Supermoto-Test Ducati Hypermotard 939 und KTM 690 SMC R

Ducati Hypermotard 939 und KTM 690 SMC R im Test Ein- oder Zweizylinder?

Supermotos sind die pure, herrliche Unvernunft. Die einfache Idee lautet: ein Minimum an Motorrad für ein Maximum an Fahrspaß. Ducatis frisch überarbeitete Hypermotard 939 wirft eine einfache Frage auf: Muss eine Supermoto zwingend ein Einzylinder sein?

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Sind Supermotos tot? Definiert man das Konzept eng, als Einzylinder, müsste man das eigentlich bejahen. Der große Hype um die drahtigen Winkelwerk-Drifter, irgendwann um die Jahrtausendwende, ist längst vergessen. Warum? Zu spitz schien das Konzept, zu speziell, unterm Strich wohl einfach zu unvernünftig für die Mehrzahl der Motorradfahrer. Heute ist eigentlich nur noch eine einzige echte Sport-Supermoto übrig, die KTM 690 SMC R, nebst der beinahe baugleichen Konzernschwester Husqvarna 701. Wer sonst auch, außer KTM, sollte das SuMo-Feuer bewahren? Die 690er steht in puncto Leistung allein auf weiter Flur, hat sich darüber mit der Zeit eine gar nicht mal so kleine Fan-Gemeinde erspielt. Sie ist der Dauerbrenner im Programm der Österreicher, reiht sich als Überraschungsgast immer wieder in die Zulassungs-Top-Ten ein.

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Doch nicht ganz tot? Nun, die waschechten Supermotos mögen sich in eine feine Nische zurückgezogen haben, aber ihr Erbe lebt, ganz im Sinne des Zeitgeists, weiter in Form von vercrossoverten Zwei- und sogar Dreizylinder-Funbikes. Die wollen sich zwar nicht Supermoto nennen, stehen aber für den Anspruch, als maximal reduzierte Fahrmaschinen Spaß auf der Landstraße vor alles andere zu stellen. Nur eben, auch ganz zeitgemäß, mit erheblich mehr Power als ein Einzylinder. Der wohl erfolgreichste Vertreter dieser speziellen Spezies ist die Ducati Hypermotard, zuletzt als wassergekühlte 821.

Minimalismus der Ducati Hypermotard 939

Deren Euro-4-Neuauflage in Form der Ducati Hypermotard 939 ist uns Anlass für einen Vergleich der Konzepte. Welche Supermoto bringt’s, Single oder Twin? Hier geht es einzig und allein um den verschärften Kurvenswing, wie ihn sportlich orientierte Piloten kennen und lieben. Keine Kartbahn, keine Koffer, keine Punktewertung. Nur Fräsen. Stechen die rund 40 PS Mehrleistung der Ducati Hypermotard 939 oder die rund 50 Kilo Gewichtsvorteil der KTM 690 SMC R? Kann ein Zweizylinder überhaupt echtes Supermoto-Flair versprühen, oder macht die Duc nur auf Bein raus?

Erstkontakt mit der Ducati Hypermotard 939 in Unschulds-Weiß. Und tatsächlich findet sich an diesem Motorrad praktisch kein Teil, das man zum Fahren nicht braucht. Rahmen, Motor, Räder, etwas elegantes Plastik, fertig. Minimalismus, so geht Supermoto. Auch die Ergonomie lässt Gutes erwarten. Unverschämt kompakt und schmal wirkt die Ducati, SuMo-typisch hoch liegt die Sitzbank, breit und niedrig der Lenker. Vorm Piloten befindet sich, abgesehen vom kleinen Kombiinstrument, nur gewundenes Asphaltband. Selbiges verschlingt die Hypermotard dann auch mit unverhohlener, fast übertriebener Lust, verlangt daher zunächst nach etwas Eingewöhnung. Steiler Lenkkopf, wenig Nachlauf – die Geometrie der Ducati Hypermotard 939 fällt ziemlich knackig aus. Das wirkt in den ersten Kehren, zumal auf kaltem Pirelli Diablo II, etwas unharmonisch, beinahe kippelig. Ist der Reifen aber warm geknetet und die Motorik des Fahrers auf das Vehikel kalibriert, kann’s richtig rundgehen.

Schräglagenfreiheit ist üppig bemessen

Ja, die Ducati Hypermotard 939 sucht von allein den engen Radius, will, nicht ganz neutral, in langen Bögen immer weiter runter. Aber das kann man ihr als kindliche Kurvengier durchgehen lassen, schließlich begeistert sie im Gegenzug in engen Wechselkurven mit einem frappierenden Spieltrieb. Sie lässt sich über den breiten Lenker mit sehr wenig Kraftaufwand von Kurve zu Kurve werfen. Der Radius macht unerwartet zu, Schreckmoment? Darauf hat die Hypermotard nur gewartet, sie legt einfach noch ein bisschen weiter um und gut. Dazu passend ist die Schräglagenfreiheit auf der Landstraße üppig bemessen. Und auch das Fahrwerk spielt mit. Die vordere Gabel lässt zwar keinerlei Anpassung der Dämpfungseinstellungen zu (wer dies will, muss zur teuren SP-Variante mit Öhlins greifen), spricht aber sauber an und dämpft sämig. Nur das direkt angelenkte hintere Federbein (Vorspannung und Zugstufendämpfung einstellbar) dürfte einen Tick sensibler arbeiten, und beim Bremsen gibt es spürbar Aufstellmoment. Unterm Strich aber bietet das Fahrverhalten der Ducati Hypermotard 939 für sich genommen höchst authentisches Supermoto-Vergnügen.

Für einen Zweizylinder, muss man nach Umstieg auf die KTM 690 SMC R ergänzen. Denn die hier vorgenommene Beschreibung des Hypermotard-Handlings als extrem spielerisch erfolgte, das macht die KTM schnell klar, mit der handelsüblichen Perspektive des Naked Bike-Landstraßenfahrers. Will sagen: Die 690er-Einzylinder-Supermoto verschiebt schlicht den Blick darauf, was mit einem zulassungsfähigen Motorrad so machbar ist. In erster Linie hierfür verantwortlich zeigt sich das extrem niedrige Gewicht von 156 Kilogramm. Vollgetankt, versteht sich. Das sind fast zehn Kilogramm weniger als die schon ziemlich schwindsüchtige 690er-Duke und, wie schon bemerkt, glatt ein Zentner oder anschaulicher eine eher schwindsüchtige Sozia weniger als die Ducati Hypermotard 939. Was das auf der Straße, genauer in engem Supermoto-Terrain, bedeutet, kann man sich leicht ausmalen. Dieses Handling macht süchtig.

Natürlich tragen auch dar schmalere Hinterreifen und die federleichten Drahtspeichen-Räder einen gewichtigen Teil zum noch einmal deutlich leichteren Fahrverhalten der KTM 690 SMC R bei. Hinten muss die Ducati Hypermotard 939 einen fetten 180er wälzen, während die KTM einen schlanken 160er trägt. Auch reicht der KTM dank weniger Leistung eine Bremsscheibe im Vorderrad, während die Ducati eine klassische Doppelscheibenanlage benötigt, die auch noch exakt den gleichen Durchmesser wie die Einzelscheibe der KTM aufweisen.

KTM 690 SMC R erfordert kein Gegenlenken

Es ist kaum übertrieben, die KTM 690 SMC R in puncto Fahrverhalten eher in die Nähe eines echten Wettbewerbsgeräts zu stellen als zu einem herkömmlichen, zulassungsfähigen Motorrad. Dass sie dies auch mit deutlich gemäßigterer Geometrie schafft (flacherer Lenkkopfwinkel, mehr Nachlauf), unterstreicht die konzeptionellen Vorteile des starken Singles für das Handling. Herrlich, auch weil dieses nicht nur irre tänzerisch, sondern auch sehr neutral geriet. Anders als die Ducati Hypermotard 939 erfordert die KTM 690 SMC R kein Gegenlenken, sondern sticht auf dem extrem grippigen Conti SM Attack voll und ganz nach dem Wunsch des Treibers ums Eck. Ebenfalls ein Verdienst des schmäleren Hinterreifens. Zudem unterstreichen ellenlange Federwege (wichtig beim Offroad-Anteil auf der Supermoto-Strecke) und die hochwertigen Fahrwerkskomponenten den„Ready to Race“-Anspruch eindrucksvoll. Hier ist alles über einen weiten Bereich voll einstellbar, die Druckstufe hinten sogar getrennt in High- und Low-speed – das ist Racing.

Wie auch die Sitzposition. Wähnte man sich auf der Ducati Hypermotard 939 hoch, aufrecht, aber sportlich, gefühlt weit vorne und eher straff gepolstert positioniert, relativiert die KTM 690 SMC R diesen Eindruck im Handumdrehen. Deutlich höher (920 Millimeter Sitzhöhe!), extrem schmal und spartanisch hart gibt sich die Sitzbank. Steigt man zurück auf die Duc, wirkt deren an sich eher knackiges Sitzkissen wie Großmutters Chaiselongue, irritiert zudem mit einer ausgeprägten Kuhle, die den Fahrer festnagelt. Die KTM-Bank dagegen ermöglicht extremen Bewegungsspielraum, man kann fast auf dem Lenkkopf sitzen und so viel Druck aufs Vorderrad bringen oder am anderen Ende der Sitzbank Wheelies fahren, bis der Tank leer ist. Wenn es also ums Handling geht, um gefühlsechtes „Knie-raus-und-quer“, dann ist die Sache glasklar.

Motorische Überlegenheit der Ducati Hypermotard 939

Allerdings, und da kann man noch so große Sympathien für den Einzylinder hegen, ist die motorische Überlegenheit der Ducati Hypermotard 939 ähnlich erdrückend wie die chassisseitige der KTM 690 SMC R. Sicher, für einen Einzylinder geht der LC4 (hier noch in der letzten Euro-3-Ausbaustufe) hervorragend, kennt keine wirkliche Konkurrenz. Aber gegen den famosen L-Twin aus Bologna hat auch der beste Eintopf der Welt so gar nichts zu bestellen. Im Zuge der Euro-4-Umstellung hat Ducati den Hubraum um rund 100 Kubik aufgestockt, und das merkt man dem Motor über den gesamten Drehzahlbereich an. Leistete sich der 821er ehemals noch einen kleinen Hänger in der Mitte, hat der 937er nun alles: Kraft im Keller, Druck in der Mitte, fulminantes Ausdrehen. Dass die gemessene Spitzenleistung praktisch identisch ist mit der des Vorgängermodells – geschenkt. Viel wichtiger ist doch, dass der neue Motor merklich an Souveränität gewonnen hat, und, egal in welchem der drei Fahrmodi, wunderbar geschmeidig am Gas hängt. Er ist zahmer geworden, aber keinesfalls zahm. Dazu feiner, mechanisch angenehmer Lauf und ein immer noch ziemlich bissiger Klangteppich – der Motor ist zweifelsfrei (vielleicht neben dem eigenwilligen, aber stimmigen Design) das Glanzlicht der Ducati Hypermotard 939.

Dem gegenüber stehen ein unten sehr ruppiger, oben kribbeliger Lauf des KTM-Einzylinders, ein sehr, sehr schmales Drehzahlband und unterm Strich eher überschaubare Fahrleistungen. Das kann die allerneueste Evolutionsstufe des LC4 mit zweiter Ausgleichswelle und einigen Extra-Pferden, wie sie schon in der 2016er-Duke verbaut ist, noch einmal deutlich besser. Bis die in der SMC R kommt, werden wir uns aber wohl noch ein wenig gedulden müssen. Zwar hat die KTM 690 SMC R ein wunderbar smoothes Getriebe und eine Ein-Finger-Kupplung, aber der Single erfordert schlicht und einfach ordentlich Kompromissbereitschaft. Wie, natürlich, das ganze Motorrad. Die KTM kann unglaublich gut fräsen, je enger, je besser, sonst aber wenig. 50 engagierte Kilometer sind drin, wenn’s sein muss 100, aber dann will das Gesäß eine Pause. Auf der Autobahn schlägt sich die 690 zwar mehr als beachtlich, aber seien wir ehrlich: Wer will so was mit einer echten Supermoto?

Und so muss die Frage, welches Konzept besser taugt, letztlich anhand des Geschmacks des Piloten, am Einsatzzweck der Maschine festgemacht werden. Die KTM 690 SMC R ist ein famoses Sportgerät mit einem extrem engen Einsatzbereich. Dort aber gibt es nichts, was man mit ihr vergleichen könnte. Außerhalb dieses Bereichs verlangt sie viel Leidensbereitschaft. Zweitmotorrad? Dieser puren Unvernunft fügt die Ducati Hypermotard 939 ein gerüttelt Maß an Alltagsnutzen und Vernunft hinzu und nebenbei handfest überlegene Fahrleistungen. Zwar fährt sie nicht so perfekt auf den Punkt wie die KTM, aber auch sie vermittelt großen Fahrspaß und echtes Supermoto-Feeling.

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