Auf Achse: Yamaha XJ 650

Auf Achse: Yamaha XJ 650 Schöne Aussichten

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Die Yamaha XJ 650 begeisterte vor knapp 30 Jahren die Motorradszene und überzeugt bis heute.

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Ein Kind der 80er-Jahre: die Yamaha XJ 650.

"Sie protzt weder mit ausgefallener Technik noch mit überflüssigen Gags. Aber die konsequente Verwendung von Bewährtem, geschickt aufeinander abgestimmt, ergibt ein rundum geglücktes Motorrad." Mit dieser treffenden Zusammenfassung brachte MOTORRAD-Redakteur Peter Maierbacher in Heft 6/1980 den Charakter der Yamaha XJ 650, Typen­kürzel 4K0, auf den Punkt.

Tatsächlich setzte sich die neue Baureihe, die als Ablösung der XS-Modelle gedacht war, von Anfang an in Szene. Von den Yamaha-Strategen als sportliches, leistungsfähiges Motorrad bezeichnet, griffen aber vermehrt Alltags- und Tourenfahrer auf das Angebot zurück. Der wartungsfreie Kardanantrieb war für viele Motorradfahrer Argument genug. Zwar hatten die O-Ring-Ketten bereits Einzug gehalten, doch das ewige Salben war immer noch ein lästiger Akt. Von den verschmutzten Rädern und Fahrwerken ganz zu schweigen. Der XJ 650-Motor weist einige bestaunenswerte Details auf: Um die Baulänge einzugrenzen, verlegten die Yamaha-Techniker die Getriebeausgangswelle unter die Eingangswelle – eine Lösung, welche die Hersteller heute bei Sportmaschinen als revolutionäre Konstruktion verkaufen.

Dem Bestreben, den Vierzylinder so kompakt und schmal wie möglich zu bauen, folgte die über eine Zahnkette angetriebene Huckepack-Lichtmaschine, die hinter der Zylinderbank platziert ist. Auf eine vibrationshemmende Ausgleichwelle verzichteten die Konstrukteure; gegen hochfrequente Schwingungen entkoppelten an der vorderen Motoraufhängung üppige Gummilager den Motor vom Rahmen. Was nichts daran änderte, dass der luftgekühlte Reihenvierer bei Drehzahlen über 7000/min Lenker und Rasten mit Kribbeln überzieht.

Will man die Versprechungen von Yamaha auf die Probe stellen und die XJ 650 sportlich bewegen, geht ohne hohe Drehzahlen nicht viel. Für satte Durchzugskraft fehlt es dem Zweiventiler zum einen an Hubraum, zum anderen verlangen die 72 PS bei 9000/min eine Motorauslegung, die sich eher an der Höchstleistung als an einem breiten nutzbaren Drehmomentband orientiert. Denn für einen luftgekühlten Zweiventiler, der auch noch die Geräuschgrenzwerte erfüllt, sind die spezifischen 110 PS pro Liter Hubraum ein strammer Wert. Zum Vergleich: die ein Jahr später erschienene Honda CB 750 F (RC 04/1981) brachte es trotz Hubraumvorteil und vier Ventilen pro Zylinder auf 79 PS bei ebenfalls 9000/min. Das entspricht sogar nur 105 PS pro 1000 cm³.

Erst bei späteren Baujahren der XJ 650-Modelle verwendeten die Yamaha-Techniker das YICS, das in Sachen Leistung und Drehmoment Vorteile bringen sollte. Hinter dem Yamaha Induction Control System verbarg sich ein Interferenz-System, bei dem jeder Zylinder beim Ansaugtakt  Frischgas aus den drei anderen Ansaugkanälen absaugte. Der Eintritt in den Einlasskanal war schräg ausgerichtet und sollte einen Drall, somit eine bessere Verwirbelung des Kraftstoff-Luftgemischs bewirken.

Keine Frage hingegen bei der Vergaserwahl der ersten XJ 650: Die großen 32-mm-Durchmesser der anfänglich verbauten Hitachi-Gleichdruckvergaser dürften maßgeblich zur strammen Höchstleistung beitragen. Eine kontaktlose Transistorzündung entflammte das Gemisch punktgenau. Bei der Ventilsteuerung griff Yamaha auf das damals übliche Bauprinzip mit zwei oben liegenden Nockenwellen und Tassenstößeln mit außen liegenden Shims zur Ventilspielkorrektur zurück. Damit der luftgekühlte Vierzylinder auch unter sommerlichen Temperaturen keinen Hitzekollaps erleidet, liegt unterhalb des massiv verstärkten Lenkkopfs ein Ölkühler, der die Hitze von thermisch hochbelasteten Motorsektionen ableitet und das Schmiermittel auch als Kühlmittel nutzt. Schließlich nagt übermäßige Wärme nicht nur an der Standfestigkeit, sondern auch an der Motorleistung. Dass hingegen der Kardan viel Leistung fressen sollte, bleibt ein Gerücht. Zwar wird der Kraftfluss über zwei Winkeltriebe um 90 Grad umgelenkt, doch der Wirkungsgrad, so versicherten die Yamaha Ingenieure schon 1980, sei nur marginal schlechter als bei einem Kettenantrieb in optimalem, also neuwertigem und perfekt geschmiertem Zustand.

Fahreindruck

Dass die versprochene Motorleistung nicht nur auf dem Papier, sondern auch am Hinterrad vorhanden war, zeigen die Fahrleistungen. Mit beeindruckenden 197 km/h rannte die XJ 650 bei der Typenprüfung des TÜV durch die Lichtschranke. Helm auf und ab die Post. "Schon nach wenigen Metern begeistert die Sitzposition, die Höhe stimmt auch, der wohlgeformte Lenker liegt genau richtig." Peter Maierbachers Eindruck stimmt 30 Jahre später immer noch. Zur Ergänzung darf erwähnt werden, dass die XJ beim Wenden, Rangieren und Fahren bei Schrittgeschwindigkeit eine heutzutage oft vermisste, spielerische Leichtigkeit an den Tag legt. Und das bei einem Gewicht von 230 Kilogramm


"Weder das Einleiten von Kurven noch das Halten in Schräglage erfordert Kraftaufwand. Völlig neutral nimmt sie Biegungen aller Art, ob eckig oder langgezogen." kommentierte der Redakteur 1980 die durchaus sportliche Note der XJ 650. Träger wird sie erst, wenn man sie jenseits von 100 km/h durch Wechselkurven bugsiert und die Kreiselkräfte der schweren Gussräder die Vorteile der schmalen Bereifung egalisieren.


Auf heftig onduliertem Asphalt quittieren die serienmäßigen Feder-/Dämpferelemente gelegentlich den Dienst und trampeln trotzig durch Schlaglöcher und Frostaufbrüche. Auch hier zeigten die niederländischen Koni-Federbeine Wirkung: Speziell Tourenfahrer erreichten damit eine passable Fahrstabilität und mehr Federungskomfort bei voller Zuladung.

Mit 19,5 Litern Tankinhalt genügte die Reichweite der XJ 650 den gehobenen Ansprüchen der Tourenfraktion. Der riesige H4-Schweinwerfer, der akzeptable Soziusplatz und die große, noch mit Beladung ausreichende Schräglagenfreiheit sangen dasselbe Lied.


Immer wieder erstaunlich, wie die japanischen Techniker damals ihre Kardanmaschinen in Sachen Fahr- und Federungseigenschaften kultivieren konnten. Auch ohne aufwendige Momentabstützung hält sich der Fahrstuhl-Effekt der XJ in Grenzen. Was natürlich auch damit zusammenhängt, dass der Federweg hinten mit nicht einmal 100 mm recht knapp bemessen ist und dem Auf und Ab des Kardans wenig Freiheit einräumt.

"Sicher und fadingfrei verzögert die Brems­anlage. Völlig ohne Tadel wäre die Doppelscheibenbremse, wenn sie weniger Handkraft bräuchte. Erstaunlich gut funktioniert die Trommelbremse, fein dosierbar und von guter Wirkung." Womit der Auszug aus MOTORRAD 6/1980 auch das Thema Bremsen beleuchtet hat. Aus technischer Sicht ist es kein Wunder, dass sich die Einkolben-Schwimmsättel mit 230 Kilogramm Gewicht schwer tun. Sie wirken auf kleine 267er-Scheiben mit entsprechendem Übersetzungsverhältnis.

Nicht nur in Sachen Leistung und Fahrverhalten setzte die XJ 650 Maßstäbe, auch der MOTORRAD-Langstreckentest über 40 000 Kilometer zeugte von einem hohem Qualitätsstandard. Lediglich ein gebrochener Kolbenring hinterließ Kompressionsverlust und ein paar Fragezeichen. Aber sonst: Alles tiptop. Dieses Motorradkonzept bereitet noch heute viel Freude (www.xj650.de), und viele Motorradfahrer wünschen sich sehnlichst eine moderne Wiederauflage.

Technische Daten

Zeichnung: Werk
Zwei oben liegende Nockenwellen, Tassenstößel; die Getriebewellen rotieren übereinander.

Yamaha XJ 650

Motor: luftgekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung; Bohrung 63 mm, Hub 52,4 mm, Hubraum 653 cm³, Verdichtung 9,2 : 1, 72 PS bei 9000/min, 59 Nm bei 7500/min, Gemischaufbereitung, vier Hitachi-Gleichdruckvergaser, Ø 32 mm

Elektrische Anlage: E-Starter, atterie 12 V, 12 Ah, kontaktlose Transistorzündung, Lichtmaschine 12 V, 260 W

Kraftübertragung: Mehrscheiben-Ölbadkupplung, klauengeschaltetes Fünfganggetriebe, Getriebeübersetzung 2,178/2,500/1,153/0,933/0,821, Sekundärantrieb: Kardan

Fahrwerk: Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, vorn hydraulisch gedämpfte Telegabel, hinten Zweiarmschwinge mit zwei hydraulisch gedämpften Federbeinen, Federweg vorn/hinten 150/96 mm, Alu-Gussräder mit Doppelspeichen, Reifen vorn 3.25 H 19, Reifen hinten 120/90 H 18, vorn Doppelscheibenbremse, 267 mm, mit Einkolben-Schwimmsatten, hinten Simplex-Trommelbremse, 180 mm

Maße und Gewicht: Radstand 1442 mm, Gewicht 230 kg, Tankinhalt 19,5 Liter

Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 197 km/h

Preis: 7015 Mark (1980)

Hersteller: Yamaha Motor Co. Lrd., Shizuoka-Ken/Japan

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