60 Jahre Elefantentreffen

60 Jahre Elefantentreffen Größtes Motorrad-Wintertreffen der Welt

Wie ein Elefant, so stur und unabänderlich trottet das Elefantentreffen durch die deutsche Motorradgeschichte. Und ist selbst längst zu einem Teil von ihr geworden. 60 Jahre gibt es das Treffen schon. Zeit, den Rüssel hochzunehmen und zurückzublicken.

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Das Elefantentreffen war ein Produkt des Wirtschaftswunders. Denn als sich 1955 schon immer mehr Deutsche ein Auto leisten konnten, wurde das Motorrad umgekehrt immer unpopulärer. Und nur noch Hungerleider, die sich kein anderes Fahrzeug leisten konnten, rollten auf zwei (oder oft drei) Rädern frierend durch den Winter. Oder eben echte Fans, die die Not buchstäblich zur Tugend machten.

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Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Satz „Wir wollen sehen, wie viele es noch sind!“ Er entstammt einer Kleinanzeige aus „Das MOTORRAD“, Ausgabe 26/1955. Platziert hatte sie der damals gerade 33-jährige Ernst Leverkus, Test-Mitarbeiter der Redaktion MOTORRAD und privat engagiert im Stuttgarter Elefanten-Club. „Grüner Elefant“ war der Spitzname der 1950 bis 1957 in Nürn­berg gebauten Zündapp KS 601. Inspiriert von ihrem kraftvollen Boxer-Motor und der meist lindgrünen Lackierung hatte ihn Ernst Leverkus in „Das MOTORRAD“ geprägt. Leverkus, der seinerseits mit Spitznamen „Klacks“ hieß.

1966 bereits 10.000 Besucher

Tatsächlich kamen an jenem Wochenende Anfang Januar 1956 doch 20 Grüne Elefanten zum bis heute als Motorrad-Treff existierenden Gasthaus bei Stuttgart. Im Jahr darauf waren es schon etwa 50 Fahrer, die ihre Gespanne trotz Eis und Schnee teilweise sogar aus Hamburg und dem damaligen West-Berlin ans Glemseck pilotierten. Ab 1958 kamen nicht mehr nur Zündapp- und Gespann­fahrer, und das Treffen gastierte wie ein Wanderzirkus jeden Januar in einer anderen deutschen Stadt. Bis 1961, als das Elefantentreffen auf dem Nürburgring eine vorläufige Heimat fand.

Seither ist es der Bundesverband der Motorradfahrer e. V. (BVDM), der das größte Motorrad-Wintertreffen der Welt regelmäßig organisiert. Wobei der Fortgang der Geschichte des Treffens sehr wechselhaft war. Zunächst wuchs es. Und zwar kräftig. Schon im Januar 1966, zehn Jahre nach dem ersten Treffen in einer kleinen, dampfigen Gaststube, kamen rund 10.000 Besucher an den Ring. Damals schon etliche „tollkühne Kerle in vierrädrigen Kisten“, wie Leverkus anschließend ironisch formulierte. Doch immer noch war die Mehrheit ehrenhaft frierend auf zwei oder drei Rädern angereist. Aber die Szene veränderte sich. Und mit ihr die Szenerie beim Elefantentreffen am Ring.

Das vorläufige Ende

Mit den 70ern kamen in Deutschland die Rockerclubs auf. Das Motorrad wandelte sich vom „Arme-Leute-Vehikel“ zum „Böse-Buben­-Bike“. Statt des sinnbildlichen Benzins hatten viele bloß noch zu viel Alkohol im Blut. Polizei war überall präsent, schließlich schoss sich bereits die zweite Generation der RAF durch Deutschland. Und so knallte es, wenn auch nicht politisch motiviert, auch beim Elefantentreffen 1977: Während einer Bierzeltschlägerei feuerte einer der eingesetzten Polizisten einen Warnschuss in die Luft. (Andere Quellen berichten, dem Mann wäre die Dienstwaffe entrissen worden, dann hätte sich daraus der Schuss gelöst.) Die Kugel prallte von einem eisernen Zeltpfosten ab und traf einen Besucher. Der Mann verblutete. Auch MOTORRAD forderte danach: „Macht Schluss mit dem Treffen!“ Es war das vorläufige Ende.

Und der endgültige Abschied von seinem Gründer. Denn für die Folgejahre war das Treffen an den Salzburgring verlegt worden, weitab von allen Ballungsgebieten. Es blieb friedlich, es wuchs wieder – und auch die Feierlaune war bald wieder da. Aber sie war anders als der Spirit aus den 60er-Jahren. Das jedenfalls stieß Ernst „Klacks“ Leverkus mächtig sauer auf, als er mit seiner Frau Inge im Beiwagen am Salzburgring ankam: „Das Erste, was wir sahen“, erinnerten sich die beiden noch viele Jahre später, „waren ein paar Schnapsleichen. Ich habe den Motor nicht mal ausgemacht, bin einfach umgedreht und schnurstracks wieder heimgefahren. Das war 1981“, erinnerte er sich knapp 15 Jahre später. „Sie haben ein Schützenfest draus gemacht“, war die enttäuschte Bilanz des Mannes, der feststellen musste, dass diese Szene einfach nicht mehr die seine war. Ein Generationenwechsel hatte stattgefunden.

Heute in Thurmansbang und am Nürburgring

Umso erstaunlicher, wie generationenübergreifend sich das Elefantentreffen seither zeigt. Und zwar gleich zweifach. 1989 war das Elefantentreffen nach Querelen mit den örtlichen Behörden aus Österreich weg auf das Gelände des Stockcar-Clubs von Solla unterhalb des Weilers Loh gezogen. Hier, in der niederbayerischen Gemeinde Thurmansbang tief im Bayerischen Wald, findet das Treffen seither statt. Es wird jedes Jahr Ende Januar oder Anfang Februar vom BVDM organisiert, dem 1958 unter anderem von Ernst „Klacks“ Leverkus ins Leben gerufenen Verein.

Und als „Altes Elefantentreffen“ hatte es 1990 als eine Art Parallelveranstaltung auch wieder am Nürburgring Fuß gefasst. Das „Alte Elefantentreffen“ findet seither jedes Jahr auf dem Gelände des dortigen Campingplatzes statt, meistens zwei Wochen nach Thurmansbang, aber nie gleichzeitig. Es gilt als etwas kleiner als das Treffen im „Hexenkessel“ von Solla/Loh – und als familiärer.

Improvisation gegen Matsch und Kälte ist Pflicht

Doch die Spielregeln sind ziemlich dieselben: keine Autos auf dem Platz, Feuerwerkskörper jeglicher Art sind verboten, und die Teilnehmer selbst sind im Wesentlichen auch schon das Programm. Improvisation gegen Matsch und Kälte ist Pflicht, Dabeisein ist alles – und der Spaß kommt am Lagerfeuer ganz von allein. Ein neuerlicher Generationenwechsel ist übrigens nicht in Sicht. Von 16 bis 66 und älter sind die Teilnehmer bei beiden Treffen.

Und Ernst „Klacks“ Leverkus? Der gebürtige Rheinländer und ehemalige MOTORRAD-Tester verstarb 1998 mit 75 Jahren in seiner Wahlheimat Althütte bei Stuttgart. Er war nach 1981 auf keinem Elefantentreffen mehr gewesen. Sein Andenken wird aber immer noch hochgehalten: Auch 60 Jahre nach dem ersten Treffen hing sein Foto 2016 wie all die Jahre zuvor im Organisationsbüro des BVDM-Elefantentreffens im Bayerischen Wald.

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