Sergio Lorenzini deutet mit der flachen Hand in Richtung der nächsten Rechtskehre und stampft mit dem Fuß auf den maroden Asphalt. „Wenn du dieses Schlagloch beim Bremsen erwischt hast, dann konntest du von der Ideallinie dort vorn nur noch träumen. “ Die Hand entspannt sich, winkt ab. Sergio muss es wissen. 21 Jahre lang hatte der 58-Jährige das Bergrennen von seiner Heimatstadt Levico Terme hinauf nach Vetriolo organisiert, stand oft selbst am Start.
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BMW R nineT, Honda CB 1100 EX, Triumph Thruxton, Yamaha XJR 1300 im Test
Retro-Bikes im Vergleich
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Bergrennen. Von den Fünfziger- bis in die Siebzigerjahre für viele Motorsportfans der Grand Prix vor der Haustür. In ganz Europa und erst recht hier am Fuß der italienischen Alpen. Doch weil Strohballen eben keine Kiesbetten ersetzen können, ist wenig von den Bergsprints geblieben. Von den meisten nur Erinnerungen, von wenigen noch Klassik-Veranstaltungen. Doch die Strecken existieren noch, meist als vergessene Landsträßchen, die sich den Berg hinaufschlängeln.
Eine Reise in die Vergangenheit
Sergio kennt sie alle, diese damaligen Rennstrecken auf Zeit rund um den Gardasee. Er führt uns zu den fünf populärsten. Eine Reise in die Vergangenheit. Passend zu diesen Maschinen, Retro-Bikes. Mit einer Formensprache, an der aufgeregt wechselnde Design-Trends abgleiten. Einer Technik, die sich dem Schneller, Höher und Weiter verschließt. Letztlich Konzepten, die in sich selbst ruhen.
Was heißt hier Ruhe? Peter lässt die BMW R nineT zügig laufen. Die verträumte Picknick-Ausbuchtung, früher der Startplatz für den Bergsprint zwischen Levico Terme und dem 1000 Meter höher gelegenen Vetriolo Terme, wischt nur im Augenwinkel vorbei. Auch am besagten Asphaltflicken vor der Rechtskehre schrammt Peter zielsicher vorbei, winkelt ein paar Meter später ambitioniert ab. Besinnliche Retrospektive scheint die R nineT ihrem Fahrer nicht zu vermitteln.
BMW R nineT platziert ihren Piloten weiter hinten
Form follows Function – an diese Zielvorgabe halten sich viele dezent motorisierte oder fahrwerksmäßig rudimentär ausgestattete Retro-Maschinen nicht. Anders die BMW, obwohl der erste Kontakt täuscht. Denn die BMW R nineT platziert ihren Piloten wie anno dunnemals weiter hinten, reckt ihm den konifizierten Lenker freundlich entgegen. Dennoch, allzu gemütlich wird’s nicht. Der relativ spitze Kniewinkel und das schmale, straff gepolsterte Sitzkissen ersticken nostalgische Anwandlungen im Keim.
Auch in den Kehren gibt sich die BMW R nineT alles andere als beschaulich. Trotz der zurückgesetzten Fahrposition bringt der Pilot in den Kurven genug Druck aufs Vorderrad, zieht blitzsauber die Linie, bremst vor der nächsten Kehre mit der bissigen Doppelscheibenanlage wie mit einem Anker – um am Kurvenscheitel von der Vergangenheit eingeholt zu werden. Allerdings im positiven Sinn.
Boxer stammt aus der R 1200 R
Denn weich setzt er ein, der luftgekühlte Boxer, der bis zum Jahr 2014 noch in der R 1200 R seinen Dienst tat. Tritt – auch wegen der kurzen Gesamtübersetzung – dennoch so kräftig an, als wolle er sich nachträglich vor seinem spritzigeren, aber aufgeregteren wassergekühlten Nachfolger rehabilitieren. Kräftig schiebt der 110 PS starke Flat-Twin das vollgetankt 222 Kilo schwere Gefährt den Bergrücken nach oben. Neun Serpentinen winden sich auf den 13 Kilometern zum 1500 Meter hoch gelegenen Zielort. Dass das restliche Trio bestehend aus Honda CB 1100 EX, Triumph Thruxton und Yamaha XJR 1300 Racer längst den Anschluss verloren hat, verwundert erstens nicht und gibt zweitens Zeit, das Bild der BMW R nineT zu komplettieren.
Denn den flotten Eckenwetz können viele Roadster bieten, das – nennen wir es mal – Schorsch-Meier-Feeling nicht. Im Wesentlichen verantworten der in Schwarz gehaltene Alu-Tank mit seinen gebürsteten Flanken und der Höcker (395 Euro Aufpreis) die klassische Anmutung. Den Rest ihrer Faszination schöpft die BMW R nineT aus den Details. Vom gebürsteten Ansaugschnorchel und aufpreispflichtigen Akrapovic-Doppelschalldämpfer bis hin zum auf den Lenkkopf genieteten Typenschild aus Blech zieht sich eine stilistische Harmonie über das ganze Motorrad. Kein Element wirkt überladen, jedes Teil hat eine Funktion. Ein Design, das nicht an konkrete historische Vorbilder anknüpft und sich deshalb die auffällige, massive Up-side-down-Gabel, das Zentralfederbein oder die mächtige, radial angeschlagene Doppelscheibenbremse leisten kann, ohne stilbrüchig zu wirken. Den stolzen Tarif von über 15.000 Euro wohl auch.
Honda CB 1100 EX orientiert sich an der legendären CB 750 Four
Mittlerweile ist auch der Rest der Gruppe eingetrudelt. Wir rollen dezent zu Tal, biegen auf die Schnellstraße in Richtung Trento ab. „You meet the nicest people on a Honda.“ Der populäre Werbeslogan des weltgrößten Motorradherstellers aus den 60er-Jahren will dem Autor partout nicht aus dem Kopf gehen. In der Tat, man fühlt sich gelassen und beschwingt auf der Honda CB 1100 EX. Ausgesprochen hoher Lenker, komfortable Federung, säuselnder Vierzylinder. Welch ein Unterschied zur BMW R nineT. Im Gegensatz zu der orientiert sich die Honda an einem konkreten Vorbild: der legendären 1969 erschienenen CB 750 Four.
Die Ausstrahlung des ältesten japanischen Serien-Vierzylinder-Bikes hat die Honda CB 1100 EX sicher getroffen, besonders in der im vergangenen Jahr aufgelegten EX-Version (11.990 Euro). Denn seitdem drehen sich Speichen- statt Gussräder stilecht zwischen den Standrohren der zierlichen Telegabel und den Schwingenholmen und sorgt ein zweiter Schalldämpfer für optische Symmetrie – wie damals die Vier-in-vier-Anlage der CB 750. Wen’s interessiert: Ein als Overdrive übersetzter sechster Gang senkt die Drehzahl auf der Bahn, ein um knapp zwei Liter auf 17,5 Liter vergrößerter Tankinhalt garantiert eine größere Reichweite. Was uns hier weniger kümmert.
CB 1100 EX 262 Kilogramm schwer
Kurz nach den letzten Häusern von Trento biegen wir scharf links Richtung Monte Bondone ab. Schlagartig verebbt der dichte Verkehr der Provinzhauptstadt. Auch am Trentiner Hausberg kennt der umtriebige Sergio jeden Meter. Schließlich war er es, der das legendäre Bergrennen im Jahr 2000 aus einem 18-jährigen Dornröschenschlaf erweckte. Der Kurvenspaß beginnt aber schon weit vor dem damaligen Startpunkt in Candriai. Bewaldet und mit meist gutem Belag, windet sich die Straße nach oben, bietet bereits im ersten Drittel kurz vor Sardagna den emotionalen Höhepunkt. Fast kreisförmig schlingt sich das Asphaltband um ein Plateau. Zum Glück sind die weichen Federn der Stereo-Federbeine der Honda CB 1100 EX bereits maximal vorgespannt. Dem Komfort schadet’s kein bisschen, doch schraddeln die in der Standardeinstellung früh aufsetzenden Fußrasten so ein paar Grad später über den Asphalt. Flink schraubt sich die Honda auf ihren schmalen 18-Zoll-Reifen nach oben, wirft sich verblüffend leicht von einer Schräglage in die nächste. Kein Mensch würde ahnen, dass das gute Stück mit 262 Kilogramm stolze 80 Pfund schwerer als die BMW R nineT ist.
Vielleicht auch, weil die Honda CB 1100 EX mit ihrem dünnen, verchromten Lenker, den stilechten Instrumenten und dem blütenweißen Tank eine besondere Grazilität ausstrahlt. Selbst der im Kurbelwellenbereich breit bauende, auf dem wassergekühlten Big Bike CB 1300 basierende Motorblock scheint unter der mit feinen Kühlrippen bewehrten Zylinderbank den Bauch einzuziehen. Dass ihm von seinem Drehzahlpotenzial von 8000/min im vierten Gang (Drehzahllimit 6700/min), im fünften (maximal 5800/min) und sechsten (maximal 5200/min) unnötig viel gekappt wird, spielt zumindest hier auf den schmalen Sträßchen im Trentino kaum eine Rolle. Bei der Gemütslage des Honda-Piloten sowieso nicht. Keinen Gedanken wird er am Ziel von Sergios damaligem Bergsprint, in Vaneze, an Bestzeiten verschwenden, sondern auf der Passhöhe umdrehen und auf der Abfahrt die Eindrücke der 19 überwältigenden Kilometer noch einmal entspannt genießen. Sie hatten damals doch recht. You meet the nicest people on a Honda.
Reiz der letzten Rille benötigen die Klassik-Bikes nicht
Wir lassen diesen imposanten Anstieg hinter uns, langweilen uns zunächst auf der Autostrada Richtung Süden. Bis Caprino Veronese sind es gut 80 Kilometer. Der Weg über den Monte Baldo wäre sicher unterhaltsamer, doch der viel beschäftigte Sergio drängt. Dolce far niente, das süße Nichtstun – für Sergio nur eine Legende aus vergangenen Tagen.
Wie das ehemalige Bergrennen von Caprino Veronese nach Spiazzi. Über eine Distanz von 9,5 Kilometern donnerten die wagemutigen PS-Ritter dort nach oben. „Durchschnitt 160 km/h, viel zu schnell“, winkt Alberto Gambini ab. Der 75-Jährige, der gegenüber dem ehemaligen Zielstrich am Ortseingang wohnt, engagierte sich bei den Rennen als Streckenposten. 2011 zum letzten Mal. Nach dem tödlichen Unfall eines Autorennfahrers wurde die Veranstaltung nicht mehr erlaubt.
Uns interessieren ohnehin nur die letzten sechs Kilometer der Strecke. In weiten Bögen schwingt sich der für Italien typische, rissige Asphalt den vergleichsweise sanften Hügel hoch. Wir halten uns trotz doppelter Leitplanken zurück. Den Reiz der letzten Rille benötigen die Klassik-Bikes sowieso nicht, um ihren Spirit zu vermitteln. Denn nach der sportlichen BMW R nineT und der beschwingten Honda CB 1100 schlägt die Triumph Thruxton ein weiteres Kapitel der Gefühlswelt auf.
Triumph Thruxton kaschiert gekonnt ihre 231 Kilogramm
Mit einer Taille so schmal wie die der Primaballerina an der Mailänder Scala empfängt die Triumph Thruxton ihren Fahrer. Kaum zu glauben, dass in dem zierlichen Figürchen zwar der hubraumschwächste Treibsatz dieses Quartetts, aber mit immerhin 865 cm³ Brennrauminhalt ein dennoch stattlich bemaßter Zweizylinder steckt. Weder Sound noch Manieren deuten auf Eisenware von der Insel hin. Dezent pöttelt es aus dem Auspuff, wie ein Elektromotor schnurrt der Paralleltwin die Drehzahlleiter hoch. Britische Schrulligkeit? Fehlanzeige. Weshalb auch. Die Thruxton wird – nicht weitersagen – trotz stolz auf dem Seitendeckel prangendem Union Jack in Thailand gefertigt. Schwamm drüber. Denn erstens sitzt es sich trotz tiefem und schmalem Rohrlenker nicht nur unerwartet aufrecht und bequem auf dem Café Racer, auch das mopedähnliche Handling macht an.
Wie von selbst fällt die Engländerin auf ihrem schmalen 130er-Reifen in die Kurven, kaschiert gekonnt ihre 231 Kilogramm. Außer beim Bremsen. Um die Einzelscheibe vorn zu aktivieren, braucht es schon einen beherzten Griff. Und einen wohldosierten. Denn ABS hat es früher nicht gegeben – und gibt es in der Triumph Thruxton bis heute nicht. Konsequent ist sie, die 9840 Euro teure Britin. Auch optisch. Ob das Motorgehäuse im Pre-Unit-Look, die polierten Kühlrippen-Flanken, das seitlich am Scheinwerfer befestigte Zündschloss, die verchromten Schalldämpfer, der über die Soziussitzbank gestülpte Höcker, ja sogar die in Vergaseroptik gehaltene Einspritzung – mit all diesen Details, und natürlich auch dem Brooklands Green, stellt die Thruxton den direkten Bezug zum traditionellen britischen Motorradbau her. Sergio drängt schon wieder. Nach Brescia sind es 90 Kilometer.
Rennfieber auf der Yamaha XJR 1300 Racer?
Den Weg zum Colle della Maddalena brauchen wir nicht zu suchen. Es reicht, den Horden schrill gekleideter Radfahrer zu folgen. Die zehn Kilometer lange Strecke steigt aus dem Stadtgebiet heraus an. Allein der Start in der City verlieh dieser Cronoscalata, so die italienische Bezeichnung der Bergrennen, enorme Popularität. Mittlerweile hat sich Stefan auf der Yamaha nach vorn geschoben. Rennfieber auf der Yamaha XJR 1300 Racer? Mag sein. Denn mit Lampenmaske, Sitzbankabdeckung, kurzem Frontkotflügel – allesamt aus Carbon – , seitlichen Startnummerntafeln aus Alu und unter der Gabelbrücke montierten Lenkerstummeln haben die Yamaha-Designer die XJR in einen Café Racer verwandelt. XJR-Fans erkennen die Anleihen an das im Jahr 2013 vom Veredler Deus Ex Machina vorgestellten Project X. Statt mit dem 9000 Euro teuren Kit der Australier bescheidet sich die Racer mit 1200 Euro Aufpreis zur 10.295 Euro teuren Basisversion. Und an welches Vorbild lehnt sich die Racer an? Zunächst mal an sich selbst. Seit 1995 läuft das Big Bike nun ununterbrochen vom Band, gilt längst als Klassiker, Kult- und Szene-Bike.
Nun spannt die Yamaha XJR 1300 Racer Stefan über den Tank. Welch eine Differenz zur wohligen Ergonomie der Standard-XJR. Selbst im Vergleich zur leicht gekauerten Haltung auf der Triumph Thruxton biegt die Racer den Piloten deutlich ungalanter nach vorn. Mag hinter der kugeligen Lampenmaske auf den Zwischengeraden sogar noch etwas Renn-Feeling aufkommen, lähmt die inaktive Sitzposition den Piloten in jeder Kehre. Immerhin 13 sind es, die, wie auf den Alpenpässen fein säuberlich durchnummeriert, auf den 874 Meter hohen Monte Maddalena führen. Und in jeder sehnt sich Stefan nach dem konventionellen Rohrlenker der Standard-XJR. Denn trotz der neun Kilogramm, welche die Racer gegenüber dem letztjährigen Basismodell abgespeckt hat (fünf davon gehen auf das Konto des von 21 auf 14,5 Liter verkleinerten Tanks), fühlt sich der aktuelle Café-Flitzer behäbig an. Eigentlich schade, denn von ihren Qualitäten hat die XJR auch im Racer-Trimm nichts eingebüßt.
Bremsanlage der XJR 1300 feinfühlig dosierbar
Akzeptabel schnupfen die in Druck- und Zugstufe justierbaren Öhlins-Federbeine die hin und wieder ziemlich maroden Passagen auf. Lässig drückt der hubraumgrößte, luftgekühlte Vierzylinder aus dem Drehzahlkeller. Und feinfühlig lässt sich die Bremsanlage dosieren. Geschmackssache bleibt, ob solch ein Retro-Racer besser auf Gussrädern oder lieber auf Speichenrädern rollen sollte. Erstaunlich, dass sich auch die Yamaha XJR 1300 Racer einem ABS verschließt. Dies und eine gelungene Jubiläumslackierung hätten der ehrenwerten XJR zu ihrem 20. Wiegenfest wohl besser gestanden als ein Revoluzzer-Outfit.
Immerhin, die imposante Aussicht auf Brescia vom Höhenrestaurant „Le Cavrelle“ stimmt Stefan wieder gnädig. Die Aussicht auf den nächsten Anstieg zehn Kilometer nordöstlich von Brescia ebenfalls. Doch die recht flache Auffahrt von Nave auf den Colle Sant’Eusebio (letztes Bergrennen 1969) überzeugt eher auf ihrer Fortsetzung in Richtung Idrosee. Wir wiegen uns gelassen auf dem Weg nach Norden von Kurve zu Kurve, vermissen Knöpfchenspiele und überladene Displays keine Sekunde. Irgendwie scheint uns dieser Tag verändert zu haben. Waren es die Strecken, die famosen Aufstiege nach Vetriolo oder auf den Monte Bondone? Auch, in erster Linie dürften es aber sicher die BMW R nineT, Honda CB 1100 EX, Triumph Thruxton und Yamaha XJR 1300 Racer gewesen sein.
Technische Daten
Messwerte
MOTORRAD
Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5%.
Selten spiegeln die Leistungskurven die Charaktere der einzelnen Maschinen so gut wider wie bei diesen Retro-Bikes. Am impulsivsten legt die BMW R nineT los. Der unruhige Drehmomentverlauf des Boxers auf dem Prüfstand ist in der Praxis nicht zu spüren. Der Vierzylinder der Yamaha XJR 1300 Racer folgt zwar dem Boxer auf dem Fuß, zeigt sich im Drehzahlkeller aber etwas zäher, ist dagegen drehfreudiger. Der lammfromme Charakter der Honda CB 1100 EX findet sich auch in ihrer unaufgeregten Drehmomentkurve deutlich wieder. Genauso wie der vergleichsweise schwachbrüstige Auftritt des mit einem Hubraum-Handicap antretenden Twins der Triumph Thruxton.
Die Berge Italiens rufen
MOTORRAD
Diese fünf Pisten sind wir mit den Retro-Bikes abgefahren.
Vielen Motorrad-Begeisterten der Sechziger- und Siebzigerjahre ermöglichten die Bergrennen den unkomplizierten Einstieg in den Rennsport. Die Strecken lagen meist vor der Haustür, auch zweitklassiges Material reichte für ein gutes Resultat – entsprechenden Mut vorausgesetzt. Denn Kiesbetten und Auslaufzonen gibt es auf Landstraßen nicht. Stürze hatten oft fatale Folgen. Gerade deshalb besitzt es einen ganz besonderen Reiz, auf diesen Straßen den Geist vergangener Rennsport-Zeiten aufzusaugen.
Allerdings: Ohne sportliche Ambitionen verschieben sich die Schwerpunkte. Von den fünf mit den Retro-Bikes abgefahrenen Pisten bieten die Aufstiege nach Vetriolo Terme (1) und auf den Monte Bondone (2) das eindeutig größte Genusspotenzial. Zudem bietet das Umfeld der beiden nördlichsten Bergrennstrecken jede Menge Möglichkeiten für weitere motorisierte Klettertouren. Ganz heißer Tipp: der beim Museo della Moto in Lochere (siehe unten) beginnende Kaiserjägersteig.
Retro-Bikes - Zahlen zum Trend
markus-jahn.com
Moderne Technik in klassischem Outfit: Die Ducati Scrambler setzt dasselbe Rezept ein wie BMW bei der nineT – beide mit Erfolg.
markus-jahn.com
Yamaha SR 400: Revival der ehemaligen SR 500 – der Verkauf enttäuscht
Man muss vorsichtig sein, wenn man Trends proklamiert. Denn: Erst die BMW R nineT und die Ducati Scrambler verleihen dem Klassik-Segment den derzeitigen Schwung.
Die Stände der Zubehörhersteller und Veredler auf den Motorradmessen sind ein aufschlussreiches Schaufenster über die Trends in der Szene. Nach Superbikes sowie Supermotos (Neunzigerjahre) und Naked Bikes (ab der Jahrtausendwende) erhaschen seit geraumer Zeit Retro-Bikes die Aufmerksamkeit. Doch gibt es ihn wirklich, den Run auf die Modelle in klassischer Optik?
Zumindest in den vergangenen Jahren ernüchtert der Blick in die Zulassungsstatistik. Abseits der Classic-Cruiser deckte vor allem Triumph die Sehnsucht nach Old-School-Bikes ab. Bestverkauftes Modell: die Triumph Bonneville. Doch auch dieser Klassiker dümpelt in den letzten drei Jahren zwischen Rang 58 und dem aktuellen (Stand: Juni 2015) Platz 44 der Hitliste.
fact/Joachim Schahl www.factstudio.de
Kawasaki W 650: erster Klassik-Versuch im Jahr 1999 – als 800er noch aktuell
Ähnlich verkauft sich der Klassiker unter den Klassikern, die seit 1999 (damals mit 650 cm³ Hubraum) angebotene Kawasaki W 800. Derzeit liegt der Königswellen-Twin nur auf Platz 78. Zum Flop geriet gar das Revival der legendären Yamaha SR 500 in Form der SR 400 im vergangenen Jahr. Der 5800 Euro teure Single verkaufte sich in überschaubaren Stückzahlen und liegt bislang außerhalb der Top 150. Der – wenn man davon sprechen kann – Durchbruch der Retro-Welle gelang erst in allerjüngster Vergangenheit.
Die BMW R nineT und die Ducati Scrambler stürmten in dieser Saison förmlich die Charts. Die Bayerin liegt derzeit mit 1900 verkauften Maschinen sensationell auf Rang drei, die Italienerin mit gut 1000 abgesetzten Einheiten auf Platz zehn. Den Erfolg bescherte beiden Herstellern das gleiche Konzept. Statt ehemalige Modelle zu kopieren, wird aktuelle Technik in dosiert gewählte, klassische Formen gepackt. Übrigens: Dieses Rezept haben die Automobilhersteller – BMW mit dem Mini, VW mit dem Beetle – längst erfolgreich vorexerziert.
Fazit
jkuenstle.de
BMW R nineT, Honda CB 1100 EX, Triumph Thruxton und Yamaha XJR 1300 Racer machen alle eine gute Figur.
BMW R nineT
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BMW R nineT.
Der luftgekühlte Boxer in seiner letzten Ausbaustufe: Upside-down-Gabel, Monoshock, bissige Bremsen. Und all das stilsicher in eine klassische Hülle verpackt – genau das ist das Erfolgsrezept der BMW. Auch wenn die Wortwahl für ein Retro-Bike zu modern ausfallen sollte: Die BMW R nineT rockt.
Honda CB 1100 EX
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Honda CB 1100 EX.
Ihr Vorbild, die CB 750 Four, in die Neuzeit zu transferieren ist der CB 1100 EX mit den Speichenrädern und der 4-in-2-Anlage bestens gelungen. Und: Mit spielerischem Handling und besten Manieren ist die Honda CB 1100 EX eindeutig das am stressfreiesten zu bewegende Retro-Bike.
Triumph Thruxton
jkuenstle.de
Triumph Thruxton.
Keine bleibt so nah am Retro-Thema dran wie die Thruxton. Fast jedes Detail nimmt die Formensprache der Roaring Sixties auf. Dass sie auf der Straße letztlich viel zahmer daherkommt, als ihre Optik vermuten lässt, das passt eigentlich zu jener Epoche – und deshalb zur Triumph Thruxton.
Yamaha XJR 1300 Racer
jkuenstle.de
Yamaha XJR 1300 Racer.
Die Yamaha XJR 1300 Racer braucht sich an keinen historischen Vorbildern zu orientieren. Sie ist selbst ein Mythos. Einer, dem der Umbau zum Café Racer eine unkommode Sitzposition und schlechteres Handling eingebracht hat. Ein guter Weg zur Verbesserung: einfach die Basisversion wählen.