinen zum allergrößten Teil von europäischen und japanischen Zulieferern stammt, basieren die Retro-Modelle auf chinesischen Entwicklungen.

Fertig montiert wird die Klassik-Linie aus den aus China angelieferten Teilen allerdings ebenfalls im neuen SWM-Werk am Vareser See. Dort werden die 400-cm³-Motoren auf 445 Hubraum aufgebohrt, die Zylinderform an das klassische Erscheinungsbild angepasst, der Ölkreislauf überarbeitet und eine Einspritzung appliziert. Unübersehbar: Das Design entstand in Italien.

SWM Gran Milano 440

SWM
SWM Gran Milano 440.

Mit der SWM Gran Milano 440 stellt SWM einen schnörkellosen Café Racer auf die Speichenräder. Der Vierventil-Single mit einer obenliegenden Nockenwelle leistet 35 PS.

Preis: 5490 Euro

SWM Silver Vase 440

SWM
SWM Silver Vase 440.

Die SWM Silver Vase 440 knüpft an die Offroad-Historie der Marke an. Wie bei der Gran Milano stammen Motor und Fahrwerk von Shineray, das Design aus Italien.

Preis: 4990 Euro 

SWM RS 300/500 R

SWM
SWM RS 300/500 R

Die Technik der beiden Sportenduro-Modelle SWM RS 300 R und SWM RS 500 R  wurde von den Husqvarna-Vorgängermodellen übernommen. Die 500er ist auch in einer Supermoto-Version erhältlich.

Preise: 5990/6090 Euro 

SWM SM 650 R

SWM
SWM SM 650 R

Die SWM SM 650 R ist die Supermoto-Version der Hardenduro RS 650 R. Der spritzige, 57 PS starke 600-cm³-Single ist für den Landstraßenwetz wie geschaffen.

Preis: 6490 Euro (Enduro und Supermoto) 

Historie SWM

Frank Schröter
13 Jahre lang baute SWM Offroad-Bikes.
Husqvarna
Für die Wiederauferstehung kaufte die Marke das ehemalige Husqvarna-Werk.

Sironi, Vergani, Vimercate, Moto – zum Start der ersten Kleinserie im Jahr 1971 nannten die beiden Firmengründer Piero Sironi und Fausto Vergani ihre Motorräder noch nach den Initialen ihrer Nachnamen und dem nahe Mailand gelegenen Standort der kleinen Fabrik SVVM. Doch weil das sperrige Kürzel bereits beim ersten Messeauftritt den Fans nicht so flüssig über die Lippen wollte, verbanden die Offroad-Enthusiasten kurzerhand das Mittelinitial und deklarierten den Namen neu: SWM – Speedy Working Motors.

Wettbewerbsenduros mit Motoren von Sachs bildeten zunächst die technische Basis. Einer der ersten unterstützten Fahrer von SWM: der junge Franco Acerbis, heute renommierter Produzent von nach ihm benannten Motorrad-Kunststoffteilen. Die frühen Sporterfolge kurbelten das Geschäft an. Mopeds und Trial-Wettbewerbsmaschinen erweiterten bald die Modellpalette. Den entscheidenden Aufschwung brachte der Wechsel von Sachs-Motoren zu Rotax-Antriebsaggregaten im Jahr 1977. Mit den modernen drehschieber-gesteuerten Zweitaktern aus Österreich sollte den Italienern bereits im Auftaktjahr der austro-italienischen Zusammenarbeit der Verkaufsrekord in der Firmengeschichte gelingen. Insgesamt wurden in diesem Jahr 6000 Motorräder verkauft.

Sportlich wirkte sich die neue Technik ebenfalls positiv aus. Zwischen 1978 und 1980 holte SWM acht Enduro-EM-Titel, 1981 den Gesamtsieg in der Trial-WM. Eine durch Chopper und Mopeds zerfaserte Modellpolitik, vor allem aber der Konkurrenzdruck der japanischen Hersteller stoppten den Höhenflug jedoch schnell. Bereits 1984 musste SWM den Betrieb einstellen.

Interview Ampelio Macchi

SWM
Ampelio Macchi (58) arbeitete von 1987 bis 2002 als Chefentwickler bei Husqvarna. Nun leitet der Italiener die auf der Husqvarna-Technik basierende Wiedergeburt von SWM

MOTORRAD: Die Nachricht, dass der chinesische Hersteller Shineray die Marke SWM wieder aufleben lässt, hat die Branche im vergangenen Herbst überrascht. Wie kam diese Initiative zustande?

Ampelio Macchi: Seit dem Ende meiner Tätigkeit bei ­Aprilia (Anm.: Macchi war bis 2010 technischer Leiter der Offroad-Produktlinie beim Aprilia-Mutterkonzern Piaggio) widmete ich mich der Konstruktion eines Hybrid-Kleinwagens. Im Rahmen einer Geschäftsreise nach China lernte ich Daxing Gong, den Präsidenten von Shineray, kennen. Als Anfang 2013 Husqvarna an KTM verkauft und die Produktion nach Mattighofen verlegt wurde, sahen wir ein großes Potenzial. 

MOTORRAD: Sie haben also mit Shineray-Geld KTM die Husqvarna-Produktionsanlagen abgekauft?

Ampelio Macchi: Genauso ist es. Wir haben das Firmengebäude in Biandronno inklusive der Einrichtung und der intellektuellen Rechte, das heißt die Rechte an den Konstruktionen, gekauft. 90 Prozent der Summe brachte Shineray auf, zehn Prozent stammen von mir.

MOTORRAD: Beinhaltete der Kauf auch das Ersatzteillager oder die Restbestände an Husqvarna-Maschinen?

Ampelio Macchi: Nein. Die bereits gebauten, aber nicht mehr verkauften Motorräder wurden von KTM an den ehemaligen deutschen Husqvarna-Importeur Zupin veräußert und sind mittlerweile weitestgehend abverkauft. Auch deren Ersatzteilversorgung wird über Zupin abgewickelt.

MOTORRAD: SWM war ein italienischer Hersteller, der nur Insidern ein Begriff ist. Warum verwenden Sie eigentlich nicht den Namen Shineray?

Ampelio Macchi: Shineray steuert zwar das Kapital bei,doch unser Firmensitz ist in Italien, das Design ist italienisch, der größte Teil der Technik stammt aus Italien und die handelnden Personen sind Italiener. Also ist es auch logisch, dass der Markenname italienische Wurzeln haben muss. Außerdem ist der Name sauber. Das heißt, er ist nicht mit erfolglosen Wiederbelebungsversuchen belastet.

MOTORRAD: Wie sieht die Firmenstruktur von SWM nun konkret aus?

Ampelio Macchi: Wir haben 60 Mitarbeiter eingestellt, fast ausnahmslos ehemalige Husqvarna-Angestellte. Die kennen sich mit den vorhandenen technischen Einrichtungen bestens aus, sodass wir acht Monate nach den ersten Planungen bereits mit dem Serienanlauf beginnen können. Das gilt auch für den Vertrieb. Wir arbeiten zum größten Teil mit ehemaligen Husqvarna-Importeuren zusammen. In Deutschland wird die Firma Zupin den Import durchführen. Diese Leute kennen sich seit Jahrzehnten mit der Husqvarna-Technik aus.  

MOTORRAD: Welche Teile an den neuen SWM stammen denn aus China?

Ampelio Macchi: Bei den Enduros und Supermotos werden nur die Motorgehäuse und das Getriebe in China gefertigt. 90 Prozent der Teile stammen wie gesagt aus Italien oder von renommierten internationalen Zulieferern.

MOTORRAD: Und bei den Retro-Modellen?

Ampelio Macchi: Bei denen kommt die Mehrheit der Teile von Shineray. Doch wir vergrößern den Hubraum von 400 auf 445 cm³, überarbeiten die Ölversorgung, applizieren eine Einspritzung und bestimmen das Design. Zudem bauen wir die Motorräder in Italien zusammen.

MOTORRAD: Zurück zu den Enduros. Sie bieten Motorräder, die vor drei Jahren noch knapp 9000 Euro kosteten, nun für 6000 Euro an. Ist das noch profitabel?

Ampelio Macchi: Wir hatten nur geringe Entwicklungskosten und kommen mit wenig Personal zurecht. Zum Vergleich: Als BMW noch im Besitz von Husqvarna war, arbeiteten dort 340 Menschen. Unsere Marge ist nicht groß, aber wir sind mit dieser Kalkulation überlebensfähig und können auch künftige Entwicklungen finanzieren.

MOTORRAD: Was ist konkret geplant?

Ampelio Macchi: Bereits auf der Mailänder Messe im November werden wir eine neue 125er-Maschine und eine 250er- sowie 340er-Wettbewerbsenduro vorstellen. Wir werden uns mittelfristig auch nicht mit Einzylindern begnügen, sondern haben auch Zweizylinder-Motoren in der Planung. Gespräche mit Rotax laufen bereits.

MOTORRAD: Lassen sich schon Tendenzen absehen, wie der Handel auf den SWM-Start reagiert?

Ampelio Macchi: Die Reaktionen sind sehr positiv. Es scheint ein großer Bedarf an günstigen und dennoch ausgereiften Motorrädern zu bestehen. Wir werden ab Juli 1500 Enduros und Supermotos bauen. Ab November werden die Retro-Bikes aufgelegt. Dafür liegen uns bereits 2000 Bestellungen vor.

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Erscheinungsdatum 26.05.2023