Treffpunkt Rasthof Schönbuch. Der erste auf der A 81 südlich von Stuttgart. Punkt sechs Uhr. Vier Männer, vier Motorräder, eine Mission: zwei Tage lang im Herzen der Alpen möglichst viele Höhenmeter sammeln. Traumhafte Aussichten, könnte man meinen. In der kleinen Gruppe ist man sich da allerdings nicht ganz so sicher. Die vier Bikes an der Zapfsäule scheinen auf den ersten Blick echte Gurken zu sein: eine Suzuki GS 500 E (Baujahr 1992), eine Yamaha FJ 1100 (1985), eine Honda CX 500 C (Baujahr 1981) sowie eine Yamaha XT 600 (Baujahr 1984). Jedes Teil für unter 1000 Euro erstanden und mit mehr oder weniger Aufwand in Form gebracht, um den Alltag zu meistern.
Nun aber die große Herausforderung eine Pässetour durch die Zentralschweiz. Kurven und Kehren satt. Dazu lange Bergauf- wie Bergabpassagen. Nach wie vor die ultimative Zerreißprobe für jedes Bauteil. Die Blicke der Piloten verraten Skepsis. Insgeheim glaubt keiner ernsthaft, aus eigener Kraft wieder daheim in Stuttgart aufzuschlagen. 6.15 Uhr. Start. Das Quartett pfeilt mit gut 120 Sachen über die Bahn in Richtung Süden. Die FJ und die GS könnten mehr. Die XT sicherlich auch, wenn sie nicht bei knapp 140 regelmäßig von einem heftigen Schluckauf eingebremst würde (der Sache wird nachgegangen). Die mit Vollgas bewegte »Güllepumpe« gilt schließlich auf der Geraden als Maß der Dinge.
Weil niemand weiß, wie viele von ihren einst 27 PS noch am werkeln sind, kann man ihr das Bummeltempo nicht wirklich übelnehmen. Zumindest eine Zeit lang. Stefan am Ruder der großen Yamaha hält diese Zuckelei irgendwo auf halber Strecke nach Konstanz schließlich nicht mehr aus: »120 sind vollkommen unter der Würde einer FJ!« Mit Volldampf zieht er Leine. Dass wir am am Bodensee auf einen nachdenklichen Piloten treffen, liegt daran, dass die FJ kaum mehr als 180 rennt. Zu wenig für nominell 100 PS.
Brav zuckelt die Gruppe im Windschatten der Honda ein gutes Stück durch die Schweiz. Autobahn bis Thusis und keinen Meter Angst, sich wegen zu schneller Fahrt, also maximal 120, Ärger mit den Behörden einzuhandeln auch nicht schlecht. Aber zäh. Die ersten Kilometer Landstraße wirken wie ein Befreiungschlag. Kurven. Endlich! Die Via-Mala-Schlucht rechts neben der schmalen Spur im Fels ein kurzer Blick muss diesmal reichen. Die ganze Aufmerksamkeit gilt den Fahrzeugen. Schräglagenfreiheit, Bremsweg, der optimale Kurvenstil, um mangels Leistung ja keinen Schwung zu verlieren. Erster Eindruck: Mit diesen barocken Fuhrwerken geht mehr als erwartet. Viel mehr. Die wendige XT und die leichte GS gelten bereits als Anwärter auf den Titel »Alpenkönig«. Die Nordrampe des 2113 Meter hohen Splügenpasses. Nahezu perfekter Asphalt und ganz oben 14 dicht aufeinander-folgende Kehren. Alles geben, lautet die Devise. Jetzt will jeder wissen, woran er mit seinem Schatz ist.
Dass die Yamaha XT 600 des Autoren aufgrund schlapper Bremsen arg früh vom Gas genommen werden muss und dabei vorne dennoch stets ins Bodenlose abtaucht egal: Schräglagenfreiheit bis zum Abwinken und am Ende der Kehre immer Druck im Kessel die XT ist für ein Leben am Berg gemacht. Dagegen verhungert die drehzahlgierige Suzuki regelmäßig am Kurvenausgang. Holger: »Die entscheidenden Meter gewinnt die GS klar beim Anbremsen. Und auf längeren Geraden, wenn das Triebwerk oberhalb von 7000 Umdrehungen förmlich zu explodieren scheint.«
Nicht aufzuhalten

Dennoch reichts bei beiden nicht, die große Yamaha einzufangen. Trotz minimaler Bodenfreiheit und einem maroden Federbein zieht die FJ funkensprühend und wild schaukelnd auf und davon. Ein klarer Leistungsvorteil, der umso stärker zum Tragen kommt, desto höher der Weg führt. Jörg im Sattel der Güllepumpe hält sich aus all dem einfach raus. Wie gesagt maximal 27 PS. Da lauert der Tod an jedem Kurvenausgang. Dass er trotzdem nur Augenblicke später auf der Passhöhe landet, spricht ganz klar für die Qualitäten der Honda (und für die des Fahrers).
Jörg: »Die Motobremse gleicht einem Wurfanker, so kann man brutal spät einlenken. Zum Glück lässt sich dieser Softchopper außerdem unglaublich schräg in die Kurven schmeißen.« Der 2066 Meter hohe San Bernardino, die alte Tremola-Straße rauf zum 2091 Meter hohen St. Gotthard Pass, der 2478 Meter hoch gelegene Nufenenpass und kurz vor Sonnenuntergang fallen auch noch Furka- (2436 Meter) sowie Grimselpass (2165 Meter). Die Hierachie innerhalb dieses vermutlich skurrilsten Trosses seit Hannibals Alpenüberquerung? Unverändert. Was weitaus mehr überrascht: keine technischen Ausfälle, wie bequem sich selbst längste Fahrtage auf diesen Bikes abspulen lassen und dass niemand sonst einen auch nur ansatzweise ähnlich betagten Fuhrpark durch die Alpen zu bewegen scheint.

Tag zwei. Das Startprozedere zieht sich. Öl brauchen sie alle. Bei der XT muss der Schalthebel geradegebogen werden, weil sie beim (lästigen) Antreten samt Fahrer in stabile Seitenlage gefallen ist. Das Triebwerk der großen Yamaha will zudem minutenlang mit erhöhtem Standgas auf Temperatur gebracht werden, bevor es überhaupt ans Laufen denkt. Später, am spektakulären Sustenpass (2224 Meter), verliert die FJ fast ihren linken Auspufftopf. Egal. Es gibt nichts, was anderthalb Meter Draht nicht wieder richten könnten. Oder fast nichts: Die Zylinderfußdichtung der XT dürfte inzwischen so löchrig sein wie ein Schweizer Käse. Da hilft nur regelmäßiges Kontrollieren. Und gegebenenfalls Nachfüllen.
Das von Anfang an heftige Klappern im Kurbelwellenbereich ist zumindest nicht lauter geworden. Der Suzuki und der Honda sind die Strapazen nicht anzumerken. Berauscht fegt das Quartett weiter über die letzte Hürde, den 1952 Meter hohen Klausenpass. Noch einmal alles geben, trotz unterschiedlichster Handicaps bloß keinen Meter Boden verlieren. Da wird eine 600er-Ducati Monster schon mal nach hinten durch gereicht. Genial, was diese Motorräder leisten, wenn sie erst einmal in Fahrt sind. Eine fahrerische Herausforderung, keine Frage. Aber es funktioniert. Dass die Oldies nach 1050 Kilometern und 17525 Höhenmetern aus eigener Kraft wieder daheim in Stuttgart gelandet sind, nein, ernsthaft hatte natürlich keiner der Beteiligten daran gezweifelt.
Die Motorräder (Honda und Suzuki)
HONDA CX 500 C
Mit 27 Pferdchen auf Schweizer Passhöhen? Da kam unsere 1981er-Güllepumpe ganz schön ins Schnaufen. Der Fahrer hatte es indes einfach. Für ihn gab es auf der Tour nur zwei Gasgriffstellungen: auf oder zu! Die Quittung folgte an der Tankstelle. Mit knapp sieben Litern war die CX der Schluckspecht im Quartett. Erstaunlich dagegen die Schräglagenfreiheit: Damit war die 500er alles andere als ein Kurvenparker.
SUZUKI GS 500 E
Zugegeben: Die GS hat sich im Gebirge wacker geschlagen. Allerdings passt die Motorcharakteristik nicht für enge Kehren. Unter 7000/min tut sich wenig. Wer bergauf flott unterwegs sein will, muss die Suzuki gnadenlos drehen. Immerhin kamen die Bremsen erstaunlich gut mit den Passabfahrten klar. Außerdem sind Autobahnetappen mit gut 150 km/h Dauertempo bei unter fünf Liter Verbrauch kein Problem.
Die Motorräder (Yamaha)
Yamaha FJ 1100
Was früher top war, kann heute nicht schlecht sein. Für lange Strecken ist die FJ nach wie vor eine gute Wahl. Schnelle, allerdings laute Anreise auf der Autobahn, beschwingtes Surfen auf kurvigen Landstraßen und kräftiger Antritt nach Alpenkehren. Dank 16-Zoll-Bereifung geht sie immer noch als handlich durch, allein die Schräglagenfreiheit lässt zu wünschen übrig. Und moderne Bremsen sind viel besser.
Yamaha XT 600
Größtes Manko der XT: ein nicht vorhandender E-Starter. Zum Glück läuft der alte Single spätestens nach dem dritten Kick. Auf kurvigen Strecken ist die XT dagegen ein echter Feger. Geringes Gewicht, breiter Lenker, enorme Schräglagenfreiheit, genügend Druck von unten und die überaus bequeme, aufrechte Sitzposition alles super. Nur die Bremsen und das ausgelutschte Fahrwerk... Schwamm drüber.
Verreisen mit Gebrauchten - Was Ungewöhnliches passiert immer ...
Dass es sich auch mit betagten Motorrädern prima verreisen lässt, konnte MOTORRAD am eigenen Leib erfahren dass es unvorhergesehene Komplikationen geben kann, ebenfalls. Mit etwas Werkzeug und ein bisschen handwerklichem Geschick kann man das meiste selbst beheben. Nachfolgend ein paar Dinge, die auf keiner größeren Tour fehlen sollten: Werkzeuggrundausstattung, um Kette zu spannen, Armaturen einzustellen, Schalt-, Brems- und Kupplungshebel zu tauschen, dazu gehören auch Zange, Gewebeklebeband und etwas stabiler Draht. Außerdem Luftdruckprüfer, Luftpumpe, Motoröl (alte Motorräder verbrauchen mehr davon), Seilzug-Reparaturset, Kettenspray, Abschleppgurt (für alle Fälle), Vertragshändlerliste des Reiselandes. Praktisch ist ein Navigationsgerät mit Menü-Unterpunkt Werkstätten, obligatorisch ein Handy. Sollten am Straßenrand alle Reparaturmaßnahmen fehlschlagen, findet sich mit etwas Glück bestimmt ein freundlicher Transporter- oder Lkw-Fahrer, der noch Ladekapazität frei hat, um die havarierte Maschine bis zur nächsten Werkstatt mitzunehmen. hek