Als die Eckdaten der neuen MT-09 Ende 2020 bekannt wurden, war klar: Yamaha meint es ernst und will die obere Mittelklasse der Naked Bikes zurückerobern. Mit mehr Hubraum, mehr Power und mehr Elektronik.
Als die Eckdaten der neuen MT-09 Ende 2020 bekannt wurden, war klar: Yamaha meint es ernst und will die obere Mittelklasse der Naked Bikes zurückerobern. Mit mehr Hubraum, mehr Power und mehr Elektronik.
Einen Vorgeschmack darauf, wie gut dieses Konzept aufgeht, bekamen wir im spanischen Katalonien auf wunderschön geschwungenen Bergstraßen. Hier durften die ersten Dreizylinder-Zyklopen ungehindert die kurzen Geraden, die sich ins Geschlängel mogeln, auffressen. Und wie. Der neue CP3-Motor, mit jetzt 889 Kubik Hubraum, verschlingt jeden Meter Asphalt gierig. Mehr Hubraum bedeutet auch mehr (93 Nm) und vor allem früher anliegendes Drehmoment. Vier PS mehr Spitzenleistung – jetzt deren 119 – sind nett, bei der ersten Ausfahrt aber nicht nachprüfbar. Kolben, Pleuel und Kurbelgehäuse sind nur drei von vielen Neuteilen, die dem Triple in Sachen Spritzigkeit spürbar auf die Sprünge helfen.
Die kleine Drehmomentdelle zwischen 4000/min und 5000/min scheint nicht verschwunden, aber deutlich geglättet, ist jedenfalls nur beim genauen Hineinfühlen ins Bike etwas spürbar. Der Sound aus dem neuen Komplett-Under-Engine-Auspuff betört nach wie vor. Rassig knurrt der Triple, untenrum bassig, bleibt oben raus aber dezent und bläst bei hohen Drehzahlen zornigen, aber nicht krawalligen Sound in die Umgebung.
Mit dem Motor hat Yamaha etwas nach wie vor Gutes noch verbessert. Beim Fahrwerk sah das zuletzt anders aus, hier drängte sich das Update förmlich auf. Der neue Rahmen und die Schwinge wirken schlank und leicht, die Wandstärke des Rahmens wurde laut Yamaha auf ein Minimum von 1,7 Millimetern reduziert, um Gewicht zu sparen. Gleiches gilt für die Leichtmetall-Räder und den nun aus Aluminium gefertigten Heckrahmen. Mit einer Neukonstruktion der Geometrie – der Lenkkopf wanderte um 30 Millimeter nach unten, die Gabel wurde eingekürzt – soll das größte Manko, mangelnder Bezug zum Vorderrad, behoben werden. Was dort an Lenkerhöhe gekappt wurde, packen die riesigen Riser auf der oberen Gabelbrücke aber wieder drauf. Bedeutet eine immer noch sehr aufrechte Sitzposition mit wenig Druck auf der Front. Letzterem soll der um fünf Grad nach vorne gekipptem Motor etwas auf die Sprünge helfen.
Im ersten Eindruck gelang eine Verbesserung, aber kein Meilenstein. Die böse ausgedrückt inaktive, zu moderate Sitzposition der MT-09 bleibt mit der Änderung, dass die Rasten jetzt verstellbar sind und der Kniewinkel somit im Rahmen selbst gewählt werden kann. Auch in der unteren Position ist Schräglagenfreiheit aber kein Problem. Die neue einteilige Sitzbank bietet dem Leder ordentlichen Halt, die Knie umschließen den schlanken Tank formschlüssig. Für Cruiser und Hanging-Offer gleichermaßen angenehm. Roadster-Motard-Hybrid nennt Yamaha dieses Konzept, was durchaus zutrifft. Die MT-09 ist der Supermoto in Sachen Ergonomie näher als dem Supersportler.
Sportfahrer werden sich über die Performance der Kayaba-Gabel freuen. Sportlich dämpft sie, spricht fein an. Das nur in der Zugstufe einstellbare Federbein ebenfalls. Allerdings fällt die Zugstufendämpfung grundsätzlich moderat aus, selbst voll geschlossen – wenn das Federbein auf Temperatur ist. Beim schnellen Umlegen spürbar, trotzdem liegt die MT-09 auch im Schweinsgalopp satt. Sie biegt sanften Impulsen folgend angenehm handlich ab. Die Neutralität in Schräglage passt auch und die MT stellt sich beim Bremsen auf den neuen Bridgestone S 22 Reifen nur minimal auf. Letztere performen gewohnt stark und heben die neue MT-09 auf ein höheres Level. Auch die Bremse selbst überzeugt auf ganzer Linie. Die von der R1 übernommene Anlage samt Radialpumpe verzögert gut, beißt initial nicht übermäßig zu, lässt sich aber easy dosieren und performt insgesamt tadellos.
Das waren noch nicht alle Performance-Updates: Bei Elektronik und Assistenzsystemen legt Yamaha richtig nach. Dank Sechs-Achsen-IMU regeln TC und ABS schräglagenabhängig und das auf hohem Niveau. Vor allem das früh eingreifende ABS der Vorgängerin störte beim sportlichen Fahren und besonders auf Trackdays bisher. Jetzt noch immer auf der sicheren Seite abgestimmt, greift der Blockierverhinderer auf der Straße nie störend ein. Genauso die Slide- und die Wheelie-Kontrolle (Lift-Control genannt), die bei steigendem Vorderrad unabhängig von der Traktionskontrolle den Überschlag nach hinten verhindert, und der neue Schaltassistent, endlich auch mit Blipper. Er wechselt die Gänge ohne Schaltschlag präzise im überarbeiteten Getriebe mit neuen Schaltgabeln und längerem ersten und zweiten Gang. Nur ganz niedrige Drehzahlen mag der Blipper nicht unbedingt.
Das neue 3,5 Zoll-TFT-Cockpit ist eine weitere massive Verbesserung. Das Display selbst lässt sich bei Gegenlichtverhältnissen noch annehmbar ablesen, die Menüführung ist intuitiv, die Bedienung am rechten (!) Lenkerende braucht etwas Feingefühl. Dem Preis (siehe unten) absolut angemessen. Zwischen den vier Gas-Modi hin- und herzuswitchen ist während der Fahrt kein Problem, ausschalten lässt sich die dreifach einstellbare Traktioskontrolle nur im Stand. Im Mapping 1 geht der Triple direkt, mit minimal spürbarem Lastwechselrucken ans Gas, wie auch in 2 und 3. Die Progression des Gasgriffs ändert sich deutlich, 1 heißt viel Power bei wenig Drehwinkel. Für die flotte Landstraßenrunde erwies sich dieser Modus als sehr passend, er knüpft die gefühlt direkteste Verbindung zum neuen Triple, dem man eigentlich gar nicht nah genug sein kann. Beim entspannteren Fahren eignen sich Modus 2 und 3. 4 bedeutet sanft plus reduzierte Spitzenpower, könnte also auch "Rain" genannt werden.
Eine Mitfahrerin oder ein Mitfahrer fühlt sich in der zweiten Reihe der MT-09 grundsätzlich willkommen. Die durchlaufende Sitzbank polstert ihren oder seinen Hintern aber recht hart, der Kniewinkel ist spitz und viel Platz nach hinten hat man auch nicht. Festhalten also am Fahrer, was sich zugunsten der Sicherheit sowieso empfiehlt. Auf ähnlicher Höhe wie der Pilot sitzend muss jenem über eine Schulter geschaut werden, wenn man sehen will, wo die Reise hingeht. Bevor die große Tour zu zweit angetreten wird, sollte aber die Federvorspannung hinten erhöht werden. Angenehmerweise findest sich im Bordwerkzeug der passende Hakenschlüssel.
Das Schwierigste zum Schluss: Die MT-09 schaut futuristisch verdutzt aus dem neuen LED-Scheinwerfer, flankiert von zwei LED-Tagfahrlicht-Streifen – so auch an der MT-07 zu finden. Subjektive Meinung: Sieht real deutlich besser aus als auf den Fotos, die unter der hoch sitzenden Maske sichtbare untere Gabelbrücke mit daran verschraubter Hupe wirkt aber etwas nackt. Das reduzierte Design mit prominentem, schön lackiertem Rahmen ist stimmig, die Anmutung der Materialien passt, viele sichtbare Verschraubungen verhelfen der neuen MT-09 zu einem radikalen, transformer-artigen Gesamtbild.
Die Standard MT-09 steht ab März für 9799 Euro (inklusive Nebenkosten) in den Farbvarianten Storm Fluo, Icon Blue und Tech Black beim Händler, die SP gibt’s für 11599 Euro. Für die Statistiker: 96 dB(A) Standgeräusch sind eingetragen.
Sie stand beim Test noch nicht bereit. Wie bisher trägt die SP-Variante zur Kayaba-Gabel ein Öhlins-Federbein. Bei der SP-Gabel gibt’s jetzt separat einstellbare Low- und Highspeed-Druckdämpfung. Elektronisch bekommt man bei außerdem eine Cruise-Control – für "Sport Performance" bekanntlich unerlässlich.
Mit dem Update hebt Yamaha die MT-09 auf ein neues Level. Die Sitzposition mit hohem Lenker bleibt, technisch ist die MT aber jetzt in der Klasse wieder ganz vorne mit dabei. Aktuell stellt die MT-09 sogar gewissermaßen das Top-Naked der Japaner. Die noch nicht geupdatete MT-10 SP kann bei dieser Ausstattung (noch) nicht mithalten.