Kurven sind für viele der Grund schlechthin, um überhaupt Motorrad zu fahren. Im Gleichgewicht zwischen Fliehkräften und Schwerkraft, gehalten vom Grip der Reifen wie schwerelos durch Wechselkurven zu schwingen, das macht Motorradfahren aus.
Kurven sind für viele der Grund schlechthin, um überhaupt Motorrad zu fahren. Im Gleichgewicht zwischen Fliehkräften und Schwerkraft, gehalten vom Grip der Reifen wie schwerelos durch Wechselkurven zu schwingen, das macht Motorradfahren aus.
Beim sicheren Genuss der fahrdynamischen Erfahrung „Kurve“ hilft das Verständnis der physikalischen Zusammenhänge. Ein Motorrad verblüfft Anfänger zunächst einmal damit, dass sich die Lenkung je nach Geschwindigkeit völlig unterschiedlich anfühlt.
Solange wir langsam fahren, Schrittgeschwindigkeit zum Beispiel, müssen wir der Kipp-Tendenz des Zweirads durch kleine Lenkbewegungen jeweils in die Richtung, in die das Motorrad kippen möchte, und Verlagerung des Körpergewichts in die andere Richtung entgegenwirken.
Mehr Stabilität in dieses labile Gleichgewicht holen sich Könner durch den Einsatz der Fußbremse, mit der sie die Maschine „strecken“ und mit Drehzahl etwas über Standgas gegen die schleifende Kupplung fahren. Mit etwas Übung sind zwei Stundenkilometer kein Hexenwerk. So langsam rechts herum wenden bedeutet natürlich auch, dabei nach rechts zu lenken.
Ab einer Geschwindigkeit zwischen 20 und 30 km/h reicht die Fahrstabilität, um nicht mehr balancieren zu müssen. Trotzdem fährt das Motorrad unmerkliche Schlangenlinien, verursacht oder verstärkt durch unzählige Einflüsse wie Bodenwellen, Seitenwind, Windschleppen anderer Autos, eine schräge Straße oder Längsrillen, etwa vor einer Ampel. Die kleineren korrigieren wir ständig durch mehr oder weniger unbewusste Lenkbewegungen, die größeren müssen wir bewusst durch Gegenlenken ausgleichen.
Die Lenkung fühlt sich mit zunehmendem Tempo immer sämiger an, denn dem Einleiten einer Kurvenfahrt wirken diverse Kräfte entgegen. Die Massenträgheit schiebt weiter geradeaus, die Kreiselkräfte der Räder sträuben sich gegen die gewünschte Lageveränderung, die Fliehkraft zerrt ohnehin immer zur Kurvenaußenseite und das aus dem Nachlauf resultierende Rückstellmoment des Vorderrads will auch lieber geradeaus. Dieses ist umso größer, je mehr Nachlauf das Vorderrad hat, sprich, je flacher die Gabel steht. Beispiel: der Chopper. So müssen wir die Maschine aus der Geradeausfahrt regelrecht in die Kurve zwingen. Je höher das Tempo, desto mehr Kraft benötigen wir hierzu.
Die Grafiken weitern unten verdeutlichen das anfangs verwirrende, weil inverse Lenkverhalten: Wir lenken beim Einleiten einer Kurvenfahrt quasi in die Gegenrichtung. Lenkt der Fahrer nach links, kippt das Motorrad nach rechts, und umgekehrt. Einleuchtender klingt es so: Wir schieben (oder drücken) immer das Lenkerende auf der Seite nach vorne (nicht nach unten!), in die wir fahren wollen. Faustformel: rechts drücken, rechts fahren. Natürlich kann man auch links am Lenker ziehen, um rechts abzubiegen. Aber wozu so kompliziert?
Dass wir unser Motorrad – außer beim Wenden im Schritttempo – meist mit sehr geringen Lenkausschlägen um die Mittellage auf Kurs halten, merken wir spätestens dann, wenn das Lenkkopflager verschlissen ist und in der Mittelstellung einrastet. Dann fühlt sich das Fahren taumelnd und unsicher an. Einen ähnlichen Effekt kann ein zu stramm eingestelltes Lager oder ein zu schwergängiger Lenkungsdämpfer haben.
Motorradfahrer geben den Lenkimpuls zum Einleiten einer Kurvenfahrt normalerweise völlig unbewusst. Ihn bewusst einzusetzen, hilft aber nicht nur bei schnellen Schräglagenwechseln, sondern auch beim Ausweichen, auch und gerade in der Kurve. Die Gewichtsverlagerung des Fahrers wirkt dabei zwar unterstützend, doch erst der Lenkimpuls lässt das Motorrad genau dann und genau so weit in Schräglage abtauchen, wie wir wollen. Und es verschafft ein sehr souveränes Gefühl, damit das Motorrad zu beherrschen – versprochen!
Großen Einfluss auf die Fahreigenschaften hat auch die Höhe des Schwerpunkts. Man merkt das beim Rangieren:
Motorräder mit hohem Schwerpunkt sind schwerer auszubalancieren. Auch beim Fahren macht ein hoher Schwerpunkt die Maschine kippeliger, weil das ganze System labiler ist und schneller reagiert. Ein hoher Schwerpunkt sorgt auch dafür, dass das Motorrad beim Bremsen und Beschleunigen instabiler wird, es neigt eher zu steigendem Vorder- (Wheelie) oder Hinterrad (Stoppie). Nötig ist also ein gelungener Kompromiss zwischen Fahrstabilität und Handlichkeit.
Eine wichtige Rolle kommt den Reifen zu. Je breiter sie sind, desto mehr Schräglage braucht ein Motorrad in der Kurve, denn mit zunehmender Breite wandert die Aufstandsfläche der Reifen in Richtung Kurveninneres. In unseren Zeichnungen sieht man deutlich, wie stark sich die nötige Schräglage für die gleiche Kurve dadurch verändert. In diesem Zusammenhang wird leicht nachvollziehbar, dass zu geringer Luftdruck sich insbesondere bei Kurvenfahrten negativ auswirkt. Durch das verstärkte Walken des Reifens steigt die Lenkkraft deutlich an, die Lenkpräzision verschlechtert sich und der Verschleiß nimmt zu. Deshalb sollte man den Luftdruck – der kalten Reifen – regelmäßig kontrollieren.
Motorradfahrer geben den Lenkimpuls zum Einleiten einer Kurvenfahrt normalerweise völlig unbewusst. Ihn bewusst einzusetzen, hilft aber nicht nur bei schnellen Schräglagenwechseln, sondern auch beim Ausweichen, auch und gerade in der Kurve.
Die Gewichtsverlagerung des Fahrers wirkt dabei zwar unterstützend, doch erst der Lenkimpuls lässt das Motorrad genau dann und genau so weit in Schräglage abtauchen, wie wir wollen. Und es verschafft ein sehr souveränes Gefühl, damit das Motorrad zu beherrschen – versprochen!
Die gefahrene Schräglage resultiert – und jetzt wird es ein wenig kompliziert – aus einem Gleichgewicht zwischen im Schwerpunkt angreifender Fliehkraft und wirkender Schwerkraft. Je schneller wir fahren, desto mehr Schräglage ist also nötig für die Kurvenfahrt. Dem entgegen wirkt der Rollwiderstand am Vorderrad, denn er wirkt kurveneindrehend, weshalb die Maschine zum Aufrichten tendiert; ein Effekt, den wir besonders dann zu spüren bekommen, wenn wir in Schräglage vorne bremsen müssen. Das heftige Aufstellmoment wird uns die Linie verhageln, wenn wir nicht mit einem kräftigen Druck am Lenkerende dagegenhalten.
Beim Zufahren auf eine Kurve gilt es zunächst einmal, das mögliche Kurventempo einzuschätzen und falls nötig zu bremsen.
Dieser Bremsvorgang sollte am besten vor dem Einlenken abgeschlossen sein. Warum? Weil in Schräglage die Reifenaufstandsfläche aus der Mitte wandert, ergibt sich daraus ein Hebelarm. Dieser Hebelarm erzeugt zusammen mit der Bremskraft ein Lenkmoment, wodurch sich die Maschine aufstellt, wenn der Fahrer nicht mit einer entsprechenden Kraft dagegenhält. Gegen dieses Aufstellmoment müssen wir mit einem kräftigen Druck am kurveninneren Lenkerende dagegenhalten. Erst dann, wenn wir die Bremse loslassen, wird die Maschine ohne erhöhten Kraftaufwand beim Lenken um die Kurve rauschen.
Spätestens jetzt wird klar, ob wir im richtigen Gang unterwegs sind. Wer mit einem zu kleinen Gang einlenkt, wird durch die hohe Drehzahl und das Bremsmoment des Motors zusätzlich gebremst. Das Motorrad ist daher vor dem Scheitelpunkt der Kurve vielleicht zu langsam, der Fahrer muss durch Beschleunigen oder Aufrichten korrigieren. Im zu hohen Gang fehlt die Motorbremse, wir müssen länger auf der Bremse bleiben oder weiter runter in Schräglage als geplant. Tut man das nicht, treibt die Fliehkraft das Motorrad auf großem Bogen aus der Spur, sprich: in den Gegenverkehr oder in den Straßengraben – wo ja nun wirklich keiner hin will.
Bereits beim Einlenken ist es wichtig, dass wir die Blickführung zum Kurvenausgang richten, damit der Blick uns durch die Kurve ziehen kann.
Während der folgenden Rollphase wirken keine nennenswerten Umfangskräfte (Bremsen oder Beschleunigen) mehr. Falls man es mit der Schräglage übertrieben hat, rutschen die meisten Motorräder zuerst übers Vorderrad weg. Doch keine Sorge, moderne Reifen stecken in optimaler Verfassung – bei Betriebstemperatur und auf griffigem Asphalt – Schräglagen bis zu 50 Grad oder mehr weg.
Die meisten Motorräder geben schon weit vorher deutliche Warnsignale, weil sie mit Fußrasten, Ständer oder Auspuff über den Asphalt kratzen. Und viele Motorradfahrer trauen sich gar nicht so weit runter – schließlich ist der Mensch genetisch nur auf Schräglagen bis 20 Grad programmiert. Um mehr Schräglage zu erreichen, hilft nur üben und trainieren.
Nach der je nach Kurve unterschiedlich langen Rollphase kann meist beschleunigt werden, fragt sich nur: ab wann?
Über diesen Punkt entwickeln sich unter Motorradfahrern ebenso hitzige Diskussionen wie über die richtige Linienwahl. Häufig hört man dieses Rezept: Ab dem Scheitelpunkt oder kurz danach wird beschleunigt.
Da der Scheitelpunkt aber nicht immer klar erkennbar ist, eignet sich ein anderes Kriterium besser: Ab dem Punkt, an dem ich das Ende der Kurve einsehen kann, kann ich auch ans Gas gehen. Bis ich weiß, wie es weitergeht, muss ich eben abwarten, sprich, die Rollphase ausdehnen. Aus dieser Forderung ergibt sich zwangsläufig, dass ich meine Linie im Straßenverkehr so wählen muss, dass ich möglichst früh möglichst viel sehen kann, ohne freilich im Gegenverkehr rumzukreuzen.
Diese Kurventechnik stammt ursprünglich aus dem Geländesport.
Der Fahrer bleibt dabei relativ aufrecht, das Motorrad wird mit dem Lenker nach unten gedrückt. Hüftknick (oder extrem wie oben das Rüberrutschen mit dem Gesäß) und fester Knieschluss helfen. Das funktioniert gut in engen Kurven und Serpentinen, bei schnellen Kurswechseln oder Ausweichmanövern. Für Schotterstrecken und auf losem oder rutschigem Untergrund ideal, weil der Körperschwerpunkt eher über der Reifenaufstandsfläche liegt.
Der Klassiker: Fahrer und Maschine bilden in Schräglage eine Linie. Entweder mit festem Knieschluss oder locker-sportlich abgespreiztem Knie passt dieser Fahrstil für alle Arten von Kurven in jedem Tempo. Die Fahrtrichtung lässt sich sehr schnell korrigieren, aus dem Legen kann man in Wechselkurven nahtlos ins Drücken übergehen. Die entspannte Sitzhaltung verlangt wenig Kraft. Hier auch gut zu sehen: Der Fahrer neigt den Kopf, um seinen Blickhorizont möglichst gerade zu halten, der Blick geht Richtung Kurvenausgang. Die Schräglage ist etwas geringer als beim Drücken.
So praktiziert wie auf dem Bild findet dieser Fahrstil vor allem auf der Rennstrecke Anwendung, wo der weitere Streckenverlauf bekannt ist. Bei gleicher Kurvengeschwindigkeit verlangt er weniger Schräglage, dafür aber Kraft und viel Übung. Auf der Straße kann die abgeschwächte Form, das Hineinlehnen mit viel Druck aufs Vorderrad, in vielen Kurven helfen. Vor allem, wenn man in Schräglage stark bremsen muss. Auch gut zu sehen: Bei allen drei Stilen benötigen Mann und Maschine deutlich mehr Raum als in Geradeausfahrt, bei Hanging-off am meisten.
Wem die Grundfertigkeiten des Kurvenfahrens, nämlich Blickführung und Lenkimpuls, in Fleisch und Blut übergegangen sind, der kann sich an die Feinarbeit um die Kurvenlinie machen.
Auf Rennstrecken wird unter Ausnutzung der ganzen Fahrbahn die kürzestmögliche Linie mit geringstmöglicher Schräglage und höchstmöglichem Tempo gefahren, die sogenannte Ideallinie. Auf der Straße folgen wir der sogenannten Sicherheitslinie. Sie erfordert bisweilen mehr Schräglage, erleichtert aber eine optimale Blickführung und hält uns vom Gegenverkehr fern. Logisch: Je früher wir sehen können, umso früher können wir einlenken und auf flacher Linie kräftig ans Gas. Idealerweise ist das Tempo am Ausgang der Kurve höher als am Kurveneingang.
Fahre ich eine Kurve zu eng an, lenke also zu früh ein, sehe ich nicht nur den weiteren Verlauf und eventuellen Gegenverkehr unnötig spät, die zu flache Linie in Kombination mit hohem Tempo kann mich auch dem Gegenverkehr gefährlich nahe bringen.
In Linkskurven mit dem Kopf über die Linie zu geraten, weil das Fuhrwerk in Schräglage breit wird wie ein Auto, führt bestenfalls zu unschönen Schlenkern, schlimmstenfalls zu Ausweichsturz oder Kollision. Die Fortsetzung dieser falschen Linienwahl leitet in der nächsten Rechtskurve aber geradewegs auf die Gegenfahrbahn.
Rechtsherum sind wir natürlich ebenso breit, müssen Abstand zur Felswand oder den Leitpfosten halten. Auf engen, unübersichtlichen Kurvenstrecken bleibt uns allerdings oft nichts anderes übrig, als weit rechts zu bleiben und entsprechend langsam zu fahren.
Im Bild eine geradezu klassische Problemkurve: Der Straßenverlauf lässt sich zum Großteil nicht einsehen, weshalb unerwartet ein Auto oder Motorrad auftauchen kann – unangenehm bis gefährlich, wenn man die Kurven schneidet. Besser ist deshalb das sogenannte Hinterschneiden der Kurven, zumal man stets damit rechnen muss, dass ein Fahrer im Gegenverkehr die S-Kurve schneidet und im schlimmsten Fall auf der falschen Straßenseite daherkommt. Wenn wir dann selbst die Kurve geschnitten haben, stehen unsere Chancen denkbar schlecht.
Hier eine geradezu klassische Kurve, die durch ihre Übersichtlichkeit eine fein zurechtgelegte Ideallinie und entsprechende Schräglagen erlaubt. Schneidet man die Kurve jedoch an (gestrichelte Linie), muss das Motorrad am Kurvenausgang die größte Schräglage fahren, will man nicht mit eventuellem Gegenverkehr auf Kollisionskurs gehen.
Beim Hinterschneiden (durchgezogene Linie) liegt der Scheitelpunkt hingegen später (Pylone). Man sieht besser um die Kurve und kann auch deshalb auf der flacheren Linie deutlich früher wieder ans Gas gehen, was die etwas langsamere Kurvengeschwindigkeit mehr als wettmacht.
In Wechselkurven kommt der Vorteil des Hinterschneidens noch mehr zum Tragen, weil es der in der Rechtskurve spät gesetzte Scheitelpunkt erlaubt, die folgende Linkskurve von weit außen anzufahren.
Den Fahrer auf der falschen Linie (gestrichelt) drängt es in Richtung Gegenfahrbahn, und er muss für die folgende Linkskurve von einer äußerst ungünstigen Position aus hart einlenken. Eine flüssige, runde Linie ist damit nicht zu machen.
Schräglagenangst. Die Folge: Der Kurvenradius endet auf der Gegenfahrbahn. Häufigste Ursache: mangelndes Training von Schräglage und falsche Blickführung. Tipp: Wenn es richtig eng wird, das Motorrad im Fahrstil „Drücken“ durch die Kurve zwingen, den Blick auf die Fahrbahn in Richtung Kurvenausgang richten.
Einfrieren auf der Bremse. Das Problem: zu spätes, panikartiges Anbremsen einer Kurve aus hohem Tempo, die Bremse wird am Einlenkpunkt nicht gelöst, das Motorrad weigert sich, einzubiegen und fährt aus der Spur. Hier hilft intensives Training unter professioneller Anleitung. Und Kurven-ABS, das immer gerade so viel Bremsdruck erlaubt, dass der Grip noch reicht und das Motorrad weitestgehend in der Spur bleibt.
Überstürzte Überholattacken. Sich vor dem nächsten Kurvengeschlängel auf der letzten Rille an einem Auto vorbeizudrücken ist brandgefährlich. Die bessere Lösung: rechts ranfahren, ein kleines Päuschen machen, dann entspannt über die Kurvenpiste surfen.
Undichte Telegabeln oder Stoßdämpfer. Schlechte Dämpfung kann den Fahrbahnkontakt dramatisch verschlechtern. Schadhafte Komponenten tauschen oder reparieren lassen.
Mangelnder Reifengrip. Nur griffige Reifen lassen knackige Schräglagen zu. Außerdem müssen Profiltiefe und Luftdruck stimmen.
Zu wenig Bodenfreiheit durch schlappe Federelemente. Massive Bauteile wie Rahmen, Motorgehäuse und Krümmeranlage können das Bike gnadenlos aushebeln. Mögliche Abhilfe: Fahrwerkseinstellung ändern (Federbasis und eventuell Druckstufendämpfung erhöhen).
Äußere Umstände. Regen, Ölspuren, neue Fahrbahnbeläge oder Bitumenstreifen sind potenzielle Gefahrenquellen.
Nicht erst wenn es eng wird, aber spätestens dann sollte sich jeder an das Mantra von der Blickführung erinnern: Blick Richtung Kurvenausgang, Lenkimpuls, runterdrücken! Denn prinzipiell gilt: Wo wir hinschauen, da fahren wir auch hin. Weit vorausschauen und den Blick dorthin richten, wohin man fahren möchte, also auf die richtige Fahrbahn, nicht auf den Wald oder womöglich auf die Leitplanke. Mit dem richtigen Blick bestehen beste Chancen, doch noch unbeschadet ums Eck zu kommen.
Und was, wenn wir dann doch mitten in der Kurve in voller Schräglage bremsen müssen? Sei es, weil wir uns verschätzt haben, zu weit innen oder außen sind, ein Hindernis den geplanten Weg versperrt oder Dreck auf unserer Spur eine andere Linie nötig macht? Dann muss alles sehr schnell gehen. Die Fußbremse ist tabu, durch die dynamische Radlastverlagerung würde das Hinterrad zu schnell ausbrechen. Mittel der Wahl ist die Handbremse, die wir gefühlvoll, niemals ruckartig, aber durchaus kräftig anlegen. Jetzt kommt es darauf an, ob wir geradeaus Platz haben und ganz anhalten wollen oder müssen, dann können wir das Motorrad mit einem kurzen Lenkimpuls aufrichten und aufrecht zum Stehen kommen.
Wenn wir hingegen die Spur halten wollen oder müssen, vielleicht gar nicht bis zum Stillstand bremsen wollen, dann hält ein kräftiger Druck am kurveninneren Lenkerende das Bike in der Spur und somit auf der Fahrbahn. Wichtig dabei ist wieder die Blickführung. Wollen wir aufrichten und geradeaus zum Stehen kommen wie im ersten Beispiel, so muss der Blick aus der Kurve heraus gerade gerichtet werden. Wenn wir die Spur halten wollen, bleibt der Blick logischerweise in Richtung Kurvenausgang orientiert.
Guten Grip vorausgesetzt, lässt sich auch beim Bremsen in Schräglage ordentlich verzögern. Wir müssen die Bremse allerdings dabei sehr sensibel dosieren, was sich am besten bei einem Sicherheitstraining üben lässt. Die Dosierung abhängig von der Schräglage könnte einem ein modernes Kurven-ABS abnehmen.
Noch bei einer anderen Gelegenheit können wir gleichzeitiges Bremsen und Lenken je nach Situation gut gebrauchen: beim Ausweichen während einer Vollbremsung. Neueste Untersuchungen des Instituts für Zweiradsicherheit (ifz) mit 100 freiwilligen Testfahrern haben klar ergeben, dass auch während einer Vollbremsung mit einem kräftigen Lenkimpuls ein – vielleicht rettender – Spurversatz realisierbar ist. Auch hierbei hilft gute Blickführung ebenso wie ein geübter Umgang mit der Lenkimpulstechnik.
Grip, das bezeichnet das Kraftschlusspotential zwischen Reifen und Straße. Damit diese Verbindung möglichst viel Kraft übertragen kann, muss sich der mehr oder weniger weiche Gummi in den mehr oder weniger tiefen Poren des Asphalts verzahnen können. Klares Ziel bei der Reifenentwicklung: eine möglichst gute „Haftung“ bei nasser wie trockener Fahrbahn, und das bei möglichst allen Temperaturbereichen und Straßenbelägen.
Moderne Gummimischungen garantieren auch bei niedrigen Temperaturen eine sichere Radführung. Denn wäre die Gummimischung bei Kälte zu hart und spröde – man spricht von Glasverhalten –, dann könnten sich die kleinen Spitzen des Asphalts (Fachbegriff: Mikrorauigkeit) nicht mit dem Gummi verzahnen, die Haftung wäre geringer. Je wärmer und somit visko-elastischer der Reifen wird, desto tiefer können sich die Asphaltspitzen in den Gummi bohren.
Richtig griffig wird der Reifen jedoch erst, wenn er mit leichtem Schlupf, also einem minimalen Durchrutschen über die Verzahnung im Asphalt gleitet. Dabei verformt sich der Gummi, seine ursprüngliche Form nimmt er danach nur verzögert wieder an (Fachbegriff: Gummi-Hysterese). Anschaulich nachvollziehen lässt sich das, wenn man den Daumennagel in einen warmen Sportreifen drückt: Der Abdruck des Nagels bleibt noch eine gewisse Zeit bestehen.
Die Straßenoberfläche weist je nach Beschaffenheit einen mehr oder weniger guten Reibbeiwert auf, der mit der Größe µ (lies: Mü) bezeichnet wird und Einfluss auf mögliche Schräglage und Bremsweg hat. Auf Landstraßen kann der Grip im Frühjahr besser sein als im Herbst, weil über den Winter die kleinen Wassereinschlüsse in der Straßenoberfläche, speziell in den runden Steinchen, durch den Frost aufbrechen und feine Spitzen ausbilden. Sind Salz und Staub erst einmal gründlich ausgespült, können sich die Reifen in diesen aufgerauten Oberflächen sehr effizient verzahnen.
Leider polieren die Autoreifen in viel befahrenen Kurven diese Spitzen im Lauf des Sommers glatt, was den Grip wieder verschlechtert.
Die sogenannte Mikrorauigkeit, deren Rautiefe zwischen 0,001 und 0,1 Millimetern liegt, verbessert die Haftung speziell bei Nässe entscheidend. Die Makrorauigkeit hingegen hat eine Tiefe zwischen 0,1 und 10 Millimetern und verbessert vor allem die grobe Verzahnung zwischen Reifen und Asphalt bei trockener Straße.
Im rauen Rennstreckenbelag können sich weiche Gummimischungen bestens verzahnen. Zudem sickert bei Nässe das Wasser in die Vertiefungen.
Auch der griffige Landstraßenasphalt bietet durch die Mikrorauigkeit beste Bedingungen für die zügige und sichere Kurvenfahrt.
Der glatte Landstraßenasphalt mit den rund polierten Steinen ist bei Regen mit Vorsicht zu genießen; solche Beläge finden sich oft in den Mittelmeerländern.
Extrem glatte Beläge gibt es im Straßenbau nur auf Fahrbahnmarkierungen wie Zebrastreifen; der Asphalt ist dort lackiert oder mit Kunststoff überzogen. Vor allem bei Nässe sind solche Fahrbahnmarkierungen sehr gefährlich, sie können beinahe so rutschig wie Eis werden.
Die Reifenaufstandsfläche, der sogenannte Latsch (rot), stellt den Kontakt zwischen Straße und Motorrad her. Die Skizze zeigt einen 180er-Sportreifen mit spitzer Reifenkontur in 48 Grad Schräglage.
Aus etwa 38 cm² Kontaktfläche ergibt sich die Seitenführungskraft des Reifens. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass meist nur ein Teil dieser Fläche vollständigen Bodenkontakt hat.
Bei zu niedrigen Reifentemperaturen kann es mit speziellen Gummimischungen, zum Beispiel für den Sporteinsatz, zum Glasverhalten kommen: Der Gummi ist dann zu hart, um sich mit der rauen Oberfläche zu verzahnen (blau).
Erst mit steigender Temperatur bildet die warme Lauffläche des Reifens (rot) einen nahezu formschlüssigen Kontakt zur Straße.