Kultbike Yamaha XJ 900
Vom Sportler zum Tourer

Wie bequem es zwischen allen Stühlen sein kann, bewies Yamaha mit der viel zu spät angetretenen Gegnerin von Hondas 900er-Bol-d’Or, der Yamaha XJ 900.

Vom Sportler zum Tourer
Foto: www.bilski-fotografie.de
Die Lenkerverkleidung sorgte beim Premierenmodell für Unruhe.

Ende der 70er hatte Yamaha unter Schmerzen endlich sein Viertaktprogramm etabliert. Von Ein- bis Vierzylinder hielten die Dinger und, schöner noch, fuhren prima Gewinne ein. Da wäre eine Verschnaufpause gerade recht gewesen. Doch Herr Honda hatte andere Pläne, hämmerte die epochale CB 900 Bol d’Or sowie deren 1100er-Big-Bike-Schwester auf den Markt – und schon stand Yamaha wieder im Hemd da. Immerhin sammelte die wunderbare XJ 650 ab 1980 in der oberen Mittelklasse fleißig Punkte, zwei Jahre später von einer nur in den USA erfolgreichen 750er namens Seca assistiert. Dann der Befreiungsschlag: Fünf Jahre nach ­Honda brachte Yamaha 1983 die sportliche Yamaha XJ 900.

Kompletten Artikel kaufen
Kultbike Yamaha XJ 900
Vom Sportler zum Tourer
Sie erhalten den kompletten Artikel (2 Seiten) als PDF
2,00 € | Jetzt kaufen

Werbeslogan: Unser Motorrad des Jahres. Befreiungsschlag? Nur 853 cm³ seien beim von der Seca übernommenen Motorgehäuse zu holen, hieß es, zwei Ventile pro Zylinder mussten genügen, ein Kardanantrieb galt nicht eben als sportlich. Schmal war die Yamaha XJ 900 immerhin geraten, denn wie von der 650er vorgelebt, trug sie Lichtmaschine und Anlasser huckepack über dem Getriebegehäuse. 48 Zentimeter – weniger konnten damals nur Twins. Kupplung, Ölpumpe und Getriebe entlieh sie der fast ebenso kräftigen XJ 650 Turbo. Obwohl Bol d’Or wie XJ 900 mit 85 PS auf dem Prüfstand deutlich unter ihrer Nennleistung blieben, zog die Yamaha meist davon. Der Grund: Sie war die Leichteste ihrer Klasse. Mit 244 Kilo.

Erfolgskarriere als Kardantourer

Bereits 1985, als Suzukis GSX-R 750 und Yamahas FZ 750 debütierten, wurde die Yamaha XJ 900 beim Sportverein abgemeldet. In der Ketten verachtenden Reisefrak­tion jedoch, da hatte sich herumgesprochen, wie kultiviert und elastisch ihr Vierzylinder läuft, wie anspruchslos und solide er Zehntausende Kilometer abspulte. Seit die anfangs lenkerfeste kleine Verkleidung sich am Rahmen festklammerte, nahmen die Klagen über Hochgeschwindigkeitspendeln drastisch ab, obendrein stimmte der Preis. Yamaha erkannte diese Zeichen, baute die Verkleidung zur Halbschale aus, erhöhte – geht doch! – auf 892 cm³ und nominell 98 PS sowie mehr Drehmoment im mittleren Drehzahlbereich.

Das passte, und zwar so gut, dass die nun parallel angebotene unverkleidete Variante beinahe unterging. Man hatte sich wohl darauf geeinigt, eine Yamaha XJ 900 als maximal praktisch zu betrachten. Da gehörte ein Windschutz unbedingt dazu, schon wegen möglichst hoher Autobahnschnitte. Ihre Besatzung wohlig wiegend, sparsam, schnell genug und grundsolide, schlich sich diese Yamaha Kilometer für Kilometer aus dem Rampenlicht und schlug eine Erfolgskarriere als Kardantourer ein. Die dauerte bis 1994. Elf Jahre Bauzeit, das schafft kein Sportler dieser Welt.

Infos zur Yamaha XJ 900

Konventioneller ja, aber schlechter als eine BMW K 100? Viele Touristen meinten: nein. Recht hatten sie.

Technische Daten (Yamaha XJ 900 Modell 31A von 1983):

Luftgekühlter Vierzylinder-Viertakt-dohc-Reihenmotor, je zwei Ventile pro Zylinder, 853 cm³, 71 kW (97 PS) bei 9000/min, 80 Nm bei 7500/min, Fünfganggetriebe, Kardanantrieb, Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr, Gewicht vollgetankt 244 kg, Reifen vorn 110/90 x 18, hinten 120/90 x 18, Tankinhalt 22 Liter, Höchstgeschwindigkeit liegend 211 km/h, 0–100 km/h in 4,0 sek.

Szene: Mit 14.240 Einheiten zählt die Yamaha XJ 900 in Deutschland nicht nur zu den wirklich gut verkauften Big Bikes, sondern ist knapp vor der 650er auch die bestverkaufte XJ. Erst 1994 wurde sie von der XJ 900 Diversion abgelöst, die aber den bewährten Motor übernahm. Mehr Wertschätzung geht eigentlich nicht. Noch immer ist sie recht häufig anzutreffen, akzeptable Gebrauchte notieren ab rund 1000 Euro, gute deutlich mehr. Während sie werkstattmäßig beim Yamaha-Händler weiterhin prima aufgehoben ist, macht die Ersatzteilversorgung allmählich Sorgen – beim Kauf unbedingt auf einen guten Auspuff achten.

Info: Wer tiefer in die Technik einsteigen will, dem sei die Reparaturanleitung des Bucheli-Verlags empfohlen (Preis: 39,90 Euro). Viele Tipps und Infos zum Thema verbreitet die XJ-Fangemeinde unter www.xj-forum.de sowie unter www.xj-ig.de.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023