Steve McQueens verschollener Desert Racer ersteht als Replika in Kleinserie wieder auf. Er beeindruckt mit einzigartigem Charakter.
Steve McQueens verschollener Desert Racer ersteht als Replika in Kleinserie wieder auf. Er beeindruckt mit einzigartigem Charakter.
Knapp 30 Jahre nach Steve McQueens Tod ist die Faszination seiner Persönlichkeit ungebrochen. Gegenstände aus dem Nachlass des Schauspielers erzielten 2008 beachtliche Preise. Seine Belstaff-Motorradjacke wurde für 32 000 US-Dollar versteigert; die blau getönte Persol-Sonnebrille, die er in "Thomas Crown ist nicht zu fassen" trägt, erreichte 70 000. Auf stolze 2,3 Mio. brachte es sein Ferrari Berlinetta Lusso. Dagegen mutet der Neupreis von 19 500 Dollar für eine Replika seiner Rickman Métisse Desert Racer an wie Taschengeld.
Das Original erstand Motorradenthusiast McQueen 1966 bei den Rickman-Brüdern im südenglischen New Milton. Rund 200 Motorräder soll der Schauspieler und engagierte Rennfahrer zu Lebzeiten besessen haben. Doch die Maschine mit dem Triumph TR6-Twin und dem vernickelten Métisse Mk III-Rahmen hatte es ihm besonders angetan. Der Offroad-Begeisterte setzte die Maschine auf Wüstenrennen an der US-Westküste ein, zum Beispiel der Baja California – sehr zum Leidwesen seiner Filmproduzenten, die ihm das Motorradfahren am liebsten verboten hätten.
In der 1966er-Novemberausgabe der "Popular Science" schwärmte Steve McQueen bei einem Vergleichstest von seinem Desert Racer: "Die Maschine ist ihrer Zeit weit voraus. Sie benötigt keinen Öltank mehr, weil das Motoröl im Rahmen zirkuliert und so optimal gekühlt wird. Und die Kraft der Maschine – einfach gigantisch! Ich liebe die großen Viertaktmotoren, aber in einem leichten und handlichen Fahrwerk. Tank und Schutzbleche aus Fiberglas halten das Gewicht niedrig, und die Ceriani-Gabel bügelt alle Unebenheiten weg. Bei Sprüngen habe ich schon so manchen Lenker verbogen." Hier spricht sein berühmtes Motto: "Racing is life – the rest is just waiting".
Vor einigen Jahren bat der Baumaschinen-Mogul Anthony Bamford Gerry Lisi von Métisse Motorcycles, eine Replika von McQueens Mk III Métisse zu bauen. Bamford fährt zwar nicht Motorrad, ist aber ein Fan des Schauspielers, den er bei Autorennen kennenlernte: Bamford unterhält ein Rennteam.
Diese erste Replika stand in einem Londoner Showroom und sorgte für zahlreiche Anfragen. Doch Bamford wollte die Maschine nicht verkaufen. Daraufhin nahm Lisi Kontakt zu McQueens Sohn Chad auf und begeisterte ihn dafür, eine Replika der Rickman-Métisse in Kleinserie zu produzieren. Chad stimmte zu, den Namen seines Vaters für dieses Projekt zu verwenden. 300 Desert Racer-Replikas will Lisi bauen, viele Aufträge sind schon eingegangen.
Fünf Scouts tragen im Auftrag von Métisse Motorcycles 300 Triumph TR6-Motoren aus den USA und Kanada zusammen und besorgen die original BSA-Hinterradnaben, die in McQueens Maschine verbaut war. Alle übrigen Teile fertigt das Unternehmen neu an. Besonderen Wert legt Lisi auf Detailtreue: Zum Einsatz kommen nur Teile, die auch McQueen favorisierte, zum Beispiel die massiven verchromten Fußrasten. Métisse lackiert die Maschine in jenem markanten "Battleship Grey", das auch die Desert Racer zierte.
Eine Maschine konnte ich auf dem Country-Club-Gelände neben der Métisse-Manufaktur Probe fahren. Vorne arbeitet eine 35er-Ceriani-Gabel mit 190 mm Federweg, hinten moderne Hagon-Federbeine, die den originalen Girling-Dämpfern nachempfunden sind. Eine 7-Zoll-Triumph-Trommelbremse vorne und eine BSA-Trommel gleicher Größe hinten sorgen für die Verzögerung.
Das einzige Zugeständnis an die Moderne ist eine elektronische Boyer Bransden-CDI-Zündung, wie sie Triumph erst in den 70er-Jahren einsetzte. Sie ist zuverlässiger als die Kontaktzündung der TR6.
Die Startprozedur wirkt archaisch, ein Choke ist nicht vorhanden. Zunächst muss der Amal Concentric-Vergaser reichlich geflutet werden, um dem Twin ein Lebenszeichen zu entlocken. Nach zwei, drei herzhaften Tritten auf den Kickstarter erwacht der Motor zum Leben und schießt ungedämpften Sound durch die Krümmer. Der Desert Racer ist auf das Nötigste reduziert: Wer braucht in der Wüste schon einen Schalldämpfer, Licht oder Armaturen? Für 19 500 Dollar bekommt der Käufer ein derbes Krawall-Bike zum überall hinfahren, das so politisch inkorrekt ist, dass auf seinem Tank ein Warnhinweis prangen müsste.
Der kompakte Motor gibt der Métisse eine schlanke Figur. Sie ist für einen Reihentwin ausgesprochen handlich; der breite, leicht nach hinten geschwungene Lenker bietet eine angenehm aufrechte Sitzposition.
Auch ohne Ausgleichswelle glänzt der von Triumph-Spezialist Bill Thompson überarbeitete Motor mit Laufruhe. Er wirkt auch für heutige Verhältnisse ordentlich druckvoll: Frei von jeglicher Anstrengung zieht er aus tiefen Sandlöchern heraus, ohne das Vierganggetriebe über Gebühr strapazieren zu müssen. Die Trommelbremse im Vorderrad reicht fürs Gelände; die hintere ist auch auf Asphalt tauglich. Über die Höchstgeschwindigkeit kann ich keine Aussage machen, das Motorrad hat ja keinen Tacho. Zumindest entwickelt die Maschine oben heraus ehrbare Leistung, sicher genug für einen schnellen Ritt von Bastow nach Vegas, wie damals in den 60er-Jahren.
Technische Daten Métisse Triumph Steve McQueen Replica | |
Motor | |
Bauart | Luftgekühlter Zweizylinder-Parallel-Twin, zwei Ventile pro Zylinder, über Stoßstangen betätigt |
Bohrung | 71 mm |
Hub | 82 mm |
Hubraum | 649 cm³ |
Verdichtung | 9 : 1 |
Leistung | 48 PS bei 6700/min |
Gemischaufbereitung | Amal R 930/23-Vergaser, Ø 23 mm |
Elektrische Anlage | |
Zündung | CDI, Boyer Bransden |
Kraftübertragung | |
Kupplung | Mehrscheiben-Ölbad |
Getriebe | Vierganggetriebe |
Fahrwerk | |
Rahmenbauart | Doppelschleifen-Rahmen mit integriertem Öltank |
Radführung vorn | Telegabel, Ceriani, Standrohr-Ø 35 mm |
Radführung hinten | Zweiarmschwinge aus Stahl, Hagon-Federbeine |
Maße und Gewichte | |
Gewicht | 135 kg |
Hersteller | www.metisse-motorcycles.com |
Derek (links) und Don Rickman (rechts) wurden in den 50er- und 60er-Jahren nicht nur durch ihre sportlichen Erfolge berühmt. Vor allem mit der Entwicklung leichter Geländemaschinen leisteten sie Pionierarbeit im Motocross. Die Brüder optimierten ihre Motorräder schon immer selbst und erprobten technische Umbauten direkt in den Rennen. Ihr erster Eigenbau war ein Mix aus BSA Goldstar-Rahmen mit getuntem Triumph T 100-Motor, Norton-Gabel und selbst angefertigten Teilen aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Sie gaben ihm den Namen Métisse – das französische Wort für Bastard. Mit dieser 1959 entwickelten Rickman Métisse Mk I errang Derek noch im selben Jahr den Sieg beim Motocross der Nationen. Und kurz darauf galten die Brüder auf ihren kompromisslosen Eigenbauten als unschlagbar. 1960 stellten sie die Métisse Mk II auf die Räder und arbeiteten parallel an einer leichteren Rahmenkonstruktion, die sie 1962 als Métisse Mk III vorstellten.
Haupmerkmal des vernickelten Rahmens aus 531er-Reynolds-Rohren war der in die Rahmenrohre integrierte Öltank. Bis Mitte der 60er-Jahre galten die Rickman Métisse-Motorräder als die leichtesten und schnellsten Geländemaschinen. Als die Konkurrenz immer größer wurde, sattelten Derek und Don um auf Straßenrennen. Mit ihrer 1966 vorgestellten ersten Métisse-Rennmaschine begann die zweite große Ära der Brüder. 1983 übernahm Pat Frenchs MRD Concern die Rechte zur Produktion der Métisse-Rahmen. 1999 tat er sich mit Gerry Lisi zusammen und gründete Métisse Motorcycles. Späte Ehrung erhielten Don und Derek 2007 durch die Aufnahme in die "Hall of Fame" der AMA.
Steve McQueen wurde am 24. März 1930 in Beeche Grove, Indiana/USA, geboren. In den 1960er- und 1970er-Jahren galt er als einer der gefragtesten Schauspieler. Zu seinen bekanntesten Filme zählen "Die glorreichen Sieben" (1960), "Gesprengte Ketten" (1963), "Bullitt" (1968) und "Thomas Crown ist nicht zu fassen" (1968). Der Motorrad- und Autofan besaß eine umfangreiche Fahrzeugsammlung und fuhr selbst Rennen. In einem Porsche 908 erzielte er 1970 beim 12-Stunden-Rennen von Sebring den zweiten Platz.
Besonders angetan hatten es ihm jedoch die Wüstenrennen an der Westküste der Vereinigten Staaten, wie das 1000-Meilen-Spektakel Baja California. 1964 stand McQueen als Mitglied der US-amerikanischen Nationalmannschaft bei der Internationalen Sechstagesfahrt in Erfurt am Start. Der exzentrische Schauspieler war dafür bekannt, dass er Auto- und Motorradstunts in seinen Filmen selbst übernahm. Legendär ist die minutenlange Verfolgungsjagd durch die Straßen von San Franzisco in dem Film "Bullitt". Und in "Gesprengte Ketten" flüchtet er auf einer Triumph TR6 vor den Nazis, nur den berühmten Sprung mit dem Motorad über den Stacheldrahtzaun übernahm ein Stuntman. Steve McQueen starb 1980 nach einer Krebsoperation an einem Herzinfarkt.