3C-Ducati 1199 Panigale R im Fahrbericht
Im Regen von Jerez

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Nass gemacht hat das 3C-Ducati-Team mit Meister Xavi Fores und Max Neukirchner in der IDM alle Gegner. Im Regen von Jerez bekam PS eine Kostprobe der 3C-Ducati 1199 Panigale R.

Im Regen von Jerez
Foto: Porozzi

Am Ende war die Konkurrenz chancenlos. Elf von 15 möglichen Siegen holten die 3C-Ducati-Piloten Xavi Fores und Max Neukirchner. Und damit auch souverän Meister- und Vizemeister-Titel der IDM-Superbike. Einen Sieg steuerte Ex-WM-Pilot Lorenzo Lanzi bei. Die Hälfte aller Pole-Positions ergatterten die Roten, und in Assen gelang ihnen das Kunststück, zusammen mit Lanzi die gesamte erste Startreihe in Beschlag zu nehmen. Es gab kein Rennen, bei dem nicht ein 3C-Pilot auf dem Podest stand. Eine eindrucksvolle Saisonbilanz der 3C-Ducati 1199 Panigale R, die nun in der Box in Jerez während der Superbike-Tests bereitsteht.

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Dumm nur, dass es wie aus Eimern schüttet. Kein Rad dreht sich. Die 3C-Ducati 1199 Panigale R wäre startklar, Regenreifen sind montiert, die Reifenwärmer bullern mit 50 Grad sanft vor sich hin und das Regen-Setup ist eingebaut. Letztlich hat Petrus ein Einsehen. Kurz bevor die Boxenampel an diesem Morgen die Strecke freigibt, schließt er die Schleusen. Die Duc besitzt noch ihren Anlasser, dennoch mussten die Techniker zwei Kilogramm Ballast dazu packen, um auf das Mindestgewicht von 168 Kilo zu kommen. Mit bellenden Gasstößen bringt ein Mechaniker Wasser und Öl der Maschine auf Temperatur, mit rund 3000/min grollt sie ungeduldig vor sich hin, los geht’s!

Twin zeichnet sich durch Fahrbarkeit aus

Die linke Hand muss mächtig zupacken, um die Kupplung zu ziehen. Härtere Federn wappnen die Kupplung für die anstehenden 210 PS des Ducati-Twins. Das IDM-Reglement lässt zwar bei der Elektronik weitgehend freie Hand, am Motor jedoch nur geringe Änderungen zu. Getriebe, Zylinderköpfe, Kurbelwelle und Kolben müssen unangetastet bleiben. Die Nockenwellen sind freigestellt. Im Falle der 3C-Ducati 1199 Panigale R steuern Wellen mit dem gleichen Hub wie die Serie, aber fülligeren Erhebungskurven die Ventile. Selbst die Ansaugöffnungen in der Verkleidung müssen serienmäßig bleiben. Zur Leistungsfindung umso wichtiger ist daher der penible Aufbau des Motors, die Minimierung der inneren Reibung. Und natürlich die Abstimmung der Elektronik. Heraus kam ein Twin, der nicht gnadenlos auf Spitzenleistung abgestimmt ist, sondern sich durch Fahrbarkeit auszeichnet.

„Ein breites nutzbares Drehzahlband ist enorm wichtig, in engen Ecken fällt die Drehzahl schon mal bis auf 4000 Touren“, hatte Ernesto Marinelli, Superbike-Projektmanager von Ducati Corse, vor dem Start erwähnt. Nun, bei dieser Marke rappelt der Twin zwar noch ein wenig, doch schon wenige hundert Umdrehungen später spannt er die Muskeln und beginnt wie ein Büffel durch das Drehzahlband zu zerren. Beinahe unspektakulär gleichmäßig und ohne Einbrüche schiebt die 3C-Ducati 1199 Panigale R vorwärts. Die Gasannahme im Kurvenscheitel ist präzise und direkt, aber keineswegs ruppig. Dazu läuft der Twin ausgesprochen smooth. Ideale Bedingungen, um die Power sauber kontrolliert einzusetzen, auch unter diesen Bedingungen.

Materialmordende 12.700/min drehen die WM-Motoren, der 3C-Ducati 1199 Panigale R setzt der Begrenzer bei 12.300/min das Limit, immerhin noch 200/min später als bei der Serie. Doch ist das Ausschöpfen dieser Drehzahlreserven gar nicht nötig, ihren Leistungsgipfel erreicht die Panigale bereits 500 bis 600 Umdrehungen vorher. Keine unwirsche Leistungsexplosion in höchsten Regionen, die das Ausdrehen zwingend nötig macht. Außerdem verlängert die begrenzte Maximaldrehzahl das Leben der Motoren. So kam das 3C-Team vergangene Saison mit acht Motoren für beide Fahrer aus.

Lenkt auf den Punkt ein und hält mühelos die Linie

Wer auf innigen Kontakt zum Motorrad steht, hat an der 3C-Ducati 1199 Panigale R seine helle Freude. Das Feedback ist famos. Sie zackt zwar nicht wie eine Flipperkugel von einer Kurve zur nächsten, doch lenkt sie auf den Punkt ein und hält mühelos die Linie, selbst wenn es mit vollen Segeln aus den Ecken heraus geht. Dabei regelt die Elektronik früh und unglaublich fein. Hinterradrutscher oder ein aufsteigendes Vorderrad sind selbst bei beherzten Aktionen am Gas kaum ansatzweise auszumachen.

Die weichen Regenreifen bieten unglaublichen Grip und man kann förmlich spüren, wie sich das Gummi in die Fahrbahnoberfläche saugt. Die Federelemente der 3C-Ducati 1199 Panigale R waren selbst für den Regeneinsatz überraschend weich abgestimmt. Gegenüber dem Trocken-Setup kommen vorne Federn mit 9,5 statt 10,5 N/mm Federrate zum Einsatz, beim Federbein gar eine 80er statt der 95 N/mm-Feder.

Die wahre Stärke liegt in der fein abgestimmten Marelli-Elektronik

Das gestattet zwar viel Bewegung im Fahrwerk, dafür erhält man ausgezeichnete Rückmeldung von der Fahrbahn, selbst wenn man mit den haarfein dosierbaren Monoblock-Brembos weit in die Kurve hineinbremst. „Auf der Bremse und am Kurveneingang sind wir stark“, bestätigt Marinelli. Nur in Bezug auf Spitzenleistung und Topspeed gäbe es noch Nachholbedarf. Und hin und wieder bei der Traktion. Wobei auf den meisten Strecken der Schwingendrehpunkt auf der tiefsten Position gefahren wurde, was bereits für mehr Traktion sorgt. Nur wo verstärkt Handling gefragt ist, wie in Assen, stellten die Techniker die Schwingenlagerung im Rahmen auf die höchste Position. Die wahre Stärke der 3C-Ducati 1199 Panigale R liegt aber in der fein abgestimmten Marelli-Elektronik, die aus den letztjährigen WM-Bikes stammt und im Wesentlichen die Abstimmung der Superstock-WM-Maschinen trägt. Vom Ducati Corse-Datentechniker Christian Moretti betreut, profitiert sie gewaltig vom Erfahrungsschatz und Daten-Fundus der Superstock-WM-Teams.

Deshalb wird Moretti auch in der kommenden Saison beim Team bleiben, dann erhält die 3C-Ducati 1199 Panigale R die momentan verwendete Elektronik der Werksmaschinen. Schließlich schlafen die Gegner nicht, der Gegenwind dürfte für das 3C-Team schärfer werden. BMW schiebt die überarbeitete S 1000 RR an den Start, und auch der zum Yamaha-Team von Michael Galinski abgewanderte Max Neukirchner wird ein Wörtchen mitreden wollen. Doch mit der in den Startlöchern stehenden neuen Panigale R sollte Ducati leistungstechnisch auf Augenhöhe sein und mit dem Support von Ducati Corse im nächsten Jahr ein schlagkräftiges Motorrad an den Start rollen. Die kommende IDM-Saison wird spannend.

Technische Daten 3C-Ducati 1199 Panigale R

Porozzo
Die wahre Stärke der 3C-Ducati 1199 Panigale R liegt in der fein abgestimmten Marelli-Elektronik, die aus den letztjährigen WM-Bikes stammt.

3C-Ducati 1199 Panigale R

Antrieb
Zweizylinder-90-Grad-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, ca. 154 kW (210 PS) bei 11.500/min*, 1198 cm³, Bohrung/Hub: 112,0/60,8 mm, Verdichtung: k.A., Zünd-/Einspritzanlage, 68-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, Kette

Fahrwerk
Monocoque aus Aluminium, Lenkkopfwinkel: 65,5 Grad, Nachlauf: 100 mm, Radstand: 1450 mm, Öhlins-Gabel Typ FG169P, Ø Gabel­innenrohr: 43 mm, Öhlins Federbein RSP40, Federweg v./h.: 120/130 mm

Räder und Bremsen
Leichtmetall-Schmiederäder, 3,50 x 17/6,00 x 17, Reifen vorn: 120/70-R 17, hinten: 200/60-R17, 330-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 245-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Festsattel hinten

Gewicht
(ohne Benzin nach IDM-Reglement) 168 kg
Tankinhalt: 17,0 Liter Super

Die aktuelle Ausgabe
PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023