Kurz nach Aussterben der Dinosaurier – die als Vögel ja bis heute existieren – bevölkerten erste Suzuki Bandits den Planeten. Erst kleine, quirlige, hübsche 400er, dann ungemein erfolgreiche 600er als Zugpferde der Evolution. Krone der Schöpfung aber war ab 1996 die mächtige 1200er-Bandit. Wie die 600er mutierte sie ohne oder mit Halbverkleidung zum Lastesel im Alltag, zum Low-Budget-Tourer und potenten Streetfighter, dessen hochgestelltes Hinterteil an ein paarungsbereites Pavianweibchen erinnerte. 2007 gab’s Hubraumzuwachs auf volle 1255 Kubik, stellte Suzuki den Thermo-Haushalt von wechselwarm (luft-/ölgekühlt) auf gleichwarm um, sprich: wassergekühlt. Flüssiges Kraftfutter gab’s nun per Einspritzung zugeführt. Und sechs Gänge dazu. 2012 starb dann die große, nackte Bandit aus.
Trotzdem blieb diese Vierzylinder-Gattung, was sie immer war: ehrlicher, kultiger Allrounder, der mit aufrecht-entspannter Sitzposition fast jeden möglichen Lebensraum besetzte. Quasi der Darwin-Fink von Suzuki. Dies rief Futterneider und Beutegreifer auf den Plan. Aus dem Honda-Biotop, dem größten Genlabor der Motorradwelt, strömten ab 2004 massenhaft in Italien gebaute CBF 600. Sie setzen sich ebenfalls mit und ohne Halbschale auf den Straßen Europas fest, von Anfang an wassergekühlt. 2006 bekamen sie auch eine größere Schwester, die stets halb verkleidete CBF 1000. Dazu gesellte sich 2010 noch eine schnittigere, elegantere Version: jene Honda CBF 1000 F.
Weniger Überarbeitung geht nicht
Sie hat die Standard-CBF mittlerweile überlebt. Die Suzuki Bandit war stets für Plätze zwischen eins und zehn in der deutschen Zulassungsstatistik gut, die etwas teurere Honda CBF 1000 F rangierte dahinter. Doch nach und nach kamen diese Spezies unter Druck, rutschten allmählich aus den Top 50. Die Welt hat sich weiter gedreht, die Motorrad-Evolution brachte immer radikalere, extrem angepasste Arten für sehr spezielle Einsatzzwecke hervor. Echte Generalisten können sich heute offenbar nur noch als Reiseenduros behaupten.
Suzuki hat die Bandit 1250 S für 2015 kosmetisch retuschiert. Eine modifizierte Frontverkleidung mit auffälligeren Nüstern (nein, kein Ram-Air) und integrierten seitlichen Kühlerabdeckungen soll optisch auf flotter machen. Hinzu kommen neue Farben und der nun farbig lackierte, unveränderte Lenker – fertig. Weniger Überarbeitung geht nicht. Im Osten nichts Neues? Egal. Um uns herum blüht und grünt die Natur im herrlichen Odenwald – Spitzahorn, Wildkirschen, Forsythien. Zweiter Frühling für diese Motorräder!
Suzuki Bandit 1250 S drückt mächtiger von unten
Sonor schnurren mächtige Vierzylinder unter uns. Schon die ersten Meter erweisen: Dies sind Motorräder mit eingebautem inneren Buddha. Diese Antriebsart machte die Motorradmacht Japan nicht ohne Grund groß und mächtig. Sehr früh laufen die Vierzylinder rund, mit Schaltdrehzahl 3000 ist man gut bedient. Sanftmütige Wesen sind das, von umgänglichem Naturell. Dabei drückt der Big Block in der Suzuki Bandit 1250 S noch mächtiger von ganz unten. Ein Stier von einem Motor. Er schöpft ja auch aus satten 1255 Kubik, einem guten Viertelliter mehr. Volumen-Modell meint hier Verkaufszahlen wie Hubraum.
Versicherungsgünstige 98 PS weist Suzuki aus. Das ist pures Understatement. Denn beim kaum eingefahrenen Testexemplar traben volle 108 Pferde an. Es können leicht 111 werden. So wie real bei der nominell 107 PS starken Honda CBF 1000 F. Man kennt das: Schon ein anderer Auspuff von SR-Racing oder zahmes Tuning vom Suzuki-Spezialisten Vater helfen derSuzuki Bandit 1250 S locker mit 120 bis 140 PS auf die Sprünge. Doch auch serienmäßig schiebt sie prachtvoll an. Mit stets über 100 Newtonmetern zwischen 2000 und 7500 Touren. Respekt. Unaufgeregt-souverän, dieses Suzuki-Aggregat. Ausdrehen? Wozu? Tut nicht not. Man hat mehr Drehmoment für weniger Dreh-Momente.
Honda CBF 1000 F klingt potenter
Trotz Ausgleichswelle vibriert der Motor der Suzuki Bandit 1250 S ab der 4000er-Marke deftig. Suzuki hat die Unterseite der Fahrerfußrasten eigens mit den größten Ausgleichsgewichten der Motorradwelt bestückt. Das nützt aber dem Sozius nichts, bei ihm kribbelt’s vor allem in der rechten Raste heftig, weil sie Kontakt zum Auspuffhalter hat. Dieses XXL-Ofenrohr ohne Vorschalldämpfer scheint ein guter Resonanzraum zu sein. Auch akustisch. Denn der von ihm ausgepuffte Säusel-Sound fällt fast schon zu dezent aus. Dumpfer klingt die Honda CBF 1000 F, tiefer und letztlich potenter. Trotz Auspuffklappe macht sie niemals auf krawallig, provoziert keine Anwohner.
Auf Honda wie Suzuki gilt: Morgens den sechsten Gang einlegen – und gut ist. Easy Going. Honda zähmte den Ex-Fireblade-Motor einst aufwendig mittels komplett neuer Köpfe samt kleineren Ventilen wie Ansaugquerschnitten. Trotzdem blieb das Ex-Supersport-Triebwerk etwas kurzhubiger als die Bandit. Na und? Dafür stimmt die Drehfreude. Muss sie auch, denn die kürzer übersetzte CBF dreht im sechsten Gang höher als die GSF im fünften. Tempo 100 sind in der letzten Fahrstufe daher 4000 statt 3500 Umdrehungen.
Beide Motoren sind chronisch zuverlässig, halten ewig
Bei Konstantfahrt ist das ab etwa 5000 Touren spürbar. Beide Motoren halten erwiesenermaßen ewig und drei Tage, sind chronisch zuverlässig und fast schon unterfordert. Noch sanfter spricht die Honda CBF 1000 F auf Gasbefehle an. Und sie zeigt weniger Lastwechselreaktionen, trotz der doppelten Drosselklappen der Suzuki. Ein echtes Phänomen, diese CBF 1000 F. Eine Honda unter den Hondas. Draufsetzen, losfahren, wohlfühlen. Nicht langweilig, sondern relaxed. Durch Lässigkeit begeisternd.
Alles geht so einfach: Schalten, Kuppeln (wie bei der Suzuki hydraulisch betätigt), Kurven anpeilen und durcheilen. Braucht man dafür wirklich einen Führerschein? Obwohl die Honda CBF 1000 F nur elf Kilogramm leichter ist als die Suzuki Bandit 1250 S, in diesem Vergleich 244 zu 255 Kilogramm, wird die Differenz gefühlt größer. Viel leichtfüßiger, wendiger, neutraler wedelt die CBF um enge Kurven der ehemaligen Bergrennstrecke Zotzenenbach. Eine weise Entscheidung von Herrn Honda, am handlingfördernd schmalen 160er-Hinterreifen festzuhalten.
Und dazu die besseren Reifen aufzuziehen. Conti Road Attack rollen sehr zielgenau, machen agil, fast frech. Ihre Haftung bei Trockenheit stimmt sowieso. Bei der Anreise auf der Bahn gab sich die Honda zudem stoischer bei Topspeed. Ein Alu-Chassis trägt die CBF, den gleichen Rahmen wie die anderen Italo-Bikes CB 1000 R und die selige Hornet wie CBF 600. Komfortorientiert und gut arbeitet die Gabel. Nur das direkt angelenkte Federbein bricht keine Weltrekorde im Ansprechverhalten. Es fischt harte, schnelle Störimpulse nicht optimal raus, haut öfter mal ins Kreuz. Bei sportiver Fahrweise kommt es an seine Grenzen. Etwas unterdämpft, schwingt es dann fröhlich pumpend nach.
Bandit kaschiert ihre 255 Kilogramm nicht
Es hilft, die Zugstufendämpfung auf bloß eine Dreiviertelöffnung zuzudrehen. Und selbst solo das Federbein auf die drittletzte Stufe vorzuspannen. Dann hängt der Hintern der Honda CBF 1000 F nicht ganz so tief, die Balance wird besser. Recht früh ziehen die langen Angstnippel und dann sogar die Standfläche des Seitenständers Furchen in den Asphalt. An sich versprechen die Fahrwerkseckdaten der Suzuki Bandit 1250 S besseres Handling: Radstand zehn, Nachlauf sechs Millimeter kürzer, Lenkkopf 0,7 Grad steiler. Tatsächlich aber fährt die Suzuki unhandlicher. Sie fühlt sich in jeder Hinsicht massiger an, kaschiert ihre Pfunde nicht. Ein Big Bike alter Schule, die Bandit. Man muss es sich etwas zurechtfahren.
Der 180er im Heck sieht wichtig aus, macht aber schwerfälliger. Zumal die Dunlop D 218 (vorn „T“, hinten „N“) alt wirken. Man trifft keine Linie hundertprozentig exakt, muss ständig ein wenig korrigieren. Das Handling ist behäbig, das Einlenken störrischer. Pikant: MOTORRAD machte bereits in Ausgabe 11/2010 einen Reifentest für die technisch noch aktuelle Suzuki Bandit 1250 S. Fazit: Pirelli Angel ST und Michelin Pilot 2 überzeugten besonders. Trotzdem schickt Suzuki die auf längst abgeschriebenen Produktionsmaschinen gebaute Bandit mit Gummis aus der Urzeit in die raue Wirklichkeit. Schade.
Was bei der Honda CBF 1000 F das Federbein, ist bei der Suzuki Bandit die hier ebenfalls konventionelle Gabel: Achillesferse des Fahrwerks. Ihre diffuse Abstimmung verhindert gutes Feedback. Sehr tief hängt die 1250er vorn drin, die Gabel hat zu viel Negativ-Federweg. Sie spricht unsensibel-stuckrig an. Volles Vorspannen (Stellschrauben ganz zu) verbessert Fahrgefühl und Rückmeldung der Front. Insgesamt arbeitet das Bandit-Fahrwerk komfortabler, das Federbein bietet dank Umlenkhebel und Progression mehr Reserven. Dies stempelt die Suzuki zusammen mit größerem Soziussitz und üppigen 220 Kilogramm Zuladung – mehr als bei den meisten Reiseenduros – zum ordentlichen Reisebegleiter.
In einem Rutsch durchfahren bis Feuerland
Mit den Serien-Dunlops stellt sich die Suzuki Bandit 1250 S auf Unebenheiten und beim Griff zur Bremse in Schräglage merklich auf. Zwar verlangen die Vierkolbenstopper der Bandit nach etwas mehr Handkraft. Doch ihr fein abgestimmtes ABS bringt kurze Bremswege. Besser fällt die Transparenz der Honda CBF 1000 F aus. Wobei das Pedal vorne rechts im Dreikolbensattel sachte mitbremst. Allein die defensiv abgestimmte ABS-Regelung friert die maximale Verzögerung ein, macht zwischendurch gefühlt lange auf. Dafür entschädigt besseres Kontaktgefühl zur Honda. Ihr Fahrer sitzt mehr integriert, mit besserem Knieschluss am Tank, nicht wie bei der Bandit am (Stahl-)Rahmen darunter. Der Kniewinkel ist entspannter, das Platzangebot für Lange größer.
Jedoch wirkt der CBF-Lenker für große Piloten ein wenig schmal. Merkwürdig gekröpft ist der breitere Suzuki-Lenker, zwingt die Handgelenke in eine eigenartige Haltung. Das wie bei der Honda CBF 1000 F höhenverstellbare Sitzpolster wirkt so dick, als könne man in einem Rutsch bis Feuerland durchfahren. Doch Suzukis Schenkelauflage ist etwas klein. Dies kann ebenso wie die weit ausgestellten Rasten auf Dauer zu Krämpfen führen. Das letzte Quäntchen Kontakt zur Suzuki Bandit 1250 S fehlt, Ergonomie kann Honda besser. Sie ist das bessere Sightseeing-Motorrad, die CBF, macht den Kopf noch freier. Weil man sich weniger aufs Fahren konzentrieren muss.
Beide machen’s auf der Landstraße unter 5 Litern
Der Mini-Bordcomputer vermeldet den Benzinverbrauch total und pro 100 Kilometer. Nicht viel: Beide machen’s auf der Landstraße unter fünf Litern. Sie lassen sich auch sonst nicht lumpen: Verstellbare Handhebel wie Sitzhöhen sind Ehrensache, ebenso Hauptständer, Gepäckhaken, Warnblinker und Vier-in-eins-Auspuffanlagen komplett aus Edelstahl. Unverständlich: Suzuki war Pionier bei Ganganzeigen, bestückt das Schwestermodell GSX 1250 F damit. Aber nicht die Suzuki Bandit 1250 S. Bei der Honda CBF 1000 F wirkt das billig gestanzte Bremspedal grobschlächtig, erscheinen die Spaltmaße der Verkleidung ungleichmäßig.
Raubautziger, hemdsärmeliger wirkt die Suzuki Bandit 1250 S. Ihre lange Modell-Konstanz wird allmählich zur Last. Eine sieben Jahre alte Maschine tut’s genauso gut. Wozu eine neue kaufen? Derzeit bietet Suzuki die 2015er-Bandit zum Aktionspreis für komplett 8740 Euro an, lang gestreckte 12.000er-Wartungsintervalle inklusive (Honda: 6000). Das fast identische 2014er-Modell kostet offiziell gar nur 8240 Euro. Mehr Motorrad fürs Geld gibt es nicht, nirgends. Das Kilogramm kostet knapp 33 Euro. Sensationell.
Wie eine aktuelle Interpretation der Yamaha XJ 900 F wirkt die Honda CBF 1000 F. Sie ist das überzeugendere Motorrad, für offiziell 11.155 Euro. Im Handel steht es meist unter 10.000 Euro, ganz ohne Preisverhandlungen. Das ist wirklich eine Überlegung wert! Ja, die Zeit ist über diese Big Bikes hinweggegangen, sie führen nun ein Schattendasein. Doch es waren mal Lichtgestalten.
Historie

Vergangenheit und Zukunft
Solche Allrounder waren einst extrem erfolgreich. Vor allem die Suzuki-Bandit-Familie genießt großen Kult-Charakter.

Suzukis edle GSF 400 Bandit legte 1991 in Japan den Grundstein für grandiose Erfolge. Ein Naked Bike neuer Prägung, nicht retro, nicht böse. 1995 folgte offiziell in Europa die 600er, ebenfalls mit in Fahrzeugfarbe lackiertem Rahmen und luft-/ölgekühltem Feinripp-Vierzylinder der GSX 600 F. Im Jahr 1996 kamen die 1200er mit aufgebohrtem 1100er und 2005/2007 dann komplett neu entwickelte, wassergekühlte Motoren mit wenigen, dicken Kühlrippen. Alle Banditen zusammen wurden allein in Deutschland über 100 000-mal verkauft. Nur BMW GS gibt es noch mehr. Doch Suzuki tut sich schwer mit zeitgemäßen Nachfolgern. Die Fat Mile, entworfen von Hans A. Muth und Daniel Händler, zeigt, dass hier immer noch Kultpotenzial steckt. Suzuki denkt über eine angepasste Kleinserie nach. Doch ein echter Allrounder wäre sie nicht mehr.

Bei Honda blieb von einst vier Modellvarianten der CBF-Familie (600/1000, S oder N) nur noch die CBF 1000 F übrig.
Verkaufszahlen

Die fetten Jahre sind vorbei. Oder doch nicht? Über 35.000 verkaufte 1200er sowie fast 15.000 1250er (inkl. GSX) in Deutschland sind eine große Erfolgsgeschichte. Auch gut: fast 15.000 Exemplare der CBF 1000 und gut 3000 der „F“.
Fazit
Zwei rollende Relikte, die letzten ihrer Art: Sie geben viel und nehmen wenig. Evergreens ohne Neuheiten-Fetischismus und Leistungswahn. Ja, die extrem günstige Suzuki Bandit 1250 S ist nicht mehr ganz auf der Höhe. Doch der kräftige Bandit-Motor bleibt noch immer eine Wucht. Koffer und bessere Reifen machen einen Tourer aus der Suzi. Perfekt verkörpert die Honda CBF 1000 F Honda-Tugenden: es den Menschen möglichst einfach machen; sie abholen, wo sie stehen. Sie ist geschliffener, fährt besser: handlicher, leichtfüßiger, exakter.