Seit Bestehen des Planeten herrscht ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb. Der Große frisst den Kleinen, der Starke haut den Schwachen, und der Riese bezwingt den Zwerg. Sowohl die Ducati Streetfighter S als auch die KTM 990 Supermoto R beanspruchen den Chefposten in der Welt der edlen, teuren und schnellen Naked Bikes. Um diesen Anspruch zu bekräftigen, protzen beide mit Schmiedefelgen, namhaften Federelementen sowie einteiligen, hart zupackenden und radial verschraubten Bremssätteln. Auch mit Carbon geizen die Bikes nicht; zahlreiche Teile aus den teuren Kohlenstofffasern zieren die Nacktbrenner.
Geschmeide präsentieren also beide zuhauf, deutlichere Unterschiede bestehen in ihrer Haltung: aggressiv, gedrungen und lauernd der Streetfighter, hochragend und aufrecht die SMR. Motorseitig wirft die Duc ein echtes Pfund in die Waagschale: In ihr werkelt eine Synthese aus den Supersport-Aggregaten von 1098 und 1198, Traktionskontrolle inklusive. Aus dem Hubraum von knapp 1100 Kubik schöpft die Italienerin 148 PS und 115 Nm Drehmoment. Aufmerksame Leser mögen sich wegen den unterschiedlichen Angaben zur Nennleistung wundern: Bei der Präsentation verkündete der Hersteller noch 155 PS.
So oder so, zu diesen Werten kann die KTM nur neidvoll aufblicken. Die Zahlen des Tausender-V2 aus Österreich: 116 PS und 97 Nm. Der Prüfstand bescheinigt der Ducati 159 PS und damit satte 11 Hengste mehr, als in den Fahrzeugpapieren angegeben. Auch die KTM zaubert mit 121 PS 5 Hengste mehr auf die Rolle als homologiert. Power ist die eine Seite der Medaille, Eigenschaften wie Leistungsentfaltung und Gasannahme gehören ebenso zum Motorenpaket wie die Schaltbarkeit des Getriebes und die Laufkultur.
Die Motoren

Kein anderer V2 in dieser Leistungsklasse geht so kultiviert zu Werke wie der LC8; seidig und kraftvoll feuert dieser Antrieb durchs Drehzahlband. Ab 2500/min präsentiert das Triebwerk die Leistung ruckfrei und gleichmäßig, über 5500/min liefert es eine Extraportion Schub. Die Österreicherin muss die Ducati nur auf offenem Feld ziehen lassen, sonst bleibt sie locker an ihr dran. Zu beanstanden gibt's die etwas sprunghafte Gasannahme, und die Gangwechsel gehen zwar weich vonstatten, die Schaltwege fallen jedoch recht lang aus.
Im Gegensatz dazu der italienische Straßenkämpfer: Seine Schaltwege sind kurz, das Getriebe arbeitet indes etwas hakig. Unter 3000/min setzt der Italo-Twin Gasbefehle nur zaghaft um; ruft der Ducati-Treiber unterhalb dieser Marke Volllast ab, rappelt und zappelt der V2 ungeniert. Oberhalb dieser Drehzahl findet das statt, was Fans so lieben: charaktervoller V2-Schlag made in Bologna. Kraftvoll und gleichermaßen zivilisiert packt der Zweizylinder zu, satt und doch sanft dringt jede Kurbelwellen-Umdrehung, jeder Kolbenstoß direkt zum Fahrer. Unverwechselbarer Sound untermalt dieses Erlebnis.
Fahreindruck Ducati Streetfighter S

Beim Fahrwerk kann die Italienerin nicht an die gute Darbietung ihres Antriebs anknüpfen. Zwar begeistert sie in weitem, ebenem Geläuf mit satter Straßenlage sowie toller Rückmeldung. Hierfür erntete die Duc beim ersten Ausritt auf einer Rennstrecke mit dieser Charakteristik viel Lob. In enge Ecken biegt die Streetfighter trotz ihrer vergleichsweise leichten 198 Kilo nur widerspenstig ein, je kleiner die Radien, desto nachhaltiger möchte sie in Schräglage gebeten werden.
Beim Herausfahren aus den Kurven fährt die Ducati weite Bögen, und bei Bodenwellen in Schräglage stellt sie sich abrupt auf. Das hat mehrere Gründe. Neben der wenig Handling-freundlichen Geometrie verursachen diese Eigentümlichkeiten auch die Serienreifen: Die Ducati harmoniert nicht sonderlich gut mit den Pirelli Diablo Corsa III. Probehalber montierte PS einen Satz Diablo Supercorsa SP aus gleichem Haus, damit umrundet der Streetfighter die Radien deutlich gefälliger. In abgeschwächter Form bleibt die Grundproblematik aber bestehen. Auch der recht straffe, nicht einstellbare Lenkungsdämpfer trägt zum störrischen Verhalten bei - der Pilot merkt den Widerstand beim Einlenken deutlich.
Eine weitere Ursache liegt in der Sitzposition. Der Pilot muss sich weit zum schnurgeraden und sehr tief montierten Lenker strecken. Diese Haltung suggeriert Aktivität, weil sie sehr frontorientiert ausfällt; in dieser Position kann der Fahrer das Bike aber aufgrund des ungünstigen Winkels nicht perfekt dirigieren. Wenn wir gerade beim Maunzen sind: Front und Heck arbeiten nicht synchron; die Abstimmung der Gabel fällt soft aus, dennoch spricht sie nicht sonderlich sensibel an, das Federbein ist knüppelhart. Unterm Strich bietet die neue Ducati in Sachen Fahrwerk noch Raum für Verbesserungen.
Fahreindruck KTM 990 Supermoto R

Die KTM liegt zwar in schnellen Bögen nicht so knackig wie der italienische Supersport-Ableger; ihre langen Federwege erzeugen mehr Bewegung, und das Feedback ist etwas unsauberer. Außerdem hadert auch sie ein wenig mit der asynchronen Abstimmung von Gabel und Federbein. Das lässt sich mit ein paar Handgriffen weitgehend beheben: Zugstufe der Gabel fast komplett öffnen, beim Federbein weit schließen. Highspeed-Druckstufendämpfung hinten bis auf eine halbe Umdrehung öffnen, das Low-Speed-Schräubchen etwas schließen. Nun gleitet die Österreicherin selbst über fiesestes Flickwerk sanft hinweg, auch beim Kurvenwedeln setzt sie Highlights.
Selbst mit dem nicht für überragendes Handling berühmten Pirelli Dragon Supercorsa Pro pfeffert sie durch sämtliche Krümmungen, auch Wechselkurven nimmt die KTM im Sturm: anvisieren, abwinkeln, fertig. Daran haben der schmalere Hinterreifen (180/55) und die Sitzposition einen großen Anteil: Vom Boden aus gemessen steht der KTM-Lenker 170 mm höher als derjenige des Streetfighters; in Relation zur Sitzhöhe sind es noch gut 110 mm. Das Lenkrohr ist 110 mm näher am Fahrer und etwas breiter. Ergonomisch sind das Welten; aus dieser Position kann der Fahrer das Bike beliebig kommandieren.
Im Alltag müssen Fans der Edelnackten kleine Abstriche machen: Die Ducati-Kupplung fordert Riesenkräfte, außerdem stört die Auspuffblende neben der rechten Fußraste: Der Fuß findet daneben zu wenig Platz. Eine Benzindusche à la KTM vermeidet nur, wer den Tankrüssel schräg ins Spritfass der SMR steckt und den Saft vorsichtig einfließen lässt - was ja auch entfernt mit Verdrängung zu tun hat.
Daten Ducati Streetfighter S

Ducati Streetfighter S
Antrieb: Zweizylinder-90-Grad-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 109,0 kW (148 PS) bei 9500/min*, 115 Nm bei 9500/min*, 1099 cm³, Bohrung/Hub: 104,0/64,7 mm, Verdichtungsverhältnis 12,5:1, Zünd-/Einspritzanlage, 60-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Trockenkupplung, Sechsgang-getriebe
Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 64,4 Grad, Nachlauf: 114 mm, Radstand: 1475 mm. Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg vorn/hinten: 120/127 mm
Räder und Bremsen: Leichtmetall-Schmiederäder, 3.50 x 17"/6.00 x 17", Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17. Erstbereifung: Pirelli Diablo Corsa III. 330-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 245-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten
Maße und Gewicht: Länge/Breite/Höhe: 2140/925/1135 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 825/965 mm, Lenkerbreite: 730 mm, 198 kg vollgetankt, v./h.: 48,0/52,0 %
Hinterradleistung im letzten Gang: 109 kW (148 PS) bei 246 km/h
Fahrleistungen: Beschleunigung 0-100/150/200 km/h: 3,2/5,5/8,8 s, Durchzug 50-100/100-150 km/h: 5,0/4,3 s
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h*
Verbrauch: Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: 6,6 Liter/100 km, Tankinhalt 16,5 Liter, Reichweite: 250 km
Grundpreis: 18700 Euro (zzgl. Nebenkosten)
*Werksangabe
Daten KTM 990 Supermoto R

KTM 990 Supermoto R
Antrieb: Zweizylinder-75-Grad-V-Motor, 4 Ventile/Zylinder, 85 kW (116 PS) bei 9000/min*, 97 Nm bei 7000/min*, 999 cm³, Bohrung/Hub: 101,0/62,4 mm, Verdichtungsverhältnis: 11,5:1, Zünd-/Einspritzanlage, 48-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe
Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 65,6 Grad, Nachlauf: 109 mm, Radstand: 1505 mm. Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 48 mm, einstell-bar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Direkt angelenktes Zentralfederbein, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg vorn/hinten: 160/180 mm
Räder und Bremsen: Leichtmetall-Schmiederäder, 3.50 x 17"/5.50 x 17", Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 180/55 ZR 17. Erstbereifung: Pirelli Dragon Supercorsa Pro. 305-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 240-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Schwimmsattel hinten
Maße und Gewicht: Länge/Breite/Höhe: 2150/925/1320 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 875/1130 mm, Lenkerbreite: 750 mm, 202,5 kg vollgetankt, v./h.: 48,4/51,6 %
Hinterradleistung im letzten Gang: 81,7 kW (111 PS) bei 221 km/h
Fahrleistungen: Beschleunigung 0-100/150/200 km/h: 3,3/6,0/11,0 s, Durchzug 50-100/100-150 km/h: 5,8/5,5 s
Höchstgeschwindigkeit: 220 km/h*
Verbrauch: Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: 7,1 Liter/100 km, Tankinhalt: 15 Liter, Reichweite: 211 km
Grundpreis: 12995 Euro (zzgl. Nebenkosten)
*Werksangabe
Leistungs- und Drehmomentdiagramm

Die Kurven von Ducati Streetfighter S und KTM 990 Supermoto R liegen meist deutlich auseinander. Speziell im letzten Drehzahldrittel legt der Streetfighter ordentlich Briketts nach.
Die Italienerin schöpft ihre Power aus gut 100 Kubik mehr Hubraum, was sich natürlich beim Drehmoment auszahlt.
PS-Urteil Ducati Streetfighter S

Ducati Streetfighter S
Antrieb: 5 Sterne
Ab 3000/min ein toller Treibsatz: stark, spritzig, einzigartig. Wenn Ducati die Gasannahme unter- halb dieser Marke verbessert, ist der Italo-Twin ein Traum.
Fahrwerk: 3 Sterne
Asynchronität von Front und Heck sowie befremdliches Kurven-fahrverhalten: In dieser Hinsicht gibt es Handlungsbedarf. Tolle, bissige Sportbremse.
Ergonomie: 3 Sterne
Streetfighter hin, fiese Sitzposition her: Der Ducatista kauert tief und nach vorn gebeugt, schaut neidisch auf den aufrecht thronenden KTM-Treiber.
Fahrspaß: 3 Sterne
In offenem, ebenem Terrain macht der Streetfighter richtig Laune. Power, Straßenlage, Feedback: Hier kommen seine Supersportgene voll zur Geltung.
PS-Urteil: 14 Sterne, Platz 2
Nur Platz 2 für die wesentlich teurere Ducati. Ihre gewöhnungsbedürftige Sitzposition und das eigentümliche Fahrverhalten kosten Punkte.
PS-Urteil KTM 990 Supermoto R

KTM 990 Supermoto R
Antrieb: 4 Sterne
38 PS weniger lassen sich nicht wegdiskutieren. Dennoch ist das Aggregat ein vorzüglicher Spielkamerad mit klasse Punch und exzellenten Manieren.
Fahrwerk: 4 Sterne
Klasse Handling, feine Manieren auf Holperpisten. Abzug gibts für die langen Federwege, die etwas Bewegung in die Fuhre leiten und das Feedback beeinträchtigen.
Ergonomie: 5 Sterne
Kaum ein anderes Bike bietet so eine geniale Kombination aus Sitzkomfort und "Ready-to-Race"-Haltung. Volle Punktzahl trotz des relativ harten Sitzes.
Fahrspaß: 5 Sterne
Ein wahrer Tausendsassa, diese KTM. Mit ihr geht auf Landstraßen alles, was das Sportfahrerherz begehrt. Wie bitte? Zu wenig Leistung? Vergiss es!
PS-Urteil: 18 Sterne, Platz 1
Die SMR sammelt in jedem Kriterium reichlich Sterne, in zweien punktet sie sogar voll. Sportliche Fahrer können sich ihrem Bann nicht entziehen.
Fazit

Fazit: Das Gesamtpaket der KTM 990 Supermoto R fasziniert, mit ihr durch die Gegend zu prügeln, macht tierisch Laune. Sie leistet sich keine nennenswerte Schwäche, gewinnt diesen Vergleichstest und etabliert sich als feste Größe im Nacktgeschäft.
Die Ducati Streetfighter S hadert insbesondere mit ihrem eigenartigen Kurvenfahrverhalten auf welligem Belag und/oder in engen Ecken. Bis auf die leicht harzige Gasannahme unter 3000/min ist ihr bärenstarker Antrieb eine echte Schau.