Neun Kurzbiografien über deutsche Motorradmarken

Neun Kurzbiografien über deutsche Motorradmarken
Deutsche Motorradmarken

Zuletzt aktualisiert am 23.05.2013
NSU

Adler

fact

Die Frankfurter erlebten eine kurze, aber ruhmreiche Motorradgeschichte.

Am Anfang war die Schreibmaschine. Der Übergang zum Motorrad verläuft wie so oft über das Fahrrad. Das erste motorisierte Zweirad mit De Dion-Motor verlässt das Frankfurter Werk 1901, drei Jahre später folgen eigene Konstruktionen. Eine Fahrt von Stuttgart nach Kiel meistern die Adler 1904 mit Bravour, doch in der Rezession 1907 ist schon wieder Schluss mit der Motorradproduktion. Stattdessen konzentriert man sich auf den Automobilbau; 1914 ist jedes fünfte in Deutschland verkaufte Auto ein Adler.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt man von Neuem mit der Motorradproduktion. Zunächst mit der M 100 mit Einzylinder-Zweitakter. Konsequent erweitern die Frankfurter ihre Palette bis zum Zweizylinder-Zweitakter mit 247 cm³ und 18 PS. Die Adler ist so gut gemacht, dass sich Yamaha von ihr inspirieren lässt. Leider läuft es zu dieser Zeit bei Adler selbst nicht mehr rund. 1958 übernimmt Grundig die Adler-Werke. Bis 1998 werden dort wieder Schreibmaschinen produziert.

1886 Gründung der Adler Fahrradwerke als Heinrich Kleyer GmbH, ab 1901 Motorradbau, 1903 eigene Motoren, 1907 Motorradbau eingestellt, 1949 Wiederaufnahme der Motorradproduktion: M 100 mit 98, 123, und 147 cm³, dann Zweizylinder-M 200 mit bis zu 250 cm³, 1956 Produktion der Sportmodelle Sixdays und Moto-Cross, vier Goldmedaillen bei der Sechstagefahrt, 1957 Verkaufsgemeinschaft mit Hercules und Triumph, Grundig übernimmt Adler 1958.

DKW

Schwab

Zweitaktmotoren - und sonst nichts.

In den 30er-Jahren stand DKW mit einer vielfältigen, preisgünstigen Modellpalette an der Weltspitze der Motorradhersteller. Als die im sächsischen Zschopau ansässige Firma 1932 mit verschiedenen Autobauern zur Auto Union AG zusammengefasst wurde, war sie der wirtschaftlich stärkste Partner des Konsortiums. DKW baute ausschließlich Motorräder mit Zweitaktmotor, die für ihre Zuverlässigkeit bekannt waren.

Rennmaschinen mit Ladepumpen verbreiteten den guten Ruf der Marke auch international. 1938 gewann Ewald Kluge auf einer 250er-DKW als erster Deutscher ein TT-Rennen. Nach dem Krieg trieb der DKW-Stamm in viele Richtungen aus; in Zschopau entstand 1952 das Motorradwerk Zschopau (MZ), im Westen begann die Produktion 1949 in Ingolstadt. Außerdem wurde die 1939 konstruierte RT 125 in vielen Ländern zum meistkopierten Motorrad der Welt. Heute hat Audi die Markenrechte.

 

1904 von Jørgen Skafte Rasmussen und Carl Ernst gegründet, 1919 erste Hilfsmotoren für Fahrräder, 1921 „Reichsfahrtmodell“ mit 145er- und 173er-Motoren,1933 Einführung der „Schnürle-Umkehrspülung“, 1939 1 000 000 DKW-Motoren, 1953 werden in Ingolstadt DKW mit 123, 173, 192, 244 und 346 cm³ gebaut, 1954 348er-Dreizylinder-Rennmaschine „Singende Säge“, 1958 DKW kommt zur Zweirad Union.

Hercules

Bilski

Nürnberg war die Wiege der deutschen Motorradindustrie. Hercules war von Anfang an dabei.

Eigenproduktion, wozu? Wenn es um Motoren geht, verlässt sich die Nürnberger Mannschaft des anfänglichen Fahrradherstellers Hercules auf die Künste von Spezialisten wie JAP, Ilo, Villiers und natürlich Fichtel & Sachs. Viele Jahre lang produziert man auf diese Weise hervorragende Motorräder - in den 70er-Jahren vor allem 50er. Doch Mitte der 90er-Jahre enden die Spuren des glorreichen Nürnberger Motorradherstellers, der seit 1956 kreuz und quer durch die Industrielandschaft verkauft worden war.

1956 im Besitz von Grundig, wurde Hercules 1958 heimlich in den Sachs-Konzern eingegliedert, der 1962 die Zweirad Union übernimmt. Später erwirbt Mannesmann den Fichtel & Sachs-Konzern, 1998 dann die niederländische Winning Wheels Group die Motorradsparte, 2001 kaufen ehemalige Hercules-Manager diese zurück. Sogenannte Sachs-Bikes werden seit 2004 in China mit Lizenzbauten von Honda-Motoren gefertigt. Mittlerweile heißt die Firma SFM GmbH; der Name Hercules findet sich heute auf Fahrrädern der Accell Germany GmbH. Die wohl einzige Beziehung zwischen Hercules und der SFM GmbH: Vertrieb und Entwicklung befinden sich in Nürnberg.

1887 Carl Marschütz gründet in Nürnberg die Nürnberger Velozipedfabrik Hercules, 1904 bis 1907 Motorradproduktion, erst 1928 Wiederaufnahme der Kradproduktion, 1938 Hercules wird zwangsweise „arisiert“, ab 1942 weitgehende Zerstörung der Werke, 1949 erneut Herstellung von Krädern, 1956 Übernahme durch Grundig, 1958 Fichtel & Sachs übernimmt Hercules, 1965 Eingliederung in die Zweirad Union.

Horex

Sdun

Vergangene Horex-Modelle genießen Kultstatus. Aber was bringt die Zukunft?

Wurstblinker setzen und freie Bahn mit Marzipan - Horex-Fan Werner gab der Marke neuen Auftrieb, als ihre Legende langsam zu verblassen begann. In der Realität der 50er-Jahre galten die 350er-Regina und die 400er Imperator (später 450er) als schnelle, edle Motorräder. Ab den 60ern bis in die 2000er werden die Rechte an der Marke herumgereicht wie ein Wanderpokal.

2009 kaufte sie Clemens Neese, der die Marke mit einer ambitionierten Sechszylindermaschine wiederbelebt hat und profitabel machen möchte. In diesem Frühjahr wurde die VR6 Roadster an die Händler ausgeliefert, und mit einer dieser Maschinen rückte MOTORRAD-Testchef Gert Thöle inkognito zu einer recht erfreulichen Probefahrt aus (siehe Fahrbericht MOTORRAD 11/2013). Werners Wurstblinker sind in der Aufpreisliste der VR6 allerdings nicht zu finden.

1923 Gründung der Horex-Fahrzeugbau AG, 1936-1938 Entwicklung SB 35, 1950 Produktion Regina, 1956 Ende der Motorradfertigung, 1960 übernimmt Daimler-Benz Horex, Schließung des Bad Homburger Werks, Namensrechte über -Familie Kleemann an Friedel Münch, bis 1998 baut die Bajaj-Motorfahrzeuge Vertriebsgesellschaft die Kleinserie MZ-B Horex, 2010 Neugründung Horex GmbH, 2012/2013 Produktion einer Horex mit VR6-Motor im Augsburger Werk.

Kreidler

Bilski

Im Rennsport vorneweg, dann von den Japanern überrollt.

Allah sei mit dir! Mögen deine Knochen nicht in der Wüste bleichen.“ Gute Wünsche von einem arabischen Tankwart an Günter Markert, bevor dieser auf seiner 50er vom Zweirad-Newcomer Kreidler in die Wüste knattert. Die Expedition glückt, nach 14 Monaten auf großer Fahrt ist die Weltumrundung 1955 vollbracht. Zehn Jahre später fährt Kreidler mit 210,63 km/h den Geschwindigkeitsrekord für 50er-Motorräder ein.

Der Pilot wird weiterhin von sich reden machen, 1976 gewinnt Rudolf Kunz zum vierten Mal die Deutsche Meisterschaft auf einer 50er-Kreidler. Die Basis für den Rennsport legen Kleinkrafträder, Mokicks, Mopeds und Mofas, die vor allem bei Jugendlichen höchst begehrt sind. 1977 knackt die Stuttgarter Firma die magische Grenze von einer Million produzierten 50ern. Die Pleite Kreidlers 1982 kam daher überraschend. 2008 inszeniert sich Kreidler auf der Intermot mit neun neuen Modellen; gebaut werden die 50er und 125er in China. Die historischen Wurzeln von Kreidler sind freilich längst Geschichte.

1903 Gründung Metallwerk Anton Kreidler in Stuttgart, 1957 49-cm³-Florett, 1959 jedes dritte zugelassene Moped in der BRD ist eine Florett, 1977 Produktion der 1 000 000. Kreidler, 1971-1982 sieben WM Titel, 1982 Konkurs, 1995 Rechte bei Prophete GmbH, 2007 Gründung der Kreidler Europe Motor GmbH.

Maico

fact

Legendäre Erfolge im Geländesport, aber die Verkaufszahlen blieben überschaubar.

Auf dem Schutzblech thront der Maico-Zeppelin. Das hübsche Accessoire zierte in den 30ern die Fahrräder aus dem Hause Maico, die zu den Wurzeln der Marke gehören. Die Motorräder wissen auch ohne Galionsfigur zu gefallen. Zu den prominenten Liebhabern gehört der Geländesportfahrer und spätere Motorradausstatter Heino Büse, der seine Maicos als die schönsten Maschinen seines Fuhrparks bezeichnet.

Die Schwäbinnen schrecken auch nicht davor zurück, wenn es ans Eingemachte geht: Maico verdankt seinen Ruf hauptsächlich den Offroad-Siegen aus den Siebzigern. Leider konnte die Marke weder ihre Erfolge noch Großaufträge der Bundeswehr in eine solide finanzielle Situation ummünzen. Nach dem zweiten Konkurs 1983 folgt eine Odyssee an Besitzerwechseln. Seit 2000 verwalten die Gebrüder Koestler in Leverkusen den Bestand und sind die wichtigste Anlaufstelle für Instandhaltung und Restaurierung.

1926 Gründung Maisch und Compagnons in Poltringen, ab 1933 Kradproduktion, 1958 fast Konkurs, 1971 Geländemeister bis 250 cm³, 350 cm³ und 500 cm³, 1972 und 1973 Gesamtsieg der amerikanischen Crossserie Trans-AMA, 1983 Konkurs, Gründung der Gebrüder Maisch Zweiradhandel- und Produktions GmbH, 1987 Merkle übernimmt Maico, Verkauf an Familie Demmer, 1999 Konkurs, Zweirad Koestler produziert Maico-Kleinserie.

NSU

fact

Mitte der Fünfziger floriert das Werk in Neckarsulm. Doch dann geht es bergab.

Der Halter des „ewigen Rekords“ fängt klein an: 1993 fährt Helmut Dähne auf Honda RC 30 die legendäre Runde auf der Nordschleife. Seine ersten Fahrversuche unternahm er jedoch auf der NSU Quickly. Auch die Max dürfte vielen in lebhafter Erinnerung geblieben sein. Mit 126 km/h war sie die schnellste Serien-250er in jenen Jahren, in denen NSU der größte Motorradhersteller der Welt war.

Flott sind die NSU-Maschinen auch auf der Rennstrecke. Zu den größten Erfolgen zählen die Doppelsiege in der 125er- und 250er-Straßen-WM, jeweils in den Jahren 1953 und 1954. Offroad läuft es ebenfalls wie am Schnürchen: In den 50er- und 60er-Jahren stehen 23 NSU-Fahrer am Ende der Saison ganz oben. Schöne Erinnerungen, aber das wars dann auch schon. Zumindest was die Marke NSU betrifft. Vor einem halben Jahrhundert verließen die letzten NSU das Neckarsulmer Werk. Heute rollen dort Audis vom Band, die Rechte an NSU ruhen bei Audi in der Schublade.

1873 Gründung Mechanische Werkstätte zur Herstellung von Strickmaschinen, 1880 Umzug nach Neckarsulm, ab 1901 Kradproduktion, 1932 Deutsche Industriewerke AG und NSU, bis 1938 NSU-Zweiräder unter D-Rad-Logo, 1956 Wilhelm Herz auf NSU schneller als 300 km/h, 1960 NSU Motorenwerke AG, 1964 Ende der Zweiradfertigung, 1969 Audi NSU Auto Union AG, 1985 „NSU GmbH - die Traditionsgesellschaft der Audi AG“.

Victoria

fact

Ein Vertreter der Nürnberger Motorradkultur, der für kreative Konstruktionen und ungewöhnliche Technik stand.

Victoria kam früh vom Fahrradbau zur Motorradproduktion. Ab 1904 scheint es zu einer nennenswerten Serienproduktion gekommen zu sein. Ab 1920 bauten die Nürnberger die KR I, die vom gleichen BMW-Boxermotor angetrieben wurde, der ab 1923 in der BMW R 32 Dienst tat - hier aber mit den Zylindern nicht längs, sondern quer zur Fahrtrichtung. Bis zum Zweiten Weltkrieg profilierte sich Victoria durch eine enorme technische Vielfalt, die durch Eigenkonstruktionen und den Zukauf von Einbaumotoren entstand.

Die KR VI gewann 1932 die Bergrenn-Europameisterschaft in der 600er-Gespannklasse und wurde die erste „Bergmeister“. Berühmt wurde der Name ab 1953 durch eine neu konstruierte 350er mit V2. Die letzten Victoria entstanden 1957 mit 175er-Parilla-Motor. Unter dem heutigen Besitzer hat Victoria zu den Anfängen zurückgefunden - die Firma produziert Fahrräder.

1886 Gründung der Firma Frankenburger und Ottenstein Nürnberg, 1899 Victoria Werke AG, 1901 erste motorisierte Zweiräder, ab 1920 Produktion der KR I mit 7 PS starkem Boxermotor von BMW, später folgten die KR II und die KR III mit eigenem 12-PS-ohv-Boxer, 1925 erster Kompressor-Motor in Deutschland,1958 fusionieren Victoria, Express und die DKW-Zweiradsparte zur Zweirad -Union AG; sie wird 1966 von Hercules übernommen, 1995 gehören die Victoria-Markenrechte der Hermann Hartje KG.

Zündapp

Archiv

Sie wollten nur Motorräder bauen. Und trotz Pleite ist die Firma bis heute in der Szene präsent.

Das Motorrad als Gebrauchsgegenstand. Robust und zuverlässig ist das „Bauernmotorrad“, 1927 von Zündapp entwickelt. Damit nährt es die Bedürfnisse der Kundschaft - zwei Jahre nach Markteinführung sind 75 000 sogenannte Einheitsmodelle verkauft. Zahlen dieser Größenordnung katapultieren die Nürnberger in kürzester Zeit in die Riege der bedeutendsten Zweiradhersteller jener Zeit. Im Gegensatz zur Konkurrenz sind Motorräder das Kerngeschäft während der gesamten Unternehmensgeschichte.

Diese endet 1984. Eine chinesische Firma kauft und verschifft die Produktionsanlagen nach China und produziert Zündapp-Motorräder für den heimischen Markt. Für die deutsche Wirtschaftsgeschichte ist das Kapitel Zündapp damit abgeschlossen. Nicht aber in der Motorradszene. Zündapp lebt - etwa beim Elefantentreffen, das im Winter Jahr für Jahr Motorradfahrer aus ganz Europa anlockt.

1917 Gründung der Zünder- und Apparatebaugesellschaft in Nürnberg, 1921 Beginn der Motorradproduktion, 1950 KS 601, 1954 Produktion der 500 000. Zündapp, 1958 Schlie-ßung des Nürnberger Stammwerks, Verlegung der Produktion nach München, 1981 Ende der Motorradproduktion, Fokus auf 80-cm³-Leichtkrafträder, 1984 Konkurs.