Schweden-Hammer aus Österreich
Schwarz statt Blau/Gelb

Zwei Werte sagen mehr als 1000 Worte: 137 Kilogramm vollgetankt und 70 PS Spitzenleistung. Diese Eckdaten genügen, um der Euphorie über die gelungene Optik die technische Zugabe zu liefern: die Aprilia SXV 550 – für Supermoto-Fans, die das Extreme und Ausgefallene lieben. Denn schließlich haben die Mannen aus dem italienischen Noale das Unkonventionelle zum Konzept deklariert. Der Verbundrahmen aus Gitterrohrgeflecht und Aluminium-Gussteilen sowie der 77-Grad-V2-Motor mit Benzineinspritzung und Unicam-Ventilsteuerung heben sich spektakulär von allem im Supermoto-Bereich bislang Dagewesenen ab.
Die Daten wollen nicht aus dem Kopf: 137 Kilo und 70 PS! Dazu diese ultraschmale Auslegung. Ein klarer Fall für die Landstraße. Zuerst der Druck auf den E-Starter. Die SXV stirbt immer wieder ab. Der kleine Knopf am Gasgriff, der zum Kaltstart das Standgas anhebt, erledigt seinen Job nur teilweise. Erst als die rechte Hand den Gasgriff einen Tick weiter aufdreht, tuckert der Zweizylinder vor sich hin. Auch später, im heißen Zustand, kommt der V2 meist nicht auf Anhieb. Dennoch, Abfahrt. Der Zweizylinder schiebt kräftig an, drückt ab 3000/min los und lässt erst locker, wenn der Drehzahlbegrenzer bei 11500/min eingreift.
Quicklebendig hängt das Motörchen am Gas, ist durch das kurz übersetzte und eng gestufte Fünfganggetriebe spielend leicht im idealen Drehzahlbereich zwischen 7000 und 9000 Umdrehungen zu halten. Anbremsen, zwei Gänge runterschalten, ab-winkeln – das Fliegengewicht versprüht Supermoto-Feeling in Reinessenz, fühlt sich auf verschlungenen Sträßchen in seinem Element. Den Spaß bremst allerdings das im unteren Drehzahlbereich nicht ganz gelungene Mapping des Motormanagements. Das abrupte Einsetzen des Zweizylinders verhagelt in engen Kehren so manche angepeilte Linie. Wozu der ungewöhnlich breite 180er-Hinterradreifen ebenfalls seinen Teil beiträgt, der im Gegensatz zu den in der Supermoto-Branche üblichen 160er-Pneus beim Anbremsen eine spürbare Aufstellneigung erzeugt.
Für rumpelige Landstraßen ist auch die komfortabel abgestimmte Federung ausgelegt. Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Heftige Bremsmanöver lassen die Upside-down-Gabel – übrigens ein Erstlingswerk des italienischen Herstellers Sachs – weit
eintauchen. Doch selbst wenn’s schneller wird, kann der SXV-Pilot noch mithalten. Laut Tacho rennt die Aprilia 192 km/h, was echten 177 km/h entspricht. Und läuft dabei noch schön geradeaus. Allerdings nicht besonders lange. Bei einem Testverbrauch in Höhe des Tankvolumens von 7,5 Litern zieht es die Italienerin wirklich verdammt oft zur Tanke.
Und sonst? Bremsen: Für die Kombination aus schicker Wave-Bremsscheibe und radial verschraubtem Bremssattel von FTE reicht der Zug eines einzigen Fingers. Kupplung: Der Druckpunkt könnte klarer definiert sein. Sitzposition: Stolze 90 Zenti-meter stören alle unterhalb des Gardemaßes. Und bequem ist die dick gepolsterte, aber rennsportlich-schmale Sitzbank auch nur in der ersten Stunde. Also doch ein Bike für die Rennstrecke?
Aus legaler Sicht schon. Von der satten Power – die immerhin noch mit dem in Sachen Lautstärke durchaus akzeptablen Serien-Auspuff erreicht wird – bleiben in der zulassungsfähigen Version gerade mal 20 übrig. Ebenfalls ein Extrem. pm

Unsere Highlights

Extremfall - Aprilia SXV 550

Zwei Werte sagen mehr als 1000 Worte: 137 Kilogramm vollgetankt und 70 PS Spitzenleistung. Diese Eckdaten genügen, um der Euphorie über die gelungene Optik die technische Zugabe zu liefern: die Aprilia SXV 550 – für Supermoto-Fans, die das Extreme und Ausgefallene lieben. Denn schließlich haben die Mannen aus dem italienischen Noale das Unkonventionelle zum Konzept deklariert. Der Verbundrahmen aus Gitterrohrgeflecht und Aluminium-Gussteilen sowie der 77-Grad-V2-Motor mit Benzineinspritzung und Unicam-Ventilsteuerung heben sich spektakulär von allem im Supermoto-Bereich bislang Dagewesenen ab.
Die Daten wollen nicht aus dem Kopf: 137 Kilo und 70 PS! Dazu diese ultraschmale Auslegung. Ein klarer Fall für die Landstraße. Zuerst der Druck auf den E-Starter. Die SXV stirbt
immer wieder ab. Der kleine Knopf am Gasgriff, der zum Kaltstart das Standgas anhebt, erledigt seinen Job nur teilweise. Erst als die rechte Hand den Gasgriff einen Tick weiter aufdreht, tuckert der Zweizylinder vor sich hin. Auch später, im heißen Zustand, kommt der V2 meist nicht auf Anhieb. Dennoch, Abfahrt. Der Zweizylinder schiebt kräftig an, drückt ab 3000/min los und lässt erst locker, wenn der Drehzahlbegrenzer bei 11500/min eingreift.
Quicklebendig hängt das Motörchen am Gas, ist durch das kurz übersetzte und eng gestufte Fünfganggetriebe spielend leicht im idealen Drehzahlbereich zwischen 7000 und 9000 Umdrehungen zu halten. Anbremsen, zwei Gänge runterschalten, ab-winkeln – das Fliegengewicht versprüht Supermoto-Feeling in Reinessenz, fühlt sich auf verschlungenen Sträßchen in seinem Element. Den Spaß bremst allerdings das im unteren Drehzahl-
bereich nicht ganz gelungene Mapping des Motormanagements. Das abrupte Einsetzen des Zweizylinders verhagelt in engen
Kehren so manche angepeilte Linie. Wozu der ungewöhnlich breite 180er-Hinterradreifen ebenfalls seinen Teil beiträgt, der im Gegensatz zu den in der Supermoto-Branche üblichen 160er-Pneus beim Anbremsen eine spürbare Aufstellneigung erzeugt.
Für rumpelige Landstraßen ist auch die komfortabel abgestimmte Federung ausgelegt. Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Heftige Bremsmanöver lassen die Upside-down-Gabel – übrigens ein Erstlingswerk des italienischen Herstellers Sachs – weit
eintauchen. Doch selbst wenn’s schneller wird, kann der SXV-Pilot noch mithalten. Laut Tacho rennt die Aprilia 192 km/h, was echten 177 km/h entspricht. Und läuft dabei noch schön geradeaus. Allerdings nicht besonders lange. Bei einem Testverbrauch in Höhe des Tankvolumens von 7,5 Litern zieht es die Italienerin wirklich verdammt oft zur Tanke.
Und sonst? Bremsen: Für die Kombination aus schicker Wave-Bremsscheibe und radial verschraubtem Bremssattel von FTE reicht der Zug eines einzigen Fingers. Kupplung: Der Druckpunkt könnte klarer definiert sein. Sitzposition: Stolze 90 Zenti-meter stören alle unterhalb des Gardemaßes. Und bequem ist die dick gepolsterte, aber rennsportlich-schmale Sitzbank auch nur
in der ersten Stunde. Also doch ein Bike für die Rennstrecke?
Aus legaler Sicht schon. Von der satten Power – die immerhin noch mit dem in Sachen Lautstärke durchaus akzeptablen Serien-Auspuff erreicht wird – bleiben in der zulassungsfähigen Version gerade mal 20 übrig. Ebenfalls ein Extrem. pm

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023