Entdecke die Möglichkeiten. Nein, nicht bei der Jagd nach Sekunden auf einer sportlichen Boden-Luft-Rakete, sondern beim relaxten Umherstreunen auf verschlungenen Singletrails Frühlingsluft statt Zweitakt-Muff. Dass der Weg zur genussvollen Endurotour nicht zwangsläufig bei einem Dampfhammer mit 600 cm3 beginnt, hat sich längst herumgesprochen. Die 400er verheißen mit ihrer leichter
beherrschbaren Leistungsentfaltung und ihrem geringen Gewicht mehr Spaß im Gelände als die großkolbigen Hubraumprotze.
Ganz im Geiste von Suzukis populärer DR 350 sie ging 1997 offiziell in Rente bildet das Test-Trio den gewollt softeren und vor allem alltagstauglichen Gegenpart zu den immer kompromissloseren Wettbewerbsrennern. Doch wo sind die Grenzen der Softies? Was stecken sie im Gelände weg? Und taugen sie überhaupt zum Touren? In Südspanien müssen sich die drei beweisen: bei steinigen Auf- und Abfahrten, trialartigen Felsquerungen sowie auf Schotterwegen und Landstraßen.
Mit der DR-Z 400 S setzte Suzuki im vergangenen Jahr zur Reanimation der etwas verwaisten Softenduro-Klasse an. Neuer, wassergekühlter Motor, modernes Fahrwerkslayout, E-Starter, pfiffige Detaillösungen alles drin, alles dran. Doch der Preis von 12390 Mark für 400 cm3 und gemessene 37 PS machen die Neue nicht gerade zum Schnäppchen. Zumal angesichts des sturzgefährdeten Blechtanks und der nur teilweise einstellbaren Federelemente Zweifel aufkommen, ob es sich um eine waschechte Enduro handelt.
Deutlich konsequenter für den kernigen Einsatz präpariert ist die KTM LC4-E 400. Für 12870 Mark bietet sie einen be-
währten Motor mit 39 PS, wettbewerbs-
erprobte Federelemente und eine durchdachte Ausstattung samt Kick- und E-Starter. Doch nicht nur beim Preis, sondern auch beim stattlichen Gewicht von 159 Kilogramm vollgetankt wagt mancher
einen Blick auf die fast gleich schwere und kaum teurere 640er-Schwester.
10999 Mark erscheinen da für die 2000er-Version der einsitzigen XR 400 R fast schon als Sonderangebot. Mit ihrem luftgekühlten Vierventil-Motor, minimalem, aber praxisgerechtem Drum und Dran etwa den Schnellverschlüssen am Luft-
filterdeckel oder dem soliden Ölkühler
unter der Lampenmaske wartet sie im Zeitalter filigraner Hightech-Sportgeräte mit klassischen Enduroqualitäten auf. Wo nichts ist, kann bei einem Ausrutscher auch kein Wasserkühler kaputtgehen, und dem Kickstarter ist es egal, dass keine Batterie an Bord ist. Lohn der Bescheidenheit: 133 Kilogramm vollgetankt.
Zum Erkunden des Terrains gehts in den überraschend komfortablen Honda-Sattel. Die griffige Serienbereifung und das geringe Gewicht prädestinieren die XR im Gelände zur Vorreiterin. Zunächst wechselt der Tanz auf losem Geröll in
einem trockenen Bachbett mit einem
flotten Slalom auf griffigem Waldboden ab. Der XR-Motor mit seinen vier radial angeordneten Ventilen ist hier ein angenehmer, wenn auch nicht übermäßig potenter Partner. Dank seiner Agilität genügen die gemessenen 33 PS aber locker, um das Vorderrad auch über Steinstufen zu heben. Leider passen die Anschlüsse der ersten drei Gänge nicht optimal, was vor allem bei steilen Auffahrten stört. Kurzfristig
lässt sich das zwar mit der feinfühlig dosierbaren und angenehm leichtgängigen Kupplung kaschieren, eine kürzere Endübersetzung (kleineres Ritzel) ist aber ratsam.
In engen Passagen begeistert die Handlichkeit der XR. Mühelos wuselt sie zwischen den Baumstümpfen und Felsbrocken hindurch da kommt Freude auf. Leider verträgt sich die extrem handliche Lenkgeometrie nicht mit der zu weichen Gabel. Zug- und Druckstufendämpfung sind zwar einstellbar, aber die Grundabstimmung geriet nicht straff genug. Tänzelt das Vorderrad der nicht besonders spurstabilen Honda auf schnellen Schotterstraßen nur leicht, schlägt die XR beim Bremsen schon mal wild mit dem Lenker, sobald die Front beim Verzögern eintaucht. Um einen Satz härterer Gabel-
federn kommt man nicht herum. Das
Federbein dagegen mimt ganz den
Gentleman: Es ist sauber abgestimmt, voll einstellbar und bietet durch sein
sensibles Ansprechen überraschend viel Traktion gut gemacht.
Gepflegte Manieren besitzt auch der Motor. Ganz gleich, ob die Gasschnur sportlich flott oder auf kniffeligen Hindernissen nur vorsichtig gezogen wird, auf den Single ist stets Verlass. Beim Star-ten genügt nach etwas Übung ein
eichter Kick, sowohl bei kaltem Motor als auch nach einem kleinen Ausrutscher. Nicht ganz zum vornehmen Charakter passen die Trinksitten. Offroad herrscht nach 114 Kilometern im 9,5-Liter-Tank Ebbe, onroad sind 164 Kilometer drin.
Die Suzuki erwirbt sich auf der Schottertour durch Spaniens Wildnis vor allem mit ihrem vibrationsarmen und agilen
Motor Sympathie. Der wassergekühlte Vierventiler wirkt subjektiv am kräftigsten, einfach irgendwie erwachsen. Das Getriebe gibt weder in
Sachen Schaltbarkeit noch bei der Abstufung Anlass zur Kritik. Beim flotten Überqueren von gröberen Wellen oder Absätzen quittiert der Motor jedoch gelegentlich den Dienst. Typische Symptome für einen gestressten Gleichdruckvergaser, bei dem der vom Unterdruck angehobene Schieber durch die harten Schläge im Gelände absackt. Quasi als Entschädigung beschert die DR die niedrigsten Verbräuche: Im Gelände sind es zahme 5,5 Liter auf 100 Kilo-
meter, auf Asphalt 5,0 Liter. So reicht der Zehn-Liter-Tank auf Schotter für 181 und auf der Straße für 200 Kilometer.
Eine weitere Stärke der DR-Z 400 S ist ihre Ausgewogenheit. Sie bietet den angenehmsten Kompromiss zwischen agilem Handling und der nötigen Spurstabilität. Schade, dass das zu weiche, nur in Vorspannung und Druckstufe einstellbare Federbein bereits bei leicht forciertem Tempo Unruhe ins Fahrwerk bringt. Im Zweipersonenbetrieb ist der Dämpfer völlig überfordert. Da steckt die fein ansprechende und mit satten Dämpfungsreserven gesegnete Gabel deutlich mehr weg. Mit ihr können sich auch sportlich ambitionierte Fahrer anfreunden. Eine einstellbare Zugstufendämpfung statt der
justierbaren Federbasis wäre
jedoch sinnvoller, die Druckstufenverstellung ist Serie.
Ganz so relaxt wie die bei-
den Kollegen kann der KTM-Pilot
die schwierigen, aber landschaftlich reizvollen Streckenabschnitte nicht genießen. In engen Passagen kämpft er gegen das trägere Handling an. Hinzu kommt das Mehrgewicht, die Österreicherin huscht nicht so behände über die Stufen wie ihre Kontrahentinnen. Dank ihres auf stabilen Geradeauslauf ausgelegten Fahrwerks fühlt sich die LC4 in zügigen bis schnellen Streckenabschnitten am wohlsten schließlich schlummern in ihr die Erbanlagen der KTM-Rallye-Boliden. Mit der Spurstabilität eines Schienenbusses knallt sie durch das schottrige Bachbett. Hie und da lauernde Stolpersteine ringen weder Gabel noch Federbein hektische Reaktionen ab. Beide lassen sich über einen enorm weiten Bereich einstellen und stellen selbst gewichtigen Sportfahrern genügend Reserven zur Verfügung, ohne Fliegengewichte bei Bummeltempo aus dem Sattel zu schütteln.
Aufgrund der üppigen Schwungmasse zieht der LC4-Motor Ross und Reiter mit stoischer Ruhe durch dick und dünn.
Mitreißende Spontanität? Fehlanzeige, dafür tuckert der Einzylinder auch bei niedrigsten Drehzahlen ohne Mucken über alle Hindernisse. Das schafft besonders bei Enduro-Einsteigern schnell Vertrauen. Nur das immer noch hakig zu schaltende Getriebe ärgert ein wenig.
Für flottes Tempo auf Asphalt ist der Alpen-Single ebenfalls zu haben. 154 km/h Höchstgeschwindigkeit lassen den KTM-Treiber rasch wieder den Anschluss an XR und DR-Z finden, die ihm im trickreichen Gelände doch einige Meter abgenommen haben. Lediglich beim Durchzug im letzten Gang schwächelt die recht lang übersetzte LC4 etwas. Zur überragenden Landstraßentauglichkeit der KTM passen zudem die im Vergleich auffallend standfeste vordere Bremse sowie das geräumige und soziustaugliche Platzangebot. In Sachen Sitzkomfort können ihr weder die Solo-XR noch die schmal bestuhlte Suzuki Paroli bieten. Menschen über 1,75 Meter Größe bemängeln bei der DR-Z auf längeren Fahrten über Land einen zu engen Beinwinkel und den zu dicht am Körper positionierten Lenker.
Als das Stollen-Trio abends an der Finka lehnt, ist klar: Die 400er sind was Hubraum und Leistung angeht tatsächlich der goldene Mittelweg. Denn auch nach einem langen Offroad-Tag mit ihnen bleibt noch genug Elan, um Pläne für den nächsten Morgen zu schmieden.
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Technische Daten: Honda XR 400 R (VT)
MotorLuftgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine Ausgleichswelle, eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, radial angeordnet, Kipp- und Schlepphebel, Trockensumpfschmierung, Keihin-Schiebervergaser, Ø 36 mm, kontaktlose Kondensatorzündung, keine Abgasreinigung, Kickstarter.Bohrung x Hub 85 x 70 mmHubraum 397 cm3Nennleistung 25 kW (34 PS) bei 7500/minMax. Drehmoment keine AngabenKraftübertragungMechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, O-Ring-Kette.FahrwerkEinschleifenrahmen aus Stahlrohr, geschraubtes Stahl-Rahmenheck, Telegabel, Standrohrdurchmesser 43 mm, verstellbare Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluprofilen, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Scheibenbremse vorn, Doppelkolbensattel, Ø 240 mm, Scheibenbremse hinten, Einkolbensattel, Ø 220 mm.Reifen 3.00-21; 4.00-18FahrwerksdatenLenkkopfwinkel 64,8 Grad, Nachlauf 94 mm, Radstand 1430 mm, Federweg v/h 280/300 mm.Maße und GewichteSitzhöhe* 960 mm, Gewicht voll-getankt* 133 kg, Zuladung* 88 kg, Tankinhalt/Reserve 9,5/2,5 Liter.Garantie KeineFarbe RotLeistungsvariante KeinePreis inkl. MwSt. und Nebenkosten (Modelljahr 2000) 10999 Mark (Modelljahr 2001) 11499 Mark
Technische Daten: KTM LC4-E 400
MotorWassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine Ausgleichswelle, eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Rollenkipphebel, Nasssumpfschmierung, Dellorto-Rundschiebervergaser, Ø 38 mm, kontaktlose Kondensatorzündung, ungeregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, E-und Kickstarter.Bohrung x Hub 89 x 64 mmHubraum 398 cm3Nennleistung 29 kW (39 PS) bei 9000/minMax. Drehmoment 35 Nm (3,6 kpm) bei 7000/minKraftübertragungMechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, O-Ring-Kette.FahrwerkEinschleifenrahmen aus Stahlrohr, geteilte Unterzüge, geschraubtes Stahl-Rahmenheck, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 43 mm, verstellbare Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Alupro-filen, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Scheibenbremse vorn, Doppelkolbensattel, Ø 300 mm, Scheibenbremse hinten, Einkolbensattel, Ø 220 mm.Reifen 90/90-21; 140/80-18FahrwerksdatenLenkkopfwinkel 63 Grad, Nachlauf 124 mm, Radstand 1510 mm, Federweg v/h 270/300 mm.Maße und GewichteSitzhöhe* 960 mm, Gewicht voll-getankt* 159 kg, Zuladung* 191 kg, Tankinhalt/Reserve 12/2,5 Liter.Garantie ein Jahr ohne KilometerbegrenzungFarbe OrangeLeistungsvariante 25 kW (34 PS) Preis inkl. MwSt. 12480 MarkNebenkosten 390 Mark
Technische Daten: SUZUKI DR-Z 400 S
MotorWassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile, Tassenstößel, Trockensumpfschmierung, Mikuni-Gleichdruckvergaser, Ø 36 mm, kontaktlose Kondensatorzündung, Sekundärluftsystem, E-Starter.Bohrung x Hub 90 x 62,6 mmHubraum 398 cm3Nennleistung 29 kW (40 PS) bei 7600/minMax. Drehmoment 39 Nm (4 kpm) bei 6600/minKraftübertragungMechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, O-Ring-Kette.FahrwerkEinschleifenrahmen aus Stahlrohr, geschraubtes Rahmenheck aus Alurohren, Telegabel, Standrohrdurchmesser 49 mm, verstellbare Federbasis und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluprofilen, Zentralfederbein mit Hebel-system, verstellbare Federbasis und Druckstufendämpfung, Scheibenbremse vorn, Doppelkolbensattel, Ø 250 mm, Scheibenbremse hinten, Einkolbensattel, Ø 220 mm.Reifen 80/100-21; 120/90-18FahrwerksdatenLenkkopfwinkel 62,4 Grad, Nachlauf 109 mm, Radstand 1475 mm, Federweg v/h 260/260 mm.Maße und GewichteSitzhöhe* 970 mm, Gewicht vollgetankt* 142 kg, Zuladung* 193 kg, Tankinhalt 10 Liter.Garantie zwei Jahre ohne KilometerbegrenzungFarben Blau/Weiß, GelbLeistungsvariante KeinePreis inkl. MwSt. 12170 MarkNebenkosten 220 Mark
1. Platz: KTM LC4-E 400
Der Allrounder: Wettbewerbserprobte, voll einstellbare Federelemente, komfortable Platzverhältnisse selbst für zwei Personen und eine hochwertige, ausgereifte Ausstattung inklusive Hauptständer und ungeregeltem Kat machendie Österreicherin zum stimmi-gen Komplettpaket. Stollen-Marathonisti werden sich über den wahlweise lieferbaren 18-Liter-Tank freuen, ebenso über das reichhaltige Zubehörangebot. Die LC4-E 400 stellt sich aber auch gerne auftemperamentvolle Enduristen und raues Gelände ein, wenngleich der Motor mit seiner üppigen Schwungmasse nicht gerade zu den explosiven Charakteren zählt.
2. Platz: Suzuki DR-Z 400 S
Die Zierliche: Mit zeitgemäß schlanker Optik, kräftigem, kultiviertem Motor und einem modernen Fahrwerkslayout bläst Suzuki mit der DR-Z 400 S zur Softenduro-Offensive. Aber die für längere Touren nicht taugliche Ergonomie und das zu weiche Federbein kosten Sympathien. Eine bessere Sturzvorsorge sowie ein attraktiverer Preis könnten der ausgewogenen 400er jedoch den Durchbruch bescheren. Vielleicht würde auch ein Griff ins DR-Z-Nachbarregal helfen. Schließlich hat die Sport-Schwester neben dem Kunststofftank und dem besseren Motorschutz auch ein hochwertiges Federbein ab Werk.
3. Platz: Honda XR 400 R
Die Robuste: Jenseits vernunft-orientierter Betrachtungen fliegen der kernigen Honda die Herzender Stollenfans zu. Kein Wunder, bringt sie doch alles mit, was Offroad-Ein- und Aufsteiger zum zünftigen Toben über Stock und Stein brauchen. Wären da nicht die zu weiche Gabel und das nervöse Handling, könnte die Rote der sichere Tipp für Enduro-Puristen sein. Die werden sich auch von der eingeschränkten Alltagstauglichkeit in Form von kurzen Wartungsintervallen und der Minimalausstattung nicht abschrecken lassen. Für eine natürliche Auslese sorgt ohnehin die Zuladung von nur 88 Kilogramm.