Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre war die Jawa 553 erste Wahl für die Gelände-Fahrer aus dem Ostblock. Erfolge bei den Six Days und bei internationalen Gelände-Wettbewerben zeigten das Potenzial der tschechischen Zweitakter.
Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre war die Jawa 553 erste Wahl für die Gelände-Fahrer aus dem Ostblock. Erfolge bei den Six Days und bei internationalen Gelände-Wettbewerben zeigten das Potenzial der tschechischen Zweitakter.
Unter dem grauen Schnurrbart sehe ich ein schelmisches Grinsen, die Augen strahlen inmitten der Falten des gereiften Männergesichts wie die eines Kindes. Es ist immer dasselbe, wenn ein ehemaliger Rennfahrer wieder jenes Motorrad fährt, mit dem er den Höhepunkt seiner Karriere erlebt hat. „War es okay für die Fotos, oder soll ich schneller fahren?“, fragt István Nyitray. Der Ungar, der in der Oldtimer-Szene vor allem durch seine Replica-Bremsanlagen und -Gabeln bekannt ist, fuhr vor über 50 Jahren Motocross und Enduro. Nun hat er seine alte Jawa 553 restauriert und dabei wieder in den Neuzustand versetzt.
Dafür hat er sich jedoch Zeit gelassen. Viel Zeit. Der erste Schritt erfolgte schon 1976, als Nyitray bei einem Besuch in Belgien im Sperrmüll zwei Räder entdeckte, die eindeutig zu einer Jawa-Enduro gehörten. Er nahm sie mit, ohne zu wissen, ob er sie jemals brauchen würde. Dann traf er 1998 ein paar Kollegen aus seinem einstigen Klub. Dabei stellte sich heraus, dass einer von ihnen bei der Klubauflösung die Überreste einer 250er-Jawa mitgenommen hatte. Nyitray hatte die Teile günstig bekommen, da sie unvollständig waren. Der Verkäufer konnte ja nicht wissen, dass Nyitray die fehlenden Räder bereits daheim liegen hatte. Auf dem Oldtimer-Markt in Brünn fanden sich dann noch Tank, Schutzbleche und Gabel.
So konnte Nyitray mit dem Aufbau des Fahrwerks beginnen. Den Motor gab er in die Hände eines Mechanikers aus dem Klub, der ihn mit den nötigen Neuteilen überholte. Nachfertigungen ermöglichten den Bau der Auspuffanlage. Auf Teilemärkten wiederum fand Nyitray die Jawa-Pionir-Lampe und den dazugehörigen Tacho. Deren kantiges Blechgehäuse fertigte er dagegen anhand zeitgenössischer Bilder selbst nach.
Nach Abschluss aller Schlosserarbeiten kümmerte sich ein Profi um die Lackierung und Linierung, die dank Farbkarte im originalen Lack erfolgte. „Das Ganze ist eigentlich immer nebenbei gelaufen, weil andere Projekte Priorität hatten“, erkärt Nyitray die Dauer der Restaurierung. Das Ergebnis kann sich dafür sehen lassen. Schließlich stehe ich nun vor einem historischen Original, das maßgeblichen Anteil daran hatte, dass Zweitakter zur Macht im Motorsport wurden. Jawa zählte nämlich zu den treibenden Kräften dieser Entwicklung.
Während in den 1950er-Jahren die Italiener und die Engländer die Gelände-Wettbewerbe mit Einzylinder-Viertaktern dominierten, favorisierten einige deutsche Werke sowohl östlich als auch westlich des Eisernen Vorhangs ebenso den Zweitakter wie Jawa und CZ. Die Basis für die 250er- und 350er-Jawa waren die 1947 unter dem Namen Perak („gefedert“) präsentierten Serienmaschinen. Diese waren die ersten Jawa-Modelle mit Hinterradschwinge. Und somit ein großer Fortschritt im Vergleich mit den 500er-ohc-Vorkriegsmodellen und deren Geradeweg-Hinterradfederung oder gar den kleinen Modellen mit Pressblech-Rahmen sowie starrer Hinterradaufhängung.
Den neuen Rahmen schweißte man aus Vierkantprofilen zusammen. Die Zweitaktmotoren waren langhubig ausgelegt. Der 250er-Einzylinder hatte bei 65 Millimetern Bohrung 75 Millimeter Hub, beim 350er-Zweizylinder betrug die Bohrung 58 Millimeter, beim Hub waren es 65. Im Gegensatz zur Straßen-350er mit 180 Grad Hubzapfenversatz war die Gelände-Version ein Parallel-Twin.
Jawas Serien- und Straßen-Rennmaschinen besaßen damals 16-Zoll-Räder. Bei der Geländesport-Variante maßen sie vorn 21, hinten 19 Zoll. Zur Verstärkung des Gelände-Rahmens wurden unter dem Motor zwei zusätzliche Rohre eingeschweißt, die vom zentralen Unterzug v-förmig zur Aufhängung der Fußrasten führten. Die weiteren Unterschiede im Vergleich zu den Serienmaschinen waren nur schmalere Schutzbleche, ein Solositz und der breitere Lenker.
Bei der Enduro wurde der kleine Scheinwerfer des Pionir-Mopeds verbaut, dieser wurde auf einen eckigen Blechkasten aufgesetzt. Hinten saß auf einem leicht gekürzten Schutzblech das Rücklicht der Straßenmaschine. Bei den Motocross-Modellen fehlte der Scheinwerfer, außerdem wurde das vordere Schutzblech höher gesetzt.
Gegenüber der Serien-250er mit der Typenbezeichnung 353 wurde bei der Geländemaschine des Typs 553 statt des 24er-Jikov-Vergasers einer mit 28 Millimetern Durchlass verbaut. Eine höhere Verdichtung, geänderte Kanäle und der modifizierte Auspuff brachten eine deutliche Leistungssteigerung. Aus den zwölf PS des Serien-Krads wurden im Enduro-Trimm zunächst 18 PS, am Ende der Entwicklung der Jawa 553 waren es sogar 25 PS.
Bei dieser Entwicklung war Jaromír Cížek, Jawa-Werksfahrer und Motocross-Europameister 1958, eine große Hilfe. Neben großen Talenten als Rennfahrer hatte er auch solche als Entwickler. Seine Meister-Maschine besaß einen kurzhubigen Motor (Bohrung x Hub 70 x 64,5 mm), der Kolben stammte vom Jawa-Auto „Minor“.
Čižek war aber nicht der einzige Top-Fahrer der Tschechen. Die Internationale Sechstagefahrt 1958 in Garmisch-Partenkirchen wurde von der tschechoslowakischen Mannschaft auf ihren 250er- und 350er-Jawas gewonnen.
Anschließend führte CZ die Entwicklung der Zweitaktrenner weiter und läutete damit die große Revolution im Motocross ein, die im Gewinn des 500er-WM-Titels gipfelte. Die schweren Viertakter wurden von den Zweitaktern danach in Rente geschickt. Die Dominanz der Zweitakter im Gelände währte bis Mitte der 90er-Jahre, in der Motocross-Königsklasse sogar bis 2002!
Eine kurze Probefahrt mit der 250er zeigt mir, weshalb die Jawa 553 zu ihrer Zeit so erfolgreich war. Mit einem kräftigen Tritt zum Leben erweckt, gibt der Zweitakter schon bei Standgas mit kernigem, gleichmäßigem Gebell unmissverständlich zu verstehen, wer Herr im Ring ist. Gleich über Leerlaufdrehzahl schiebt er ordentlich an, um danach seine Leistung sehr gleichmäßig über ein überraschend breites Drehzahlband abzuliefern. Im Drehzahlkeller hatte so manche Straßen-250er jener Tage zwar ähnlich viel Dampf, oben raus aber bei Weitem nicht so viele Reserven. Kupplung und Schaltung arbeiten aus heutiger Sicht ziemlich hart und unpräzise, entsprachen einst jedoch genau den Anforderungen.
Auch beim Fahrwerk würden wir heute über die zu harten und unterdämpften Federelemente meckern. Damals konnten es allerdings auch die westlichen Hersteller nicht besser. Das gilt ebenso für die kleine Duplex-Trommelbremse, die trotz feiner Mechanik nur im Gelände eine einigermaßen ausreichende Wirkung zeigt, sich allerdings prima dosieren lässt. Beispielhaft auf Offroad-Pisten ist dafür der Geradeauslauf der Jawa 553, weder Spurrillen noch Bodenwellen bringen sie aus der Fassung. Zusammen mit der gut einsetzbaren Leistung des Motors findet man schnell Vertrauen zu dem Motorrad, das ausgesprochen leicht zu beherrschen ist.
Deswegen wurde aus dieser restaurierten Jawa 553 kein Schaustück für die Vitrine. An schönen Wochenenden bewegt sie ihr Eigner dank Oldtimer-Zulassung auf beschaulichen Nebenstraßen, ab und an geht er mit ihr aber auch ins Gelände. „Mit ihr tourt es sich richtig gut“, verrät Nyitray. Allerdings hat er hierzu sämtliche Sargnägel von einst eliminiert. „Die Schwäche der Jawa war vor 55 Jahren ihre Elektrik“, weiß er. „Die Relais im Regler sind ständig durchgeschmort, dann war der Ladestrom weg.
Weil in Tschechien viele alte Jawas laufen, haben Spezialisten für sie moderne Lichtmaschinen mit elektronischer Zündung entwickelt, die problemlos auf die Original-Grundplatte geschraubt werden. Damit fährt meine Jawa 553 so zuverlässig, dass ich mit ihr noch lange Spaß haben werde.“
Die Gelände-Jawas wurden nicht nur zu ihrer aktiven Zeit geschätzt. Heute hat sich wieder eine treue Fan-Gemeinde um die Spitzen-Zweitakter aus Pankrác geschart, obwohl sie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zeitweise völlig in Vergessenheit geraten waren.
Längst haben sich ihrer jedoch nicht nur Liebhaber aus Tschechien oder Osteuropa erinnert, sondern auch ehemalige Konkurrenten aus dem Westen, die sich mit der einst unschlagbaren weinroten Geländemaschine einen Traum erfüllt haben. Mit der Folge, dass die Preise in den letzten Jahren stark angezogen haben. Aber das ist nur gerecht. Denn bei dem durchdachten Geländerenner wurde wirklich vieles zu Gold, was glänzt.
Motor:
Kraftübertragung:
Fahrwerk:
Maße und Gewichte: