Seit geraumer Zeit beschäftigen wir uns bereits mit dem Thema Bremsen. Ein sehr wichtiger Bereich, denn gut und zuverlässig funktionierende Stopper können im Ernstfall unsere Lebensversicherung sein. Dieses Mal stehen die Bremsscheiben im Blickpunkt, denn natürlich sind auch sie Opfer von Verschleiß, werden mit der Zeit immer dünner oder weisen deutliche Laufspuren, sogenannte Riefen auf.
Wann ist die Bremsscheibe schrott?
Manchmal sieht man auch eigenartige Flecken, braun oder blau. Das sind Hitzeflecken, die durch sehr hohe Temperaturen entstehen. Wenn diese sich nicht nach einiger Zeit „wegbremsen“ lassen, kann die Vorderradbremse schon mal rubbeln, entstehen deutliche Vibrationen. Ursache hierfür sind sogenannte Reibwertsprünge zwischen den Reibpartnern Scheibe und Belag aufgrund von Gefügeveränderungen in den Hitzeflecken.

Dieses hochfrequente Rubbeln darf nicht mit dem klassischen Bremsrubbeln verwechselt werden, wie es bei verzogenen Bremsscheiben vorkommt. Hierbei ist der Seitenschlag der Bremsscheibe für ein ungleichmäßiges Bremsen verantwortlich, typischerweise verbunden mit einem pulsierenden Bremshebel. In einem solchen Fall ist die Bremsscheibe Schrott. Bei den eingangs erwähnten Hitzeflecken hilft manchmal das Einsetzen neuer Bremsklötze. Darauf sollten aber erst mal einige vorsichtig und zaghaft gebremsten Kilometer folgen.
Scheibendicke messen und Angaben vergleichen
In jedem Fall wird die Bremsscheibe durch Bremsen nach und nach immer dünner. Ob sie noch dick genug ist, lässt sich leicht feststellen. Normalerweise findet sich irgendwo auf der Bremsscheibe das vom Hersteller vorgeschriebene Mindestmaß für die Dicke. In der Regel sind das zwischen 4 und 4,5 Millimeter. Mit einer Bügelmessschraube lässt sich die tatsächliche Bremsscheibendicke ermitteln. Natürlich gibt es auch spezielle Bremsscheibenmessgeräte – aber ein solches Exemplar wird sich wohl in den wenigsten Hobbyschrauber-Garagen finden lassen. Befindet sich der mit was auch immer ermittelte Ist-Zustand gleichauf mit dem Vermerk auf der Scheibe, sollte man sich natürlich neue Scheiben besorgen.

Sieht die Bremsscheibe gar aus wie eine alte Schallplatte und weist tiefe Riefen auf? Da ist zunächst die Frage, wie tief ist denn tief? Wenn man die Riefen oder ringförmigen Schleifspuren mehr sehen als fühlen kann, ist das in Ordnung. Wenn man aber beim Darüberfahren mit dem Fingernagel richtig hängenbleibt, besteht Handlungsbedarf. Zunächst kann man die Bremsbeläge tauschen – wie das geht, hatten wir ja in der vorigen Ausgabe besprochen. Oder man probiert, sofern die alten noch sehr gut sind, diese plan zu schleifen, in der Hoffnung, die nun wieder riefenfreien Bremsbeläge mögen die Kraterlandschaft auf den Bremsscheiben egalisieren. Dazu baut man die Bremsbeläge aus, tackert einen Bogen 80er-Schleifpapier auf ein planes Brett und schleift damit die Belagfläche nicht runter, sondern schön eben.
Eine Scheibe ist verzogen – hier ein Service-Trick
Was aber tun, wenn der Bremshebel pulsiert? Sind die Scheiben eh schon älter und neigen sich ihrem Ende entgegen, entsorgt man sie am einfachsten – mitsamt den Belägen! Es sei denn, Letztere sind wirklich noch recht neu und haben bislang kaum zupacken müssen. Sind die Scheiben hingegen noch in sehr gutem Zustand und durchaus noch für viele Tausend Kilometer zu gebrauchen, sollten wir herausfinden, welche Scheibe denn nun wirklich verzogen ist. Um das feststellen zu können, benötigt man eigentlich einen Messtaster und ein Stativ zur Messung des Seitenschlags. Allein diese Anschaffung sprengt sicherlich für die meisten den Rahmen. Aber mit einem simplen Trick kann man auch ohne teures Messgerät herausfinden, von welcher Seite das Rubbeln kommt. Hierzu demontiert man nur eine Bremszange, klemmt ein Stückchen Holz oder ähnliches zwischen die Bremsbeläge, sichert das Ganze mit ein oder zwei Gummis, wickelt danach die Bremszange in einen Lumpen und befestigt diese dann per Expander am Motorrad.

Der Lumpen deshalb, weil wir nur die Bremse reparieren und nicht auch noch die Verkleidung lackieren wollen. Vorsichtig den Druckpunkt prüfen und dann – natürlich nur auf abgesperrter Strecke und ganz vorsichtig – fahren und leicht bremsen. Ist das Rubbeln weg? Dann haben wir die richtige Scheibe. Wenn es immer noch rubbelt, das gleiche Spiel nochmals mit der anderen Bremsscheibe wiederholen. Es gibt noch einen weiteren Grund, warum eine Bremsscheibe ersetzt werden muss: übermäßiges Spiel in den Floatern. Die meisten Bremsscheiben sind schwimmend gelagert. Damit ist aber nicht das Spiel in axialer Richtung wie bei den Bremszangen gemeint, sondern etwas „Luft“ in radialer Richtung zwischen Bremsscheibe und deren Träger. Ziel dieser Konstruktion ist es, dem Verzug der Bremsscheibe in Folge extremer Erwärmung zuvorzukommen, da sich ja der Bremsscheibenring durch Hitzeeinwirkung ausdehnt. Wenn die Scheibe aber nun klappert und rasselt, dann gehört sie zum alten Eisen. Eine Ausnahme stellen manche Bremsscheiben aus dem Motorsport dar, bei denen auf die Vorspannscheiben zur Eliminierung des axialen Spiels verzichtet wird.
Welche Scheiben sind die Anschaffung wert?
Die Scheiben sind definitiv hin? Dann muss Ersatz her. Hierbei stehen wir vor der schwierigen Entscheidung, welche Scheibe von welchem Hersteller wir denn nun einbauen sollen. Die originalen gehen immer, sind halt entsprechend teuer. Welches preiswertere Teil ist aber ebenso zu empfehlen? Eines gleich vorweg: Wave-Scheiben stammen aus dem Motocross- und Enduro-Bereich. Dort soll die Sägezahnähnliche Außenkontur den Dreck aus der Bremszange raspeln. Sollte es jemals an unserem Straßenfeger etwas aus den Bremszangen zu raspeln geben, haben wir ganz andere Probleme. Daher sind Wave-Scheiben ein Optik-Gimmick. Auf das Bremsverhalten jedenfalls hat die Außenkontur keinerlei Einfluss.

Eher die Dicke, denn dickere Scheiben erwärmen sich langsamer und gleichmäßiger, sodass sie auch unter extremsten Bedingungen noch einwandfrei und stabil bremsen. Außerdem neigen sie weniger zu Verzug. Als Faustregel gilt: Erfahrungsgemäß geht eigentlich alles außer diesem billigen Noname-Schrott aus dem World Wide Web. Wichtig ist, dass die Bremsbeläge dazu passen, also am besten gleich neue bestellen. Und neue Schrauben, denn nichts ist ärgerlicher, als die Arbeit abbrechen zu müssen, weil man mit den rundgenudelten Dingern nicht mehr weiterkommt! Wir könnten auch flüssige Schraubensicherung gebrauchen, außer die neuen Schrauben sind mikroverkapselt. Dann haben sie eine meist blaue oder grünliche Gummischicht auf dem Gewinde.
Scheibenwechsel leicht gemacht
Alles da? Dann geht es an den Umbau. Am besten löst man sämtliche Schrauben vor dem Aufbocken des Motorrads. Häufig sind die Schrauben nämlich brutal angeballert und so vermeidet man das Risiko, das Bike von den Böcken zu werfen. Danach wird die Maschine aufgebockt, das Vorderrad kommt raus und auf die Werkbank. Beim Herausdrehen der Bremsscheibenschrauben empfiehlt es sich, nur einwandfreie Inbus- oder Torxstecknüsse zu verwenden. Sind speziell bei Inbusnüssen die Ecken bereits verrundet, werden die Schrauben aus Gründen der Solidarität ebenfalls verrunden. Im Kasten links oben stehen die Tipps zum aktiven Schrauben. Sind die neuen Scheiben endlich dran, wird das Rad wieder eingebaut. Dazu folgenden Trick anwenden: die schwimmende Seite der Gabelklemmung (siehe Bildergalerie) zu Beginn nicht anziehen, nachdem die Bremszangen mit dem korrekten Drehmomentwert angezogen und die Bremsbeläge angelegt sind (ein paarmal den Bremshebel durchpumpen).

Das Motorrad komplett abbocken, die Vorderbremse betätigen und ein paarmal so stark wie möglich einfedern! Wozu? Um die Gabel auszurichten. Auf diese Weise ist eine spannungsfreie Montage der Vorderradachse gewährleistet, und es entsteht keine Verspannung in der Gabel, wichtig für ein feines Ansprechverhalten. Danach natürlich die Achsklemmung anziehen. Zum Schluss noch mal den Bremsflüssigkeitsstand im Ausgleichbehälter kontrollieren (siehe PS 08/18) und sicherstellen, dass wir nicht mit unseren Fettfingern auf die Bremsscheibe getappt haben. Schon können wir los auf Probefahrt, aber zunächst etwas sachte an die Sache rantasten, denn neue Bremsscheiben und Beläge brauchen etliche Kilometer, bis sie wirklich kraftvoll zubeißen. In der nächsten Ausgabe schließen wir das Kapitel der Bremsen mit neuen Stahlflex-Leitungen ab, zusätzlich gibt‘s weitere nützliche Tipps und Tricks aus der Werkzeugkiste. Bis dahin, mit zwei Fingern an der Bremse!
Montage-Tipps
Um das Lösen der Schrauben zu erleichtern, steckt man die Nuss in die Schraube und schlägt einmal kurz und knackig mit dem Kunststoffhammer drauf. Löst sich die erste Schraube nur mit Mühe oder gar nicht, lieber abbrechen und den Heißluftföhn schnappen. Oft wurden die Schrauben dann unnötigerweise mit Loctite Ultrafest eingeklebt. Durch Wärme wird auch eine solche Schraubensicherung wieder weich. Findet ihr, dass selbst die neue Nuss im Schraubenkopf zu viel Luft hat? Dann hilft vielleicht einer der folgenden Tricks. Die Luftnummer: Steckt die Inbus – oder Torxnuss mit dem Sechskant-Teil in einen kleinen Luftballon. Das hat zwei Vorteile: Erstens wird das Spiel zwischen Werkzeug und Schraubenkopf so reduziert und außerdem hat der Gummi viel mehr Grip als Stahl auf Stahl! Geht übrigens auch bei Schlitzschrauben. Sollte vom letzten Kindergeburtstag kein Luftballon mehr übrig sein, geht auch die abgeschnittene Kuppe eines Latexhandschuhs.
Sand im Getriebe: Schmiert etwas feinkörnige Handwaschpaste in den Schraubenkopf, die Schleifpartikel darin verhaken sich regelrecht zwischen Werkzeug und Schraubenkopf. Man kann auf diese Art viel mehr Drehmoment übertragen. Bitte hier nicht mit dem Schlagschrauber loslegen, weil die Bremsscheibenschrauben durch das hohe Lösemoment in Verbindung mit der hohen Drehgeschwindigkeit leicht reißen. Das Gewinde ist ja oft nur sechs Millimeter. Wichtig: Die Auflagefläche zwischen Felge und Bremsscheibe penibel reinigen. Dann die neuen Scheiben auspacken und gründlich mit Bremsenreiniger abwaschen. Anschließend eine neue Scheibe montieren, auf die Laufrichtung achten, wenn es eine gibt – sie wird mit einem Pfeil wie auf den Reifen angegeben. Die neuen Schrauben eindrehen. Sollten diese mikroverkapselt sein, kein weiteres Schraubensicherungsmittel aufbringen. Wenn nicht, nur solches vom Typ „mittelfest“ verwenden, aber nur einen kleinen Tropfen ganz am Anfang des Gewindes. Manche Schrauben haben unter dem Kopf einen Schaft zur Zentrierung, daher die Schrauben zum Schluss gleichmäßig über Kreuz bis zum vorgeschriebenen Drehmoment anziehen. Danach die zweite Scheibe montieren. Achtet darauf, dass das Lochbild der Scheibe oder des Bremsscheibenträgers beider Scheiben fluchtet.