Die Etymologen streiten sich, woher der Name Regina stammt. Abgeleitet aus dem Lateinischen für "Königin" oder aus dem Altnordischen Regin, was so viel wie "Entscheidung der Götter" bedeutet. Woher die Regina auf zwei Rädern kommt, ist dagegen völlig klar. Aus Bad Homburg nämlich. Da baute Horex die Regina von 1949 bis 1956. Dieses Motorrad war zu seiner Zeit ein Traumbike. In ihrer ganzen Machart, mit Konstrukteurs-Geschick und Qualität. Zunächst als 350er, dann auch als 250er, als "Sport" und schließlich mit 400 Kubik und über 20 PS nahm sie den vergleichbaren BMWs locker den Wind aus den Segeln.
So viel ganz knapp zur Regina-Geschichte. Die am aktuellen Standort von Horex in Landsberg am Lech fortgeschrieben wird. Die Bewertung, ob sie zur Königin der Retro-Bikes taugt, wollen wir hier noch ein klein wenig zurückhalten, aber dass es dieses Comeback gibt, war sicher keine Entscheidung der Götter. Maßgeblich verantwortlich dafür ist der Motorrad-verstrahlte Unternehmer Karsten Jerschke, der mit seiner 3C Carbon-Group das entsprechende Investment aufbrachte, qualifizierte Leute dafür aufs bayerische Land lockte und mit der Horex Regina Evo nach der Horex VR6 ein zweites, völlig eigenständiges Bike unter der Marke Horex anbieten wird.
Horex Regina Evo mit Carbon-Rahmen
MOTORRAD durfte exklusiv ein Vorserien-Exemplar auf dem werkseigenen Testgelände fahren. Erster Eindruck: Die Horex Regina Evo steht der Vorlage im Hinblick auf Innovation und Qualität in nichts nach. Das fängt schon beim Rahmen an, der als komplettes Carbon-Konstrukt nur wenige Kilo wiegt. Gleiches gilt für die Schwinge, an deren Oberzug sich ein schwarz lackiertes Federbein unter dem Sattel gegen den Hauptrahmen abstützt. Auch der Einzelsitz ist bis auf das griffige Polster aus edlem Kohlenstoff und drückt das Trockengewicht der Regina Evo auf sensationelle 133 kg.
Wie fährt die Horex Regina Evo?
Die Horex Regina Evo unterscheidet sich von all den anderen Retro-Modellen, die optisch eine vergangene Zeit zitieren, aber im Grunde hochmoderne Motorräder sind. Auf der Horex Regina Evo dagegen greift man weit nach vorn über den Tank auf einen breit anmutenden Lenker und hat sofort das Gefühl, eine Zeitmaschine bestiegen zu haben. Das Ganze ist nicht unbequem, und es ist auch fahrtechnisch kein Handicap. Mit der Regina Evo lässt es sich nur eben nicht sportlich loslegen.
Die Horex Regina Evo animiert zum Durch-die-Lande-Pötteln, was die Soundkulisse aus der doppelläufigen Edelstahlanlage herrlich untermalt. Nur muss das alles noch etwas leiser werden – so ist nun mal der aktuelle Zeitgeist. Und die Abstimmung am Motor unserer Testmaschine war sicher nicht final. Kräftig zieht der Single an, um bei Erreichen mittlerer Drehzahlen dann vibrationsstark in einer Drehmomentdelle zu verharren. Das suggeriert dem Fahrer, womöglich das Ende des Drehzahlbandes schon erreicht zu haben und den nächsten Gang einzulegen.
Wer allerdings den Motor über diesen kurzen Punkt hinwegdreht, merkt, dass der noch mehr zu bieten hat. Da fegt die Horex Regina Evo dann lustvoll dahin. Das Ansprechverhalten der Dämpfung schien auf dem rumpeligen Untergrund der bisher nur grob asphaltierten Teststrecke etwas träge, aber Horex ist mit Hochdruck an der finalen Form der Regina Evo dran. Und dann würden wir sehr gern wieder damit pötteln gehen.
Horex Regina Evo auf 500 Stück limitiert
An unserem Testbike war der dem Klassiker stilvoll nachempfundene Gepäckträger noch aus Alu-Blech. Wenn die ersten Exemplare der zunächst auf 500 Stück limitierten Horex Regina Evo ausgeliefert werden, wird auch der aus Carbon sein, versprach Jerschke bei der Besichtigung der Produktionsstätte auf dem 3C-Carbon-Werksgelände. Dort konnten wir uns auch den neuen Regina-Motor etwas genauer ansehen. Der 600er-Single stammt von SWM aus Italien, wo er die "Superdual" Abenteuer-Enduro befeuerte.
Aber bei Horex bauen sie nicht einfach diesen zugekauften Motor ein, der nur Euro 4-homologiert war. Unter anderem kommt in Landsberg ein komplett selbst entwickelter Zylinderkopf mit nicht zuletzt optimierten Kanälen drauf, mit dem die Horex Regina Evo 48 PS erreichen soll. Wobei Jerschke überzeugt ist, dass sie noch das eine oder andere PS mehr finden können.
Detailverliebtheit fällt am Retro-Bike auf
Beim Blick auf den verbauten Antrieb fällt an der Horex Regina Evo die gleiche Detailverliebtheit auf, die schon die Horex VR6 auszeichnet. Das gravierte Firmen-Logo prangt stolz in Chrom auf den Motordeckeln und verleiht dem Retro-Bike mit schwarz lackiertem Zylinder samt Peripherie im piekfeinen Geflecht-Rahmen eine stimmige Optik. Die vom Tank gekrönt wird. Lang gezogen zitiert er mit Chrom und sattem Rot die Horex-Heritage, die in den Speichenfelgen mit rotem Felgenband aufgenommen wird.
Zurück bei den Innovationen sind wir an der Carbon-Lampe, die nur der Form nach auf alt macht. Das LED-Tagfahrlicht zeichnet ein H für Horex und im Gehäuse sitzt eine voll digitale TFT-Anzeige, die einen klassisch anmutenden Tacho erstrahlen lässt. Und dann fällt der Blick entlang der Gabel hinab auf die Bremssättel, die hinter den mit Horex-Logo gravierten Gabelfüßen sitzen. Die Endurance-Spezialisten Beringer aus Frankreich liefern die Zweikolben-Anlage mit Doppelscheiben vorn. Ganz sicher will man mit der neuen Horex Regina Evo kein Langstreckenrennen gewinnen, aber sie steht wie das ganze Motorrad für den gewissen Spleen, den Jerschke in seine Motorräder einfließen lässt.