Gebrauchtkauf BMW K 1
Nachtfahrgebot

Daß sich K 1-Fahrer nur nachts vor die Tür trauen, ist ein böses Gerücht. Den Massengeschmack trifft der Verkleidungskünstler aber sicher nicht.

Nachtfahrgebot
Foto: Archiv

Selbst schuld. Auf Seite sieben der BMW-Pressemappe 1989 steht es schwarz auf weiß: »Mit ihr (der K 1) begibt sich BMW aus seiner klassischen Marktdomäne der Tourenmaschinen in das Segment der sogenannten Supersport-Motorräder.« Diese hausgemachte Eingruppierung machte ihr das Leben unnötig schwer, denn verglichen wurde die K 1 folglich mit japanischen Supersportlern. Und gegen die sah sie meist ziemlich alt aus, denn Fahrwerk und Schräglagenfreiheit konnten den Ansprüchen an einen Supersportler nicht genügen.

Ein Verkaufserfolg war die K 1 nie, dafür sind weltweit 6790, davon 2050 in Deutschland verkaufte Exemplare für BMW-Verhältnisse einfach zu wenig. Ein viel größerer Erfolg war aber der PR-Rummel, den das Schalentier bei ihrer Präsentation auf der IFMA 1988 verursachte. Noch bevor ein Kunde auch nur einen Meter mit der K 1 gefahren war, wählten sie die MOTORRAD-Leser zum »Motorrad des Jahres«. Die für 1989 geplante Kontingent war blitzschnell ausverkauft. Was dann in Form von verlorenen Vergleichstests folgte, wirkte eher ernüchternd. Spätestens mit der 1990 präsentierten Vierventil-K 100 RS, die bis auf die Verkleidung fast identisch ist und trotzdem fast alles besser kann, war es mit der Euphorie vorbei. Langsam, aber sicher verschwand die K 1 in der Versenkung. Ein letztes Aufbäumen gab es Ende 1991, als vermeldet werden konnte, daß fortan ABS, Katalysator, Warnblinkanlage, Seitenstütze und Zusatzinstrumente serienmäßig seien.

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Ende 1993 kam dann mit dem Sondermodell »Ultima« das endgültige Aus.Heute sind gebrauchte K 1 die Rekord- Standuhren beim freundlichen BMW-Händler. Kein anderes Modell der Bayern läßt sich aus zweiter Hand so schwer verkaufen. Wer privat sein Verkäufer-Glück versucht, stellt häufig nach Wochen fest, daß außer Insertions-Spesen nichts gewesen ist. Des Verkäufers Leid ist natürlich des Käufers Freud, denn von der K 75 einmal abgesehen, ist die K 1 mittlerweile auch das am meisten verkannte BMW-Modell und damit im wahrsten Sinne des Wortes äußerst preiswert. Etwas Mut gehört allerdings zum K 1-Fahren, denn wer mit dem an James Bond-Mobile erinnernden Motorrad an Biker-Treffpunkten auftaucht, erntet möglicherweise Kopfschütteln, schlimmstenfalls aber schallendes Gelächter. Das allerdings von absolut Unwissenden, denn wer auch nur einmal auf der K 1 eine längere Strecke zügig zurückgelegt hat, kennt ihre wahren Qualitäten.

Die hat sie in erster Linie dank ihrer ungewöhnlichen Verschalung. Die K 1 liegt dermaßen gut im Wind, daß Dauergeschwindigkeiten von über 200 km/h nicht weiter anstrengend wirken. Der Wind- und Wetterschutz entspricht dem eines ausgewachsenen Tourers. Sogar eine Heizung ist serienmäßig. Etwas unfreiwillig allerdings, denn die hinter der Verkleidung aufsteigende Abwärme sorgt im Sommer besonders auf der linken Seite für Grillhaxen, in der kühleren Jahreszeit verhindert sie dafür wirksam Eisbeine. Wen das stört, der bekommt bei BMW-Mertinke in Frankfurt/Main (Telefon 0 69/58 27 83) für 998 Mark passende Verkleidungs-Einsätze, die in ähnlicher Form an der Schweizer Ausführung zur Geräuschdämpfung bereits serienmäßig waren.

Die Sitzbankabdeckung läßt sich leicht abnehmen, und zum Vorschein kommt dann ein durchaus bequemer Soziusplatz. Der muß allerdings geopfert werden, wenn es mit Gepäck auf Reisen gehen soll. Koffer passen nicht an die K 1, die beiden integrierten »Geigenkästen« fassen jeweils nur sechs Liter. Wer außer Zahnbürste, Badehose und Scheckkarte noch etwas anderes mitnehmen möchte, ist auf das 422 Mark teure BMW-Gepäcksystem angewiesen, und das wird nun mal auf dem Soziusplatz montiert.

Auf großer Tour lernt man schnell die besondere Charakteristik des 100 PS starken Motors kennen. Der aus dem K 100-Zweiventiler entwickelte Vierventiler ist etwas gewöhnungsbedürtftig, denn unterhalb von 5000/min geht’s beschaulich, bis 6000/min geht wenig, und ab 6000/min geht alles. Die von den alten K 100-Modellen gewohnte »homogene Leistungsabgabe« geht dem K 1-Motor völlig ab. Der längsliegend eingebaute Reihenvierzylinder möchte kräftig gedreht werden. Bei 9400/min setzt ein Drehzahlbegrenzer dem Treiben ein Ende. Auf dem Tacho stehen dann 260 bis 280 km/h, was echten 230 bis 240 km/h entspricht. In Anbetracht der hervorragenden Verkleidung ist das etwas enttäuschend, denn mit einem längeren fünften Gang wäre noch etwas mehr drin.

Die K 1 war nicht nur die erste Serien-BMW mit Vierventil-Zylinderkopf, sondern auch die erste mit digitaler Motor-Elektronik der neuen Generation, mit Vierkolben-Bremssätteln und das erste K-Modell mit Paralever-System an der Hinterradschwinge. Die Brembo-Bremsanlage konnte von Anfang an mit den besten japanischen Anlagen mithalten, aber dennoch leistete sich die K 1 in Sachen Bremse einen peinlichen Fauxpas: Bei extremer Belastung konnten sich die Bremsbeläge vom Belagträger lösen. Die Klebeverbindung wurde durch Streusalzeinwirkung beeinträchtigt. Eine Rückrufaktion mit Austausch der betroffenen Teile war die Konsequenz.

Die neuen Beläge und Träger sind auf der Oberseite durch zwei weiße Striche markiert. Gebrauchtkäufer werden Schwierigkeiten haben, das sofort zu erkennen, denn freie Sicht gibt’s erst nach Demontage des zweiteiligen Vorderradkotflügels. Etwas peinlich war auch ein vereinzelt auftretender Kupplungsdefekt, der meist einen kapitalen Folgeschaden verursachte. Die Vernietung der Federn auf der Druckplatte löste sich, die Federn rotierten »frei im Raum« und zerfrästen dabei den Getriebeflansch. BMW ließ eine Verbesserung in die Serie einfließen. Ähnlich ärgerlich und gar nicht mal ganz so selten waren Kreuzgelenkbrüche. Die Reparaturkosten konnten schnell ein paar tausend Mark betragen, aber BMW regulierte in fast allen Fällen auf Garantie oder Kulanz.

Wer ein ausgefülltes Scheckheft vorweisen konnte, bekam auch lange nach der Garantiezeit und bei relativ hohen Kilometerleistungen eine ganze Menge ersetzt. An der grundsätzlich soliden Basis der K 1 besteht aber kein Zweifel. Motor und Aggregate erreichen im Normalfall Laufleistungen, die man sonst eigentlich nur aus dem Automobilbau und von den besten japanischen Motorrädern gewohnt ist, das heißt jenseits von 100 000 Kilometern. Ärgerlich sind lediglich einige Kleinigkeiten, wie die meist sehr frühzeitig undichten Gabeldichtringe und die oft durch Kontaktschwierigkeiten verursachten Elektronik-Macken.

Die von einigen K 1-Besitzern beklagten Vibrationen unterliegen offensichtlich einer starken Serienstreuung. Das Federbein empfinden fast alle Fahrer als viel zu hart. Die K 1 reagiert äußerst sensibel auf die richtige Reifenwahl. Dunlop Sportmax und Bridgestone BT 50 und BT 53 heißen die Favoriten. Die Einspritzanlage arbeitet zuverlässig und vor allem sparsam. Das Startverhalten ist hervorragend.

Hervorragend sind auch die Gebrauchtpreise, nämlich hervorragend niedrig in Relation zum Neupreis. Die zuletzt 27 500 Mark teure K 1 ist manchmal schon für die Hälfte ihres Neupreises zu bekommen. Mutige Interessenten sollten allerdings in nächster Zeit zuschlagen, denn es ist abzusehen, daß aus der Standuhr einmal ein echtes Liebhaber- und Sammlerstück wird.

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Erscheinungsdatum 15.09.2023