Ducati Scrambler Classic, Moto Guzzi V7 II Scrambler und Triumph Scrambler im Vergleichstest

Ducati Scrambler Classic, Moto Guzzi V7 II Scrambler und Triumph Scrambler Alles nur Show?

Was sind eigentlich Scrambler? Seinerzeit die Vorgänger von Enduros, sind die aktuellen Modelle auf den ersten Blick wenig mehr als aufgebrezelte Straßenmaschinen. Also alles nur Show? Oder geht da was? MOTORRAD probiert es aus.

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Wir befinden uns in den italie­nischen Alpen, irgendwo zwischen Turin und Grenoble. Die Sonne lugt schüchtern hinter den Bergkämmen hervor. Das Thermometer vermeldet zarte Plusgrade. Drei müde Gesichter blicken in den Tag. Ganz anders als die Scrambler vor uns. Die warten nur darauf, endlich ihre Brennräume mit Sprit zu füllen. Scrambler? Genau. Kraxler im Wortsinn. Keine hochgezüchteten Endurosemmeln. Warum? Ganz einfach: Keiner aus dem Trio der Reisenden ist ausgemachter Geröllprofi. Bevor der Spaß durch Überforderung untergeht, machen wir es lieber eine Nummer kleiner und mit Stil. Denn die Grobstoller-Kategorie auf Straßenmodell-Basis blüht gerade richtig auf. Triumphs Scrambler (9840 Euro) weilt schon seit Ewigkeiten im Programm der Engländer. Ducati hat 2014 die eigene Version (hier: Classic 9790 Euro) mit dem alten, luftgekühlten Monster-Motor aufgelegt. Und für die V7-Modelle bietet Moto Guzzi seit Neuestem einen Scrambler-Umbaukit an (Basismodell Special 9190 Euro plus Teile-Kit für ca. 4400 Euro). Damit taugen alle drei noch nicht für haarsträubende Sprünge oder knifflige, felsgespickte Passagen. Fürs spaßige Kradeln über unbefestigten Grund sollte es aber allemal genügen. Daher jetzt genug der Vorrede. Gentlemen, start your Engines.

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Wild schlängelt sich die kleine Strada Provinciale 172 den Colle delle Finestre hinauf. Rumpeliger Asphalt fliegt unter den Scramblern durch. Vorne macht die Ducati Scrambler Classic das Tempo. Durcheilt die zahllosen Spitzkehren mit Leichtigkeit und Verve. Auf der Triumph Scrambler ist mehr Arbeit angesagt. Jedes Kilo ist beim Kurventanz spürbar. Dabei haben wir noch keinen Meter Schotter unter die Räder genommen. Hartnäckig versucht die Engländerin dranzubleiben. Ihr Motor müht sich nach Kräften. Aber keine Chance. Lieber entspannt laufen lassen, die Britin. Das passt besser in ihr Konzept. Vor uns hört das Teerband spontan auf. Beton gibt es ab sofort nur noch in Quaderform als Streckenbegrenzung hin zur Talseite. Besser oben bleiben. Die Triumph ordnet sich hinten ein, lässt den anderen gentleman-like den Vortritt. Und wird dafür sofort bestraft. Staub erfüllt die Luft. Mist, Anfängerfehler. Die englische Scrambler gönnt den anderen Vorsprung, die Sicht bessert sich.

Triumph Scrambler ist praktisch unzerstörbar

Geradeaus wischt die Triumph Scrambler fast schwerelos über die Piste, kaschiert geschickt ihre 235 Kilogramm Lebendgewicht. Ordent­liche Stollen (Bridgestone Trailwing) und das 19 Zoll große Vorderrad wirken Wunder. Bis zur ersten Kehre. Nur an die Hinterradbremse gedacht, schon steht der Reifen. Vorne sieht’s mit der Dosierbarkeit nicht viel besser aus. Da arbeitet das Fahrergehirn auf Höchstleistung. So geht’s nicht weiter. Entspann dich, nimm den Weg als Ziel, lass mich an der langen Leine laufen, funkt die Britin dazwischen. Yeah, that’s it. Wie ein Trialer bahnt sich die Triumph Scrambler den Weg, spricht sanft auf Gasbefehle an, meistert jede knifflige Passage. Nicht schnell und gewiss ohne Rasanz. Aber sie kommt durch. Und das Beste: Sie ist praktisch unzerstörbar. Wie der dicke Metallmantel an einem Eisbrecher verhindert ein massiver Motorschutz Kaltverformungen. Der setzt mehrmals hart auf. Aber als Fahrer weißt du ganz genau: Außer ein paar Schrammen ist da nichts gewesen.

Pause. Dichter Nebel schiebt sich über die Passhöhe. Feuchtigkeit dringt in die Klamot­ten. Die Wolken bleiben einfach am Bergkamm hängen. Wir tauschen die Motorräder. Bei Sicht null führt die nächste Etappe erst mal ein Stück bergab. Der ­Twin der Moto Guzzi V7 II Scrambler bollert dabei so schön wie ein Schiffsdiesel. Klar geht auch ihm obenheraus die Luft aus, sogar noch eher als der Triumph. Dafür schiebt er schon ab Standgas wie ein Lanz Bulldog an. Zumindest gefühlt. Eine Charakteristik wie gemacht für diese Wege, auf denen sich keine zwei bekofferten Großenduros begegnen dürfen. Der ­alte V2 verströmt noch immer das legen­däre Flair eines Betonmischers. Damit wird der Adler zwar nicht zum Herrscher der ­Berge, macht aber an. Steine fliegen durch die Luft. Kurzer Zwischenspurt über eine Asphaltpassage, dann wartet wieder unbefestigtes Terrain auf uns.

Minitrail-Einlage von der Guzzi Scrambler

Jetzt ist die Baumgrenze das nächste Ziel. Kälte breitet sich aus. Und trotzdem lächelst du. Tief in dir drinnen. Spürst Zufriedenheit. Du weißt: Genau hier musst du jetzt sein. Mit genau diesen Bikes. Als ob die Moto Guzzi V7 II Scrambler das gehört hätte, biegt sie als kleine Sonderprüfung auf einen Minitrail ab. Hier spielt sie ihren Gewichtsvorteil gegenüber der Triumph Scrambler gnadenlos aus. Gute 30 Kilo weniger sind ein Wort. Die Engländerin bleibt lieber stehen. Guckt – ganz sich selbst genug – nur zu. Das reicht. Easy schwingt sich die Guzzi den Hang hoch. Profitiert vom satten Schlag ihrer Zylinder ganz unten. Oben angekommen, reicht’s sogar für einen kleinen Hüpfer über eine Bodenwelle. Fordern, nicht überfordern. Das zählt heute hier und jetzt. Die Guzzi ist dafür der richtige Partner.

Ölfilter und Spaß haben ein Loch

Und die Ducati Scrambler Classic? Anstatt der Moto Guzzi V7 II Scrambler durch das ausgewaschene Bachbett zu folgen, hat sie den langen Weg außenrum gesucht und gefunden. Zu exponiert linst ihr Ölfilter zwischen den schönen Krümmerrohren hervor, zu scharfkantig drohen die Felsen mit fa­talem Einschlag. Aber den geschwungenen Schotterpass hinauf, in den flüssigen Passagen, macht ihr keine was vor. Die ­Königin der Eisdiele gibt den forschesten Scrambler. Leichter, stärker, handlicher, moderner. Und das gilt auf jedem Untergrund.

Der Pirelli MT60 RS gräbt trocken gar nicht schlecht. Hart gefedert ist sie, fast zu hart, da ist Durchschlagen jedenfalls kein Thema – so hoppelt die Scrambler-Ducati leicht­füßig den Colle hinauf und wirbelt dabei den Staub auf, der den anderen die Sicht nimmt. Klar, auch sie kommt bald an ihre Grenzen, aber die liegen eben ein gutes Stück weiter oben. Das weckt bei aller Gemütlichkeit dann doch etwas Sportsgeist – das ABS deaktiviert, in den Rasten stehend die gelbe Bergziege mit Gas den Weg finden lassen, vor der Kehre runterschalten, einlenken, Bein raus, Gas. Und im Flat-Tracker-Style quer aus der Kurve. Dann auf ein Neues, Kehre um Kehre fräst sie sich den Berg hinauf. Scheinbar nichts kann sie stoppen, außer – plonk! – ein fetter Wacken vom Format eines schönen Räucherschinkens. Wo kam der denn her? Das Eckige kracht ins Runde, der V2 erbricht seinen Lebenssaft, ein langer schwarzer Strich im Schotter, Ölfilter und Spaß haben ein Loch. Ende Gelände. Überfordert?

Straßenmotorräder mit ­etwas Offroad-Chichi

Unten steht der Triumph-Treiber und grinst. Den Stein des Anstoßes eingepackt, jetzt muss die Schwerkraft die schicke Ducati Scrambler Classic ins ferne Tal befördern – zwecks Reparaturmaßnahme und pflichtschuldiger NaBu-Spende. Die Lektion? Sportlich kraxeln geht schon besser als gedacht, fast gut sogar. Aber es geht nicht lange gut. Zumindest nicht hier und nicht ohne Motorschutz. Aber genau wie ihre Ahninnen, die herz­zerreißend schönen Einzylinder-Scrambler der 60er- und 70er-Jahre, die es offiziell leider nie nach Deutschland geschafft haben, will diese Ducati überhaupt kein Performance-Motorrad sein. Sie steht für bewiesene Monster-Funktionalität im trendig-mini­malistischen, retro-charmanten Outfit. Auf ihr schaut man selbst bergab rollend prima aus. Und man fühlt sich einfach gut, so unbeschwert mit Jethelm und Sonnenbrille. Da prallen sogar die mitleidigen ­Blicke der EXC-Treiber und ihr hämisches Hätte-ich-dir-auch-gleich-sagen-können-Grinsen glatt ab. 

Bald ist die Ducati Scrambler neu befiltert und befüllt, die Forschheit hat sich ihrer Nässe entledigt, und dann swingt auch sie mit der gebotenen Umsicht, in Reih und Glied mit den anderen, die Assietta hinauf. Ist es gemeinsam nicht sowieso viel schöner? 

Der letzte Bergrücken bricht sich vor uns durch die Wolken. Jetzt nur noch schnell ein flaches Stück für die mobile Hütte aus Stoff finden. Die Scrambler haben für heute genug gearbeitet. Leise knisternd künden ihre Krümmer vom Tagwerk. Das Zelt steht. Noch höher ginge es jetzt nur noch zu Fuß weiter. Aber das wäre eine andere Geschichte. Brot und Schinken kreisen gegen den Hunger, der gute Rote hilft gegen das Frösteln. Wir lassen die Gedanken schweifen, hängen dem Erlebten hinterher. Ganz sachlich betrachtet, haben wir sie bei all dem Vergnügen ja schon ein wenig zweckentfremdet, die Scrambler. Sie sind im Herzen eben doch Straßenmotorräder, mit ­etwas Offroad-Chichi. Ein ernst zu nehmender Scrambler müsste schlanker sein, ro­buster, mit mehr Bodenfreiheit, einzylin­dri­ger – und vor allem günstiger. Letzteres gilt besonders für den ambitionierten Gesamtpreis der Moto Guzzi V7 II Scrambler. Eben genau so wie unser Kamerafahrzeug, eine alte Honda SLR 650. Die bei Honda ahnten wohl schon vor 20 Jahren, was da kommt. Aber auch das ist eine andere Geschichte. Wir jedenfalls hatten heute den größten Spaß, gerade weil un­sere Kraxelmaxe mit ihrer überschaubaren Geländekompetenz jeglichen Leistungsgedanken vertrieben haben. Asphaltcowboys, in Boots und Jeans statt Protektorenweste und Crosshelm, mit Stil über Stock und Stein. Wenn du etwas erreichen möchtest, führen oft viele Wege zum Ziel. Für uns gab es nur einen. Und der war genau der richtige. Mit genau diesen Motorrädern.

Die Scrambler

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Unterwegs mit Ducati Scrambler Classic, Moto Guzzi V7 II Scrambler und Triumph Scrambler.

Triumph Scrambler

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Triumph Scrambler

Luftgekühlter Zweizylinder-Reihenmotor, 865 cm³, 43,0 kW (59 PS), 69 Nm, Stahl-Doppelschleifenrahmen, Scheibenbremse vorn/hinten Ø 310/ 255 mm, Radstand 1500 mm, Lenkkopfwinkel  62,2 Grad, Federweg v./h. 120/106 mm, Sitzhöhe 825 mm, Gewicht vollgetankt 235 kg, Tank 16 Liter. 

Ducati Scrambler Classic

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Ducati Scrambler Classic

Luftgekühlter Zweizylinder-V-Motor, 803 cm³, 55 kW (75 PS), 68 Nm, Stahl-Gitterrohrrahmen,  Scheibenbremse vorn/hinten Ø 330/245 mm,  Radstand 1445 mm, Lenkkopfwinkel 66 Grad,  Federweg v./h. 150/150 mm, Sitzhöhe 790 mm,  Gewicht vollgetankt 189 kg, Tank 13,5 Liter.

Moto Guzzi V7 II Scrambler

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Moto Guzzi V7 II Scrambler

Luftgekühlter Zweizylinder-V-Motor, 744 cm³, 35 kW (48 PS), 58 Nm, Stahl-Doppelschleifenrahmen, Scheibenbremse vorn/hinten Ø 320/ 260 mm, Radstand 1435 mm, Lenkkopfwinkel 62,5 Grad, Federweg v./h. 130/111 mm, Sitzhöhe 790 mm, Gewicht vollgetankt 205 kg, Tank 21 Liter.

Daten und Messwerte

MOTORRAD
Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %

Ähnliche Leistungskurven, völlig unterschiedliche Charaktere. Ganz unten schiebt die Moto Guzzi schön kräftig, das maximale Drehmoment liegt bei dieseligen 3100 Umdrehungen an. Danach kommt nicht mehr allzu viel. Ganz anders die Triumph: Auf dem Papier liefert sie bis 6000/min ein schönes Drehmomentplateau. In der Realität spürt man davon aber recht wenig, sie fühlt sich über den gesamten Drehzahlbereich lethargisch an. Woran liegt’s? An den vielen Kilos, die bremsen spürbar. Die Ducati ist klar der feurigste Scrambler – Druck im Keller, kräftige Mitte, Drehfreude und Spitzenleistung weit über die anderen beiden hinaus. Spaß im Gelände und auf der Straße.

Ducati Scrambler Classic Moto Guzzi V7 II Scrambler Triumph Scrambler
Höchstgeschwindigkeit 195 km/h 160 km/h 165 km/h
0 - 100 km/h 4,1 s 6,0 s 5,7 s
0 - 140 km/h 7,6 s 12,5 s 10,9 s
60 - 100 km/h 4,2 s 5,6 s  5,4 s
100 - 140 km/h 4,5 s 9,7 s 8,3 s
Testverbrauch Pässe 5,6 l/100km 5,7 l/100km 6,4 l/100km
Reichweite Pässe 241 km 368 km 250 km

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