Kawasaki ZX-12R von Wally

Kawasaki ZX-12R von Wally INTERMOT-Countdown Teil 9

In gut 7 Sekunden von null auf 300: Der von Clemens „Wally“ Walleit und seinem Team gebaute Dragster Kawasaki ZX-12R reißt mit 507 Turbo-PS an der Kette, für maximale Beschleunigung über die Viertelmeile. Da braucht es Mumm – ohne Wheeliebar.

INTERMOT-Countdown Teil 9 Volker Rost
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Beißender Qualm weht überm altehrwürdigen Motodrom von Hockenheim. Motoren brüllen, Reifen wimmern, Flammen zündeln aus armdicken Auspuffanlagen. Es ist Mitte August, in der Kurpfalz steigen die NitrOlympX, größtes Dragster-Event Deutschlands. Unglaubliche Gefährte mit zwei und vier Rädern stehen nach und nach am Start, hechten im K.-o.-System über die Viertelmeile. Benzinköpfe aus ganz Europa leben und fiebern im Takt des„Christmas-Tree“, der Startampel. Mittendrin im lauten, bunten Treiben steht Clemens „Wally“ Walleit am Start, bringt seinen Shinko-Reifen mittels herzhaftem Burn-out auf Betriebstemperatur.

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Jetzt, im Training, ist der Berliner richtig gut drauf, schafft die Viertelmeile schon in 7,599 Sekunden. Da sind 200-PS-Supersportler auf gut 200. Wally dagegen ist nach 402,36 Metern 307 Kilometer pro Stunde schnell. Persönlicher Rekord: 309,09 km/h. Hoppla, wie geht das denn? Mit viel Mut und Erfahrung, Feingefühl und haufenweise Technik. Denn der 53-Jährige startet in der Klasse der „Super Street Bikes“ – ohne Slicks, also auf Straßenreifen. Vor allem aber ohne Wheeliebar, die potenzielle Überschläge verhindern könnte. Auf die harte Tour. Seit 1990 fährt „Wally“ Dragster-Rennen, weiß, wie es geht, was zählt. Zuallererst: Leistung!

„507 PS drückte der getunte Turbomotor zu Hause in Berlin, bis der Rollenprüfstand noch vor Erreichen der Nenndrehzahl die Grätsche machte.“ Selbst im begrenzten ersten Gang sind es immer noch rund 300 PS. Und das ist noch lang nicht das Maximum. „Dabei fuhren wir 28 PSI Ladedruck“, erklärt Team-Mechaniker Sven Hardell (55). Das sind gut 1,9 bar. „Heute pumpen wir das Benzin-Luft-Gemisch mit bis zu 35 PSI in die Brennräume.“ Das sind 2,4 bar. Möglich wären sogar 42 PSI Ladedruck, 2,9 bar. „Aber dann stimmt das Benzin-Management nicht mehr.“ Mit Turbinen kennt sich Techniker Sven Hardell aus. Bei Rolls-Royce zeichnet er für den Neubau von Flugzeug-Triebwerken verantwortlich.

Power-Sprit zu 9 Euro/Liter

Der kugelgelagerte Abgas-Turbolader von Garret schaufelt bei bis zu 150.000 Umdrehungen pro Minute Spezialtreibstoff mit 119 Oktan in die Brennräume. „Bei einem Lauf über 400 Meter verfeuern wir rund einen Liter zu neun Euro“, sagt Wally. Kein Schnäppchen, der Power-Sprit. Früher, auf seiner Kawasaki Z 750 Turbo, fuhr Wally mit Lachgas-Einspritzung. „Aber das ist bei viel potenteren Serienmaschinen seit der Hayabusa nicht mehr nötig.“ Kawasaki-Freak Clemens Walleit stellt sich mit wenigen Gleichgesinnten auf ZX-12R der Übermacht der hubraumstärkeren Turbo-Busas. „Die Top-Teams in unserer Klasse haben über 700 PS“, gibt sich Clemens Walleit bescheiden.„Aber das ist eine Kostenfrage.“

Volker Rost
Circa 507 PS liegen bei 11.200/min an, serienmäßig waren es mal 178 PS.

Denn der technische Aufwand ist einfach enorm. In den Zylinderköpfen sitzen verstärkte Ventilfedern, sind die Übergänge aller Kanäle bearbeitet. Zudem haben die Zylinder verstärkte Stehbolzen für 95 statt 60 Newtonmeter Anzugsdrehmoment. In den angepassten Drosselklappenkörpern sitzen größere Einspritzdüsen mit maximal 1000 statt 290 cm³ Durchlass pro Minute. Nur spezielle Schmiedekolben, geschmiedete Carillo-Pleuel und die Lock up-Kupplung mit verstärkten Federn halten der besonderen Belastung stand. Je schneller der Motor dreht, desto mehr geht die Kupplung zu, hält die Power im Zaum. „Ein Basismotor mit Serienteilen käme keine 100 Meter weit“, mutmaßt Wally. Sven Hardell führt penibel Logbuch über alle Arbeiten, Modifikationen und Einstellungen. Leistung ist nichts ohne Kontrolle!

Einen Überschlag beim Start verhindern frei programmierbare Zündung und Launch-Control. Sie wird zusammen mit der Ladedruck-Regelung beim Ziehen des Kupplungshebels im ersten Gang aktiviert: Ein kleiner Trigger betätigt dazu den zweckentfremdeten Lichthupen-Schalter. Feuer frei! „Bereits im Stand schaufelt der Turbo mit vollem Boost – wenn ich dann schlagartig die Kupplung kommen lasse, ist sofort der volle Ladedruck da“, sagt Wally. Im Rennen schaltet er bei Aufleuchten des Schaltblitzes (bei 11.300/min) pneumatisch in Millisekunden hoch, bis der Sechste anliegt. 80 Milliliter eingespritztes Wasser pro 400 Meter kühlen die hochverdichtete Ansaugluft. Das speziell adaptierte DragShock-Federbein des US-Herstellers Penske taucht leicht ein, federt langsam aus: Wenig Druck- trifft viel Zugstufendämpfung.

Wendekreis größer als bei Sattelschleppern

Alles dreht sich hier um ein großes Erlebnis in ganz kurzer Zeit. Nur nicht zu viel: Wheelies sehen zwar spektakulär aus, kosten aber Zeit. „Ideal ist es, wenn das Vorderrad ganz leicht über dem Asphalt schwebt.“ Wally nimmt einen gedanklich mit auf den Dragstrip: „Ob man einen Lauf abbricht oder nicht, bestimmt weniger die Höhe des abgehobenen Vorderrads als viel mehr die Geschwindigkeit des Steigens.“ Volles Durchbeschleunigen ohne Überschlagschutz ist eben ein Ritt auf des Messers Schneide. „Wenn du einen guten Lauf hattest, pumpt das Adrenalin noch lange im Blut!“ (Wally). Viel Gewicht ganz weit vorne-unten, die geduckte Erscheinung, 16-Zoll-Vorderrad und vor allem die irre lange Schwinge sorgen für Traktion, lindern die Wheelie-Neigung etwas. Auf 1,73 Meter limitiert das Reglement den Radstand.

Wichtig ist auch negative Beschleunigung, das Wieder-Abbremsen. „Es gibt Strecken, da musst du direkt nach der Ziellinie voll in die Eisen gehen“, erklärt Wally. Mit Rennbelägen beißen die Sechskolbenstopper zu, der Heckstopper wird per linkem Daumen betätigt. Der speziell geformte Benzintank vorn hinter der Verkleidung und eine breitere, flachere Ölwanne mit Prallblechen verhindern Hin-und-her-Schwappen der Betriebsstoffe. Rangieren ist heftig, der Wendekreis größer als bei jedem Sattelschlepper.

Samstag, bei der Qualifikation, geht leider der Motor hoch. Mist. Und der nagelneue Ersatzmotor hat ein Problem mit dem Öldruck. Das war’s, Wallys Team wird innerhalb der FIM-Europameisterschaft (!) von Platz sieben auf Platz elf durchgereicht: „That’s Racing.“ Man schraubt und leidet zusammen. „Unser Saisonziel, unter die Top Ten zu kommen, versuchen wir, uns beim Finallauf in England zurückzuholen“, resümiert Wally.

Heiße Sprintrennen zur INTERMOT 2018

Noch mehr spektakuläre Bikes gibt’s am ersten Oktober-Wochenende in Köln zu bestaunen. Ein Hauch von Motorrad-Festival liegt über dem INTERMOT-Samstag – krasse Umbauten und viel Show. Unter Leitung und Moderation von Jörg Litzenburger, bekannt vom Glemseck 101, heißt es dann: „Vollgas, bis die Reifen qualmen!“

Volker Rost
Zur Sache geht’s bei den„Sultans of Sprint“, wie mit der heißen Lachgas-1400er-V2 von Radical Guzzi. Gefahren wird im K.-o.-System.

Bei den Sprints Mann gegen Mann (oder Frau) auf der 1/8-Meile gilt die Regel: The winner takes it all. Die Sultans of Sprint erlebt ihr hier genauso wie die INTERMOT International Class und zahlreiche Show-Sprints! Seid dabei, wenn die schnellsten Custombikes gegeneinander antreten. Alle Bikes stehen zudem an den vor- herigen Messetagen in der Halle 10.1, können dort hautnah inspiziert werden. Also, auf nach Köln zur INTERMOT 2018!

Sonderausstellung "Total abgefahren": Auf dem Messeboulevard im Gang zwischen den Messehallen 6 und 9 und am Stand von MOTORRAD in Halle 9, Stand A 41.

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