Retro, gut, aber teuer: Erster Test der Suzuki GSX-8T und GSX-8TT

Neue Suzuki GSX-8T und GSX-8TT im ersten Test
Alles richtig gemacht - bis auf den Preis

Veröffentlicht am 16.07.2025

Beim Billiard ist die "8" die wichtigste Kugel. Sie entscheidet über Sieg oder Niederlage. Bei Suzuki wiederum entwickelt sich die 8 endgültig zur Stütze des Modellprogramms in Form der V-Strom 800 und der GSX-8 S

Neue Suzuki GSX-8T und GSX-8TT

Zur großen Überraschung schob Suzuki keine Touring-Maschinen nach, etwa eine Crossover-Variante. Stattdessen steht T hier für Retro-Chick. Inspiriert von der Suzuki T 500 "Titan" (Zweitakt-Zweizylinder, 1968 bis 1975) stehen gleich zwei klassisch angehauchte 800er am Start: die nackte GSX-8T und die GSX-8TT mit ihrer aparten Lampenmaske à la GS 1000. Mit T wie "timeless", zeitlos.

Das hat Gründe. Arthur Vidal ist Franzose und arbeitet in Suzukis europäischem Design-Entwicklungszentrum in Turin. Er hat selbst eine T 500. Und mit seinem Team gekonnt französisches Gespür für Stil mit italienischer Lässigkeit gekreuzt.

Technische Überraschung

Kaum zu glauben: Die gesamte technische Basis der neuen Suzuki GSX-8T und GSX-8TT stammt eins zu eins von der modernistischen GSX-8S: Motor, stählerner Brückenrahmen mit reparaturfreundlich angeschraubtem Gitterrohr-Heck, Alu-Schwinge, Räder, Reifen, Bremsen, Federelemente, Unterflur-Auspuff – einfach alles. Trotzdem ist das Motorrad nicht wieder zu erkennen, so verwandelt und anmutig stehen T und TT vor einem.

Moderner Retro-Stil

Erster Eindruck? Sieht klasse aus! Das sind schöne Proportionen, klassische Formen modern interpretiert. Dieses Gesamtkunstwerk der Suzuki GSX-8T und GSX-8TT hat was, macht an. In den optischen Mittelpunkt rückt hier der Tank mit seiner eher horizontal verlaufenden Unterkante. Zudem ist das neue, natürlich blecherne Spritfass auch größer, fasst nun tourentauglichere 16,5 Liter. Gut passt der wertige, edel erhabene Suzuki-Schriftzug auf dem Tank dazu.

Ebenfalls historisierend, aber sehr modern interpretiert zeigt sich der LED-Rundscheinwerfer mit horizontalem Tagfahrlicht statt übereinander gestapelten Lampen bei der GSX-8S.

Auch die klassisch quer abgesteppte Sitzbank zitiert 70er-Jahre-Look. Sie hat einen neuen Polurethan-Schaum als Polster, eine neu gezeichnete, komfortablere Kontur und einen traditionell anmutenden Bezug. Vor allem soll sie einem Sozius, einer Sozia etwas mehr Platz bieten als auf der Schwester S. Und dann sind da noch stylische Lenkerenden-Spiegel, erstmals bei einer serienmäßigen Suzuki verbaut. Sie sind von hoher Qualität. So wie das ganze Motorrad.

So fahren die neuen Retro-Suzukis

Aufsitzen. Fühlt sich alles vertraut an, und doch anders. Es ist ein Leichtes, die 201 Kilogramm leichte Maschine in die Senkrechte zu wuppen. Die "T" sei ein Kilogramm leichter als die "S", verspricht Suzuki. Möglich macht es trotz des um 2,5 Liter größeren Tanks ein 2,1 Kilogramm leichte, Lithium-Ionen-Batterie.
Klasse liegt der konifizierte Alu-Lenker zur Hand. Ihn kennt man von der S. Trotzdem fühlt sich das Sitz-Arrangement anders an. Wohl wegen des breiteren Tanks und der fünf Millimeter höheren Sitzbank.
Kleine Leute bekommen noch sicher beide Füße auf den Erdboden, lange Kerle genießen genügend Raum. So oder so sitzt man prima integriert, mit sattem Knieschluss. Und bequemer Sitzposition, aufrecht, mit gutem Überblick und leichtem Zug an der Wirbelsäule.

Ein toller Motor

Start! Für den "Druck aufs Knöpfchen" reicht dank Suzukis "Easy Start Systems" ein Sekundenbruchteil. Und schon gibt es die nächste Assistenz: Der "Low RPM Assist" erhöht die Leerlaufdrehzahl des Motors beim Anfahren und bei langsamer Fahrt automatisch minimal – der Twin ist praktisch "unabwürgbar".

Dank zweier Ausgleichswellen läuft er ganz smooth, vibriert kaum. Er verwöhnt trotz ungleichmäßiger Zündfolge à la 90-Grad-V2 mit tollem Rundlauf und niedrigem Drehzahlniveau. Bei Tempo 100 im sechsten Gang rotiert die Kurbelwelle keine 4.500-mal. Im Drehzahlkeller gibt sich der Zweizylinder elastisch, hackt nur bei allzu untertouriger Fahrweise. In der Stadt einfach den vierten Gang einlegen, und der Tag ist dein Freund. Dann blubbert der leise Twin zufrieden vor sich hin. Standgeräusch: dezente 89 dB(A). Das sind gute Manieren, selbst in Modus A mit der direktesten Gasannahme. Es gäbe auch noch B und C – in letzterem folgen die Drosselklappen ziemlich degressiv dem Dreh am Gasgriff.

Vor allem verwöhnt der Kurzhuber mit fleischiger Kraftentfaltung. Er bietet völlig unangestrengt sattes Drehmoment, dort wo man es braucht – in der Mitte. Kraft gibt es stets mehr als ausreichend. Ab 4.000 Umdrehungen liegen stets mehr als 70 Newtonmeter an. Bei Yamaha heißen solche Motoren "MT", Masters of Torque. Ausdrehungen bis bei 8500 Touren alle 83 Pferde gemeinsam galoppieren? Ist in den hunderten Kurven und auf den kurzen Geraden dazwischen weder nötig noch möglich. Und in Kehren tut es auch mal der dritte statt zweite Gang.

Moderne Elektronik im Retro-Kleid

Wenn es beim Beschleunigen mal zu viel Power sein sollte, grätscht die feinfühlig agierende Traktionskontrolle sehr präzise, fast unmerklich dazwischen – aktuell in Stufe 2 von 3. Erst das Flackern der gelben Kontrollleuchte im Cockpit offenbart, dass es gerade zu viel Drehmoment für sichere Haftung war. Stichwort Cockpit: Zwei klassische Rund-Instrumente wären optisch natürlich die Kirsche auf der Sahne gewesen. Aber das gab der vorgegebene Kostenrahmen leider nicht vor. Immerhin präsentiert sich das hochinformative, knackscharfe TFT-Display bestens ablesbar.

Gangwechsel gehen mit dem bidirektionalen Schaltassistenten (Blipper) leicht vom Fuß und fast ohne die Hand. Den Griff zum leider nicht einstellbaren Kupplungshebel kann man sich meistens sparen. Vor allem unter Last, beim Hochschalten, klicken die Gänge nur so rein. Zum Ziehen des Kupplungshebels reichen zwei Finger, die Anti-Rutsch-Funktion verhindert ein stempelndes Hinterrad beim raschen Runterschalten.

Kinderleichtes Handling

Kinderleicht klappt die 800er aus der Senkrechten ab: solch flinkes Handling in Wechselkurven, so präzises Halten des gewünschten Kurses. Schlafwandlerisch findet die 800er die richtige Linie.

Trotzdem ist das Leichtgewicht jederzeit für Kurskorrekturen zu haben. Stabil und trotzdem agil. Ein "verzeihendes Motorrad" ist das. Das schafft vom ersten Meter an volles Vertrauen. Liegt auch an gut haftenden Reifen, Dunlop Roadsport 2 "X", ebenfalls made in Japan, verlässlich, rollen schön rund bis zu den Kanten ab.

Gewohnt gutes Fahrwerk von Suzuki

Absolut gelungen ist die Fahrwerksabstimmung. Der Spagat aus Federungskomfort und sportlichem Fahrverhalten passt so. Da verzeiht man die rudimentären Einstellmöglichkeiten – lediglich die Federbasis hinten kann umständlich per Hakenschlüssel angehoben werden. Bei höherer Zuladung empfehlen sich Stufe 4 oder 5 von 7. Gut bremsen die Nissin-Stopper die Fuhre wieder ab – bissfest und gut dosierbar. Die Lenkerenden-Spiegel – ja, die sind Serie – bieten trotz überschaubarer Oberfläche einen großen Sichtbereich. Und sie vibrieren nicht, erlauben selbst bei höheren Drehzahlen klare Sicht. Apropos Sicht: Dies sei der hellste (LED-)Scheinwerfer in der Suzuki-Geschichte heißt es.

Suzuki GSX-8TT mit Halbschale

Und dieses Licht schmückt bei der Suzuki GSX-8TT eine schnittige Lampenmaske. Sie ist mit ihren neckischen Spoilerchen links und rechts unten kein MotoGP-Abklatsch. Sondern direkt von der Suzuki GS 1000 abgeleitet.
Sie macht die TT zur echten Retro-Maschine. Herrlich! Das gibt bereits im Stand eine sehr markante, maskuline Art. In Fahrt schützt das Plastik zwar kaum vor dem Fahrtwind, doch es nervt dank cleverer Hinterströmung und definierter Abrisskante nicht mit Turbulenzen.
Einzig die TT trägt einen Bugspoiler ab Werk. Dazu sind die Standrohre der Upside-down-Gabel von KYB hier schwarz eloxiert. Fahrdynamisch sind die zwei Kilogramm Mehrgewicht der TT nicht zu spüren.