Fahrbericht: Aprilia Dorsoduro 1200
Italienische Supermoto mit 1200er-V2-Motor

Aprilia debütiert mit einem eigenen 1200er-V2-Motor. Seinen ersten Auftritt hat er in der Dorsoduro 1200. MOTORRAD-Chefredakteur Michael Pfeiffer konnte die neue Supermoto in Italien einer ersten Probefahrt unterziehen.

Italienische Supermoto mit 1200er-V2-Motor
Foto: Gori

Aprilia zeigt in letzter Zeit wieder Flagge. 2008 brachten die Norditaliener ein V4-Superbike mit neuem Motor, und nun schicken sie einen neu konstruierten 1200er-V2-Antrieb hinterher. Respekt für diesen unternehmerischen Mut. Wird er sich auszahlen?
Stolz überreicht Pressesprecher Roberto Zerbi den Schlüssel: "Du wirst jetzt ziemlich Spaß haben..." Eingerahmt von zwei Testfahrern geht es ums Überleben im norditalienischen Straßenwirrwarr. Nach 500 Metern stehen bereits gut 100 km/h auf der Uhr und drei Vorderräder in der Luft. Aha, Druck ist also da.

Kompletten Artikel kaufen
Fahrbericht: Aprilia Dorsoduro 1200
Italienische Supermoto mit 1200er-V2-Motor
Sie erhalten den kompletten Artikel (4 Seiten) als PDF
2,00 € | Jetzt kaufen

Die Dorsoduro 1200 ist ein waschechtes Funbike vom Schlage einer KTM Supermoto 990 oder Ducati Hypermotard 1100. Lange Federwege, schlanke Tank-Sitzbank-Linie, breiter Lenker. Wobei die Aprilia mit satten 130 PS die Stärkste im Bunde ist. "Zunächst dachten wir daran, die Höchstgeschwindigkeit zu begrenzen, immerhin geht sie über 240. Aber unser Fahrwerk ist so stabil, es war gar nicht nötig." Schickte Zerbi noch hinterher.

Die Leistungsangabe ist glaubwürdig. Der neue V2 drückt gewaltig. Dabei haben die Aprilia-Leute offensichtlich viel Wert auf gute Fahrbarkeit gelegt. Im Vergleich zum nervösen KTM-V2 strahlt das Dorsoduro-Kraftwerk Ruhe aus. Schiebt schon unter 2000/min druckvoll an, um mit steigender Drehzahl ständig mehr Power zu liefern. In der Gegend von 6000/min holt er noch mal Luft, darüber geht er richtig sportlich ab. Nicht ganz so wild wie die aktuellen Ducati-Vierventil-Desmos, was aber für genussvolles Kurvenräubern auch gar nicht wichtig ist. Dafür kann auch mal aus 60 km/h im sechsten Gang beschleunigt werden, was weder mit einer KTM noch mit besagten Ducatis geht.

Kurven aller Art nimmt die Dorsoduro 1200 genauso gelassen wie ihre kleine Schwester mit 750er-Motor. Der dicke V2 wiegt nur sechs Kilogramm mehr, und so konnte auch das Fahrwerk - ein klug konstruierter Verbund von Aluminium-Gußteilen mit Stahl-Gitterrohr - nahezu gleich ausgelegt werden wie in der überzeugenden kleinen Dorsoduro. Schnell zaubert das Spaßmobil ein Lächeln ins Gesicht, lenkt toll ein, liegt stabil und recht neutral in Kurven und wird auch auf schnellen Abschnitten nicht zappelig. Die bestens dosierbaren Bremsen lassen den Fahrer auch schnelle Etappen locker angehen. Ja, selbst der Fahrkomfort kommt dank gut ansprechender und langhubiger Federelemente nicht zu kurz. Das direkt angelenkte hintere Federbein von Sachs erzeugt sogar ein im Vergleich zur 750er deutlich satteres Fahrgefühl. Die nicht zu vorderradorientierte Sitzposition mit perfekt gekröpftem Lenker tut ein Übriges im Aprilia-Wohlfühlprogramm.

Apropos Programm: Drei Fahrprogramme stehen zur Wahl. Wilde Wheelie-Kings stellen den Motor auf Sportmodus für ganz spontanes Ansprechen, im etwas sanfteren Touringmodus werden alle glücklich. Für glitschige Straßen gibt es einen leistungsreduzierten Regenmodus, der den V2 auf 100 PS drosselt. Ermöglicht wird dies durch die vollelektronische Steuerung der beiden großen 57er-Drosselklappen, übrigens deutlich besser abgestimmt als in der oft kritisierten 750er. "Was gibt es zu kritisieren", fragt Zerbi nach der Testfahrt. "Vibrationen bei 6000/min in der linken Fußraste", die Antwort. Zerbi lächelt ein italienisches: "Wenn es weiter nichts ist."

Interview: Entwicklungschef

Gori
Interview mit Maurizio Roman, 54, Entwicklungschef der Piaggio-Gruppe: "In der Krise muss man nah am Kunden sein".

Im Jahr 2004 hat Piaggio Aprilia und Moto Guzzi übernommen. So richtig gewachsen sind beide bislang aber nicht. Woran liegt das?

Ein erfolgreiches neues Konzept für zwei Marken zu entwickeln, braucht einfach Zeit. Mit Aprilia sind wir jetzt so weit. Einschließlich der neuen Dorsoduro 1200 bieten wir nun eine Produktpalette an, die von 50 bis 1200 cm3 reicht und zwar alles mit eigenen Motoren. Das ist einzigartig in Europa, und damit sind wir bestens aufgestellt.

Nun kommen Sie damit genau in Zeiten einer tiefreichenden Krise. Wie wollen Sie die bewältigen?

In der Krise muss man ganz nah am Kunden sein und ihm Motorräder mit eigenständigem Charakter bieten. Bei Aprilia setzen wir vor allem auf drei Dinge: sportliche Ausrichtung, optimale Fahrbarkeit und ein rundum überzeugendes Leistungspaket.

Und bei Moto Guzzi?

Da geht es uns vor allem um Komfort, ein Premium-Design und um angemessene Leistung. Nicht unendlich viel PS, sondern viel Drehmoment. Wir arbeiten an einem neuen Motor
mit der klassischen Guzzi-Architektur.

Video-Interview & technische Daten

MOTOR
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, zwei obenliegende Nockenwellen und vier Ventile pro Zylinder, Einspritzung, Ø 57 mm, Hubraum 1197 cm³.
Nennleistung 96 kW (130 PS) bei 8700/min, Max. Drehmoment 115 Nm bei 7500/min.

Verbundrahmen aus Stahlgitterrohr, Aluminium Gußteilen und Heckrahmen aus Aluminiumrohren, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Aluminiumschwinge, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm; Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17.

MASSE und GEWICHT: Radstand 1528 mm Federweg v/h 160/155 mm, Sitzhöhe 870 mm, Gewicht vollgetankt 209 kg, Tankinhalt 15 Liter.
PREIS: k. A.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023