Die gute Nachricht zuerst: Alle Italofans, die bereits seit längerem mit einer Ducati liebäugeln, denen aber schon das kleinere Modell der klassischen zweiventiligen Sportlerreihe, die 750 SS, zu teuer war, können aufatmen. Denn dieses Modell fristet bei den Neuzulassungen mittlerweile ein Mauerblümchendasein und wird inzwischen auf dem Gebrauchtmarkt relativ häufig, Preistendenz fallend, angeboten.
Die weniger gute Nachricht: Mit der im Neupreis rund 4000 Mark billigeren Suzuki SV 650 S, deren potenter V2-Vierventiler trotz kleineren Hubraums kräftiger zur Sache geht, wird die Entscheidung, eine gebrauchte Ducati 750 SS zu kaufen, nicht gerade leichter. Wer allerdings sein Faible für die Roten aus Bologna nicht länger unterdrücken will und seine Kaufentscheidung nicht ausschließlich nach rationalem Kalkül fällt, liegt bei der Italienerin zwangsläufig richtig. Die von MOTORRAD gefahrenen Maschine, Baujahr 1993, 24600 Kilometer, zwei Besitzer, bot die Firma Limbächer, ein offizieller Ducati-Händler aus Echterdingen bei Stuttgart, für 7699 Mark an. Die Maschine hatte vor der Probefahrt mehrere Monate gestanden, harrte einer Inspektion und der Hauptuntersuchung, der Drehzahlmesser streikte.
Die schlechte Leistungsentfaltung des Motors im unteren Drehzahlbereich erschwert das Anfahren. Hat man den Stadtverkehr erst einmal hinter sich gelassen, ist die Sitzposition auch für Piloten unter 1,80 Meter trotz der unter der oberen Gabelbrücke montierten Lenkerhälften einigermaßen kommod, wenn mit höherem Tempo auf der Landstraße der Fahrtwind den Oberkörper entlastet. Mit der ab Modelljahr 1992 im Ölbad laufenden Kupplung gehört das gewöhnungsbedürftige, schnatternde Rasseln der Trockenkupplung älterer Maschinen der Vergangenheit an.
Zielgenau und wie an der Schnur gezogen folgt die Ducati 750 SS dem angepeilten Kurvenradius. Allerdings nur, solange der Straßenbelag schön glatt ist. Bei Querfugen, Schlaglöchern oder sonstigen Unebenheiten knallt die Gabel mit zu starker Dämpfung hart über das Hindernis. Dazu korrespondierend teilt die hintere Partie jeden Stoss sehr ruppig dem Rücken mit. Überraschend angesichts der ziemlich hart abgestimmten Federelemente ist die kaum zu beeindruckende Zielgenauigkeit des italienischen Sportlers. Lediglich in engeren Kehren zwingt der geringe Lenkeinschlag zu größeren als den angepeilten Radien. Der erste Gang ist lang übersetzt, und der Fahrer lernt erst allmählich, dass er nicht nur zum Anfahren, sondern in langsamen Kurven auch zum kontinuierlichen Fahrfluss dient.
Der optimale Drehzahlbereich des Triebwerks liegt zwischen 3500 und gut 7000/min. Darunter beginnt der Motor lustlos zu ruckeln und die Kette zu schlagen, obenraus wirkt der V-Twin etwas zugestopft. Der Druckpunkt der 1993 noch installierten Einscheibenbremsanlage vorn ist indifferent. Ab dem 1994er-Modell erhielt die Bremsanlage vorn eine zweite Scheibe, die für zirka 800 Mark bei den älteren Baujahren nachgerüstet werden kann.
Die 750 SS, seit 1990 auf dem Markt, wurde auch in verschiedenen anderen Punkten in den zehn Jahren Bauzeit modifiziert. Die weiteren, wichtigsten Änderungen: Der Werkstoff für die Ventilführungen wurde mehrmals gewechselt. Und ab 1992 gab es nicht nur die bereits erwähnte Ölbadkupplung, sondern sorgte auch ein Kühler für niedrigere Temperaturen im Ölkreislauf. Zudem ersetzte eine Stahlschwinge das Aluminiumteil. Ab 1995 erhielten die beiden Vergaser eine elektrische Beheizung der Schwimmerkammern, bei den älteren Versionen hatte bei Regenfahrten unter zehn Grad Außentemperatur Kraftstoffvereisung häufig zu unfreiwilligen Stopps gezwungen.
1999 verpasste Ducati dem Modell dieselbe Modernisierung wie bei der 900 SS und reagierte damit auf langjährige Kritik. Eine geänderte Rahmengeometrie mit größerem Lenkeinschlag, effektivere Brembo-Stopper und eine Einspritzung statt der etwas heiklen Mikuni-Vergaser. Den Relaunch vervollständigten neue Verkleidungsteile mit moderneren Instrumenten.
Das am häufigsten monierte Problem der 750 SS ist das Leistungsloch des V2 unter 3000/min. Wirksame Umbaumaßnahmen wie eine kürzere Übersetzung (39 statt 37 Zähne am Zahnkranz) und/oder Vergasermodifikationen mit Dynojet, Stage 1 plus K&N-Filter und Luftfilterkasten ohne Schnorchel sind eintragungspflichtig. Die Zahnriemen für den Nockenwellenantrieb müssen bei den Inspektionen(ab 1995 nur noch alle 10000 Kilometer) penibel kontrolliert und alle 20000 Kilometer ausgetauscht werden. Auch die relativ kurzen Ventilführungen, speziell der Auslassseite, können bereits bei Laufleistungen von 20000 Kilometern starken verschleiß aufweisen, was zu erhöhtem Ölverbrauch führt. Startschwierigkeiten bei schon betagteren Modellen mit nasser Kerze in einem Zylinder kann an den aufgeweiteten Düsenstöcken der Mikuni-Vergaser liegen, die zu fettes Gemisch liefern, oder einem verklemmten Chokezug.
Fahrwerksseitig wird der harten Upside-down-Gabel mit zehn Prozent weniger (400 cm3) und dünnflüssigerem Öl (Viskosität 5) zu Leibe gerückt. Fahrer unter 70 Kilogramm besorgen sich eine weichere Feder für das Federbein hinten (Firma Kämna, Telefon 04205/8707, Preis zirka xxx Mark).
Laut der Ducati-Niederlassung in Köln wurden ab 1991 ungefähr 4800 Stück der 750 SS in Deutschland verkauft, von dem stark überrarbeiteten Modell mit Einspritzung 1999 jedoch erst 200. Wer momentan eine Gebrauchte haben will, findet reichlich Angebote. Ab etwa 5000 Mark aufwärts spielt die Musik. Denn trotz aller Nickligkeiten, Ducatisti lieben ihre 750 SS. Wenn sie sich von ihr trennen, dann nur, um den Verkaufserlös subito in ein neueres Modell aus Bolgna zu investieren.
Technische Daten - Ducati 750 SS
Ducati 750 SSTechnische DatenMotorLuft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je eine obenliegende, zahnriemengetriebene Nockenwelle, zwei desmodromisch betätigte Ventile pro Zylinder, Mikuni-Gleichdruckvergaser, 0 38 mm, kontaktlose Transistorzündung, keine Abgasreinigung, Hubraum 748 cm³, Nennleistung 50 kW (68 PS) bei 7800/min, Fünfganggetriebe, Sekundärantrieb über O-Ring-Kette, E-Starter.FahrwerkGitterrohrrahmen aus Stahlrohr, Upside-down-Gabel, Gleitrohrdurchmesser 41 mm, Zweiarmschwinge aus Stahlprofilen, Zentralfederbein über Hebelsystem angelenkt, mit verstellbarer Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Vierkolbensättel, 320 mm, Scheibenbremse hinten, O 245 mm, Alugussräder, Federweg vorn/hinten 120/125 mmMaße und Gewichte Sitzhöhe 810 mmTankinhalt/Reserve 17,5/4 LiterGewicht vollgetankt 199 kgService-Intervalle (seit 1995) alle 10 000 Kilometer TestwerteHöchstgeschwindigkeit solo/mit Sozius 205/182 km/hBeschleunigung 0-100 km/h solo/mit Sozius 4,5/6,3 sekVerbrauch 6,3 LiterKraftstoff SuperErsatzteil-PreiseSturzteileKupplungsarmatur 179 MarkHandbremsarmatur 208 MarkLenkerhälfte 200 MarkRückspiegel 68 MarkBlinker vorn 36 MarkTachometer 234 MarkDrehzahlmesser 294 MarkGabelgleitrohr 641 MarkSchutzblech vorn 182 MarkVorderrad 1055 Markein Schalldämpfer 682 MarkTank, lackiert 1711 MarkRahmen komplett 2893 MarkVerkleidung:Oberschale mit Scheibe 667 MarkJe Seitenverkleidung 390 MarkVerschleißteileKettenkit 446 MarkBremsbeläge vorn komplett 167 MarkKupplungsreibscheiben (Satz) 194 MarkBremsscheibe vorn 317 MarkLuftfilter 25 MarkÖlfilter 16 MarkLima komplett 401MarkTachowelle 25 MarkBatterie 185 MarkStärken und SchwächenStärkenCharaktervolles TriebwerkStabiles, sportliches FahrwerkFiligrane OptikSchwächenHohe Wartungs-Intensität (Desmodromik, Zahnriemen)IAntrittsschwäche des MotorsGeringer LenkeinschlagHohe ErsatzteilkostenTest in MOTORRAD1Test 17/1991Vergleichstest 9/1994Vergleichstest 8/1996Test 2/19991Tests können beim Verlag bestellt werden, Telefon siehe Kasten auf Seite xxx.
Markt
Die Schwacke-Liste für Gebrauchtmaschinen notiert folgende Preise: für die 750 SS Carenata:1991 (75 000 Kilometer) 5900 Mark; 1992 (66 600 Kilometer) 6200 Mark; 1993 (58 200 Kilometer) 6900 Mark; 1994 (49 800 Kilometer) 7700 Mark; 1995 (41 400 Mark) 8400 Mark; 1996 (33 000 Kilometer) 9500 Mark; 1997 (24 600 Kilometer) 10 800 Mark; 1998 (16 200 Kilometer) 12 000 Mark; 1999 (7800 Kilometer) 13 600 Mark. Seit Erscheinen des 1999er Modells mit Einspritzung und neuem Design geraten auch die Gebrauchtpreise der Vergaserversion ins Rutschen . Zumal auch Suzuki mit mit dem Vierventil-V2 in der SV 650 Seine ungemein preisgünstige Alternative bietet. Noch viel exotischer, allerdings auch teurer als das Bologneser Bike ist die italienische Alternative: die Laverda 750 Sport. Der wassergekühlte Vierventil-Twin offeriert stramme 90 PS.
Lesererfahrungen - Ducati 750 SS
Im Februar 1999 wars soweit: 750 SS gesehen, Probe gefahren, gebraucht gekauft. Die Maschine passt mir (1,75 Meter) wie angegossen. Den morgendlichen Start bringt sie gut hinter sich, falls der sensible Choke nicht zu lange gezogen bleibt und die Kerzen nass werden. Die Leistungsabgabe konzentriert sich stark auf den mittleren Drehzahlbereich. So zwischen 4000 und 7000/min entfaltet der Zweiventiler seine ganze Pracht, und was da aus den Töpfen kommt, ist ein Fest für die Ohren. Unter 2000/min hackt der Motor jedoch lustlos auf der Kette herum. Die Härte ist das Federbein. Alte italienische Schule: Was kaum einfedert, kann auch kaum nachgeben. Auf 8000 pannenfreien Kilometern haben mich ihre Fahreigenschaften insgesamt begeistert. Werner Wiesnet, NürnbergNach einigen japanischen Motorrädern kaufte ich mir 1997 trotz vieler Vorwarnungen aus dem Bekanntenkreis mit einer gebrauchten 750 SS die erste Ducati. Das extrem spurstabile Fahrwerk mit dem für nur 68 PS erstaunlich kräftigen V2 ist eine Mischung, der ich von Anfang an verfallen war. Gefahren habe ich die 750 SSbis Kilometerstand 32 000 Kilometer ohne eine einzige Panne. Die Wartungsarbeiten erledigte ich selbst einschließlich Ventileinstellen (ist aber nichts für Makromotoriker). Roman Klaßmüller, HeilsbronnAuf 36 000 Kilometern seit 1992 waren bisher ein defekter Öldruckschalter und eine gebrochene Tachowelle die einzigen Mängel. Typische Schwäche sind die bockige Gabel und die schwammigen Bremsen. Die Vergaser neigen bei Regen unter zehn Grad zur Vereisung und Zwangspause.Bernd Ziegler, Eppingen-Elsenz